Als Herr Doctor Kunad und Jungfrau Zäunemannin ihre Ringe mit einander verwechselten, ward nachgesetztes, aus herzlicher Freude und schwesterlicher Ergebenheit darbey geschrieben

Die Laster, als der Grund und Ursprung böser Thaten,
Sind warlich gar zu stark gesät und wohl gerathen.
Ihr Flor ist überal, daß jeder Erden-Creis
Von ihrer Fruchtbarkeit und reifen Saamen weis.
Es kan die Tadelsucht sich nicht der Zahl entziehen,
Sie will an ihrem Ort auch unter ihnen blühen:
Die Früchte, die sie trägt, erfüllen dieses Rund.
Die schönste Creatur, der Mensch, der seinen Mund
Und seine Brust dem Herrn soll opfern, schenken, leihen:
Sucht sie vielmehr davor der Tadelsucht zu weyhen.
Durch sie vergeht sich denn der Mensch oft, und so weit,
Daß er den Höchsten selbst, der Tage, Jahr und Zeit
So weislich hergestellt, und ordentlich gemachet,
Und wundervoll erhält, stets meistert und belachet.
Da heist es: Hätte Gott die Welt doch so gemacht;
O! wäre dieß und jens also hervor gebracht.
Ja! hätte ich vor Gott die Welt erschaffen sollen,
Ich hätt es weislicher und schöner machen wollen.
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Die Tadelsucht fährt fort, und nennt was Gott noch thut,
Amt, Werk und Regiment verkehrt, und selten gut.
Da nun die Tadelsucht sich an dem Schöpfer waget,
Und wieder seine Hand und seine Weisheit saget;
Wie soll die Creatur, der Mensch, vor ihrem Schluß
Und Urtheil sicher seyn? warhaftig diese muß
Mit allen ihren Thun vor ihren Richtstuhl kommen,
Da wird Amt, Stand und Witz und Tugend durchgenommen,
Die Weisheit muß ein Spiel in dem Gehirne seyn.
Die reine Gottesfurcht betittelt sie mit Schein,
Betrug und Heucheley. Die Sanftmuth heist ein Wesen,
Das kein erhabner Sinn, und kluger Geist erlesen.
Die Keuschheit wird bey ihr zum Eigensinn gemacht,
Wie auch zur Sprödigkeit. Wer nach der Demuth tracht,
Den nennt sie abgeschmackt. Gerecht, warhaftig handeln
Heist sie mit vielem Hohn, in aller Einfalt wandeln.
Die Tugend nicht allein, wird von der Tadelsucht
So freventlich, so kühn, so höhnisch und verrucht
Gerichtet und verdamt; Auch die Poeten müssen
Von ihr gerichtet seyn. Wer wird nicht dieses wissen,
Daß ihr verwegner Mund dieß Wort oft vorgebracht,
Daß Liebe, Ehrgeiz, Noth die meisten Dichter macht.
Schreibt ein Poet erweckt, frisch, lebhaft und vergnüget,
Und zeigt, daß Geist und Muth in seinen Versen lieget;
So spricht die Tadelsucht: der hat das Dichter-Pferd,
(So heist das Trauben-Blut,) warhaftig lieb und werth.
Sie redet fort und spricht: Die Venus hat ihn eben
Die Sporren zu dem Pferd dem Pegaso gegeben:
So, daß er sich damit nach Möglichkeit und Fleiß
Jetzt auf den Helicon herum zu tummeln weis.
Will aber ein Poet erhabne Reden brauchen,
Und sucht er seinen Kiel in Hippocren zu tauchen,
Und schreibt nicht so gemein; so hebt sie wieder an,
Und spricht: Was heget der vor ganz besondern Wahn.
Er klettert über sich, und baut in seinen Sinnen
Den Thurm zu Babel auf: Und meinet auf die Zinnen
Des Helicons zu gehn. Schaut doch wie dieser schreibt!
Weil Ehrgeiz, Hochmuth, Stolz ihn bloß zum Dichten treibt.
Ja setzet ein Poet den Freunden und Patronen,
Sie möchten nun in Süd, Nord, Ost und Westen wohnen,
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Ein Lob-Gedichte auf, und schreibt von ihren Stand,
