Vorrede

Geehrtester Leser!


Ich überliefere Demselben allhier Poetische Rosen in Knospen. Die Absicht, welche ich gehabt habe, meine Gedichte also zu benennen, stimmet mit der Redlichkeit meines Gemüthes überein; sintemahlen ich mich dieses Tittels zu keinem andern Ende bedienet, als dadurch aufrichtig anzuzeigen, daß ich selbige noch vor keine reife Früchte, sondern vor Rosen die ihre völlige Blüthe noch nicht erreichet haben, und folglich mit noch keiner vollkommenen Schönheit ausgeschmücket sind, erkenne. Inzwischen, da man in Gärten nicht allein vollkommene aufgeblüthe Rosen; sondern auch solche, die noch in ihren Knospen stecken, und nur einige Blätter hervor schiessen lassen, abzubrechen pflegt; so glaube nichts unbesonnenes begangen zu haben, wenn ich allhier dem Geehrtesten Leser auch einige solche Poetische Rosen-Knöpfe, die noch nicht zu ihrer vollkommenen Blüthe gelanget sind, übergebe.

Alle Rosen haben nicht einerley Schönheit und Geruch; also wird man mir auch nicht übel auslegen, wenn unter diesen meinen Poetischen Rosen einige erscheinen, welche nicht so viel Anmuth hegen, als sie haben solten. Mein Leser! ich bekenne dir frey: daß ich einige Eigenliebe besitze, vermöge welcher ich mir schmeichele, daß unter dieser Sammlung, auch solche Gedichte zu finden seyn werden, welche ihre Schönheit ziemlich erreichet haben, und eine gesunde Critic auszuhalten im Stande sind. Jedoch wer kan es allen Köpfen recht machen? Critisiret man schon so strenge und geschickt über manche Buchstaben und Wörter, ob sie auf diese, oder auf jene Art sollen geschrieben werden, wie wird es nicht meinem ganzen Werke bey genauer Untersuchung [16] derer Gedanken und Reime ergehen! Doch ich gönne solchen sinnreichen Criticis gerne diese Zank-Lust, und verwehre ihnen nicht, auch an meinen Gedichten die Stärke ihrer Waffen zu prüfen. Ja ich wolte auch nicht wie viel nehmen, diesen Splitter-Richtern und Werkverständigen den Titel grosser und scharfsinniger Gelehrten streitig zu machen. Gewiß, ihr Zorn würde so unendlich seyn, als ihre Vollkommenheiten unergründlich sind. Ich bekenne Dir, Geehrtester Leser! nach meiner Aufrichtigkeit auch ferner: daß in meinen übrigen Gedichten viele Fehler sind/ welche aber vielleicht mehr von wahrhaften Kennern als blossen Liebhabern der Dichtkunst möchten erkannt werden. Unterdessen suche ich diese Fehler und Mängel keinesweges zu entschuldigen; denn sie verändern und verliehren sich dadurch doch nicht, sondern bleiben, wo, und wie sie sind. Solte dich aber, Geehrtester Leser! jemand fragen: Warum ich solche nicht ausgestrichen und verbessert hatte, da ich doch selbst bekennte, daß es Fehler wären? so gieb ihm nur diese bekannte Redensart zur Antwort: Du wüßtest es nicht; es könte aber wohl seyn, daß es mir an Zeit gefehlet hätte, solche zu verbessern.

Rosen wachsen nicht ohne Stacheln; also wirst du auch zuweilen unter diesen Poetischen Rosen-Knospen einige antreffen, welche mit kleinen Stacheln umgeben sind. Doch dafern deine Vernunft geläutert ist, und Du von den Affecten und Vorurtheilen befreyet bist, so wirst du sehen bekennen, daß ich mich hierbey jederzeit bescheiden aufgeführet habe, indem mein Vorsatz niemahls gewesen, eine Arbeit zu verfertigen, wodurch mein Nächster würklich möchte beleidiget, oder geärgert werden. Ich halte davor, es sey weder Christlich noch Philosophisch gehandelt, wenn man die Fehltritte, Schwachheiten oder Ubereilungen seines Nächsten spöttischer, liebloser und verläumderischer Weise durchziehet, und ihn öffentlich auf den Schauplatz stellet. Aber offenbahre und im Schwang gehende Laster und Thorheiten und Fehler hochmüthiger und tadelsüchtiger Menschen auf eine nette, sinnreiche, lebhafte und überzeugende Art in einer geschickten und vernünftigen Satyre abzuschildern, ist so wohl was nützliches als erlaubtes. Wer sich nicht getroffen findet, der hat nicht Ursache sich darüber aufzuhalten, oder deßwegen zu beschweren. Wer sich aber darinnen abgeschildert zu seyn vermeinet, der thut wohl, wenn er [17] sich schämet, und sein Leben hinführo zu bessern suchet. Ob ich nun gleich überzeugt bin, daß eine Satyre von solcher Art von unvergleichlichem Nutzen sey, so habe mich dennoch niemahls unterstanden, eine vollständige Satyre aufzusetzen, aus Furcht, ich möchte noch nicht Geschicklichkeit genug besitzen, ein solches wichtiges Werk gehörig auszuarbeiten. Solte mir aber Gott fernerhin Gesundheit verleihen, so werde einige Versuche machen, und den Hochmuth, die Gleißnerey, die Verläumdung und andere Untugenden auf den Schauplatz führen.

