2. Cantata

Die mit sich selbst streitende Chloris.

Aria.

Saget mir, ihr grünen Bäume!
Wozu ich mich entschliessen soll.
Ihr seht die Unruh meiner Seele,
Und wißt wo mit ich mich stets quäle;
Drum sollt ihr auch bey solcher Pein
Mein Rath und wahrer Beystand seyn.
Da Capo.

So sprach die Chloris nächst,
Die bey verdrießlichen Geberden
Vor Unmuth halb verwirrt sich bey den muntern Heerden,
Auf fetten Klee gestreckt, und in dem feuchten Graß
Bey früher Morgenzeit allein und einsam saß.
Ihr Damon, welcher ihr sein Herz so lange Zeit
Durch öftern Antrag schon geweyht,
Und ihr auf allen Tritten,
Wo er die Spuren fand, verliebt war nachgeschritten,
Fiel ihr von neuem ein; und weil er halb mit Zwang,
Auf ihr gehoftes ja bey stetem Flehen drang,
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So wust sie selber nicht, so gern sie immer wollte,
Was sie für einen Schluß nunmehr ergreifen sollte.
Der Streit war allzu groß, den sie bey sich empfand,
Bald both sie ihm die Hand zum Zeichen ihrer Gunst,
Bald schämte sie sich dieser kleinen Kunst,
Und trennte bey sich selbst das schon geknüpfte Band,
Und endlich warf die schöne Schäferinn
Den Stock aus ihren Händen hin,
Und ließ, um sich der Liebe zu erwehren,
Den endlichen Entschluß bey solchem Zweifel hören:
Aria.

Damon, hoffe weiter nicht,
Deine Seufzer sind vergebens.
Nimm bey so widrigen Geschicke
Dein mir geschenktes Herz zurücke,
Und biet es einer andern an.
Weil Chloris so die Freyheit liebet,
Und sich ihr gänzlich übergiebet,
Unmöglich dich vergnügen kann.
Da Capo.

Kaum, daß sie dies gesagt, so gab es doch der Schein,
Als müste sie dabey nicht unempfindlich seyn.
Sie stellte sich gleichwohl bey ihrem tauben Ohr
Die Lieb und Zärtlichkeit des guten Schäfers vor.
Ach! sprach sie zu selbst; ich muß es wohl beklagen,
Daß mein Entschluß von mir begehrt,
Mein Herz ihm abzuschlagen;
Ja freylich ist er Liebenswerth.
Mit was für sehnlichem Verlangen,
Mit was für Treu und Redlichkeit
Ist mir nun schon so lange Zeit
Der liebe Schäfer nachgegangen?
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Wie manchen netten Strauß, den er mit kluger Hand,
Selbst von den schönsten Blumen wand,
Hat mir mein Damon nicht gereichet?
Mein Schäferhuth und Stock, dem wahrlich keiner gleichet,
Rührt auch von ihm noch her; wie ofte blies er mir
Auf seinem Haberrohr ein schönes Liedchen für!
Ja freylich hat er es bey mir sehr hoch gebracht,
Er sang beständig nur vom lieben.
Wie freundlich hat er mich darbey nicht angelacht,
Wenn ich die Heerden ausgetrieben?
Ich mag, wohin ich will, mein Auge lenken,
So find ich noch von ihm ein Angedenken;
Da steht kein Baum
So in der Fern als Nähe,
Auf dessen Rund ich nicht in einem glatten Raum
Der Chloris Namen schön und tief geschnitzet sehe.
Dies alles rührte sie, daß sie sich nach und nach
Bey ihren innerm Streit selbst dieses Urtheil sprach:
Aria.

Undankbare! schäme dich.
Laß Eigensinn und Freyheit schwinden.
Dergleichen reine Liebes Flammen
Kann keine Schäferinn verdammen.
Drum lindre deines Damons Pein;
Schenk ihm dein Herze gern und willig;
Getreue Liebe muß wohl billig
Mit Gegengunst belohnet seyn.
Da Capo.

Allein in einem Augenblicke
Zog die verwirrte Schäferinn
Gleich wiederum ihr Wort zurücke.
Die Freyheit fiel ihr wieder ein,
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Nein, hob sie an, es kann nicht möglich seyn,
Daß ich der Freyheit Gold verschwende
Und Herz und Hand an ihn, so treu er liebt, verpfände.
Dies Kleinod kann ich nicht entbehren,
Vergöß auch Damon gleich so viel verliebte Zähren,
Daß er davon die Lämmer könnte tränken,
So wird er doch dadurch mich nicht zum Lieben lenken.
Die Freyheit ist und bleibt das schönste auf der Welt,
Ein jedes Schäfchen giebt mir merklich zu verstehen,
Wie viel es auf die Freyheit hält;
Wenn der Saturn bey ungestümen wehen,
Sie in die düstern und schmahlen Ställe schleußt,
Wie sinket ihnen nicht auf einmal Muth und Geist?
Wie hengen sie den Kopf, wie stehen sie bestürzt,
Weil Boreas die Luft verkürtzt?
Doch heißt sie Florens Wink so Duft als Moder fliehen,
Wie drängen sie sich nicht auf Weyd und Feld zu ziehen?
Ein jedes will das erste seyn.
Wie freudig schlucken sie nicht Gras und Hälmer ein?
Drum weg mit den verhaßten Ketten,
Wer sanfte schlafen will, muß sich alleine betten.
Aria.

Freyheit, allerschönstes Wort,
Du sollst meine Losung bleiben.
Schmeckt nicht der Nachtigal, die in der Freyheit ist,
Ein Körnlein, das sie selbst vom offnen Felde liest,
Weit lieblicher, als wenn man ihr dagegen
Das schönste Zuckerbrodt will in den Kefich legen.
Da Capo.

[308]
Wilst du bey meinem Schmerz, willst du bey meiner Pein,
Noch ferner grausam thun, und unempfindlich seyn?
Wie lange treibst du schon mit meinen Flammen Spott?
Ich schwere heilig dir bey unserm Hirtengott,
Und deiner Schönheit selbst, daß auf der ganzen Erden
Kein Schäfer mir an Treu kann vorgezogen werden.
Du bist, Annehmliche, mir Sonne, Licht und Stern,
Dein Damon liebt und ehrt dich in der Näh und Fern,
Belohne meine Treu, bekröne meine Liebe,
Du kennst mein redlich Herz, die ungefärbten Triebe,
Und auch – – – drauf schwieg er still, die Lippen wurden bleich;
Ihr aber auch dabey das Herz in etwas weich,
Drum ließ, indem die Dämmerung,
Mit ihrer Lämmer Heer befahl nun aufzubrechen,
Ihr Beyleid sie so viel zu Trost und Linderung
Noch gegen ihren Schäfer sprechen.
Aria.

Damon schweig und fasse dich,
Stelle Seel und Herz zufrieden.
Verbeut mir gleich mein freyer Geist,
Der Band und Fesseln sich entreißt,
Mich deiner Gunst zu überlassen,
So kann dich Chloris doch nicht hassen.
Verändert ja die Zeit dereinst mein Herz und Sinn,
So glaube nur, daß ich so dann die deine bin.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. 2. Cantata. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B31E-E