Vermischte Gedichte

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1. Gedichte

Welches an dem hohen Geburtstage Ihro Königl. Majestet in Pohlen und Churfurstl. Durchl. zu Sachsen im Jahr 1732. den 12. May, zu Leipzig in der Deutschen Gesellschaft den Preis der Poesie erhalten hat.


Wie kommt es, daß man schon, da kaum der Himmel graut,
An allen Orten heut Altär und Herde baut?
Welch allgemeiner Laut, wovon die Berge zittern,
Die Thäler bebend stehn, die Flüsse selbst erschüttern,
Schlägt überall so früh an Sachsens Grenzen an?
Was rennt und läuft das Volk, das man nicht zehlen kann,
So munter und vergnügt die Strassen auf und nieder?
Allwo ein jeder Mund den Schall der Jubellieder
Mit Freuden wiederholt, der mich zugleich auch mit
Eh noch der Morgenstern von seiner Wache tritt,
Aus Traum und Schlummer weckt, und die verwirrten Sinnen
Kaum einen Augenblick zur Ruhe läßt gewinnen.
Vergeßne Muse! schweig, besinnst du dich denn nicht,
Was für ein herrliches, und neu gestärktes Licht
Der Sachsen Land erfüllt, Sarmatien bestralet,
Und unsern Musenhayn mit neuem Glanze mahlet?
So recht; erfreutes Volk! auf! Feyre diesen Tag
Der dir der heiligste vor allen heissen mag:
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Dein Jauchzen ist gerecht, laß bey vereintem Flehen,
Der heissen Seufzer Schall bis zu den Sternen gehen.
Verdopple deinen Wunsch bey dieser frohen Zeit;
Dein Schutzgott, dessen Huld dir Sicherheit verleiht,
Der, wenn die Billigkeit nach Würden theilen wollte,
Allein ein ganzes Theil der Welt beherrschen sollte,
Hebt heut auf seinem Thron in dem entfernten Reich,
Dem durch erneurte Kraft gestärckten Adler gleich
Sein hohes Haupt empor; da diesem Heldensohne
Des Himmels eigne Hand, in seiner Jahre Krone
Ein frisches Oelblat flicht, ihn als Gesalbten schützt,
Und durch verjüngte Kraft den Bau der Glieder stützt.
Welch schönes Glücksgestirn! komm Clio, hilf mir singen:
Denn heute muß und soll ein Jubellied erklingen.
Doch nein, mein Griffel sinkt mir leider wieder hin.
So feurig und erhitzt ich auch zum Dichten bin,
So fällt mir Muth und Geist und Herz auf einmal nieder.
Ich höre schon voraus den sanften Thon der Lieder
Die dir, Großmächtigster, die Deutschen Musen weyhn,
Sie tauchen schon den Kiel in Hippocrenen ein,
Und streiten um die Huld des Königs um die Wette,
Dieweil ein jeglicher dies Kleinod gerne hätte.
Ihr Eifer ist gerecht. Denn dieses frohe Fest,
Das dich des Himmels Huld itzt wieder feyren läßt,
Flammt ihre Geister an. Schau, wie sie emsig dichten
Und unverwandt auf dich, im Geist ihr Auge richten.
Es mangelt ihnen auch an grossem Vorwurf nicht,
Woran es oftermals den feurigsten gebricht.
Wenn sie, erhabner Held, an dich mit Ehrfurcht denken,
So wird es ihnen schwer, den Vortrag einzuschränken.
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Was du an jedem Tag, Großmächtigster, gethan,
Giebt dem bemühten Kiel was zu bewundern an.
Sie würden, wollten sie, du Zierde Deutscher Erden,
Dich zeigen wie du bist, wohl nimmer fertig werden.
Ja, was die ganze Schaar ergetzt und munter macht,
Und heute sie weit mehr, als ehmals aufgebracht,
Ist dies, daß Phöbus läßt den lauten Ruf erschallen,
Der gröste Ruhm sey doch, dem Könige gefallen.