In Rosen-Gärten findet man zuweilen Rosen, oder Knospen, welche nicht von gewöhnlicher; sondern etwas auserordentlicher Art und Bildung sind; also wirst du Geneigter Leser! auch unter diesen Poetischen Rosen-Knospen zwey Stücke antreffen, welche nicht das gewöhnliche Ansehen haben, zu welcher Erfindung, ich gestehe es frey, mich nichts anders, als eine erlaubte Ehrbegierde angetrieben hat. Das erste Stück ist mein Bergwerks-Gedichte. Es sind zwar viele Bergmanns- und Bergwerks-Lieder, als auch Gedichte auf Berg-Officiers und mancher Berg-Officianten Hochzeiten hin und wieder anzutreffen; Allein von einer solchen Einrichtung und Abfassung ist meines Wissens noch nichts zum Vorscheine gekommen. Ob es gerathen sey/ weis ich gleichfals nicht. Es können auch nicht alle Kenner der Dichtkunst davon vollkommen urtheilen, weil sie solches größten Theils nicht verstehen. Es ist zum Ruhm des Bergwerks und dererjenigen, so damit umgehen abgefaßt worden, sintemahlen dieser Stand ein solcher Stand ist, dem die Republick und die ganze menschliche Gesellschaft nicht geringen Dank schuldig ist, und welcher dahero auch gleich andern Ständen ein Lobgedichte mit allem Rechte verdienet. Und auf solche Art gehört es freylich mehrentheils nur vor Bergverständige. Die Feder in der Hand und der Degen in der Faust, sind wie bekannt, die zwey vortreflichsten Mittel seinen Namen in der Welt berühmt zu machen, daher auch bereits viele Frauenzimmer entweder durch die Feder, oder durch den Degen oder auch wohl durch beyde zugleich sich einen unsterblichen Ruhm erworben haben. Durch den Kiel war ich bereits bekannt; durch den Stahl ein gleiches zu erlangen fehlte mir mehr die Gelegenheit als Muth und Herzhaftigkeit; dahero entschloß ich mich das Gruben-Licht [18] in die Hand zu fassen, und etwas zu unternehmen, welches sich in Ilmenau noch niemahls zugetragen hat, in andern Bergstädten aber ebenfals sehr selten wird geschehen seyn. Ich ward also ein Bergmann, und wagte mein Leben, um die unterirdischen Geister, nebst den Bergmönch in seiner finstern Behausung zu besuchen, und so dann der Minerva auf ihrem Altar einen frischen Weyhrauch anzuzünden. Es sind zwar viele gewesen, welche diese meine unterirdische Reise vor eine starke Verwegenheit ausgeschriehen, da hingegen andere dieselbige vor eine besondere Herzhaftigkeit angesehen haben. Du kanst aber mein Leser! versichert seyn, daß ich beyderley Meinungen mit Stoischen Ohren angehört habe, und über die erstern eben so wenig erzürnt, als über die andern stolz geworden bin. Es mag ein jeder denken was er will, gnug daß es mir also gefallen hat. Ich stimme hierinnen den Ausspruch des weisesten Monarchen bey, daß einen jeden sein Weg dünket recht zu seyn. Will mir aber eine Weibesperson nachfolgen, so kan sie es thun; will sie aber nicht; so kan sie es lassen. Nur dieses muß ich hierbey melden, daß da ich in meinen Bergwerks-Gedichte versprochen, die Frage: Ob ein Weib-Mannes-Kleider tragen könte? zu gelegener Zeit zu beantworten: solches Versprechen nunmehro in dem geistlichen Feld-und Pfingst-Gedichte von mir erfüllet worden. Das andere ungewöhnliche Poetische Stück ist das Wald-Gedichte – welches ich Ihro hochfürstl. Durchl. zu Sachsen Weymar bey Gelegenheit einer grossen Jagt zu überreichen die Gnade gehabt. Was mir darzu Gelegenheit gegeben, ist folgendes: Es hatte mich ein Dichter in einer Ode eine Sapho genennet; ob nun wohl ein Dichter nach der Poetischen Freyheit, sich eines Beyworts aus Höflichkeit gar wohl bedienen kan, und eben nicht nöthig hat, über einer galanten Lügen roth zu werden; so wünschte ich doch aus diesem Beyworte ein wahr Wort zu machen, und der Sapho in Erfindung einer gewissen Art von Gedichten gleich zu werden. Weilen ich mich nun nicht erinnern kunte, daß jemals ein Deutscher Poet ein so genanntes Wald-Gedichte verfertiget hätte; so machte ich bey dieser Hochfürstl. Jagd-Lust einen Versuch damit, und bediente mich auch darbey der Weydmännischen Redensarten. Die Herren Gelehrten und Meister der Dichtkunst werden davon urtheilen können, ob, und in wie fern ich in diesem Stück meine Absicht und Entzweck erreichet? Solte ich darinne geirret haben,[19] daß ich mich vor die Erfinderin solcher Wald-Gedichte gehalten, so wolle es mir der Geehrteste Leser verzeihen. Denn es ist nicht möglich, mich um alle Gedichte, so heraus kommen, zu bekümmern. Dafern dir auch, mein Leser! die ungewöhnliche Einrichtung meiner Zuschrift fremde vorkommen solte; so will ich dich nicht darum verdenken. Wisse aber, daß es mir nun so, und nicht anders zu machen gefallen hat.

