85. Das Petermännchen zu Schwerin.

1.

Nachricht von dem sich ehedem in dem hochfürstlichen Schloße zu Schwerin öfters sehen laßenden sogenandten Kleinen Mängen, wie es der seel. Daniel Gardemin, gewesener Cammer-Laquay bey des hochseel. Herrn Herzoges Friederich Wilhelm hochfürstl. Durchlaucht gar ofte an seine Frau, die jetzige Witwe Castellanin Gardeminen hieselbst erzehlet.

Eß were nemblich solche positur nur gantz Klein gewest, älterlich, mit Runtzeln, aber nicht fürchterlich von Angesichte, einen etwas langen, weißen, spitzen, fast biß auf die Brust hangenden Bahrt, [66] kurtze, graue, krause Haare, ein Calotgen auf dem Kopfe, und ein Krägelgen umb den Halß, einen langen bis auf die Füße hangenden schwartzen Rock mit gantz engen Ermeln, forne eines guten finger breits mit weiß aufgeschlagen, etwas große und forne breite Schue anhabend. Dieses Mängen were gedachter Gardemin so gewohnt und dreiste geworden, daß er es öfters auf einer gewissen Windel-Treppe (so sich oben auf der seite befunden, wo der Gottsel. Durchl. Hertzog logier gewest), in welchen Öffnungen umb der Treppe her es so eben hette stehen Können, mit dem Lichte nahe ins Gesichte geleuchtet, wobey es gantz stille gestanden, gar offte vor und neben ihm gegangen, auch einstmahls wie er seinen Durchl. Herrn des Abends späte über die Gallerie geleuchtet, Höchstderselbe gesaget ›Daniel, mich werden die Haare am Kopfe kriechend und mich schaudert so.‹ ›Ja, Gnädigster Herr,‹ were seine Antwort gewest, ›sehen Sie nicht, was Wir vor Gesellschafft bey unß haben?‹ Worauf dieselbe ihm schweigen heißen und gesaget, Sie sehen nichts. Es hatte sich meistens auf dem Gange und der Seite, wo die Cleyder-Cammer gewest, befunden, auch hette er solchen einige mahl aus einer gewißen Cammer, welche sich auf den Gange, wen man in dem Gebäude die breite Treppe aufsteiget, und obgleich fenster darin, dennoch sehr finster ist, und anitzo der Castellanin Meynung nach, einige Mädgens darin wohnen, können sehen. Einstmahls were er, der Gardemin, nebst einem Pagen, deßen Nahme entfallen, zu bette gangen, welcher deßfallß bey ihm geschlaffen, weil Ihr Herr zeitig außwollen, hetten eine Keule vom Lämmerbrathen zum Frühstück auf dem Tische liegen gehabt, und beyde mit offenen Augen gesehen, wie das Mängen gekommen, nach dem Brathen gegriffen, und unter großen Gelächter damit fortgelauffen, hetten auch des andern Morgens, allem suchen ohngeachtet, nichts davon wieder gefunden. Reden oder Antworten hette er ihn niemahlen hören; wen er aber durch schelt- und Fluchworte sey angegriffen, were des Nachts ein solches gepolter über Ihre Cammer gewest, daß keiner kein Auge hette zuthun können. Nachdem were oftgedachter Gardemin einsmahls des Abends mit der Abschenke außen Keller kommen, und dieses positürgen immer kurtz und langsam vor ihm hergegangen; weil ihm nun eben was wiederliches arriviret, daß der Kopf nicht recht gestanden, hette er aus Unmuth gesaget: Du Kröte gehe aus [67] dem Wege, oder ich nehme die Flasche und schlage dich auf den Kopf, du solt diß oder das werden! Worauf er eine solche derbe Ohrfeige zum recompens bekommen, daß er über eine halbe Stunde ohne empfindung gelegen, biß ihn andere gefunden, mit Eßig bestrichen und so weg gebracht, da sein Kopf den einige Tage darauf noch mahl so dicke wie ordinair gewest. Weil ihm nun mit raison were bedeutet, nicht so brutal mit diesen Ehrbaren Mängen umbzugehen, hette Er auch nachhero mehr respect gebrauchet, und so viel alß nur immer möglich seine Gesellschaft evitiret und ihm aus den Wege gegangen.

Hanß Christopf Dankward, Fürstl. Sahl-Knecht hieselbst, Verzehlete und versicherte mir Gestern gantz feste, offt erwehntes Mängen Zu denen Zeiten einmahl gesehen zu haben; sein bey sich habender Mops, were solchen eher alß Er gewahr worden; Er hette vorm rothen Gemach am Camin in vorbeschriebener Kleydung gestanden. Weil er sich nun gefürchtet und ihm überdem die Sprache schwer würde, hette er nicht fragen mögen, wer er were, oder was er wolte? sondern were wieder hingangen, wo er herkommen. Bützow den 12ten Novembris 1747. And. Br. Heymann.

Archiv in Schwerin, mitgetheilt in den Meklenburg. Jahrb. 5, 59 f.

2.

Auf dem Schlosse zu Schwerin hat sich vor alter Zeit oft ein kleines Petermännchen sehen lassen, das ist gewöhnlich in grauen Kleidern einhergegangen, wenn es aber Krieg geben sollte, trug es sich roth, und wenn Einer sterben sollte, kohlschwarz. Man hat aber auch immer gesagt, daß es ein verwünschter Prinz sei, der gern erlöst sein wolle und das hat einmal ein Soldat ganz genau erfahren. Der stand um Mitternacht vor dem Schlosse auf Posten, da kommt das Petermännchen an und sagt, er möge sich doch mit ihm faßen; hätte er das dreimal gethan, dann wäre er erlöst, und dann würde das alte Schwerin wieder in aller Pracht aus dem See hervorkommen, das jetzige aber und zugleich auch der Herzog würde untergehen. Der Soldat ist auch darauf eingegangen und hat zwei Nächte hintereinander mit dem Petermännchen gerungen; als er sich aber am dritten Tage früh Morgens ein anderes Hemd anziehen will, da sieht einer seiner Kameraden, daß er am ganzen Leibe braun und blau ist, und fragt ihn, woher das komme. ›Ja,‹ sagt jener, ›das kann dich nicht verwundern, ich habe mit dem Petermännchen nun schon zweimal gerungen, [68] und wenn es zum drittenmale geschieht, so ist Petermännchen und das alte Schwerin erlöst.‹ Das hat des Soldaten Kamerad Anderen wieder gesagt, und da ist's noch denselben Tag auch an den Herzog gekommen und der hat den Soldaten schnell in eine andere Garnison versetzt. Petermännchen ist aber gewaltig böse geworden und hat es dem alten Herzog Friedrich Franz reichlich entgelten lassen, denn bald hier, bald da hat es ihm aufgehockt und dann hat er ihn ächzend und keuchend ein Stück Weges schleppen müssen. Auch zu anderen Zeiten hat sich Petermännchen oft sehen lassen; so kam es einmal zu einem Mädchen, das gerade die Betten machte, und fragte sie, ob sie das seine wohl auch machen wolle. ›Warum nicht?‹ antwortete sie; da heißt es sie folgen und geht mit ihr durch einen langen unterirdischen Gang unter dem See fort, bis dahin, wo die Ziegelei ist, da hatte Petermännchen nämlich seine Wohnung; und hier hat sie ihm nun das Bett machen müssen und vieles Gold dafür zum Lohne erhalten. Man sagt auch, daß Petermännchen hier an einem großen Blocke sitze, und wenn sein Bart dreimal um denselben gewachsen sei, so werde er erlöst sein.


Kuhn und Schwarz, NS. S. 1 f.

3.

Am Ende des vorigen Jahrhunderts und zu Anfang des jetzigen lebte in Schwerin ein Hofconditor Rauer, ein sehr redlicher allgemein geachteter Mann. Derselbe hatte im Schlosse ein eigenes Dienstzimmer, wo er seine Hofkleidung und seine Apparate aufbewahrte, und zwar in einem verschlossenen Wandschrank. Ueber die Erzählungen vom Petermännchen pflegte er nur zu lächeln und erklärte sie für Aberglauben. Eines Tages legte er eine sehr künstlich gearbeitete Tuchnadel seiner Frau, ein Herz vorstellend, über dem sich zwei Tauben schnäbelten, deren Augen kleine Diamanten waren und das überall reich mit kleinen Perlen und Stücken Email besetzt war, in diesen Schrank, verschloß die Thür desselben und das Zimmer und begab sich nach Hause. Am anderen Morgen, wo er wieder Dienst hatte, wollte er den dazu nöthigen Anzug aus jenem Schranke holen, fand aber zu seinem Erstaunen die Tuchnadel in ihren einzelnen Theilen auseinander genommen und Diamanten und Perlen und viele Kleinigkeiten an sich unverletzt in kleinen Häufchen sortirt daliegen. Alles war so zerlegt, daß kein Goldschmied es wieder zusammenbringen konnte. Seit dieser Zeit wurde ihm noch mancher andere Schabernak bei verschlossenen [69] Thüren gespielt und der Mann ward nun aus einem Ungläubigen ein Gläubiger und leugnete nie wieder die Existenz des Petermännchen, befahl aber seiner Familie, nie von diesem räthselhaften Wesen zu reden.


Von einer Tochter des genannten Rauer, durch Präpositus Schenke.

4.

Ein herzoglicher Prinz wurde in Schwerin plötzlich ziemlich bedeutend krank und mußte nach dem alten Schlosse gebracht werden, um dort sich zu Bette zu legen. Gegen Abend wurde sein Befinden etwas besser und er kam zur Ruhe, seine Diener aber wachten im Vorzimmer vor der einzigen Thür, die in das Krankenzimmer führte. In der Nacht wurde der Fürst, der eine Nachtlampe bei sich brennen hatte, von einem Poltern und Rumoren erweckt, das in seiner Nähe sich hören ließ, was auch die Dienerschaft wahrnahm, ohne jedoch zu wagen, in das Zimmer ohne die Mahnung des Fürsten einzudringen. Als es Tag wurde, sah man im Zimmer Alles durcheinander geworfen und fand vor dem Bette an der Erde Medicingläser, Tassen und allerlei andere Geräthe in einem Kreise umherstehen. Ob der Prinz etwas gesehen, weiß man nicht, denn er soll sich nie darüber geäußert haben; das aber ist gewiß, daß er, da er wohler geworden, sofort das Schloß verließ und gelobte, nie wieder eine Nacht darin schlafen zu wollen, was er auch gehalten haben soll.


Präpositus Schencke.

5.

Das Petermännchen duldete nicht, daß andere Herren als die rechtmäßigen Herren von Meklenburg im Schlosse zu Schwerin wohnten; es hat daher, als Wallenstein das Land in seine Gewalt gebracht und auf dem Schweriner Schlosse hausen wollte, ihn so geplagt und gezwickt, daß er eiligst nach Güstrow zurückgekehrt ist. Nicht besser ging es dem französischen General Laval, der im Jahre 1806 auf dem Schlosse wohnte.


Niederh. 2, 213 ff.

6.

Petermännchen sah einmal, wie ein Soldat, der in den fürstlichen Gemächern Wache hielt, die ihn umgebenden Herrlichkeiten betrachtete. Da wollte es ihn auf die Probe stellen, erschien plötzlich in dem Zimmer und forderte ihn auf, sich einige von den Kostbarkeiten in die Tasche zu stecken. Der Soldat aber weigerte sich; als Petermännchen das hörte, bat es den Soldaten, ihm einen Gefallen zu thun, sobald er abgelöst sei; es sei keine Gefahr dabei, wohl aber ein schöner Verdienst zu machen. Der Soldat willigte ein. Als er frei war, führte ihn das Männchen durch allerlei unterirdische Gänge [70] und Gemächer, die es mit seinen Schlüsseln, deren es einen ganzen Bund am Gürtel hatte, öffnete. Zuletzt kamen sie in ein Zimmer, da bat ihn das Männchen, von einem Schwerte alle Rostflecken abzuputzen. Das gelang ihm auch bis auf einen ganz kleinen, und eben wollte er diesen auch noch putzen, als ein gewaltiger Donnerschlag erfolgte und ihm die Sinne schwanden. Als er zum Bewußtsein erwachte, befand er sich am Schloßthore. In seiner Tasche fühlte er etwas Schweres; es waren drei Stangen gediegenen Goldes, von dem er sich, als er ausgedient hatte, ein schönes Gut kaufte. Erst kurz vor seinem Tode theilte er seiner Familie mit, wie er zu dem Gelde gekommen war.


Niederh. 2, 215 ff.

7.

Einmal wurde im Schlosse ein bedeutender Diebstahl an Pretiosen verübt. Der Verdacht fiel auf einen alten Diener, der Jahre lang ins Gefängniß geworfen wurde. Nur Petermännchen hatte den wahren Thäter gesehen. Es besuchte daher den unschuldig Gefangenen, tröstete ihn und brachte ihm schöne Speisen und warme Decken. Dem Diebe aber setzte es arg zu und riß ihm von den gestohlenen Sachen ein Stück nach dem anderen aus der Tasche und streute sie hinter ihm her, so daß Andere es sahen und die Sache bald ans Tageslicht kam.


Niederh. 2, 217 f.

8.

Ein Grenadier hatte einmal auf dem Schlosse die Wache. Da er die Nacht vorher getanzt und nicht geschlafen hatte, so setzte er sich auf eine Bank, und ehe er sichs versah, war er eingeschlafen. Plötzlich schüttelte ihn was; er meinte, es sei die Patrouille, aber er gewahrte nichts, und da kam ihm das Petermännchen in den Sinn, und eben setzte er an zu sagen ›Du verdammtes Pe-,‹ als er sich noch besann und die Hälfte verschluckte. Da fühlte er sich etwas in die Backen gekniffen und hörte ein lautes Gelächter. Gleich darauf vernahm er Tritte, es war die ihn ablösende Patrouille. Nun war er herzlich froh darüber, daß Petermännchen ihn geweckt hatte und bat ihm im Stillen sein Unrecht ab.


Niederh. 2, 220 ff.

9.

Ein fürstlicher Gartenknecht hatte eine schöne Tochter, auf die einer der Schloßbeamten ein Auge geworfen hatte. Endlich war es ihm und seinen Helfershelfern gelungen, das Mädchen in ein entlegenes Zimmer des Schlosses zu locken, wo er, nachdem er die Thür verschlossen, ihm mit seinen unsauberen Anträgen zusetzte. Da [71] flog plötzlich die Thür auf und der Beamte bekam einen so derben Schlag ins Gesicht, daß er besinnungslos niederfiel. Das Petermännchen aber führte das Mädchen nach Hause. Dort angelangt, fand sie in ihrer Tasche eine Hand voll blanker Goldstücke.


Niederh. 2, 223 f. W.G. Beyer in den Meklenburg. Jahrbüchern 32, 80 bemerkt hiezu: Das Alter dieser Sage ist zwar urkundlich nur bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückzuführen (vgl. Jahrb. 5, 58-60), und nach Erzählungen der Bauern in dem Kirchspiel Pinnow soll unser Petermännchen sogar in älterer Zeit in dem Petersberge, einem hohen, ziemlich isolirten Hügel in der Nähe des Pfarrdorfes, gewohnt haben, und erst später nach dem Schweriner Schlosse übergesiedelt sein. Allein diese Erzählung ist offenbar nichts Anderes, als ein vermuthlich junger Versuch zur Erklärung des Namens unseres Burggeistes, wozu die ohne Zweifel echten, älteren Zwergsagen jener Gegend Veranlassung gegeben haben mögen. Wäre die ursprüngliche Identität des Petermännchen mit dem offenbar verwandten Puk des Franziskaner-Klosters am Burgsee, dem Schlosse schräg gegenüber, zu erweisen, so wäre damit zugleich ein viel höheres Alter der Sage nachgewiesen. Auch der Puk wird freilich zuerst durch den Kanzler von Westphalen im Anfang des 18. Jahrhunderts öffentlich besprochen, aber nach einer Handschrift aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, deren Verfasser sich wiederum auf schriftliche Aufzeichnungen des protestantischen Predigers Simon Pauly (1559-60) aus den Urkunden und Rechnungsbüchern des Klosters bezieht. Das Alterthum dieser Sage ist also hinlänglich beglaubigt, die Sage selbst aber in der mitgetheilten Gestalt offenbar in der Reformationszeit zur Herabsetzung des Klosterwesens benutzt und fratzenhaft entstellt. Hienach soll auch Puk, welcher nach Westphalen's Bemerkung bis zum 13. Jahrhundert Pestbringer (pestifer) genannt ward, durch den Guardian des Klosters von außen, dem Ritterhofe Brütz, eingeführt sein und dem Kloster als Knecht in dem Haushalte der Mönche gedient haben. Er hatte aber trotz seiner affenähnlichen Zwerggestalt wunderbare Riesenkraft, wie er denn z.B. das zum Bau des durch eine Feuersbrunst zerstörten Klosters erforderliche Bauholz in einer Nacht fällte und durch die Luft nach dem Bauplatz schaffte. Man hat dies auf den großen Brand von 1571 beziehen wollen, in welchem auch das Kloster beschädigt sein wird, da es bald darauf in einer stürmischen Nacht zusammenstürzte. Allein damals ward dasselbe selbstverständlich nicht wieder aufgebaut, vielmehr auch die Klosterkirche 1554-58 abgebrochen. Westphalen setzt diese Sage vielmehr ausdrücklich in das Jahr 1222, bezieht dieselbe also auf die erste Gründung des Klosters im 13. Jahrhundert (1222-36). Zu seiner Zeit (also vor der Publi cation der Handschrift) war dieselbe allgemein im Munde des Volkes, und haftete namentlich an dem damals noch stehenden Theile des Klosters, welchen die Justizkanzlei inne hatte, nach dessen Abbruch sie auf den, aus dem alten Bauholze des Klosters errichteten fürstlichen Kornboden, welcher erst bei Menschengedenken abgebrochen ist, übertragen ward. (Vgl. Westphalen, [72] Specimen Monumentor. Meklenb., ed. 1726 p. 156 sqq.: ›Veridica relatio de servo quodam de Puck‹ etc. – und Mon. Ined. IV. Praefat. p. 232 ad Tab. K. Nr. 49.) Mit beiweitem größerer Achtung und Liebe, als jenen Puk in seiner gewöhnlichen Erscheinung, als Küchenknecht der Mönche, hat die Sage stets den schon erwähnten Burggeist behandelt. Er ist durchaus kein gewöhnlicher Kobold, wie er auf Bauernhöfen und in Bürgerhäusern sein Wesen treibt, sondern einer jener Elfen und Zwerge höherer Ordnung, in welchen die ursprüngliche Verwandtschaft mit den oberen Göttern oder wenigstens eine nähere oder vertraulichere Stellung zu denselben noch deutlich hervortritt. (Vgl. Grimm, deutsche Mythol. S. 294 [1. Ausg.]). Am nächsten steht ihm der sächsische Hödeke auf der uralten Stammburg der Grafen von Winzenburg, die in dem früheren Heidenthum eine religiöse Bestimmung gehabt haben mag. Das nahe Verhältniß dieses Urbildes aller sächsischen Burggeister zu Wodan selbst tritt trotz seiner Zwerggestalt schon in der äußeren Erscheinung hervor, und auch darin gleicht ihm sein Schweriner Ebenbild. Wie jener erscheint auch dieser mit einem vor Alter tiefgefurchten, aber nicht abschreckenden Antlitz, langem weißem Barte und grauen Locken unter dem breitkrempigen Hute, den Mantel über die Schultern geworfen und mit Reiterstiefeln bekleidet; doch ist die Farbe des Mantels nach den ältesten Berichten nicht grau, wie der des Hödeke, sondern schwarz, nach Andern jedoch auch weiß, je nachdem Trauer oder Freude in der Burg herrscht, und statt des Hutes sahen ihn Andere in einer Kappe (Kalotgen), worin Grimm die alte unsichtbar machende Tarn-Kappe zu erkennen glaubt. Ebenso haben beide die Gabe der Weissagung gemein, und verkünden dem Burgherrn und dessen Familie sowohl frohe Ereignisse, als Unglücksfälle, vorzugsweise jedoch letztere, namentlich Tod und kriegerisches Unheil. Ihrem Wesen nach aber sind beide Hüter und Wächter ihrer Burg. Unser Schweriner Burggeist übt das Amt gegen jeden rechtmäßigen Inhaber und Bewohner derselben mit Freundlichkeit, fremden Eindringlingen und unwillkommenen Gästen aber ist er ein wahrer Quälgeist, indem er ihnen durch Poltern und Neckereien die nächtliche Ruhe stört, bis sie den Aufenthalt verlaßen. Auch beobachtet und prüft er die Dienerschaft der Burg und straft die Treulosen. Vorzugsweise steht die fürstliche Silberkammer unter seiner Aufsicht und seinem Schutze. Außer diesem irdischen Amte hat er aber auch noch andere, höhere, gehimnißvolle Pflichten zu erfüllen, und diese sind es, die ihn vor allen ähnlichen Hausgeistern der deutschen Sage auszeichnen, und seine ursprüngliche, vertrauliche Stellung zu der heidnischen Götterwelt unmittelbar und deutlich hervortreten lassen; er ist nicht nur Wächter der Silberkammer des irdischen Burgherrn, ihm ist auch zugleich die unterirdische Schatz- und Waffenkammer des Gottes anvertraut. In dieser Hinsicht überragt unser Burggeist seinen sächsischen Collegen bedeutend. Die reiche Belohnung des ihm geleisteten Dienstes durch Goldklumpen gemahnt lebhaft an die deutsche Frau Holla und Frau Woden, das verrostete Schwert aber, das der treue Schildknappe so gerne wieder blank [73] hätte, weiset, wie mir scheint, unmittelbar auf sein Verhältniß zu der durch das Christenthum besiegten heidnischen Gottheit hin, deren Tempel einst auf dieser Burgstätte stand, und stellt ihn plötzlich dem slavischen Markopeten Pustekat des Bisdeder Heiligthums ebenbürtig an die Seite. Wie jener als vertrauter Diener des Gottes den heiligen Hain überwachte, so war unserm Petermännchen die Bewachung der Tempelburg selbst anvertraut. (Vgl. über diese Sage: Chr. Dehn, Meklenburg. Volksbibliothek 1844 I. 2. S. 3-8.)


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TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 85. Das Petermännchen zu Schwerin. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-E985-F