Dies alles schrecket mich, Monarche, gar zu sehr;
Mir ist, als wenn mein Geist in Kett und Banden wär.
Die Pflicht will, daß ich mich des Dichtens unterfange;
Allein die Furcht macht mir so gleich auch wieder bange,
Weil blöde Ohnmacht mir auf allen Seiten dräut.
Wie schwer ist dieser Kampf? welch harter Sturm und Streit,
Dich Herr, im Geist zu sehn, und nicht die Seiten rühren?
Zu spielen, aber auch die Majestet entzieren?
Doch weich vergebne Furcht, wer kennt den König nicht,
Von dessen Großmuth man in allen Ländern spricht?
Der oftermals so gar von seinen schwächsten Knechten
Sich lässet einen Kranz aus schlechtem Epheu flechten;
Und auf das Rauchfaß selbst, auf dem der Weyrauch glüth
So hold, als auf die Glut der Hecatomben sieht.
Was scheuest du dich denn? fleuch darum nicht zurücke;
So sehr die Majestet durch ihr gemäße Blicke
Uns in Erstaunen setzt, so häufig spielt auch hier
Des Titus Freundlichkeit und Huld zugleich herfür.
Seht immer, wie ihr wollt, ihr Völker dieser Erden,
Mit eifersüchtigen und neidischen Geberden
Auf uns von weitem her; misgönnt uns den August;
Ihr habt ja Recht dazu, wir leiden es mit Lust.
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Zürnt ewig mit dem Glück, das uns so hold gewesen
Und uns, o schönes Wort! zu seinem Volk erlesen.
Ja, Held, ein jeglicher, der deinen Zepter küßt,
Und deinem Schwerdt zugleich die Ruhe schuldig ist,
Wird zwar von seinem Glück zu aller Zeit belehret;
Doch glaubt man sich kaum selbst, ob man gleich sieht und höret
Wie rühmlich deine Hand zugleich dies beydes führt,
Dein göttlicher Verstand des Thrones Hoheit ziert,
Und wie dein starker Arm stets neue Kraft gewinnet
Mit Nachdruck zu vollziehn was nur dein Witz ersinnet.
Ja Herr, dein hohes Lob erfüllt die halbe Welt;
Die, was Augustus thut, vor Götterthaten hält:
Weil, was du unternimmst, du Preis der Potentaten,
Den Glauben übersteigt, und dennoch muß gerathen.
Ein jedes Stück von dem dir zugefallnen Reich
Und auch von deiner Chur, das kann und wird zugleich
Von deiner Ehr und Ruhm uns einen Schauplatz zeigen.
Nach welcher Landschaft wir nur unser Auge neigen
Da richtet Fama dir bey deinem Heldenlauf
Ein nettes Ehrenmal und frisches Zeichen auf.
Ja legst du einen Tag, gepriesner Fürst, zurücke,
So steigt auch jedesmal, dein Ruf, und unser Glücke.
Wenn oft ein ander Volk, dem nicht dies Glücke grünt,
Dem Herrn, der solches schützt, mit Furcht und Zittern dient;
Fast unter seinem Joch, das ihm den schwachen Rücken
Durch Last zur Erden beugt, muß schmachten und ersticken,
Aegyptens Fröhne thut, und doppelt Ziegel streicht,
So macht dein Unterthan sich Dienst und Knechtschaft leicht.
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Warum? dein gütiges, und mehr als gnädig Wesen,
Das nebst der Majestet uns läßt dein Auge lesen,
Stellt Hoch und Niedrigen, und jederman in dir
Den holden Vater mehr als einen König für.
Und hätte dein Verdienst bey so viel Tugendproben
Dich auch auf keinen Thron, gekrönter Prinz, erhoben,
So hättst du, schwer ich dir, doch deren genug gewust;
Weil jeder Unterthan dir längst in seiner Brust
Den Thron vorher erbaut, und wie die Wahrheit zeuget,
Sich vor demselbigen voll Lieb und Furcht gebeuget.
