11. Brief

An eine Adeliche Dame.


Hochwohlgebohrne Frau, mit zittern und mit beben
Setz ich die Feder an; ich bin ganz ausser mir.
Du weist, ich liebe dich als wie mein eigen Leben,
O! Freundinn, wär ich doch den Augenblick bey dir!
Da könnt ich in der That mein redlich Herze zeigen,
Die wahre Schuldigkeit von einem ächten Freund.
Doch dieses hindert nicht: ich schreib und will nicht schweigen
[205]
Von dem was mich betrübt, mir unerträglich scheint.
Es ist die Schreckenspost vor unser Ohr gekommen,
Dein liebstes Ehgemal verläßt dich durch den Tod.
Die Zierde ist nunmehr von deinem Haupt genommen,
Dem Unglück so dich trifft, gleicht wahrlich keine Noth.
Ich sehe dich im Geist in tiefster Trauer sitzen;
Ich sehe wie du weinst, wie du die Hände ringst;
Doch dieses wird dir nichts zu deiner Tröstung nützen,
Wenn du den ganzen Tag mit tausend Ach zubringst.
Ein unbekanntes Land ist Zeuge deiner Thränen,
Wer kann bey diesem Fall dein treuer Beystand seyn?
Wie wirst du dich anitzt nach deinem Glogau sehnen!
Da räumt man dir bereits ein Wittwenzimmer ein.
Da kannst du in der Still noch den Verlust beklagen,
Da laß dem bittren Schmerz den ungehemmten Lauf.
Nur laß mich dieses noch aus treuer Seele sagen:
Du grämest dich mit Recht; doch hör auch wieder auf.
Ich weis, der Wittwenstand hegt hunderttausend Sorgen:
Wer aus Erfahrung spricht, spricht aus des Herzens Grund.
Der Freunde sind zwar viel, die diesen Namen borgen,
Doch bleibt das Herze fern; es schmeichelt nur der Mund.
Sie trauren nur zum Schein; der Wohlstand will es haben,
Sie kommen dann und wann auch wieder in dein Haus.
Doch kann ihr Zuspruch nicht die matten Geister laben;
Denn in dem Innersten siehts gar zu häßlich aus.
Sie merken in der That auf deine Wort und Minen.
Wenn du das Auge rührst, ist schon der Spruch gemacht.
Kurz, alles muß an dir zu dem Gespötte dienen,
Und eine Wittwe wird bey wenigen geacht.
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Woher kommt der Verfall? die pöbelhaften Sitten
Die nehmen leider itzt die meisten Menschen an,
Auch bey denjenigen sind sie sehr wohl gelitten,
Die man dem Stande nach nur unterscheiden kann.
Gesetzt, du must die Schmach mit andern auch erfahren;
Ach Freundinn, wanke nicht in deinem Heldenmuth!
Verkürze darum nicht ein Jahr von deinen Jahren;
Die Unschuld bleibet stets das allerhöchste Gut.
Denn kannst du dir nur selbst nicht einen Vorwurf machen,
So mag der Spötter Zunft aus vollem Halse schreyn.
Du kannst bey ihrer Wuth in deinem Herzen lachen:
Ihr Küssen schadet dir so wenig als ihr Dräun.
Könnt ich dir den Verlust in etwas nur ersetzen,
Wie willig und bereit wär nicht mein treuer Sinn!
Ich würde mich beglückt bey diesem Dienste schätzen,
Weil ich die Deinige von langen Zeiten bin.
O Freundinn, tröste dich! besuche unsre Linden.
In – – wartet man mit inniger Begier.
Du wirst uns einerley in unsrer Freundschaft finden,
Kommst du, so bin ich gleich, wenn du es willst, bey dir.
Mein Engel, denk indeß an die so dir ergeben.
Mein Angedenken schließt sich nicht mit diesem Blat.
Du wirst unausgesetzt in meiner Seele leben,
Ich weis, was man an dir und deiner Freundschaft hat.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Briefe. 11. Brief. 11. Brief. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B1B8-4