Wein

Du mein Wein, Adelsblut der Natur,
Nicht wahr, du lebst,
Du fließendes Juwel?
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Wenn du dich im Lenz erhebst
Und an die Fässer pochst,
Willst du hinaus,
Unband du,
Hinaus zu den Deinen,
Die da blühen und innig duften
Auf sanfterlesenen Hängen um braunes Gemäuer.
Wie's da rüttelt dein Feuer,
Dein Leben!
Wie viel Geschlechter hast du schon selig gemacht:
Männer mit reinheitstarrenden Ehrenkrausen
Auf rankendem, schwarzdamastenem Taft,
Du glutetest ihnen die kühnen, hellen Augen,
Die weit die Lande umfassen
Und folgen den palmenzuwinkenden Schiffen,
Wagemutigen Meeresboten,
Die den gedankenglutenden Westen,
Den süßentzündeten Süden
Mit stählernem Norden
Tauschen wollen.
Du nährst die schwimmende Träne des Mannes,
Der allüberwindenden Stärke,
Die Träne, die nur Sieger fühlen ...
Und an die klar gestaltete Glut
Deiner rebkrausen Ratskellerfenster,
Die tief in die Seele
Scheinen festliche Andacht,
Schlug das welterobernde Lachen
All dieser sieghaft heitern Geschlechter.
Du aber throntest
Hoch auf mächtigem Rund
Deines flüssigen Reiches:
Eine bübisch lächelnde, schelmische Sonne.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hille, Peter. Wein. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-698D-B