Kommt ihr Regenten! lernt von dieser Majestet,
Wie wohl es um ein Reich, und die Provinzen steht,
Wenn der Beherrscher selbst das Regiment besorget
Und nicht den Arm allein von seinen Dienern borget:
Wenn seine Wachsamkeit, die täglich uns beschützt,
Der Länder Flor und Heil mit Klugheit unterstützt;
Das Schlachtschwerdt, das der Zwang ihm in die Hand gegeben
Im Felde muthig zückt; doch aber auch daneben,
Den Schlüssel bey sich führt, der Janus Tempel schleußt;
Von Großmuth angeflammt, im Zürnen Huld erweist,
So Rach als Recht vergißt, die Feinde selbst belohnet,
Und seiner Krieger Blut, als wär es heilig, schonet.
Wie muß, erwegt es selbst, ein Staat nicht glücklich seyn?
Wo die Gerechtigkeit nicht darf um Hülfe schreyn,
Und Regel und Gesetz die Kräfte nicht verlieren:
Wo wir an jedem Ort Irenens Tritte spüren;
Der Bürger ungestöhrt, weil ihm der Feind nicht flucht
Bey seinem Feigenbaum und Weinstock Schatten sucht;
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Gewerb und Handel stets von Tag zu Tage steigen,
Und sich so hier als dort des Seegens Quellen zeigen;
Wo Kunst und Wissenschaft sich immer höher zieht,
Und jeder Künstler sich bestrebet und bemüht
Dem andern, der mit ihm ein gleiches unternommen,
An Witz und Trefflichkeit aus Eifer vorzukommen;
Wo man ein ödes Feld, weil sich das Volk vermehrt,
In eine neue Stadt in kurzer Zeit verkehrt,
Und Häuser, die man sonst von Leim und schlechter Erden
Nur aufgebauet fand, zu Marmor müssen werden.
Sitzt nicht der Unterthan sodann dem Glück im Schooß,
Wenn der, der ihn beschützt, aus Huld und Großmuth bloß
Auf seiner Bürger Wohl und Vortheil pflegt zu sehen,
Den Eigennutz vergißt, und wo es kann geschehen,
Sie zu bereichern sucht? weil ihn kein Geiz besiegt,
Und ihr Monarche sich allein daran vergnügt,
Wenn er mehr Herzen kann, als Steuer, Schoß und Gaben
Die wir doch schuldig sind, im Ueberzehlen haben.
Mein König, glaube nicht, als ob die Feder hier
Zu weit hinaus geschweift; dies ist ein Riß von dir
Und deiner Seltenheit. Wer wollte nicht errahten
Daß dies Augustus sey? denn alle deine Thaten
Sind Zeugen, daß in dir ein hoch erhabner Geist
Und eine Seele wohnt die mehr als menschlich heißt.
Du kommst; und wolltest du dein Wesen gleich verstecken,
Kennt dich doch iedermann. Es blickt an allen Ecken
Der König gleich hervor. Tritt auf Bellonens Plan,
Und gürte dir das Schwerdt, den Feind zu dämpfen, an;
Verlaß des Königs Thron, tritt zu den Eremiten
Die eine finstre Kluft in Wüsteneyen hüten;
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So bleibst du doch August; so spricht doch alle Welt:
Du sey, wohin man nur das Auge lenkt, ein Held.
Der wäre taub und blind, der nicht bey deinen Werken
Die Spur der Majestet durchgehends wollte merken.
Und daß, was du ersinnst, und was dein Witz uns zeigt,
Durch die Vollkommenheit das Denken übersteigt.
Hört man nicht immer noch Augustens Ruf ergehen?
Ja. Wo man nur ein Paar wird sehn beysammen stehen,
Da reden sie gewiß von deines Heeres Macht,
Von Sachsens Herrlichkeit, und jenes Lagers Pracht;
Das, bräch auch nimmermehr des Himmels Bau in Stücken,
Und riß der Erdball nicht, kein Mensch mehr wird erblicken.
