Vierter Aktus

Varus:

Bis hierher und nicht weiter, ich verzage.
Da knuspr' ich schon zwei volle Tage
An dieser alten Brodrind! O Geschick,
Für einen römischen Feldherrn ohne Glück!
Die alten Deutschen:

Wo Muth und Kraft in deutscher Seele flammen,
Fehlt nie das blanke Schwert beim Becherklang.
Wir stehen fest und halten treu zusammen,
Und rufen's laut in feurichtem Gesang:
Ob Fels und Eiche splittern,
Wir werden nicht erzittern,
Den Jüngling reißt es fort mit Sturmeswehn,
Für's Vaterland in Kampf und Tod zu gehn.
Varus:

Ha, welche wüsten Kneipenlieder
Der baribarischen Zechgebrüder!
Schrecklich zerreißen sie mein italienisch Ohr,
Sie kommen mir aus keiner Tonart vor.
[42] Die Deutschen:

Edite, bibite, collegiales -
Varus:

O Hohn auf mich, entbehrend jedes Mahles.
Und der Tabaksqualm und die schrecklich langen
Pfeifen und Hopfenstangen!
Die Deutschen:

Heil dem Manne, der den grünen Hain
Des Vaterlandes sich zur Heimat auserwählet,
Den die Freiheit und der goldne Wein
Mit Liebe, Muth und Fröhlichkeit beseelet.
Wenn die Hörner schallen und die Büchsen knallen,
Blüht auf Feindesleichen Freiheit deutscher Eichen.
Heil dem Manne der den grünen Hain ...
Varus:

Das erste ging noch an, dies aber tödtet!
Mich wundert nur der lange Athem da.
Wie Hermanns Nase sich so finster röthet!
Ein blutig Omen, Omen sagt man ja?
Die Deutschen:

Was ist des deutschen Vaterland,
Ist's Schwabenland? -
Varus:

Sieg' oder stirb, sprach mir des Reiches Vogt,
Da ich das Erstere nun nicht vermogt,
Gelingt vielleicht das Letztere mir, auf Ehre,
Dadurch, daß ich die Räuberlieder höre.
Die Deutschen:

Freiheit, die ich meine ...
[43] Varus:

Nein, jetzt ist es genug! Auch das noch, nein!
Komm! Sclave, bohr dein Schwert in mich hinein.
Rücklings geht es am besten. Nun?
Die Folter währt zu lange, ich will ruhn.
Sclave:

Ich elendiger Sclave, solch Verbrechen
Begehn und dennoch dann verhungern?
Varus:

Wie die dort hinten fürchtig zechen,
Und in den finstern Wäldern lungern!
Mach' vorwärts, Schurge! oder ich thu's selbst.
Sclave:

Gib Acht, daß du nicht an der Wurzel stölpst.
Varus:

Mach' doch! Ich stehl' dir gleich den Ruhm,
Den weltberühmten Varus zu ertödten.
Sclave:

Wo denket Ihr hinan?
Varus:

So fahre flöten!
Sieh, Schurg, so fallt ein Römer um.
Sclave:

Das heiß' ich schlimm die Zeit verkürzt,
Wenn Einer in sein Schwert sich stürzt.

License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Eichrodt, Ludwig. Vierter Aktus. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9D48-4