Briefe

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1. Brief

Werbungsschreiben des Großfürsten in Moskau, Ivan Basilowitz, an die Königinn von England, Elisabeth.


Ivan Basilowitz, der Russen Großfürst, und ein berüchtigter Tyrann, der dem Nero an Mordbegierde nichts nachgab, war durch den Ruf von der vortrefflichen Königinn in England, Elisabeth, welche damals den Trohn bestiegen hatte, in selbige so stark verliebt worden, daß er einen gewissen Engländer, der sich von Jugend an auf die Sterndeutungskunst geleget hatte, nebst andern Engländern deswegen zu sich nach Moskau berufen ließ, und sich bey ihnen nach dem Alter sowohl als auch den Eigenschaften dieser ihm so hoch angepriesenen Fürstinn erkundigte. Die Nachricht so er erhielt, goß vollends ein so starkes Oel in seine Liebesflammen, daß er sich eben zu der Zeit, da sie von dem Könige in Spanien, und vielen andern Prinzen, als dem Erzherzoge von Oesterreich und Könige von Schweden gesuchet ward, entschloß, ihr seine Liebe durch Briefe zu erkennen zu geben; ja er setzte sich auch vor, seinem ältesten Prinz das Reich zu überlassen, seine Gemalin in ein Kloster zu stossen, durch die Dvina, über das Meer nach England zu segeln, und daselbst seine eingebildete Liebe durch eine Vermählung mit ihr zu vollziehen. Als dieser verliebte Tyranne aber zu letzt sahe, daß der Engländer ihn durch falsch erdichtete Briefe, und lere Vertröstungen aufgehalten, er auch von der Königinn abschlägliche und verächtliche Antwort bekam, ward er auf diesen Betrüger so zornig, daß er seinen Grimm durch das Blut des arglistigen und falschen Unterhändlers wirklich abkühlte, indem er ihn an einem Spiesse braten ließ.


Was wird Elisabeth, der Britten Schönheit sagen,
Da sich ein unbekannt und ihr ganz fremdes Blat,
So unvermuthet will zu ihren Händen wagen,
Die schon Basilowitz im Geist geküsset hat?
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Verwundre dich nur nicht, du Preis der Königinnen,
Laß meinen Antrag dir nur nicht befremdend seyn.
Die Liebe läßt mich hier nichts strafbares beginnen:
Ich räume dir den Thron zusammt dem Herzen ein.
Der Ruf, der sich von dir, und deinen Trefflichkeiten,
In ieden Theil der Welt, vollkommne Fürstinn, schwingt,
Macht daß sein heller Schall zugleich auch mit von weiten
Durch Moskaus Grenzen eilt, zu meinen Throne dringt.
Man rühmt mir hier und dar dein unvergleichlich Wesen,
Man schildert mir dein Bild mit solchen Farben für,
Als ließ es unsre Welt das achte Wunder lesen,
Als wär, o Königinn, was Göttliches an dir.
Dies ist schon mächtig gnug in Unruh mich zu setzen,
Dies martert meinen Geist, den Durst und Sehnsucht quält;
Die Seele wünschet sich an dir nur zu ergetzen,
Die schwühle Tage spürt, und lange Nächte zehlt.
So weit du must von mir, entfernte Schöne, sitzen,
So nahe seh ich dich doch stündlich vor mir stehn.
Ich seh dich oft im Traum, ein Siegeszeichen schnitzen,
Mit dem du mir bereits entgegen scheinst zu gehn.
Was Wunder? wenn ich dir mein Leiden muß entdecken,
Und du mein Herze findst in dieses Blat gelegt?
Du darfst Elisabeth, darüber nicht erschrecken,
Weil ein zu starker Trieb mir Hand und Feder regt.
Ists möglich? hör ich dich bereits im voraus fragen,
Der Moschen Großfürst beut sich mir zu eigen an?
Der doch, wie alle Welt mit mir zu gleich wird sagen,
Sein Herz, das längst verschenkt, nun nicht mehr theilen kann.
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Sitzt nicht ein Ehgemal ihm wirklich schon zur Seiten,
Das seiner Liebe Brand durch Gegenliebe stillt;
Zu was für Thorheit will ihn denn sein Trieb verleiten,
Aus dem so sträfliche und tolle Sehnsucht quillt?
Doch laß dich dieses nicht, o Fürstinn, irrig machen.
Wer in die Sonne sieht, acht kein Gestirne nicht.
Wo Ros und Lilien uns in die Augen lachen,
Da weist du daß man nicht verwelkte Nelken bricht.
Ihr Scheidebrief liegt schon bereit und abgeschrieben,
Die Zelle mag ihr Thron, ein Buch ihr Ivan seyn.
Basilowitz kann sie hinfüro nicht mehr lieben;
Dir, unvergleichliche schenkt er sein Herz allein.
Mein grosses Fürstenthum, von dessen Breit und Länge
Die Grenzen man kaum weis, geb ich mit frohem Sinn,
Denn es ist meinem Geist nunmehr zu bang und enge,
An meinen Prinz, allein um deinet willen hin.
Ein süsser Kuß von dir den ich im Geist schon schmecke,
Vergnügt mich wahrlich mehr, als sonst ein Kayserthum;
Auf! lösche meinen Brand, den ich dir hier entdecke;
Dein Ja heilt meinen Schmerz, du bleibst mein Eigenthum.
Ach! laß mich dies nur bald, gekrönte Schöne, lesen,
Wirf deinen Scepter hin, und greif nach Kiel und Blat:
Sag ob mein Antrag dir auch angenehm gewesen,
Und ob der Russen Haupt dein Herz besieget hat.
Ich will, so bald mich dies wird deine Zuschrift lehren,
Dem Dwina mich vertraun, und unter Seegel gehn,
Dem prächtigen Pallast mein Antlitz zu zu kehren,
In dessen Mauren man sieht Englands Gottheit stehn.
Die Sehnsucht treibet mich, ich soll das Ufer suchen,
Spannt ihr Matrosen nur die vollen Segel auf.
Neptunus wird mir nicht bey meiner Liebe fluchen
Sein Beystand, hoff ich fest, verkürzet meinen Lauf.
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O Thetis! sey mir hold! erbarmt euch ihr Najaden,
Klärt Luft und Wolken auf, macht meine Fahrt beglückt,
Damit Basilowitz der Last sich mag entladen,
Die sein entflammtes Herz, wie schwere Zentner drückt.
Laßt Donner, Blitz und Sturm in Nereus Tiefen schlafen,
Weist Wellen und Orcan nach andern Seen hin.
So dann erreich ich bald den längst gewünschten Hafen,
So küß ich ganz entzückt dich schönste Königinn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 1. Brief. 1. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B302-A