Ein wohl eingerichteter Rosen-Garten ist zwar schön und anmuthig anzusehen; er kan aber auch auf gewisse Masse dadurch verstellt werden, wenn er gar zu voll ist, und ein Rosenstock den andern gleichsam zu verdringen scheinet, doch ist der Gärtner, und der die Blumen unter der Hand hat, mehr, als der Herr des Gartens, der die Rosenstöcke hergegeben, Schuld daran. Der Geneigte Leser wird mich schon verstehen, und daher den Schluß leicht machen können. Kömmt mir ein Buch in die Hand, so sehe ich nicht so wohl auf den zierlichen Band, schön Papier, saubere Littern, nette Leisten, stark darzwischen gelassenen Raum, und unterschobene Späne und andere Zierrathen; als auf die Materie und den Inhalt der Schrift, und vergnüge mich mehr an der geschickten Ausführung als an allen äusserlichen Neben-Sachen. Hegest du, mein Leser! gleiche Gedanken, und ist dir meine Meinung anständig; so mache es bey Erblickung dieser meiner Rosen in Knospen auf eben die Weise, und beurtheile nicht ihren innerlichen Werth nach dem äuserlichen Ansehen.

Gleichwie auch Rosen nicht allemahl ihre Reinlichkeit behalten, sondern durch darauf kommende Flecken unscheinbar gemacht werden; also wirst du auch in diesen Poetischen Rosen-Knospen nicht wenige Druckfehler antreffen, worüber ich mich so sehr ärgere, als stark du dich verwundern wirst. Du hast auch fast mehr Ursache darzu, als ich. Dieser Schade kan nicht anders, als durch eine richtige Anzeigung derselben ersetzet werden, wie du denn am Ende finden wirst, daß ich mich, so viel mir unter der Eile zu bemercken möglich gewesen, bestrebet, diesem Versehen abzuhelfen. Die Schuld ist in so ferne nicht meine, dieweil ich die ganze Zeit über, da diese Sammlung unter der Presse geschwitzet, nicht über etliche Tage zu Erfurt gewesen bin, und folglich keinen Bogen unter der Correctur gehabt habe.

In übrigen sind meine Gedichte nicht nach dem Rang derer Personen, welche sie zum Inhalt haben; sondern den Tagen und Jahren nach, wie ich sie verfertiget, gesetzt worden, worbey [20] ich zugleich alle die Stücke, die ich nicht unter meinem Namen drucken lassen, besonders bemerckt habe.

Den Schluß meiner Gedichte hatte ich mit dem 1737. Jahre gemacht. Weil aber meine Krönung von der Königlichen Academie Georg-Augusta gleich nach dem Eintrit in das 1738. Jahr erfolget ist, so habe ich nicht unterlassen können, meine gehorsamste Dancksagungs Ode, und ander dahin laufende Stücke dieser Samlung mit beyzufügen.

Ich finde weiter nichts mehr, als nur noch dieses zu erinnern, daß ich mir von dir Geehrtester Leser! nicht so wohl ein gütiges, als vielmehr ein gerechtes und vernünftiges Urtheil über meine Gedichte ausbitte. Lobst du sie, und dein Lob kömmt mit der Vernunft und Wahrheit überein; so werde ich solches bescheiden anhören, und deine Höflichkeit dankbarlich erkennen. Lobst du mich aber ohne Grund, und nur aus Gewohnheit, oder Schmeicheley, so werde ichs nicht achten, weil ich von dergleichen eitlen Lobs-Erhebungen keine Liebhaberin, und von der Schmeicheley keine Freundin bin: daher auch das Lob eines Ungelehrten, oder der es nicht verstehet, auch von der Beschaffenheit und Werth einer Sache zu urtheilen fähig ist, weder in meinen Ohren noch in meinem Herzen den geringsten Eindruck findet. Critisirest du aber gründlich, überzeugend und bescheiden; so werde ich deine Geschicklichkeit und Aufrichtigkeit mit vieler Verbindlichkeit und Hochachtung ansehen, und mir dieselbe zu nutze zu machen wissen. Tadelst du mich aber ohne Grund, aus Unverstand, oder aus Neid; so wird mir dein verderbter Geschmack und Mangel der Vernunft, den du dadurch zu erkennen giebst, mehr zum Gelächter, zur Belustigung und Zeitvertreib, als zum Mißvergnügen dienen, und ich werde mehr Ursache haben dich zu bedauren, als zu widerlegen.

[21][1]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Vorrede. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ACD6-1