Abschied der Neuberschen Gesellschaft aus Hamburg

HERR FABRICIUS.
Was sollen wir denn hier? Das Stück ist ja vorbei?
HERR MEYER.
Ich weiß wahrhaftig nicht, was dieser Anhang sei,
Der unvermuthet kommt.
MADAME NEUBER.
Geduld, gebt euch zufrieden!
HERR SUPPIG.
Damit ists nicht genug.
HR. MEYER.
Wir sind hieher beschieden,
und wissen nicht warum.
HR. SUPPIG.
Was ists? Was wird denn draus?
MD. NEUBER.
Ich führ euch allesammt mit Ehren aus dem Haus.
Nicht durch Betrug und List: nein, recht wie sichs gebühret.
Ich hab euch zwar hieher in diese Noth geführet;
alleine recht mit Zwang. Ich hab mich recht gewehrt.
Ich wußte, daß dies Haus den Segen selbst verzehrt;
und dennoch trat ich ein. Die Schwachheit einer Frauen,
vermag doch wohl einmal auch einen Mann zu trauen?
Genug: ich rett uns nun aus Elend und Gefahr,
die uns durch Eigennutz und List gedrohet war.
HR. SUPPIG.
Der Spaß kost nur viel Geld.
HR. FABRICIUS.
Mein Freund was ist zu machen?
MD. NEUBER.
Geduld! Die Redlichkeit kann doch am Ende lachen,
wenn List und Eigennutz sich selber nagt und frißt;
die Unschuld hintergeht.
HR. FABRICIUS.
Wenn das Dein Trost noch ist
so mag es immer sein.
HR. SUPPIG.
Das kann mich auch ergötzen.
HR. MEYER.
Der Himmel kann es auch ja wieder reich ersetzen.
MD. NEUBER.
Ach ja, das wird er thun. Er fängt jetzund schon an.
[243]
HR. FABRICIUS.
So mag das immer sein, was man uns angethan.
Vergeben, redlich sein, sind lauter große Dinge.
MD. NEUBER.
Wenn ich euch allerseits nun jetzt die Nachricht bringe:
Daß selbst der Geiz, die List, und was man Böses nennt,
uns nicht mehr schaden kann; daß uns Gott Gutes gönnt;
daß er uns glücklich macht, und ruhig will erhalten:
dafür muß unser Dank zu keiner Zeit erkalten.
Ihr Freunde! werfet nun den Kummer und Verdruß
in diesen alten Staub, werft ihn vor eurem Fuß:
und denkt an nichts als Dank und billiges verehren,
hört auf mit Klag und Angst, mit Ärgern und Beschweren,
und laßt mir nun den Ruhm, daß keine wahre Pflicht
von mir vergessen wird. Verstört mich jetzund nicht,
ich muß die Schuldigkeit fürs Gute nicht vergessen,
Das Böse mit Vernunft und mit Geduld ermessen.
Darinnen kommt der Ruhm, auch wiederum zurück
an euch, und euren Ruhm, an eure Ruh und Glück.
HR. FABRICIUS.
Sprich nur, soviel Du kannst, wir wollen Dich nicht stören.
HR. SUPPIG.
Ach ja, das will ich gern und auch geduldig hören.
HR. MEYER.
Wir andern stimmen bei und wollen stille sein.
MD. NEUBER.
Durch dies wird Glück und Ruh für euch auch allgemein.
Ihr Freunde schickt den Wunsch zugleich aus euren Herzen,
Und laßt uns alle Noth bei Glück und Ruh verschmerzen.
Heut sag ich auch im Glück an Dich ein wahres Wort,
Gesegnet, benedeit, wahrhaftig schöner Ort,
mein Hamburg! Laß mich doch zwei Stück in Dir betrachten
und jedes nach den Werth und seine Größe achten.
Ihr Freunde habt Geduld! Heut gehts die Feinde an,
weil sie der Rang betrifft, und sie sehr viel gethan
zu meinem Untergang. Ich will mich nicht beschweren
und sie aus Dankbarkeit vielmehr noch dafür ehren.
Hier hält mich wenig Gunst und kein Verdienst zurück,
drum gönnet wenigstens Euch und mir dieses Glück,
daß Ihr uns nicht mehr seht. Vielleicht daß Zeiten kommen,
in welchen Ihr und wir in allen zugenommen,
was unser Schauspiel groß und Euch erkenntlich macht:
nur gebt auf den Hanswurst in Zukunft besser Acht,
daß er nicht Hungers stirbt und Euch mehr Schulden spielet,
in seinem Zotenkram, die Ihr im Herzen fühlet.
[244] Verschreibt auch einen Mann geschickt zum Arlequin
aus unbekannter Luft. Laßt ihn bei Euch erziehn,
belehrt ihn, macht ihn groß, und gebt ihm eure Werke
recht mit Gelehrsamkeit mit größter Weisheit Stärke:
zum Segen schützet ihn, nehmt ihn zum Vorbild an,
vielleicht daß dieser Euch geschickter bessern kann,
wenn Ihr den Unterschied von wahr und falschen Sachen
an ihm erkennen lernt, und Euch könnt besser machen.
Den Worten füg ich hier die Kraft der Wahrheit bei.
Ihr seid selbst überzeugt, daß es so gründlich sei
als euer Vorsatz ist, nichts Gutes zu ernähren:
als eure Klugheit steigt, die Unschuld zu verheeren,
die Ihr doch nicht erbaut, nicht kennt, nicht haben wollt,
und wenn sie Euch nur Salz und Wasser kosten sollt,
dabei das Brot doch fehlt, das man den Bettlern reichet,
ihm nicht die Bissen zählt und schlechter nicht vergleichet,
als er es würdig ist. Seht! nun erklär ich mich,
bedenkt: mein Vorsatz war, daß sag ich öffentlich,
daß unserm deutschen Reich kein Vorzug sollt gebrechen
in einer Kleinigkeit, so werdet ihr selbst sprechen,
denn von der Schauspielkunst habt ihr sehr wenig Licht,
weils Euch an Zärtlichkeit, Natur und Kunst gebricht
Das Lesen langt nicht zu, auch nicht nach Frankreich reisen,
ein Schauspiel recht verstehn, erfordert einen weisen
wahrhaftig klugen Mann, der jede Wahrheit kennt,
die Tugend redlich liebt, und dem das Leben gönnt,
der Fleiß und Wissenschaft pflichtmäßig treibt und übet,
der nicht blos um Gewinnst das wahre Gute liebet,
nein! der dem Guten folgt, und hätt' er nichts als Hohn,
der kleinen Geister Haß und Spötterei zum Lohn;
dem auch der Mangel lieb: wenn er sich nur mit Ehren
aus der Beschimpfung reißt, womit ihn die beschweren
die seine Feinde sind. Ist dieses recht gethan
so nehmt auch, was ich sag, von mir vernünftig an.
Geht selbst in Euer Herz, das wird Euch deutlich sagen,
warum ich Euch so frei die Wahrheit vorgetragen.
Glaubt, daß hier weder Stolz noch Frechheit aus mir spricht,
und auch kein Übermuth. Darum verwerft dies nicht.
Es liegt ein wahrer Dank in diesem Salz verborgen.
Ich lieb und ehr in Euch wahrhaftig alle Sorgen,
Verlust und alle Müh, die Ihr mir schwer gemacht;
weil Ihr mich doch dadurch zu keiner That gebracht,
die mich beschämen könnt. Die Schulden sind verschwunden,
die ich aus Noth gemacht. Der Nutzen ist gefunden
der Euch daraus erwächst. Ich bin geschätzt, vergnügt,
versorgt, belohnt, gesucht. Das Glück nun überwiegt
[245] die kurze Kleinigkeit, die mich bei Euch gequälet.
Es war mein Untergang bei Euch schon abgezählet,
Das Ende wußtet Ihr durch die Verhindrung schon,
und doch geschieht es nicht. Was habt Ihr nun davon?
Ja nichts. Ein bischen Wind, ein halbes Stündchen Lachen.
Ich wills Euch doch zum Ruhm gewiß viel besser machen.
So wenig ihr mit Zwang uns habt zu gut gethan,
so wahrhaft nehm ich es mit Dank und Einsicht an.
und brauch das wenige was großes zu verrichten.
Sprecht: handle ich nicht recht nach allen solchen Pflichten,
die Zucht und Tugenden nicht meiden, haßen, fliehn,
und kann ich nicht getrost, mit Ehren von Euch ziehn?
Wahrhaftig! recht getrost! Gelassen und mit Freuden
und dankbar will ich hier von meinen Feinden scheiden.
Nun Freunde kommts an Euch! Ruhm, Dank und Zärtlichkeit
erfordert mehr von mir, als die Beredsamkeit
die im Zusammenhang viel schöne Worte bindet,
und doch ein altes Lied mit neuer Art erfindet.
In meinem Glück, belohnt Gott eure Gütigkeit
weit mehr, als mein Verdienst und meine Leidenszeit,
damit Ihr nicht beschämt und heimlich Freunde heißet,
das Euch die Allmachtshand durch unsre Glück beweiset.
Gott hat an mich gedacht in Elend und Gefahr
zur Zeit, da Euch selbst bang um meine Wohlfahrt war.
Allein er wußte schon wie er mich retten wollte,
und rührte euer Herz, das mich erhalten sollte,
bis seine Zeit erschien. Sie kam und ist jetzt da.
Ihr wahren Freunde, sagt zu meiner Wohlfahrt, ja!
Ihr gönnt uns unsre Ruh, den Ruhm zu Eurer Ehre
so gern, als wenn ich noch bei Euch geblieben wäre,
und hätt Euch stets von Noth und Mangel vorgesagt,
und Euch sowohl als mich aufs heftigste geplagt.
Gott, dessen Allmachtshand die Wunden kann verneuen
der wollte Euch dafür auch segnen, benedeyen,
beschützen daß der Theil, den ihr uns zugewand
viel tausend Segen bringt, in eure milde Hand.

