Schäfer-Gedichte auf den Geburts- und Namens-Tag eines gelehrten Freundes

Im Herbstmonat 1734.

Tysippus, Parimon:

Da, wo der sanfte Strom der Gere sich ergießet
Und bald durchs flache Feld, bald durch die Thäler fließet,
Und Wieß und Land benetzt. Da sieht man überal,
Die Schäfer, und ihr Vieh in seegensreicher Zahl
Auf fetter Weyde gehn. Hier treibet seine Heerde
Der Schäfer Cölidon, dort geht auf grüner Erde
Der muntre Pythias, und singt auf seinem Rohr,
Der Schäfrin Dorilis ein Lied von Liebe vor.
Dort suchte Corydon dem Echo seine Klagen
Und süsse Leidenschaft in Seufzen vorzutragen.
Menalcas wirft auch dort das Rohr zur Erden hin,
Und weint um Marilis der todten Schäferin.
So gieng auch Parimon nach einem schönen Thale,
Und schnitte diese Schrift in eine Eichen-Schale:
Die Falschheit dieser Welt trieb mich zur Schäferey,
Nun leb ich höchst vergnügt, mein Stand ist Kummers frey.
Tysippus saß nicht fern und sah die Worte schnitzen,
Und dachte bey sich selbst, hier bleib ich wohl nicht sitzen,
Ich will zu meinem Freund dem Werthen Parimon,
Denn mein gewöhnlich Lied geht fast nach diesem Thon.
Drauf führte er sein Vieh auf eine fette Weyde/
Und gieng zum Parimon, und sprach:
Tysippus:

Du meine Freude
Und liebster Herzens-Freund! Du schreibst was ich gesetzt;
Weil mich die Einsamkeit auch so, wie dich, ergötzt.
Das Schicksal wolte mir in dieser Welt beweisen/
Ich solte keinen nicht treu, Freund und ehrlich heisen.
Wie ofters hab ich nicht die Falschheit müssen sehn?
Kaum suchte mich das Glück ein wenig zuerhöhn;
So, daß der grosse Pan mir ziemlich wohl gewogen,
Weswegen er mich auch zur Ehren-Bahn gezogen;
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Allein der Unbestand gab ihm die Worte ein:
Es solte seine Gunst in Haß verwandelt seyn.
Und ob die Unschuld gleich das Wort vor mich gesprochen;
So blieb es doch darbey, der Stab wär schon gebrochen.
Parimon:

O Bruder in dem Glück! mir gieng es eben so.
Ich lebte höchst vergnügt, da kame Selimo,
Und sah mich neidisch an, und dacht, mich zu verhetzen.
Und sprach: Mein Handwerk sey die Rechte zu verletzen.
Der Neid und Bosheit zwang die Wahrheit unter sich.
Selinus kam zu mir, und sprach: O tröste dich!
Und stellte sich so an, als könten meine Thränen,
Ihm ebenfalls den Weg zum schuldgen Beyleid bähnen.
Allein der Entzweck war zu forschen und zu sehn,
Ob Lästrung oder Schimpf möcht aus dem Munde gehn.
O Falschheit! Falschheit! wie!
Tysippus:

Wie hoch bist du gestiegen!
Ich meinte einen Freund an Mabilon zu kriegen,
Weil er so redlich schien, und glatte Worte gab,
Zuweilen legte er auch Freundschafts-Proben ab,
Daß ich ihm (wie er mir) mein ganzes Herz entdeckte,
Ich sagte, was mich tröst, und was mich jüngst erschreckte.
Ich hätte wohl ein Schloß auf seine Gunst gebaut,
Und ihn bis in die Gruft als Bruder angeschaut;
Allein ich fande bald mich leider! sehr betrogen;
Der Ausgang hats gelehrt, er sey mir nicht gewogen.
Die Falschheit brach gar bald wie eine Flamme aus,
Und brachte nach und nach viel Unglück in mein Haus.
Wo ist die Redlichkeit, wo ist ein Freund zu finden?
Parimon:

