2324. Geburts-Tags-Lied

am 18. Oct. 1747.


Mel. Wenn ich ihn essen kan etc.


1.

Singt niemand an dem fest des vögleins unterm schade vom heilgen Seiten-Nest: du selige privade des Lamms, du haus-gemein, singst oder schweigest du für creutz-freud, liebes-pein und seligkeit und ruh?

2.

Doch's kirchlein hat die spur der wunden-trunknen herzen, sie profitiren nur vons Lämmleins seinen schmerzen, und wie die seligkeit oft innige rapports hat mit dem gang der zeit, so ists auch ihres orts.

3.

Belligerare tu fac reliquos, et nube 1 laß andre kriegen, du putz deine hochzeit-stube: so sprach das alterthum zum hause Österreich, setz durchs connubium kron auf kron, reich auf reich.

4.

Es hat ja methodos et modos acquirendi, so garinnocuos, ut nolint reprehendi: allein die methodie, die's haus des Herren führt, und die ihm ohne müh und denken reüssirt;

5.

Die ist nicht nur so rar, sie ist so sine pare, daß sie, seit anfang war, noch nie probiret ware: sein hang, sein ehrliches gehenk mit Jesulein, sein fast beschwerliches getön vom Seitelein.

6.

Hier fragt man: wer ist blind ins Lämmlein nein-gegangen? wer hat sich als ein kind an Jesu brust gehangen? wer lebet so im blut, daß es der laulichkeit dabey so wird zu muth, wie wenns in teller schneidt?

7.

Was singt es? Christi blut. Was redt es? blut und wunden. Im Esra, im buch Ruth ists balde ausgefunden, es singt dem Seitelein so manch hallelujah, als süsse träubelein von Christi lacryma.

8.

Das ist auf uns betagt, mein lieber Christ, verstehst du? ein altes sprüchwort sagt: so wie du kommst, so gehst du. Die ehre und das glük, das man sich hier erwirbt, verschwinden gleich im blik, mit dem das Lämmlein stirbt.

9.

Allein, wie geht es zu, daß von den wunder-dingen uns keins kan aus der ruh [2226] und zum besinnen bringen? das ganze kirchlein hat das opium genomm'n, das an der marter-statt zum Seitlein 'rausgekomm'n.

10.

Drum schläfft sein ganzer muth in einer ek der Pleuer, und träumt von nichts als blut: bald wirds zu einer scheuer, das seit-palatium: bald wird die raume stätt fürs individuum ein's kinds, zum engen bett.

11.

Ich denke, ehe es von seinem schlaf erwachet, vicissitudines sind vollends abgemachet, nur ist man so verwehnt, zu stekken, wo man stekt, daß Gottes donner tönt, und weder schrekt noch wekt.

Fußnoten

1 das alte proverbium heißt: Bella gerant alii, tu felix Austria nube.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Zugaben 1-4 zum Herrnhuter Gesangbuch 1743. 4. Zugabe. 2324. Geburts-Tags-Lied. 2324. Geburts-Tags-Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B5FC-A