[1041] 1143.

Mel. 39.


1. Das bleibt wol wahr, zulezt wird alles lichte, wens erst gleich selber wär die finsternis, und wir bekommen dann ein scharf gesichte! es wird uns alles endlich recht gewis, worüber wir in wanken stehn: da finden wir den grund und eine bahn zum gehn.

2. Das glaub ich wol, nur wird mirs etwas lange, HERR, daß du mich in lüften läßt, weil ich oft kaum an einem haare hange, und sturm und wind auf allen seiten bläst, daß ich nicht anders denken kan, er reist mich einmal weg, es ist um mich gethan.

3. Du kennest mich, und kenst auch mein vermögen, und was ich an dem joche ziehen kan! du denkst mir doch nichts schweres aufzulegen; es heisset ja: die kraft ist wie der mann: bey nahe wird mirs doch zu schwer, der othem wird zu kurz; wenns bald vorüber wär!

4. Doch still'! ich wil mit zugebundnen augen an deiner hand den weg zu ende gehn: kom, leze mich, und laß mich einmal saugen, an stat zu hörn, zu denken und zu sehn: es sey so! aber laß mich nicht zu lange ohn stab und ohne unterricht.

5. Ich bin ein thor, ich weis mir nicht zu raten, ich kan allein nicht gehen einen schrit; wolt ich was thun, es wären schlechte thaten; ich habe angst bey jedem eignen trit: erbarmer ach! ich fühle doch, du bist nicht weit von mir, du hebst und trägst mich noch.

6. Es ist wol was, das im verborgnen gläubet; um so ein fünkgen wirds zu zeiten licht: und wenn es endlich nur beim gläuben bleibet, so hab ich diese gute zuversicht, daß sichs aus dieser angstbeschwer, aus dieser[1042] enge noch heraus zu glauben wär.

7. Ich schwiege gar, lies händ und füsse sinken, und dächte oft: nunmehr ist alles aus! wenn aber du dein gnadenlicht läß'st blinken, find ich mich wieder dann und wann heraus, und kriege kraft und lebenslust; da weicht die finsternis, der nebel, und der duft.

8. Es wechselt ja noch immer unterweilen; jezt ist mirs leicht, dann wird mirs wieder schwer; ich wünschete, dir frölich nachzueilen; doch ist es noch nicht so, wie ichs begehr: mein guter Heiland! zeige mir, ists etwan meine schuld, daß ich es so verspür?

9. Ich kans gewis von ganzem herzen sagen: nur du, nur du bleibst mir mein augenmerk; wann du mir winkst, wolt ich wol alles wagen; dir stieg ich nach auch auf den höchsten berg: und wenn ich seh, es komt vom HERRN, das hab ich, wie du weist, von ganzen herzen gern.

10. Du schmelzender und treuer freund der seelen, du prüfst mein gold, wie rein es vor dir sey; du kanst mich nicht zu meinem schaden quälen: mein herz ist dein, mach seine regung frey; so sing ich dir bey allem drang, wo keinen jauchzenden, doch innigen gesang.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Erdmuthe Dorothea von. Gedichte. Geistliche Lieder. 1143. Das bleibt wol wahr, zulezt wird alles lichte. 1143. Das bleibt wol wahr, zulezt wird alles lichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B3B7-5