Es läßt sich ehr ein Lamm an einen Löwen binden,
Und lebt als wie ein Paar: eh man ein Menschen-Kind,
Das treue Freundschaft hält, auf dieser Erden findt.
Melander zoge mich in seinen Freundschafts-Orden,
Und that, als wäre er mein treuer Freund geworden.
Es flosse nichts als Thau und Honig aus dem Mund;
Doch eh ich michs versah, so war des Herzens Grund
Mit Galle angefüllt. Er stiesse seinen Geifer
Auf meine Worte los. Die Bosheit wurde reifer,
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Und suchte mich noch mehr zu lästern und zu schmähn,
Sie hätte meinen Fall und Unglück gern gesehn;
Kurzum! ich habe nichts in allen meinen Jahren,
Als Falschheit, Heucheley gesehen und erfahren.
Weil ich nun keine Treu und Redlichkeit ersah;
So dacht ich bey mir selbst, was bleibst du länger da?
Ich will die Menschen-Zunft, Stadt, Hof und Staat verlassen,
Und einen Hirten-Stab mit meinen Händen fassen:
Ich will bey meinem Vieh im Felde einsam seyn,
Denn in ein Hirten-Haus zieht kein Verfolger ein.
O wie vergnügt bin ich bey meiner Hirten-Tasche!
Wie wohl erquick ich mich aus meiner Brunnen-Flasche,
Ich schlaf in sanfter Ruh, kein Feind naht sich zu mir,
Die Schafe lieben mich, mein Hund das treue Thier
Ist stündlich um mich rum.
Tysippus:

Die Vögel in den Lüften,
Die Thiere auf dem Feld, in Wäldern und in Klüften
Vertragen sich mit mir. Ein Thier bezeugt die Treu
Viel besser als ein Mensch. Drum sag ich ohne Scheu:
Der Himmel hat mich lieb, daß ich in Hütten wohne,
Ich tausche auch mein Glück mit keiner Königs-Krone.
Parimon:

Die Falschheit dieser Welt bracht mich zu meiner Ruh,
Drum schick ich dem, der mich gemacht, mein Danklied zu,
Und preise ihn davor, und hab ihn desto lieber.
Tysippus:

Mein Bruder Parimon! o! schaue doch hinüber
Auf dieses Wiesen-Feld. Wer tanzt und singet da?
O! schau die Schäfer-Zahl!
Parimon:

Mein wehrter Bruder! ja!
Sie sind es nicht allein, es sind auch Schäferinnen
Bey dieser Lustbarkeit.
Tysippus:

Komm, eile mit von hinnen,
Laß dein und auch mein Vieh auf seiner Weyde gehn.
[326] Parimon:

Dein Wort, geliebter Freund! soll alsobald geschehn.
Sie giengen, und ersahn, wie freudig jene sprungen,
Die eben dazumahl dieß Liedgen abgesungen.
Singt ihr muntern Schäferinnen!
Singt ihr Schäfer auch mit drein!
Floridons des Elben-Schäfers
Zweyfach Freuden-Fest fällt ein.
Tanzt und springet,
Wünscht und singet:
Dein Geburts-und Nahmens-Tag,
Kömmt zu Deinem Glück jetzt wieder.
Ja kein Unfall reiß dich nieder,
Daß man ferner sagen mag:
Auf! erhebet eure Sinnen!
Singt ihr muntern Schäferinnen!
Singt ihr Schäfer auch mit drein!
Tysippus:

Wohlan! so will ich auch darbey ein Zeuge seyn.
Parimon:

Ich auch, denn Floridons vollkommner Tugend-Schein,
Nebst Kunst und Artigkeit schon so vermögend heisen,
Daß man ihn ehren muß, und ihn vor vielen preisen.
Tysippus:

Der Schäfer Floridon hat seine Jugend Zeit,
Der Tugend und zugleich der Redlichkeit geweyht!
Mein Wunsch ist: wäre doch der ganze Schäfer Orden,
Nur so wie er gesinnt.
Parimon:

Ich bin gereitzet worden
Der Freude nachzugehn, die dieser Tag gebracht.
Doch weil mich albereit die Wärme mat gemacht;
So kan ich jetzt kein Lied durch meine Flöte singen,
Drum will ich meinen Wunsch in einer Rede bringen.
[327]
Du Edler Schäfer legst dein zweymahl eilftes Jahr
Nun heut vergnügt zurück. Wie groß, wie offenbar
Ist doch die Gütigkeit des Himmels, denn man siehet
Zugleich Dein Namens-Licht. Dein Glück gedoppelt blühet.
Ich aber wünsche Dir: So viel als Gras und Kraut
In unsern Fluren ist; so viel man Aepfel schaut,
Und Wein an Reben hängt; so viel als Schafe weyden;
So viel Vergnüglichkeit; so viel vollkommne Freuden,
Erblick in diesem Jahr, das jetzt dein Fuß betrit.
Tysippus:

Ich folg in Wünschen nach. So viele Tritt und Schritt
Heut meine Schafe thun; So viel als Stoppeln stehen;
So viel als in dem Feld und Wäldern Hirsche gehen;
So vieles Wohlergehn schick dir der Himmel zu,
So hindert, stöhrt und bricht nichts deiner Seelen Ruh.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Schäfer-Gedichte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD5A-4