Auf die Fratscher- und Weltzische Hochzeit

Den 4ten des Brachm. 1737.


In andern Namen.


Herr Bräutgam! Werther Freund!
Du hast bey schlechter Zeit,
Wo hast du hingedacht? geliebet und gefreyt.
[259]
Die Zeiten sind ja schlecht, die Sitten sind verdorben.
Die Treu und Redlichkeit ist gänzlich ausgestorben.
Die Heucheley florirt; weil nur Betrug und List,
Wind, Prahlsucht, Eigennutz im größten Schwange ist.
Dem ist der Kopf voll Dunst, der Mund voll artger Sachen,
Der schläft sich Mittags satt, um in der Nacht zu wachen.
Der will beym Monden-Schein Botanisiren gehn;
Und nach der Sternen Heer bey Sonnen-Strahlen sehn.
Wie bunt und wunderlich gehts in der Welt jetzunder!
Man hört, und spührt, und sieht fast täglich neue Wunder.
Betracht den Handel-Stand, den Land und See vermehrt,
Mit was vor Sorg und Müh ist dieser nicht beschwert?
Was vor Gefahr und Last, was vor Verdrüßlichkeiten
Sind nicht mit ihm verknüpft, und müssen ihn begleiten;
Wie wird die Redlichkeit mit guten Käufern rar?
Und wer bezahlt, wie sonst, die schönen Waaren baar?
So gehts, man borgt vielmehr. Mahnt man hernach die Schuldt
So heists: man möchte sich in etwas noch gedulden.
Hilft nach geraumer Zeit die Höflichkeit nicht mehr,
Und man dringt auf das Geld; da lästert man gar sehr.
Man leget sich auf List, und durch Betrügereyen
Sucht man sich von der Schuld und Zahlung zu befreyen.
Wie manche Schuld wird nicht ins Conto-Buch gebracht,
Der Schaden ist sehr groß; der Schuldner geht und lacht.
So klug ein Kaufmann ist, (durch Schaden wird man klüger)
So weis er dennoch nicht von Frommen, vom Betrüger
Den Unterschied zu sehn: Weil sich der letztre stellt,
Er sey der Christlichste und Redlichste der Welt.
Ach eine schlimme Zeit ist jetzt vorm Handels-Orden!
Ich sage jetzo nicht, was dort in Süd und Norden
Bisher die Kaufmannschaft erlitten und gesehn;
Man frage Deutschland nur; was ist nicht jüngst geschehn?
Wie manches schönes Glück ist durch Veränderungen
Der Münzen hier und da der Handlung mißgelungen?
Wie hat man sie dadurch gedrücket und beschwert?
Hat nicht das gute Geld zugleich mit aufgehört?
Man tröstete sich zwar, daß doch der Lage Bürde
Sich durch die Aenderung nunmehr verlieren würde;
Allein der Trost ist hin, es bleibt doch, wie es ist,
Ob man gleich an Procent fast zweymahl zehn vermißt!
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Dieß ist dir, werther Freund! bekannt und nicht verborgen:
Und gleichwohl steckst du dich in Haus- und Wirtschafts Sorgen.
Mein Freund! was nimst du für? du weist die schlechte Zeit,
Du weist wies jetzo geht; und du hast doch gefreyt.
Noch mehr, ein Handels-Mann wird dadurch mehr gekränket,
Weil manches Mädgen sich oft spröde gnug bedenket,
Ob sie ihn nehmen will. Da heists der mich will freyn,
Muß graduirt, galant und schön gekleidet seyn.
O! stellt euch doch gelehrt, schneidt auf, was ihr nur könnet,
Borgt, machts so bunt ihrs wißt, daß man euch herrlich nennet
Und folglich glücklich liebt. Geht! zeigt euch hier und dort!
Sucht euch Gesellschaft aus! geht an publicen Ort,
Und schwatzt und sprecht alda von hochgelehrten Sachen,
Sucht grosse, wichtige Processe weis zu machen.
Zieht kluge Männer durch, verhöhnet sie, und sprecht
Von Leuten von Verstand und Tugend schnöd und schlecht;
So könnt ihr glücklich seyn. Seht! solche Freyer werden
Von Mädgen auserwehlt: Ob sie schon auf der Erden
Sich und der Republic gar wenig nützlich sind.
So liebt man etwas Ehr und einen Mund voll Wind.
Jedoch man findet auch noch Leute andrer Sinnen,
Die auch den Handelstand besonders liebgewinnen,
Sie schätzen ihn sehr hoch, und sehn den Nutzen an,
Den Stadt und Land von ihm vortreflich haben kan.
Wie manche hohe Macht sucht ihn vor allen Dingen
Mit Kosten, Fleiß und Müh in vollen Flor zu bringen?
Sie legen diesem Stand nicht wenig Ehr bey,
Und zeigen dadurch an, wie edel dieser sey.
Ein Halbgelehrter wußt in einem Heyraths-Schreiben
An die vermeinte Braut ihn herrlich zu beschreiben.
Er stellte sinnreich vor, er hab zur Handlung Lust,
Sie sey nunmehr sein Trost und Labsaal seiner Brust.
Er wolte seiner Braut dadurch die Zeit verbessern,
Und um ein merkliches ihr Capital vergrössern.
Er führte zum Beweiß, daß seine Rede wahr,
Gar viel in Erfurt an, die jetzt ganz offenbar
In vollem Flore stehn, und wenig Anfang hatten.
Noch ein Exempel kam ihm dießfals wohl zu statten,
Er schrieb von einem Mann, der mir zwar nicht bekannt,
Wie der ein reiches Kind vom Dorf und Bauren-Stand.
[261]
Zur Braut sich auserwehlt, und sey nun in dem Orden
Der Kaufmannschaft, durch sie, ein grosser Kauffmann worden.
Du aber, werther Freund! hast nicht also gewehlt,
Die Tugend, welche dich belebet und beseelt,
Hieß dich ein Tugendbild und frische Jugend lieben:
So kan dich deine Wahl auch nimmermehr betrüben.
So rein Dich deine Braut auch liebet und verehrt;
So würde ihre Lust doch würklich stark vermehrt,
Wenn sie den schönen Brief in ihre Hand bekäme,
Und dessen Inhalt recht durchläs und selbst vernähme.
Indessen, da dir nun das Glück Dein Hochzeit-Fest
Heut mit der holden Braut höchst frölich halten läst;
So geht mein Wunsch dahin: Euch werthgeschätzte Beyde
Führ stets die Hand des Glücks auf einer Rosen-Weyde,
Damit das Sprichwort gilt: Wer nach der Tugend tracht,
Derselbe wird vom Glück und Seegen reich gemacht.
Es mög der Wind des Glücks stets eure Mühle treiben,
So wird das Mühlwerk gut benebst dem Handel bleiben.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Hochzeit-Gedichte. Auf die Fratscher- und Weltzische Hochzeit. Auf die Fratscher- und Weltzische Hochzeit. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADF5-4