Ein Sendschreiben an einen andern gelehrten Freund

Hochgeehrter!
Deine Schrift ist mir angenehm gewesen,
Und ich habe deinen Sinn und den Inhalt gerne gelesen.
Ich gedacht, da ich sie lase: Wer schreibt oder leget mir
In der allerersten Zuschrift, hier und dorten Regeln für?
Nun ergreif ich auch den Kiel, und schreib jetzo, wie ichs meine.
Bist du himmlisch; so ists gut, bleib darbey, der Nutz ist deine.
Aber woher weißt du dieses, daß ich noch nicht himmlisch sey?
Hast du mir ins Herz gesehen? Ist dein Urteil nicht zu frey?
Du kennst mich durch Umgang nicht, du hast mich noch nie gesprochen,
Gleichwohl hast du schon den Stab über mich bereits gebrochen.
Der so Herz als Nieren prüfet, und in alle Winkel schaut,
Weiß am besten, wer ihm dienet, und sein kleines Häuflein baut.
Wilst du meine Frömmigkeit daraus sehen, daraus schliessen,
Weil ich gar kein geistlich Stück ließ aus meiner Feder fliessen?
Dieß beweist noch nicht die Sache. Mein Beruf verlangt diß nicht,
Und zum Scheine geistlich schreiben fordert nicht der Christen Pflicht.
Weißt du doch nicht wie ich Gott in dem Kämmerlein verehre,
Und im Stillen durch den Kiel auch von meines Gottes Ehre,
Und von seinen Wundern singe? Wenn es Zeit und nöthig ist,
Schreib ich nach der Dichter Weise, und auch als ein guter Christ.
Sieh die Feuer-Ode an, wie ich da die Hände falte,
Wie ich bete, und zugleich Gott gelassen stille halte.
Ließ, betracht mein Bergwerks-Carmen, o! so wirst du mir gestehn,
Daß hier meine Christen-Pflichten Gott zum Lobe sind geschehn.
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Liebeslieder hab ich nie aufgesetzt noch abgesungen.
Doch ist mir ein Ehren-Stück und ein Heldenlied gelungen,
Darf ich bitten, o! so schicke mir einmahl ein solches Blat,
Das zum Endzweck einen Helden und Regenten vor sich hat.
Dieses weis ich allzuwohl: wenn die grossen Dichter dichten,
Suchen sie zu ihren Ruhm sich ein Denkmaal aufzurichten,
Und das Werk, die That, das Leben eines Helden muß der Schein
Ihrer Ehr- und Lob-Begierde öfters, wo nicht allzeit seyn.
Doch auf so bescheidne Art, ist die Ehrfurcht zugelassen,
Soll das Pfund vergraben seyn? Wer wird mich deswegen hassen,
Wenn ich damit Wucher treibe, und darbey in meinem Sinn
Mich auf keine Art erhebe, sondern stets bescheiden bin?
Gleichfalls bin ich überzeugt, daß Vernunft, Verstand und Gaben
Ihren Ursprung nur von Gott, als dem milden Geber haben.
Darum wird auch seiner Güte, seiner Huld und Wundermacht,
Ohne Heuchlen, ohne Prahlen, Lob und Preiß von mir gebracht.
Freylich hat uns Gottes Hand, durch kein Krieges-Heer erschrecket,
Noch durch die geschwinde Fluth von dem süssen Schlaf erwecket,
Unsre Felder sind gesegnet, und der Himmel giebt uns Brod;
Ja er hilft noch über dieses uns aus mancher grossen Noth.
Drum werd ich nebst andern auch seine Gnade, Huld n. Seegen
Mit der größten Dankbarkeit, so viel möglich ist, erwegen.
Führe deinen guten Wandel, und Beruf nur ferner fort.
Lebe wohl! und sey vergnüget. Dieses schreibt zum letzten Wort.

Den 25. May 1737.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vermischte Gedichte. Ein Sendschreiben an einen andern gelehrten Freund. Ein Sendschreiben an einen andern gelehrten Freund. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AD2A-E