[59] [61]Erstes Buch

Anakreons Erbschaft 1

1769.


Sollt' Anakreon itzt sterben,
Und wir wären seine Erben:
Gleim, der zweit' Anakreon,
Trüge seine Leyer billig
Vor uns übrigen davon.
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Seine Gabe zum Beneiden:
Lebensweisheit einzukleiden
In der Spiele leichte Tracht,
Hat zu seinem Eigenthume
Lichtwehr schon vorlängst gemacht.
Seine Kunst, vergnügt zu scherzen,
Aller Frauenzimmer-Herzen
Sichre Ueberwinderin!
Nähme wohl mit Fug und Rechte
Unser Freund Jacobi hin!
Sein geheimes Schmachten, Sehnen
Und Frohlocken, erst der Schönen
Hartes Herz, durch Amors Pfeil
Zu verwunden, dann zu heilen,
Würde dir, o Schmidt! zu Theil.
Wein verließ er nicht, der Zecher!
Aber seine Kränz' und Becher,
Und den sorgenlosen Sinn
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Ihres vorigen Besitzers,
Nähmest du, Michälis! hin.
Alles wollt' ich gern Euch gönnen,
Möcht' ich Eins nur erben können: –
Seine Taube wünscht' ich mir!
Ach! mich liebt ein holdes Mädchen,
Aber weit ist sie von hier.
Und das Mädchen liebt die Tauben,
Aber diese, sollt' ich glauben,
Liebte sie vor allen wohl,
Wenn sie käme, beide Krallen
Von des Senders Briefen voll!

Fußnoten

1 Als in einer Gesellschaft zu Halberstadt, von Anakreons Vorzügen gesprochen wurde.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lyrische Gedichte. Erstes Buch. Anakreons Erbschaft. Anakreons Erbschaft. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E27B-1