Und Tugend, Würdigkeit, und ihrer holden Hand,
Und trachtet durch den Kiel ihr Bildniß zu entwerfen:
Wie weis die Tadelsucht nicht da den Zahn zu schärfen,
Damit sie richten kan? Da heists: der heuchelt hier,
Da blickt die Schmeicheley aus Vers und Reim herfür.
Der Dichter schreibt aus Noth: Er will gewiß von Gaben,
Von Vorspruch, Vortheil, Glück, und sonsten etwas haben.
So machts die Tadelsucht, sie schont gewiß kein Blat,
So viels auch Geist und Witz und Schönheit in sich hat.
Die größten Dichter sind vor ihrem Mund nicht sicher,
Wer wiederspricht mir dieß? es zeigens ja die Bücher.
Wenn sich nun dann und wann ein Frauenzimmer zeigt,
Das ihre Augen nur auf kluge Schriften neigt,
Nach Dint und Feder greift, und dichtet, reimt und schreibet,
Und mit Minervens Dienst die müßge Zeit vertreibet,
Und sie vor Venus ehrt; da ist das Lästern groß;
Da giebt die Tadelsucht sich ganz besonders bloß.
Sie spricht: Ein Weibesbild ist nicht darzu gebohren,
Daß sie den Federkiel oft hinter ihren Ohren
Gleich Männern tragen soll. Sand, Dinte und Pappir
Gehört vors Mannes-Volk. Die Künste stehen ihr
Warhaftig gar nicht an. Sie hat genug studiret,
Wenn ihr nur wissend ist, wie man die Wirthschaft führet;
Wie oft die Küche raucht; wie viel man Holz verbrennt;
Was Flachs und Wolle nützt; und wie man neht und trennt.
Ihr ist ein Geistlich Buch, die Biebel (einger massen
Auch noch Romanen wohl) und sonst nichts zugelassen.
Ein Weib das dicht und schreibt heist sie (bedenkt es nur!)
Ein schönes Ungeheur und Blendwerk der Natur.
Das tadeln ist zu groß, das Frauenzimmer träget,
Das sich auf Wissenschaft und auf das Dichten leget.
Drum ach! was heb ich an? ich sinne hin und her,
Indem der Himmel heut nicht so von ohngefehr;
Vielmehr nach seinem Rath Dich Schwester schön vergnüget,
Und deinem Namens-Tag ein Glück noch zugefüget:
Indem du auch zugleich dein Hochzeit-Fest begehst,
Und nun mit Ring und Mann vor meinen Augen stehst.
Dein zweyfach Freuden-Fest soll wohl besungen heisen,
Ich kan es auch zu thun mich warlich nicht entreisen;
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Allein wie fang ichs an? Ach! meine Dichter-Kunst,
Und Poesie zeigt nicht, daß mir die Huld und Gunst
Der Musen eigen sey. Ich kan nicht zierlich singen,
Noch was erhabenes in Vers und Reim zu bringen;
Es ist auch nicht so leicht wie mancher Narr gedacht,
Ein Reim und schöner Vers auf das Pappir gebracht.
Schreib ich so gut ich kan; wie würde mirs ergehen?
Kan vor der Tadelsucht das Manns-Volck nicht bestehen,
Wie würde sie mich nicht verachten und verschmähn?
Wer weis, wie oft es schon zu andrer Zeit geschehn?
Wer weis, wer dieses Blat mit höhnschen Lippen lieset?
Wer weis wen diese Schrift schon lächert und verdrieset?
Geliebte Schwester-Brust! Geehrte Jungfer Braut!
Ich weis wie mir anjetzt vor Reim und Dichten graut.
Die Schwachheit meiner Kunst hält mir den Kiel zurücke,
Darneben fürcht ich auch die Mißgunst-vollen Blicke,
Die tolle Tadelsucht, wofern ich Verse schrieb,
Weil sich ihr Frevel leicht an meinen Zeilen rieb;
Jedoch ich kan nicht gar bey diesen Freuden schweigen,
Drum will ich Freud und Pflicht durch einen Brief bezeugen.

Hochedle, Hochgeehrteste Jungfrau Schwester und Braut!


