Heute da Herr M – – Sinn, sich in der Frau M – – ihren Willen gänzlich stellt, Sie als seine Liebste liebet, auch zum Siegel und zum Pfand vor dem Altar Ring und Hand als vor Gottes Augen giebet: und die Hochzeit-Feyer hält. Hat bey diesen frohen Stunden sich zu einen Reim verbunden eine Freundin, welche gern Freundschaft hält so nah als fern

Den 5ten des Wintermonats 1733.

Serenata.
Rosilis, Kleander, Liebe, Vergnügen, Zeit.
Liebe:

Lieben und geliebet werden,
War das erste auf der Erden.
In Edens Auen
War ich zu schauen:
Drum wer wolte meine Flammen,
Lästern, höhnen und verdammen?
Lieben, und geliebet werden,
War das erste auf der Erden.
Vergnügen:

Hierinnen, hast du recht.
Allein,
Wenn zwey verliebte Herzen
Aufs zärtlichste zusammen scherzen;
So muß ich doch der Nächste seyn.
[222]
Denn, laß mich mit meinem Bilde
In dem Ehstands Lust-Gesülde
Nicht sehn und merken;
So wird gewiß
Das Ehstands-Paradieß,
Der Dornen Wachsthum stärken.
Drum wo ich bey Verlobten bin,
Da fleucht das Weh wie Spreu dahin.
Rosilis:

Wo die Liebe mit Vergnügen
Sich recht schwesterlich verknüpft,
Ey! da kan der Ehstand siegen.
Der verbundnen Herze hüpft:
Wo die Liebe mit Vergnügen,
Sich recht schwesterlich verknüpft.
Ich rede, denn in meinen Jahren,
Hab ich dieß Glück erfahren.
Mich küßte Liebe und Vergnügen,
Deswegen kunte ich
Gar leichtiglich,
Das wiedrige bemeistern und besiegen.
Jedoch die Zeit
Kehrt oft die Lust in Traurigkeit,
Mein Schatz empfand den Todtes-Schweiß,
Daher ich nun nichts mehr von allen beyden weiß.
Wohlan so will ich auch,
Nach Witwen Brauch,
Mich in die Einsamkeit vermauren,
Und meinem Schatz biß in die Gruft betrauren.
Kein Manns-Bild soll mich mehr erwischen,
Vielmehr verberg ich mich in den Gebüschen.
Ach ihr Klüfte! ach ihr Höhlen!
Ach ihr Wälder hört mich an!
Laßt mich euch zur Wohnung wehlen,
Weil nur eure stille Bahn
[223]
Meine Traurigkeit vermindert,
Und den Schmerz der Seelen lindert.
Flüchtges Echo, sey mir nah,
Sonst ist gar kein Labsaal da.
Merket doch auf mein Erzehlen,
Ach ihr Klüfte! ach ihr Höhlen!
Kleander:

Ich zweifle nicht an deinen Schmerzen,
Allein,
Gestehe, geht es dir von Herzen?
Nimmt die Veränderung nicht deine Sinne ein?
Rosilis:

Ach nein!
Zeit:

Der Schwur ist abentheuerlich.
Der Menschen Sinne ändern sich, wie ich.
Du bist ja nicht von Stahl und Stein,
Ein freundlich Angesicht erquickt das Herz in allen Nöthen,
Und kan in deiner Brust gar bald den Kummer tödten.
Liebe:

Wo Freundlichkeit das Scepter führet,
Da bricht der vorgefaßte Schluß.
Vergnügen:

Das Herze wird dadurch gerühret;
So, daß man sich verändern muß.
Zeit:

Da ich vor zweymahl zweyen Jahren
Dir einen Liebsten anvertraut:
Der auch auf mein Geheiß in der Elyser Feld gefahren;
So weiß ich auch, ich schwör bey Gras und Kraut,
Noch eine Stunde beyzubringen,
Da du zum andernmahl kanst Hochzeit-Lieder singen.
Ich kan verwunden und auch heilen:
Drum laß dich von den Wittwen-Grillen
Nicht zwingen, oder übereilen.
[224]
Fliehe, meide die Gedanken
Die nur deine Henker seyn.
Schreite wieder in die Schranken
Erster Liebe eiligst ein.
Laß verzagte Weiber zanken,
Jungen Witwen stehts nicht fein.
Fliehe, meide die Gedanken,
Die nur deine Henker seyn.
Rosilis:

