702. Liebe und Ehe.

1.

Wollen die Mädchen in der Kunkelstube wissen, ob ihre Schätze an sie denken, so »machət se ə Liəb«; sie zupfen nämlich aus dem »Wickelwerg« einen Wischen heraus, kugeln das zusammen, halten's, um es zu trocknen, in die [477] Nähe des Lichts; am sog. Schwanz halten sie die »Liəb« sodann über das Licht und sagen dazu:


Liəbẽ, Liəbẽ untər əm Dach
Schlåfşt odər wachişt
Dẽkşt du ã mî wiə-n-ï ã dî,
So fahr uff und dummlẽ dî!
Denkt der Schatz an sein Mädchen, so fährt die brennende Flocke in die Höhe; wenn nicht, zur Erde.

Baach.

2.

Um die Liebe des Geliebten zu prüfen, zupfen die Mädchen die Blumenblättchen des Chrysanthemum nach der Reihenfolge des Spruches: »er liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, klein wenig, oder gar nicht,« aus; wo die Blättlein gar sind, erfährt man den wahren Sachverhalt. An andern Orten sagen die Mädchen – Erbstetten dabei – den Stand des Zukünftigen erforschend: »Hirt, Wirt, Edelmann, Bettelmann, Baur, Soldat, Prälat!«

3.

Wenn ein Bursche einem Mädchen den Nachlauf anthun will, so muß er ihm unbemerkt die Zunge von einem jungen Hahn zu essen geben.

Baach.

4.

Wenn ein Mädchen den Schurz verliert oder das Strumpfband, sagt man, der Schatz habe dran gedacht.

5.

Ißt ein Mädchen während des Gehens auf der Gasse, so sagt man zu ihm: »So, du bekommst den Schultheiß auch nicht!«

Weingarten.

6.

Wenn man einen Apfel vom Butzen zum Stiel schält, und zwar Alles an Einem Stück, diese Schale (Schelfe) sodann rückwärts über sich wirft, dann kommt der Anfangsbuchstabe des künftigen Mannes zum Vorschein.

Zwiefalten.

[478] 7.

Wenn einem Jäger des Morgens ein altes Weib begegnet, so soll er nur wieder heim gehen, denn er hat eine schlechte Jagd; begegnet ihm aber ein schönes Mädchen, so hat er eine gute Jagd.

8.

Wenn sich die Braut am Morgen des Hochzeittages die Strümpfe vom Bräutigam anziehen läßt, so gibt's eine gute Ehe.

Wildbad.

9.

Die Braut soll beim Kirchgang auf die Erde blicken und in der Kirche ja nicht lachen, sondern weinen, sonst muß sie nachher viel in der Ehe weinen.

10.

Wer zuerst in's Brautbett kommt, hat künftig die Oberhand im Hause.

11.

Wenn die Neuvermählten die ersten drei Nächte sich des ehelichen Umgangs enthalten, können sie damit eine ihnen theure Person aus dem Fegefeuer erlösen.Tobiasnächte heißen sie im Allgäu 1.

Fußnoten

1 Wol nach Tobias VI, 22., wo es heißt: Nach Verlauf der dritten Nacht nimm zu dir die Jungfrau in der Furcht des Herrn etc.

12.

Wenn die Brautleute am Altar knieen, sollen sie recht fest an einander rücken, damit der Teufel keinen Platz zwischen ihnen habe; denn er macht sonst, daß die Ehe eine zänkische wird 1.

Biberach.

Fußnoten

1 Vgl. Panzer II. 294.

13.

Wenn's am Hochzeittag regnet, so ist's eine »schleckige« Braut.

Saulgau.


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TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 702. Liebe und Ehe. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-FECC-E