[10] 3. Ode

Als Se. Königliche Majestet von Großbritannien bey Ihrer Zurückreise von Holland nach England am 1. Jan. 1737. einen schweren Sturm ausstehen müssen; aus demselben aber glücklich gerettet worden.


Wenn Sonn und Licht am Himmel steigt,
Und sich durch lange Tage zeigt,
So jauchzt die Welt bey diesem Glücke.
Ihr Feuer wärmet Berg und Thal;
Man spürt und preiset überall
Die Wirkungen der frohen Blicke.
Was sich nur regt, das wird belebt,
Daß es der Noth vergißt, und Haupt und Herz erhebt.
Jedoch, wenn sich ihr Wirbel senkt,
Und seinen Lauf hinabwerts lenkt,
Und Nacht und Schatten nach sich ziehet;
Wenn nun der Horizont erblaßt,
Und ihren Strahl nicht weiter faßt,
Und sich von ihr verlassen siehet;
So steht das Land betrübt und matt,
Indem es Muth und Glanz mit ihr verlohren hat.
So war, O Herr! dein Volk vergnügt
Als seine Hoffnung obgesiegt,
Und Du, sein Glücksstern, aufgegangen.
Es fieng ein jeder Unterthan
Sein Leben wie von neuem an,
Weil er von Dir die Kraft empfangen.
Der Unmuth fiel, die Freude stieg,
Der muste treuloß seyn, der seine Lust verschwieg.
[11]
Dein Abschied ändert sein Gesicht,
Aus welchem Gram und Kummer bricht,
Die wahren Zeugen seiner Treue.
Sein kläglicher, sein zarter Blick
Ruft dich, o Vater, noch zurück,
Daß sich sein erster Trost verneue.
Doch du must unerbittlich seyn,
Dein Reich verlangt Dich auch. Du stellst Dich wieder ein.
Die Reise bleibt nun fest gestellt,
Das Land so diese Post erhält,
Empfindet die verborgnen Schmerzen.
Der König eilt, man sieht Ihm nach,
Und dieses preßt ein bitter Ach
Aus der getreuen Diener Herzen.
Die Traurigkeit verstopft den Mund
Und macht das innre Leid durch milde Thränen kund.
Wer macht die Bahn? wer ist um Dich?
Wer geht mit Dir? wer rüstet sich,
Und giebt Dir, König, das Geleite?
Dein ganzes Chur- und Fürstenthum,
Der besten Unterthanen Ruhm
Ist Dir durch seinen Wunsch zur Seite,
Es will dem Unglück wiederstehn,
Und überall vor Dir zu deinem Schutze gehn.
Beglückter Fürst, der so regiert,
Daß er durch Huld die Herzen rührt,
Und sie durch gnädig seyn verpflichtet!
Du ziehst sie mit ins Schiff hinein,
Und jedes will das erste seyn
Das seinen Wunsch zum Himmel richtet.
Die schwarzen Wolken theilen sich,
Der König segelt fort, nichts sey ihm hinderlich.
[12]
Doch Himmel! was für eine Wut!
Vor Furcht erstarrt das rege Blut,
Wer kan dem Sturm entgegen sehen?
Die Welle drückt sie in den Grund;
Das Schiff verläßt den tiefen Schlund,
Sich auf der See herum zu drehen.
Hier schwimmen Segel, Mast und Tau,
Wer weis, wie bald ich auch die todten Körper schau?
Dort steigt ein Wasserberg herfür:
Das bange Herze bebet mir,
Er will sie in das Meer begraben.
Der Todesschweiß bricht allen aus:
Man soll dies ungepfälte Haus
Zum Sterbebett und Sarge haben.
Hier hilft kein Mensch, nur Gott allein:
Wo dieser schlafen will, wem soll geholfen seyn?
Wo ist der König? lebt er noch?
Du Herr der Welt, erhör uns doch,
Und laß sich Wind und Wellen legen!
Wird uns die Gnade nicht zutheil,
So laß dich doch das grosse Heil
Der Kirchen und des Staats bewegen!
Laß sehn wie gnädig deine Macht
Vor deiner Gottheit Bild, vor den Gesalbten wacht!
Wer ist es? wer bemüht sich dort?
Wer sucht so eifrig Land und Port,
Um seinen König zu erretten?
Ein Seegott, den die Kunst erhöht,
Wie man den Meeren wiedersteht,
Auch wenn sie sich verschworen hätten.
Ein Mann, den jeder der ihn kennt,
Den menschlichen Neptun der grossen Britten nennt.
[13]
Getrost! Nur fort! das Werk gelingt,
Wir sind erhört, die Vorsicht winkt,
Das Schiff ist der Gefahr entschwommen.
Bald steigt der König an das Land,
Und hat Er sich auch umgewandt,
So ist Er dennoch hier willkommen.
Ein jeder freut sich, der Ihn sieht,
Und lobt des Himmels Schutz durch ein Verehrungslied.
Ihr, die ihr Gott bekämpfen könnt,
Daß er euch seine Gnade gönnt,
Ermüdet nicht, ihn anzuflehen.
Verkürzt dadurch den Schmerz zugleich,
Womit Gemahlin, Volk und Reich
Des Königs Schiff entgegen sehen.
Wohl uns! ihr treibts dem Ufer nah.
Das ganze Land erschallt: Nun ist der König da.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 3. Ode. 3. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B174-9