1. Scherzgedichte

Da, wo die fahle Pleisse fließt,
Und sich mit sanftem Fall ergießt,
Da fanden sich bey frühem Schein
Aurorens sehr viel Nymphen ein.
Es ward ein froher Tanz bestellt,
Dem jegliche sich zugesellt;
Weil sich ein solch Gestirne wies,
Das sie die Reyhen schliessen hieß.
Das Glücke flocht in frischem Glanz
In ihres Damons Wiegenkranz
Ein neues Lorberblättchen ein;
Dies muste ja gefeyret seyn.
Hier war die gröste Herrlichkeit,
Sie sprungen, tanzten höchst erfreut,
Und stimmten solche Lieder an,
Die man nicht netter hören kann.
[157]
Doch mitten in der grösten Lust,
Drang was durch der Gespielen Brust,
Und in der Schäferinnen Ohr,
Daß sich Gesang und Scherz verlohr.
Die Schreckenspost erscholl sogleich.
Schweigt, Kinder, hieß es, trennet euch,
Ach! euer Schäfer, welchen ihr
So wehrt gehalten, flieht von hier.
Er läßt euch auf den Auen stehn,
Um andern Fluhren nachzugehn.
Sein Hirtenstock hat, wie man hört,
Sich in den Wanderstab verkehrt.
Hier fiel den Nymphen Muth und Sinn
Und alle Freud auf einmal hin;
Sie liessen Händ und Reyhen los.
Denn ihr Verlust war gar zu groß.
O! sprachen sie, geht dieser fort,
Und sucht Quartier an fremdem Ort,
So ists um unsre Lust geschehn,
Er wird doch uns nicht wieder sehn.
Der Kummer überhäufte sie;
Und doch gab sich die eine Müh,
Zu dem Orakel hinzugehn,
Es um den Ausspruch anzuflehn.
Sie fragt, und dies nicht ohne Pein:
Wird Damon auch so redlich seyn,
Daß er an unsre Pleisse denkt,
Und ihr noch manchmal Seufzer schenkt?
[158]
Ach schlechter Trost: denn dieses sprach:
Seht ihm, verweiste Nymphen, nach;
Hofft nicht, daß er zurücke sieht,
Weil ihm ein grössres Glücke blüht.
So bald er R – – – erblickt.
Und von der Post den Fuß gerückt,
So beut ihm alles, was nur kann,
Quartier und Herz freywillig an.
Man läßt ihm weder Fried noch Ruh;
Zwölf Nymphen reichen hier nicht zu,
Es dürften acht und zwanzig seyn,
Die alle nach dem Damon schreyn.
Doch, härmet euch nicht gar zu sehr,
Indem es doch wohl möglich wär,
Daß dieser Schäfer mit der Zeit,
Vergäß er euch, es noch bereut.
Dies weckte bey dem schnellen Lauf,
Der Nymphen Chor doch wieder auf,
Das sich vom Damon viel versprach;
Drum riefen sie so viel ihm nach:
Beliebter Schäfer, fahre wohl!
Da dich die Pleisse missen soll,
Vergnüge dich in fremder Luft,
Wohin dich Glück und Schicksal ruft.
Wir schneiden, kanns nicht anders seyn,
Den Namen in die Linden ein;
Weil deine Tugend wohl verdient,
Daß dein Gedächtnis immer grünt.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Schäferlieder und Scherzgedichte. 1. Scherzgedichte. 1. Scherzgedichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B255-7