Ich höre zwar wohl deine Rede an,
Inzwischen denk ich nicht daran.
Kleander:

Mich deucht,
Es läßt die Rosilis sich leicht
Den falschen Wahn benehmen.
Man darf nicht allezeit den Worten trauen.
Ach! könte ich ins Herze schauen,
Vielleicht erblickte ich den Gegen-Satz.
Wer weis, verlangt sie bald von neuen einen Schatz.
Zeit:

Ich falle dir auch selber bey,
Und sage: Es ist Heucheley.
Sie denkt, sie müste sich nur schämen,
Wenn sie denn Witwen-Stand so bald verlassen solte.
Drum glaub ich niemahls nicht,
Was Rosilis von Witwen-Leben spricht.
Liebe:

Ach! diese edle Creatur
Verstellt sich nur.
Man weiß, daß Witwen, die am stärksten weinen
Nach kurzer Zeit in Hochzeit-Schmuck erscheinen.
Ja, wenn sie eine Jungfer wär,
So gäb ich ihren Worten noch Gehör;
So aber hat sie meiner schon genossen,
Drum halt ich ihren Schwur vor Possen.
[225]
Witwen lieben warlich immer
Mehr als ledges Frauenzimmer.
Darum bild ich mir nicht ein,
Das Rosilis bis an das Scheiden
Eine Witwe solte seyn.
Vergnügen:

Ja, Rosilis hat in verwichnen Stunden
Auch meine Herrlichkeit empfunden.
Sie weinte gnug um meine abgeschiedne Lust,
Der strengste Schmerz traf ihre Brust.
Was gilts, ich bleibe fest darbey,
Sie denket noch an Freyerey:
Sie will uns nur vexiren.
Wers anders glaubet, ist ein Thor:
Weil Witwen unterm Flor
Nicht weniger charmiren.
Wer will aufs Wetter bauen?
Wer mag den Worten trauen?
Durch eine artige Gestalt
Verschwindet unsre Meinung bald.
Man kan ja täglich schauen,
Daß Worten nicht zu trauen.
Kleander:

Wie könt es Rosilis doch übers Herze bringen,
Wenn ein Betrübter käme,
Und seine Zuflucht zu ihr nähme:
Ließ sie ihn ohne Trost, und mit Verzweiflung ringen?
Nein, nein so grausam bist du nicht,
Weil deine Brust ganz anders spricht.
Wohlan! so schaue mich verliebten,
Und dadurch hoch betrübten,
Mit liebesvollen Blicken an.
Du bringest mich ja selbst auf diese Schmerzens-Bahn,
Denn deine Freundlichkeit und artge Sitten,
Die haben mir das Herz bestritten;
[226]
Drum ward ich auch gleich in der ersten Stund,
Da ich dich sahe, hart verwundt,
Ich liege noch in dem verliebten Lazareth:
Und sterbe, wo dein Herz auf seinen Schwur besteht.
Lösche doch die Liebes-Flammen,
Die du selber angezündt.
Wilst du meine Glut verdammen?
Das geriethe dir zur Sünd!
Ach! mein allerliebstes Kind,
Lösche doch die Liebes-Flammen,
Die du selber angezündt!
Rosilis:

