Auf Ihro Hochedelgebornen Herrn Professor Gottscheds zu Leipzig, mit Ihro Hochedelgebohrnen Jungfrau Kulmus aus Danzig Verehligung

Den 18. April 1735.


Nett, lebhaft, schön und feurig muß man schreiben,
Wenn man dieß Fest besingen will:
Drum solte wohl mein Kiel zurücke bleiben;
Ja besser wärs ich schwiege still;
Allein die Lust, die Euer Band mir schencket,
Macht, daß ich jetzt nicht schweigen kan;
Die Pflicht woran mein Herze stets gedenket,
Reitzt mich noch mehr und stärker an:
Und also sing ich auch ohn wiederstreben
Von Amor, dem Ihr Euch: jetzt ganz ergeben.
Die Majestät, der alle Häupter dienen,
Beschlosse schon eh etwas war,
Die Liebe solt auf dieser Erden grünen,
Und dauren bis ins letzte Jahr.
So lang der Nil Egyptens Felder wässert;
So lang der Po im Cirkel geht;
So lang der Thau die welken Saaten bessert,
Und dem Verderben wiedersteht;
Ja bis der Bau der Welt wird untergehen,
So lange wird die Liebe auch bestehen.
[236]
Bey Donner, Blitz und Zittern, Furcht und Grauen
Ward das Gebot der Heiligkeit,
Auf einen Felß, in Steine eingehauen.
Hier zeiget sich der Unterscheid!
Die Liebe ward mit grossen Zärtlichkeiten,
Im Paradieß, ins Herz geprägt.
Der Schöpfer sucht uns hierdurch anzudeuten,
Den Seegen, den er drauf gelegt.
Und dieser Trieb zwingt Helden, Majestäten,
Der Weisen Schaar, ja selber die Propheten.
Ihr Tempel ist wohl niemahls leer zu schauen,
Weil stets daselbst ein Opfer brennt.
Sie weis den Thron der Könige zu bauen,
So, daß die Welt sie mächtig nennt.
Die Liebe wohnt in Lager und Gezelten,
Und läßt sich auch bey Fahnen sehn;
Der Schwerder Blitz kan gegen ihr nichts gelten,
Und kein Tyrann vor ihr bestehn.
Sie kan mit Recht der Inbegrif der Erden,
Und Wunderwerk der Welt genennet werden.
Ihr Wunderwerk, der abgelebten Zeiten,
Ihr seyd vor ihr nicht nennens werth!
Wo sieht man euch und eure Seltenheiten?
Nicht wahr; ihr seyd in Staub verkehrt?
Ihr Tempel steht, wenn eure Mauren brechen,
Man schauet ihn beständig an.
Darius komm, laß deine Fürsten sprechen,
Und sage selbst was Liebe kan:
Ich weis, man wird aus euren Augen lesen,
Wie groß und stark die Liebes-Glut gewesen.
[237]
Ein Glaubens-Held will mit Rebeccen scherzen,
Ein Patriarch küßt Rahels Mund,
Egyptens Fürst will Asnaths Wangen herzen,
Selbst Aron ward von ihr verwundt.
Der dichtende Prophete kan bezeugen,
Wie mächtig ihre Regung war.
Auch seinen Prinz, dem alle Weisheit eigen,
Den zog, den trieb sie ganz und gar.
Die Weisheit schlief, die Majestätschen Mienen,
Die musten hier der Liebe eifrig dienen.
Die Stärke muß vor ihrem Arm sich biegen,
Sie zwingt die Riesen an ihr Joch.
Auch Delila kan glücklich durch sie siegen,
Und Herculs Thaten weis man noch.
Die Helden sind im Streit nicht vor ihr sicher,
Dieß sahe wohl Pompejus ein.
Auch Troja muß und seine Helden-Bücher,
Ein Denkmaal ihres Zwanges seyn.
Daß Holofern im Lager liegt und schnaubet,
Macht, weil die Lieb ihm die Vernunft geraubet.
Allein bezwingt die Liebe auch die Weisen?
Der Philosophen Herz und Geist?
Wie? solten sie sich dessen nicht entreisen,
Was Regung und Affecten heist?
Ey! solten sie sich wohl entschliessen können,
Der Liebe und derselben Macht,
Auch einen Raum in ihrer Brust zu gönnen?
Ja! ja! es ist mit Vorbedacht
Von Ewigkeit dem Philosoph das Lieben,
Gleich wie dem Held in seine Brust geschrieben.
[238]
Wie solte sich der Weise stark befinden,
Der Liebe Trieb zu widerstehn?
Er kan ja wohl mit leichter Müh ergründen,
Wie hoch sie werde angesehn.
Er weiß und merkt, ihr Ursprung sey von oben,
Ihr Stifter sey die Majestät,
Die Wind und Schnee und Creaturen loben,
Und deren Wesen nie vergeht.
Drum läßt er sich, und ohne sich zu schämen,
Vielmehr mit Lust von ihr gefangen nehmen.
Die Liebe setzt ihn auch in ihren Orden,
Und zwingt ihn, wenn sie es begehrt:
Er triumphirt, daß er besieget worden.
Ist dieses nicht Betrachtungs werth?
Ein Beyspiel, daß ein Philosophe liebet,
Und sich mit Lust besiegen läßt,
Und seinen Geist der Liebe übergiebet:
Dieß zeigt, mein Freund, dein Hochzeit-Fest.
Ein Philosoph und grosser Dichter singet;
Da er sein Herz der schönsten Muse bringet.
Du liebtest so, damit es deinem Stande
Nicht etwa schimpflich möchte seyn;
Ja deine Wahl bringt dir in jedem Lande
Viel Ehre; doch auch Mißgunst ein.
Ein Philosoph liebt eine kluge Schöne,
Ein Dichter eine Dichterin.
Minerva singt mit zärtlichem Gethöne;
Du liebst, daß ich zufrieden bin:
Dir geht dein Wunsch nach meinem Wink von statten.
So muß sich gleich und gleich zusammen gatten.
[239]
Gelehrte Zwey! Ihr habt so klug gewehlet,
Daß man die Wahl vor edel schätzt.
Drum wird mein Wunsch, der bis daher gefehlet,
Nach Römer Mode beygesetzt.
Kein Unfall mög auf Euch Verknüpfte fallen:
Es müsse auch zu aller Zeit
Thalasius in Eurem Haus erschallen,
Sein reiches Glück sey Euch bereit.
Ihr dienet zwar der Liebe; doch darneben
Werdt Ihr Euch auch Minerven stets ergeben.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Hochzeit-Gedichte. Auf Professor Gottscheds mit Jungfrau Kulmus Verehligung. Auf Professor Gottscheds mit Jungfrau Kulmus Verehligung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADFA-9