Zur Gesellschaft.


Ihr Freunde nun verehrt den Schutz der Obrigkeit,
in deren Vaterhand ihr hier getragen seid.
Sonst war uns Haab und Gut schon alles abgenommen,
eh wir an dieses Glück, zu dieser Ruh gekommen.
Der Schutz allein hat uns gestärkt, und Ruh gemacht
wünscht nun, daß Gott für Sie und ihre Mauern wacht,
für ihrer Bürger Heil, Er hat ihr Herz gerühret
daß uns kein Unfall hat in größ're Noth geführet.
Wenn Er das Machtwort spricht, wenn Er dem Übel wehrt
weislich, daß ihnen Heil und Freude wiederfährt.
[246] Gott braucht die Kraft dazu Euch Väter zu erfreuen,
und segnet euch gewiß an jedem Tag von neuen,
Die Handlung nehme zu, und werde glücklich reich,
was sie verlangen kann, komm mit dem Wunsch zugleich,
damit sie kein Verlust und kein Betrug betrübet.
Lebt wohl! Gott sei bei Euch! Der segnet, schützt und liebet.
[1454]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Neuber, Friederike Caroline. Gedichte. Bitt- und Glückwunschgedichte. Abschied der Neuberschen Gesellschaft aus Hamburg. Abschied der Neuberschen Gesellschaft aus Hamburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FE3-5