Ach! dieses Liebes Thon,
Durchdringet warlich schon
Das innerste der Seelen.
Ich kan dir Liebster, nicht verhehlen,
Daß mich dein artig Thun, und deiner Rede Macht,
Zur Liebe gegen dich gebracht.
Wolt ich gleich erst mit Witwen-Sinnen spielen;
So kont ich doch
So wohl im Haus als auf der Gassen,
Den Blick auf dich Kleander gar nicht lassen.
Die Liebe brachte mich in ihr geliebtes Joch,
Ich must auf dich auch unterm Flore schielen.
Du sagest mir von grossen Schmerzen:
Und ich empfinde Angst im Herzen.
Ich heile dich,
Curir du mich;
So schwindet unsrer Beyder Plagen.
Geliebtester Kleander,
Wir tauschen mit einander:
Nimm du mein Herz zu deiner Wohnung ein,
Und laß dein Herz auch meine Kammer seyn.
Schönster, deiner reinen Liebe,
Die du mir allein geweyht:
Opfre ich die reinsten Triebe,
Bis zur letzten Stund und Zeit.
[227]
Schönster, bis in Ewigkeit
Opfre ich die reinsten Triebe.
Kleander:

Ich habe nun gesiegt,
Und bin damit nach Wunsch vergnügt.
Drum komm, erfreuter Tag, da uns des Priesters Hand
Auf ewig fest verknüpft: O angenehmes Band!
Rosilis:

Wohlan!
Wir sehen heut zu unsrer Lust,
Mit muntrer Brust
Den Gott geweyhten Tempel an.
Liebe:

Ich dachte wohl,
Daß Rosilis nur ein verstelltes Wesen
Sich auserlesen,
Denn sie hat den Geschmack
Von meiner Kost noch nicht verlohren:
Deswegen hat sie sich,
Auf ewiglich
Kleandern fest verschworen.
Recht so, wer mich verehrt,
Der thut auch und vollzieht, was selbst der Höchste lehrt.
Zeit:

Komm!
Vergnügen:

Wohin?
Zeit:

Aufs Hochzeit-Fest,
Das jetzt Beyde mit einander,
Rosilis und auch Kleander,
Bey des Herbstes Uberrest,
Da die kühlen Lüfte wehen,
Lustig feyren,
Vergnügen:

Und begehen?
[228] Zeit:

Komm, o Glück!
Ohne Tück.
Vergnügen:

Ey woher?
Zeit:

Von Ost und West.
Vergnügen:

Und wohin?
Zeit:

Aufs Hochzeit-Fest.
Vergnügen:

Wie? Soll ich deinen Ruf nicht hören?
O ja!
Ich bin auf dieser Hochzeit da,
Und werde sie durch mich beehren.
So hab ich noch zuletzt gewonnen.
Liebe:

Mein Sieges-Faden ist gesponnen.
Nun aber wollen wir vor allen Dingen,
Dieß angenehme Hochzeit-Fest
Mit einem Lied besingen.
Zeit:

Gefesselte Seelen! verbundene Herzen!
Der Himmel bethaue den heutigen Tag.
Ich wünsche und bringe euch himmlische Kerzen
Ich schenke euch freudig, das, was ich vermag.
Mein Wünschen und Seufzen versiegle der Himmel,
Auf diesem Gebäude, in diesem Getümmel.
Erblicket die Freude, wißt niemahls von Schmerzen,
Gefesselte Seelen! verbundene Herzen!
Liebe:

Vereydete Liebe! verschworene Hände!
Es müsse dieß Bündniß auf ewig bestehn!
[229]
Die Liebe sey glücklich, und nehme kein Ende,
Bis euere Seelen zum Himmel eingehn.
Die zärtlichen Triebe vermindre kein Leiden,
Sie grüne und blühe in Kummer und Freuden.
Ich wünsche, daß dieses der Himmel euch sende:
Vereydete Liebe! verschworene Hände!
Vergnügen:

Entzündete Augen! vereinigte Beyde!
Es führe der Himmel mich stetig euch zu.
Damit ich euch reichlich versorge und weyde,
Am Tage, zur Vesper, und nächtlicher Ruh.
Der Höchste verhindre und wehre dem allen,
Was euer Vergnügen nur möge vergallen.
Ich gönne euch dieses mit innigster Freude;
Entzündete Augen! vereinigte Beyde!

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Hochzeit-Gedichte. Heute da Herr M- - Sinn, sich in der Frau M- - ihren Willen gänzlich stellt. Heute da Herr M- - Sinn, sich in der Frau M- - ihren Willen gänzlich stellt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADBA-A