[91] 20. Ode

Unbillige Verfolgung hat öfters eine gute Wirkung.


So bald sich nur der Himmel thürmt;
Der Wind aus Ost und Westen stürmt,
So fühlt die bange Brust ein ganz geheimes Schrecken.
Der sonst so aufgeklärte Sinn
Entfällt, und weis selbst nicht wohin,
Und sucht sich in der Zeit mit Sicherheit zu decken.
Er hört wie stark der Donner knallt
Und durch die finstern Wolken schallt,
Wie heftig Blitz und Strahl in tiefsten Abgrund schiessen.
Daß jede Creatur vermeynt,
Daß heut ihr letzter Tag erscheint,
An dem sie soll die Schuld begangner Fehler büssen.
Das Erdreich zittert, und dem Land
Bleibt noch sein Schicksal unbekannt;
Biß daß sie nach der Fluth, die Fruchtbarkeit empfinden.
Denn bey stets heiterm Sonnenschein
Kann keine reiche Erndte seyn;
Drum muß der Regen auch sich oft mit ihm verbinden.
Ist endlich nun der Sturm vorbey,
Wird alles lustig, munter, frey,
Und jedermann vergnügt, als wär er neu gebohren.
Da lebt das Herz, da lacht der Mund,
Da thun die frohen Blicke kund,
Daß man die Lust erst schmeckt wenn sich der Schmerz verlohren.
[92]
Ein Uebel baut oft unser Wohl,
Nur der, der sich drein schicken soll,
Kann diesen Grund so leicht, so sicher nicht ergründen.
Der Ausgang zeigt dem Klügsten an,
Daß da sein Glück nicht steigen kann,
Wo nicht die Eris auch kann ihren Antheil finden.
Der Haß, die Schmähsucht, und der Neid
Erschrecken uns zu mancher Zeit;
So wie des Donners Knall, die Flamme schneller Blitze.
Wenn uns ein Grosser wiederspricht,
So ändert man auch das Gesicht
Man scheut, und fürchtet ihn bey allem seinen Witze.
Wenn man die Rachsucht drohen hört,
Die uns in unsrer Wohlfahrt stört,
So kann man sich nicht leicht bey der Verfolgung fassen.
Wenn sich ein kleiner Mann vergeht,
So weis man daß er nicht versteht,
Warum er diesen liebt und jenen sucht zu hassen.
Der kleine Name macht sich groß;
Und sitzet er dem Glück im Schooß,
Mit seiner Lästerkunst der Weisheit trotz zu bieten:
Vergönnt sein Vorurtheil ihm nicht,
Daß er was gutes von uns spricht,
Er kann nichts anders thun, er muß beständig wüten.
Der Neid bemüht sich auch zugleich,
Und ist stets an Erfindung reich
Da gilt kein wehren nicht, kein heftig wiederstreben,
Da wagt sich oft der schlechtste Mann,
Der kaum recht decliniren kann;
Er will aus Amt und Pflicht sein Wörtchen auch drein geben.
[93]
Was soll nun da ein Weiser thun?
Er muß nur in sich selbst beruhn,
Und muß der Thorheit Wahn, die Lästerung belachen.
Er geht fort auf der Klugen Pfad;
Zuletzt, so zeiget doch die That;
Die Neider können nur ein blindes Lermen machen.
Es würde mancher nicht bekannt,
Den reine Tugend und Verstand,
Verdienst und Redlichkeit im höchsten Grade schmücken.
Wenn nicht des Spötters heisse Wuth
Ihn oftmahls kränkte bis aufs Blut,
Und suchte öffentlich die Fehler vorzurücken.
Und also trifft es richtig ein:
Das Uebel muß die Quelle seyn
Daraus oft unser Wohl, und unsre Ruh entstehet.
Ein grosser Geist belacht den Grimm,
Und weis daß bey dem Ungestüm
Sein Name, Ruf und Ruhm, so leicht nicht untergehet.
Die Bosheit kriegt zuletzt zum Lohn
Verachtung, Schmach, des Pöbels Hohn,
Indem sie sich bemüht, den klügsten Mann zu fällen.
Dem Hof und auch dem ganzen Land
Wird dann so mancher Streich bekannt
Der sich nicht weiter läßt durch Gleißnerey verstellen.
Was macht alsdann ein solcher Tropf?
Er hengt das Maul, er stützt den Kopf,
Und muß sich ingeheim vor seiner Thorheit schämen.
Ihm wiederspricht die kluge Welt
Die nichts auf seinen Vortrag hält.
Zuletzt muß er sich doch zum Schweigen noch bequemen.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Oden. 20. Ode. 20. Ode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B0D0-0