Auf des Wohlehrwürdigen und Wohlgelahrten Herrn Johann Sigismund Schlottweins Priesterliche Einsegnung zum H. Predig-Amte zu Marpach

Den 9ten des Heumonats 1736.


In vornehmer Jugend Namen.


Geht man ins Alterthum und vorge Zeit zurück,
Und schickt, obwohl im Geist nur einen kurzen Blick
Noch Antiochien: wo dessen weiser König
Ein grosses Gestmahl hielt, so hat man wohl nicht wenig
Gesandten da gesehn. Hier fielen Fragen für
Was wohl vor eine Stadt und Republic an Zier,
An Sitten und Gebrauch den andern höher käme,
Und dieserhalb das Recht des Vorzugs jener nähme?
Rom lobt den Gottesdienst, Carthago Kunst und Fleiß,
Und was dergleichen mehr, wie solches jeder weiß,
Hebt man die Augen auf, und siehet in die Schriften
Der Weisen, welche sich hierdurch ein Denkmaal stiften,
So wird man ebenfals aus diesen klärlich sehn,
Wie weit sie auch hierbey in Wort und Fragen gehn,
Man merkt, man sieht und ließt, was sie vor Meinung hegen,
Und welche Wissenschaft sie hier mit Ruhm belegen.
Der zieht nach seinen Sinn das Schwerd der Helden vor,
Und glaubt, man schwinge sich dadurch mit Macht empor,
Ein andrer aber schätzt Hygäens Dienst vor besser,
Und meint, der Nutzen stieg, so, wie das Ansehn grösser.
Geht man denn weiter fort, so wird man offenbar
Noch andre Meinungen, mit dem Beweiß gewahr.
Man fraget auch zugleich: was denen Erden-Gästen
Am Vortheilhaftigsten, an rühmlichsten und besten
Allhier zu tragen sey? Ob bey dem Richter-Hut
Mehr Ehre, als beym Stab des Kirchen-Bischofs ruht?
Der eine schliesset so, und will den Satz beweisen,
Man müsse sonderlich das Amt der Richter preisen.
Ein andrer aber fällt zwar dieser Meinung bey;
Doch glaubt er, daß der Stuhl des Moses schöner sey.
Patin! wenn man dich jetzt hierüber solte fragen,
Was würdest du denn wohl vor einen Ausspruch sagen?
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Ich weiß die Antwort schon. Man hat bereits verspührt,
Wie wenig dich der Schmuck von Aarons Leib-Rock rührt;
Indem du Gott gedankt, daß du in Priester-Orden,
Von ihm zu keinen Glied bist eingesetzet worden.
Allein, nimt man das Buch der Gottheit in die Hand.
Und machet sich den Rath der höchsten Macht bekant;
So wird man bald gewahr, wie sehr es Gott begehre,
Daß man das Priester-Amt von Herzens-Grund verehre.
Der, so der Heyden Hirt und ihr Apostel hieß,
Stimmt ein, daher er sich also vernehmen ließ:
Wer hier ein Bischofs-Amt erwehlt, begehrt und liebet,
Der sucht was köstliches, und was ihm Freude giebet.
Fürwahr des Höchsten Haus, und dessen Heiligthum,
Bringt dem, der es bedient nicht wenig Ehr und Ruhm.
Ein Wort an Gottes Statt zu der Gemeine sagen,
Und Licht und Recht vor Gott auf Stirn und Brust zu tragen,
Ist wohl kein schlechter Pracht. Es sieht warhaftig schön,
In Aarons heilgen Schmuck ins Heilge einzugehn.
Wo hat wohl Assaphs-Chor so angenehm gesungen;
Als dort an Aarons-Rock die güldnen Schellen klungen?
Den Weyhrauch des Gebeths auf dem Altar zu streun;
Ein Diener bey dem Tisch des heilgen Mahls zu seyn,
Ist zu betrachten werth. Ein Wächter Zions heisen,
Dieß ist ein solcher Ruhm, der nicht genug zu preisen.
So viele Schönheit nun das Amt der Priester zeigt,
So hoch sein Glanz und Ruhm und seine Würde steigt;
So viel Beschwerlichkeit ist auch damit verbunden;
So viel Gefahr und Müh wird auch in ihn gefunden.
Der Dichter Freyheit spricht; der Atlas träg die Welt.
Gewiß, wenn man das Amt der Lehrer vor sich stellt,
Und untersucht es wohl, so wird man bald erkennen,
Der Atlas sey ein Bild von diesem Stand zu nennen.
Verhält des Lehrers Mund von Gottes heilgem Rath,
Und Seeligkeit nur was, sucht er die Missethat
So klein sie auch nur scheint, nicht immer zu verwehren;
Läßt er nicht Straf und Trost zur rechten Stunde hören;
So forderts Gott von ihm! die Sünde der Gemein'
Die fällt und liegt auf ihn, er muß der Träger seyn.
So viele Herrlichkeit nun dieses Amt besitzet;
So wohl es Gott gefällt, der Zion unterstützet;
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So viel Gefährlichkeit, Kampf, Sorge, Fleiß und Last,
Wie schon vorher gesagt, dasselbe in sich faßt;
So viel Vernunft und Witz, Kunst, Weisheit, Stärk und Gaben,
Licht, Einsicht, Frömmigkeit muß auch ein Priester haben;
Besitzt er dieses nicht, wie ist er denn zur Zeit,
Da jedes nöthig scheint/ zu seiner Pflicht bereit?
So löblich es nun ist im Priester-Rock zu stehen;
So nöthig ist es auch erst in sein Herz zu gehen,
Das man darinnen forscht: Ob man auch wohl geschickt
Zum Priester-Amte sey? Ob uns die Andacht schmückt?
Ob Fleiß, