96. Auf die erste Wache ums Bette Salomo, die Glaubens-Helden

1730.


Ihr Brüder! hört ein grosses Wort:
Der König Salomo, der ruhet,
Nachdem Er durch den Höllen-Port
Gerissen, und sich ausgeschuhet.
Dem durch Sein Blut erkauften Geist
Des Menschen, welcher an Ihn glaubet,
Der Christi Lieb in Wollust heißt,
Dem ist sein Ruhe-Bett erlaubet.
Daß aber Satanas,
Nach seinem alten Haß,
Den Gott aus tiefer Weisheit schonet,
Die Ruhe nicht verstör,
So wacht ein Helden-Heer
Ums Zelt, darinn die Liebe wohnet.
Ob ihrer an die sechzig schon
Das Lager Salomo beschirmen;
So heißt der Feind doch Legion,
Und sucht den Liebes-Thron zu stürmen.
Drum hat der Fürst der Heeres-Kraft,
Drey grosse Helden aufgeboten,
Die diese heilge Ritterschaft
Entgegen stell'n der Kraft der Todten:
[268]
Der Glaub und seine Wolk,
Die Liebe und ihr Volk;
Die Hoffnung unter ihren Schaaren,
Die schliessen eine Kett'
Ums Königs Ehe-Bett,
Und wer da kan, mag durch sie fahren.
Der Glaube steht auf seiner Hut,
Daß Unglaub und der Aberglaube
Den Seelen nicht des Lammes Blut,
Das Kleinod aller Schätze raube.
Wenn jener gläubet, was er sieht,
Und dieser alles Falsch und Wahre,
Wohin ihn seine Neigung zieht;
So hält sich der ans Unsichtbare,
Und spricht, sobald er kan:
Ich zieh mit diesem Mann.
Will sich das Fleisch daneben betten;
So macht der tapfre Schluß,
Daß es zurükke muß,
Den Dünkel leget er an Ketten.
Was wilt du bey der ewgen Gluht?
Spricht die hinaus geworfne Sünde;
Sie frißt ja alles, was nicht gut,
Der falsche Trost hat eitle Gründe;
Ich sorge um die Sünde nicht;
Der Heiland hat dafür gelitten:
Und wenn mir annoch was gebricht,
So mögen andre für mich bitten.
Bald tritt die Kraft herzu,
So die wahrhafte Ruh
Aus Jesu blutgen Wunden ziehet.
Allein die Sünde drükt,
Bis sich die Seele bükt,
Und sich mit Angst ums Heil bemühet.
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Die Seele ist in Adam todt,
Und kan sich nicht im Geist bewegen;
Der Rede Nachdruk weiß zur Noth,
Im Blute etwas aufzuregen;
Allein das Herz ist hart wie Stein,
Und Fleisch und Blut wagt keine Stürme;
Sein Andachts-Feuer giebet Schein,
Doch zündets nicht, und zeuget Würme.
So bleibt der Tod im Topf,
Bis daß der Todten-Kopf,
Von Gnaden-Winden angeblasen,
Nach Christi Bild erwacht,
Und alle Thiere schlacht't,
Die um den todten Adam rasen.
Dann stellt der Glaube eine Kraft,
Die heißt Gerechtigkeit des Lebens.
Was die Natur nicht weggeschafft,
Bekämpft die Ehrbarkeit vergebens.
Kaum aber, daß das Kind des Lichts
Im Geist die Augen aufgeschlagen,
Da faßt es alles, und zerbrichts,
Womit sich Fleisch und Blut getragen.
Das leidet keinen Feind,
Der offenbar erscheint.
Will ja ein Feind den Platz nicht missen,
Und nach und nach empor,
So gibt er Gutes vor:
Sonst würd er von der Kraft zerrissen.
Der erste falsche Freund heißt Stolz,
Der weiß dem Geiste süß zu pfeiffen,
Und spricht: du bist ein grünes Holz,
Du kanst dich auf dein Gutes steiffen.
Gleich rükt die Geistes-Armuth ein,
Und wird der Heiligkeit zum Schilde:
Die schlägt dem Stolz den Schädel ein,
[270]
Und auch dem nachgemachten Bilde;
Das hat der Armuth Kleid,
Und ist nur Weichlichkeit,
Und gibt aus Eigenlieb-Erbarmen
Sich für so elend an,
Daß sie sich schonen kan;
Die Armuth kämpft aufs Freundes Armen.
Der steht die sechste Glaubens-Kraft
In einem Augenblik zur Seite,
Die bringt der ganzen Heldenschaft
Ihr Brod und Rüstung, Sieg und Beute.
Die Kraft wird das Gebet genennt,
Ein stetes Sehnen nach dem Betl.
Deß, der die Seelen alle kennt,
Und ein Zusammenschluß der Kette.
Wenn das der Feind erzwingt,
Daß ers Gebet verdringt;
So ist die Kette eingerissen:
Und wenn er das nicht kan,
Stellt ers Geplerre an;
Doch die Gebets-Kraft tritts mit Füssen.
Nun geht der muntre Löwe her,
Der Tag und Nacht die Wacht bestellet,
Die Trägheit macht ihm alles schwer;
Allein wie bald ist sie gefället.
Er läßt auch keine Unruh ein,
Die einige fürs Wachen halten,
Die noch nicht recht erfahren seyn;
Er läßt das sanfte Sausen walten.
Wird ihm Gefahr bekant,
So beut er seine Hand
Der Kraft, die Allmacht selbst zu fassen.
Wenn diese, laß mich, spricht;
So läßt die Heldin nicht:
Denn kan man halten, wer wird lassen?
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Hier kostet es zuweilen was,
Die Faulheit läßt die Hände gehen.
Der Eigensinn kommt über das,
Und sucht der Gnade beyzustehen.
Die Ringe-Kraft sieht Christum an,
Und wenn ihr Der zum Kampf geblasen;
So treibt sie auf der Sieges-Bahn,
Der Schrek ist Preiß vor ihre Nasen.
Da muß der Feind zurük
In einem Augenblik,
Das Trachten zeigt sein Unvermögen;
Die falsche Gegen-Kraft
Uebt ihre Ritterschaft,
Wo keine Feinde nicht zugegen.
Ans Ringen schließt sich die Geduld,
Die auf des Königs Hülfe wartet,
Nach Seiner freyen Lieb und Huld,
Und unterdeß im Streit erhartet.
Sie sieget über den Verdruß,
Dems alsobald verdreußt zu leben,
Wenn er ein wenig harren muß;
Sie haßt das fälschliche Ergeben,
Wenn einem nichts dran liegt,
Ob man auch wirklich siegt.
Denn, wird gleich keine Zeit beniemet,
Wann man gewinnen soll;
So ist der Kampf doch toll,
Der sich nicht endlich Sieges rühmet.
Je mehr der Geist zur Ruhe zieht,
Und sich in sanftem Feuer stählet,
Das wenig Funken von sich sprüht,
Damit es ihm nicht selber fehlet;
Je näher ist die Glaubens-Hand
Dem freudigen Ergreiffen kommen,
Das nach dem Leben ausgespannt,
[272]
Es augenbliklich hingenommen.
Zwar faßt sich Fleisch und Blut
Zuweilen einen Muth
Und greifft; allein es greifft nach Schatten:
Und wenn es nicht gleich hat;
So wird es balde matt;
Denn es hat keine Kraft zum Gatten.
Die eigentlich genante Kraft
Entstehet neben dem Ergreiffen,
Und kan die ganze Heldenschaft
Sich auf dieselbe sicher steiffen:
Denn Blitz und Schlag ist hier vereint,
Und was sich vom verborgnen Banne
Auch noch so stark zu machen meynt,
Das haut sie rüstig in die Pfanne.
Die ganze eigne Kraft
Wird von ihr weggeschafft.
Denn kaum daß sich der Streit erhitzet.
So liegt sie ohne Macht,
Und wird nur ausgelacht:
Die Kraft ist um und um geschützet.
Den Dünkel thut die Kraft in Bann,
Und will von keinem Schwachseyn wissen.
Der Durchbruch ist ihr Flügel-Mann,
Mit dem sie immer durchgerissen.
Die Klüfte werden eingestürzt,
Die Felsen werden unterfahren,
Der Höhen Gipfel abgekürzt,
Der Feind getrennt mit seinen Schaaren,
Die eigene Natur
Verliert hier Bahn und Spur,
Das Uebertäuben hemmt die Feinde,
Doch sie erholen sich,
Und handeln listiglich,
Vernunft und Fleisch sind leichtlich Freunde.
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Nun offenbaret sich der Sieg
Des Glaubens muntrer Waffen-Träger,
Er wartet freudig auf den Krieg,
Und dreht sich um der Helden Läger.
Er reucht den Streit, der noch so fern,
Da jauchzet er, wo andre zittern,
Die Fersen Stiche hat er gern,
Denn da setzts wieder Kopf-Zersplittern;
Wenn die Natur erliegt,
Vernunft in Lüften siegt,
Und blindlings lauter Schatten bindet;
So stekt er sein Panier
Ins feindliche Revier,
Und kommt, und sieht, und überwindet.
O Seele! thu die Augen auf,
Und siehe deine üeberwinder,
Hier bleibt der Feind gewiß im Lauf,
Hier ist die Burg für Zions Kinder.
Wer wolte nun nicht fleißig seyn,
Sein Bette hurtig aufzuschlagen?
Wer ließ den König nicht hinein,
Und die des Königs Schilde tragen?
O Seelen Bräutigam!
O erst erwürgtes Lamm!
Nun aber, ausgeruhter Leue!
Nim unsre Seelen ein,
Laß Kräfte um uns seyn.
Wir schwören Dir die Ehe-Treue!
[274]

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 96. Auf die erste Wache ums Bette Salomo, die Glaubens-Helden. 96. Auf die erste Wache ums Bette Salomo, die Glaubens-Helden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B96F-4