Der, so die Tage mit allen ihren Werken verordnet und dargestellt; derselbe machet auch durch sonderbare Begebenheiten einen Tag vor den andern merkwürdiger. Die Erfahrung redet das Wort vor mich, und überhebet mich der Mühe eine Beschreibung und Zeugniß davon abzulegen. Ich frage hier nicht, wie merkwürdig Kayser Carl den Fünften, zu verschiedenenmahlen sein Geburts-Tag gewesen sey. Auch nicht, ob der Poet Antipater Sidonius alle Jahr auf seinen Geburts-Tag das Fieber bekommen habe, und sonsten nicht! sondern ich stehe bey Betrachtung einiger merkwürdigen Tage, und deren Begebenheiten in unserm [243] Hause, stille. Ew. Hochedl. wissen, daß unser innigst-geliebtester Vater etlichemahl auf seinen Geburts-Tag mit der tödlichsten Krankheit, und ausser diesem nicht, überfallen worden ist. Doch ist eben dieser Tag Ihnen, Wertheste Jungfrau Schwester! auch zu einen sonderlich erfreulichen Tage worden: Sintemahlen nach Dero Ausspruch, dieses der Tag gewesen sey, daran Sie einander ihre Herzen auf die zärtlichste und verbindlichste Art übergeben hätten. So angenehm als Ihnen nun dieser Tag geschienen; So ist doch Dero Namens-Tag demselben ungemein weit an Glück und Frölichkeit vorzuziehen: Indem das göttliche Schicksal und der Rathschluß des Allerweisesten Ihnen ein besonderes Angebinde zu Dero Namens-Tage, nehmlich ein treues Herze und liebreichen Ehegatten gütigst geschenket hat. Schönes Morgen-Licht! welches Ew. Hochedl. mit Ring und Mann bewillkommet. Sie können Sich, Geliebte Jungfrau Schwester! vor hundert andern einer besondern Glückseligkeit und schönen Angebindes rühmen und damit prangen. Kein Mund wird auch so verwegen seyn, und Ihnen diesen Ruhm vor einen Hochmuth und Stolz ausgelegen. Ihr Rühmen und Prangen ist mit der größten Bescheidenheit, Recht und Billigkeit vergesellschaftet. Dieser Tag ist viel zu merkwürdig, als daß er ohne herzliche Freudens-Bezeugung und Wünsche solte geendiget werden. Man lachet mit Ihnen, und wünschet Ihnen darneben zu diesen gedoppelten Freuden-Feste, was ein sterblicher Geist und Mund wünschen kan. So kan ich warlich als Schwester nicht die letzte seyn, die ein gleiches bezeuget und ableget. [244] Mein Geist ist der Frölichkeit und der treuen Wünsche voll; nur bedaure ich mein Unvermögen beydes nach Willen und Wollen auszudrücken. Doch es kommt auf viele und zierliche Ausdrückung der Worte und Wünsche hierbey nicht an, und Ew. Hochedl. überzeugen mich, daß Ihnen ein herzlicher und treuer, weit angenehmer, als ein ausschweifender und heuchlerischer Wunsch sey. Schreibe demnach kurz; doch aufrichtig und gut: Die ewige Liebe setze diesen Tag zum Seegen, und gebe, daß Ew. Hochedl. mit Ihrem Geliebten Bräutigam und Ehe-Herrn diesen zweyfachen Freuden-Tag mit tausend Vergnügen bis in die spätesten Jahre feyren mögen. Ihre Liebe sey dauerhaftig, und grüne im Alter also, wie jetzo. Der angenehme Friede und die edle Einträchtigkeit weiche niemahls von Ihnen. Die unvergleichliche Wohlthat des Himmels, die Gesundheit, bleibe beständig Ihr eigen, und der göttliche Seegen begleite Ihren Beruf, Amt, Verrichtung und Geschäfte. So wünschet von Herzen zu dem Namens- und Hochzeit-Feste.

Ew. Hochedlen

Dero

Erfurt, den 27ten des Heum. 1735.


verbundenste Schwester, Sidon. Hedw. Zäunemannin

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Hochzeit-Gedichte. Als Herr Doctor Kunad und Jungfrau Zäunemannin ihre Ringe verwechselten. Als Herr Doctor Kunad und Jungfrau Zäunemannin ihre Ringe verwechselten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ADA2-F