Du fordertest dein Heer, jedoch zur Lust nur auf;
Wohl wissend, daß das Volk bey sichrer Zeiten Lauf
Durch Uebung rüstig wird und sich zum Ernst bereitet,
Ob das Scharmüzel gleich nur Scherz und Lust bedeutet.
Was sahe dazumal der Menschen Auge nicht?
Ich schweige, weil die Kraft zum Schildern mir gebricht.
Denn hätt ein Argus auch, das was daselbst geschehen
Bey hundertfachem Blick erstaunend angesehen;
So reichte sein Gesicht doch lange noch nicht hin.
Ja Cäsar hätte sich bey ganz betäubtem Sinn,
So trotzig er auch sonst von seinem Heer gesprochen,
Vor deiner Krieger Kunst aus Scheu und Furcht verkrochen.
Jedoch es spricht von dir, verherrlichter August,
Von deiner Trefflichkeit, und was ihm sonst bewust,
Europa nicht allein so weit es sich erstrecket:
Dein Name wird nunmehr auch weiter hin entdecket;
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Denn Fama träget ihn noch tiefer in die Welt.
Dort wo der Wilden Schaar sich im Verborgnen hält,
Da lernt dich nun ein Volk aus deinen Thaten kennen,
Das man muß gegen uns nur halbe Menschen nennen.
Es glaubt kaum daß ein Fürst, der Kron und Churhuth trägt,
Bey der Regierungslast die man ihm aufgelegt,
Zugleich den scharfen Blick nach Africa kann lenken,
Und an den heissen Theil der alten Welt gedenken.
Erstaunt nur nicht dafür, wofern ihr den erblickt,
Den unsers Königs Wink nach euren Küsten schickt.
Augustus machet sich durch seine Seltenheiten
Vor andern Prinzen groß, zum Wunder unsrer Zeiten;
Was dort der Afern Sand für Kostbarkeiten hegt,
Das wird in Dresden itzt den Kennern vorgelegt,
Damit des Königs Burg ein Riß der ganzen Erde,
Und Schatzhauß der Natur, mit Recht genennet werde.
Dies stellt, Großmächtigster, sich jeder, welcher dir
Als Knecht zu Fusse fällt, an diesem Feste für:
Da dir des Himmels Kraft, der unsre Seufzer merket,
Von neuem wiederum der Jahre Zahl verstärket.
Dies flammt uns freylich an, daß man die Opfer thürmt,
Und mit dem heissen Wunsch die Wolken selbst bestürmt.
Denn wo ein König herrscht, den Huld und Großmuth krönen,
Da zehlt sich jedermann zu Ehrfurchtsvollen Söhnen.
Gebenedeytes Licht! Tag, dem gar keiner gleicht,
Und, der uns sonder Gram und voller Lust verstreicht:
Weil dein Geburtsgestrin, vor dem sich alles beuget,
Uns einen neuen Stern zu unsrer Hoffnung zeiget;
Du trittst, o Wort, das uns den Kummer stillen kann!
Das grosse Stuffenjahr so frisch und munter an,
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Als stündst du weit davon, die Staffel zu erreichen.
Dies ist ein festes Maal und ein Versichrungszeichen
Es werde ganz gewiß dereinst des Himmels Hand
Sein, als ein nur der Welt zum Trost geliehnes Pfand,
Dich, herrlicher August, du Vater deiner Pohlen
Und Preis der Sachsen Chur, nicht eher wiederholen,
Als bis dein treues Volk, dem dein erlauchter Geist
Zur Mehrung seines Flors stets neue Wege weist,
Nicht weiter kniend wird vor dich zum Himmel flehen.
Wenn aber dürfte dies, o König, wohl geschehen?

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vermischte Gedichte. 1. Gedichte. 1. Gedichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B09D-6