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Bin nicht der Zecher der's vermöchte
Dem Wein und Schönen zu entsagen;
Auch weiss der Vogt dass ich wohl nimmer
Solch' eine Handlung würde wagen.
Ich, der so lang auf Jene schmähte
Die es verschworen Wein zu trinken,
Ich wäre toll, verschwör' ich selber
Den Wein zur Zeit wo Rosen winken.
Die Liebe gleicht dem Perlenkorne: –
Ich tauche d'rum in's Meer der Schenke;
Wo wird das Haupt zum Vorschein kommen,
Das Haupt, das ich darein versenke?
Ich, der ich einen Schatz besitze
An Perlen- und Rubinenthränen,
Ich sollte mich nach Segensspenden
Der hochgestirnten Sonne sehnen?
Ich, der, als Bettler, Schätze habe
Die eines Herrschers würdig wären,
Ich sollte auf den Himmel hoffen
Der nur Gemeine pflegt zu nähren?
Narcissen zechen, Tulpen bechern!
Und mich, mich will man Wüstling nennen?
Ich hab', o Herr, der Händel viele:
Wen soll als Richter ich erkennen?
»Sei fromm!« sprichst du zur Zeit der Rosen;
»Von ganzem Herzen« würd' ich sagen,
Müsst' ich nicht erst um ihre Meinung
Die Schönen und den Becher fragen.
Wenn Freundesgnade die Verliebten
Zur Feuerqual verdammen sollte,
Soll ich erblinden, wenn mein Auge
Nach Himmelsquellen spähen wollte;
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Und würd' ich plötzlich eine Weide,
Und leer wie sie, die Früchtelose!
Wie sollt' ich dann das Haupt erheben
Aus Scham vor dem Gesicht der Rose!
Und wusch das Sammelbuch der Rose
Der Morgenwind im Gnadenthaue,
So soll mein Herz ein falsches heissen:
Wenn ich auf Bücherblätter schaue.
Zwar mich befleckt der Staub der Armuth;
Doch müsst' ich vor mir selbst erröthen,
Hätt' ich, um mir den Saum zu netzen,
Das Nass des Sonnenquell's vonnöthen;
Und weil Vertrag und Bund des Himmels
Nicht die gehoffte Achtung finden,
Schliess' ich mit dem Pocal Verträge,
Und will mich mit dem Glas verbinden.
Den Zaum ein wenig angehalten,
Mein Türke, Aufruhr du der Städte,
Dass Wangengold und Thränenperlen
Ich auf die Reisebahn dir bette!
Ein Minnespiel, nach Art der Zecher,
Kann meinem Handeln jetzt nicht frommen:
Doch sollt' ich – einmal d'rein verfallen –
Auf andere Gedanken kommen?
Aus dem Rubin – so sprach man gestern –
Strömt Kandel dir; allein bedenke
Dass, bis mein Mund ihn nicht verkostet,
Ich jenem Wort nicht Glauben schenke.
Die Altarnische deiner Braue
Begehr' ich von der Gunst der Sterne,
Damit ich dort so Früh als Abends
Die Wissenschaft der Liebe lerne.
Ich, der des wahren Paradieses
Schon heute freudig kann geniessen,
Ich sollte einem Pred'ger glauben
Der mir's erst morgen will erschliessen?
Ein Sclav' bin ich Mănssūr's, des König's,
Doch dürfte es ganz nahe liegen,
Dass ich des Ostens lichten König
Durch Kraft vermöge zu besiegen.
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Gescherzt hat gestern mit Hafisen
Dein Mundrubin; allein bedenke
Ich sei es nicht der solchen Mährchen
Von seiner Seite Glauben schenke.
Zur Zeit der Rosen Tugend üben?
– Sei klug Hafis – welch ein Beginnen!
Ein »Zu dir flücht' ich« will ich beten,
Und eines Ander'n mich besinnen.

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TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Lyrik. Diwan des Hafez. Zweiter Band. Der Buchstabe Mim. 73.. 73.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-283D-E