[355] An die Hochädele und gelährte Jungfrau/Jungfrau Hildegond von Westohn

1.
Wer schreibt diese schöne schrift/
wessen hand und wessen sinnen
können solch ein lied beginnen/
das so nah zum hertzen trifft?
Hildegond/ könt ihr so singen/
daß die linden wider-klingen?
2.
Mier zwar seid ihr unbekant
von gestalt und von gesichte;
aber euer Lob-gedichte/
das mier ward von eurer hand/
ohne mein verdienst/ geschrieben/
pfleg' ich mehr als mich zu lieben.
3.
Meine sinnen seind erblasst/
müssen ungezwungen schweigen/
wan sich eure Lieder zeugen/
und seind ihnen selbst verhasst/
wan ihr hoch-deutsch opizieret/
und die süßen seiten rühret.
[356] 4.
Fries- und Holland wunderts sehr/
daß ein Weibes-bild so singet/
und die Deutschen seiten zwinget;
ja/ ich wundre mich vielmehr/
daß itzt unter fremden zungen
unser hoch-deutsch wird gesungen.
5.
Aber/ Schöne/ saget an/
was ich wiederüm sol schenken/
daß ihr meiner könt gedenken?
was ich würdigs geben kan?
meine lieder müssen schweigen/
weil die euren auf-wärts steigen.
6.
Eure kunst und zierligkeit
macht mich gantz und gar verzükket;
eure hand ist so beglükket/
schwingt sich höher als der neid.
Euer ruhm würd ewig leben/
und der sternen-schaar gleich schweben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Gedichte. Gedichte. Jugend-Flammen. Das zwei und zwantzigste Lied. An die Hochädele und gelährte Jungfrau. An die Hochädele und gelährte Jungfrau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AE18-0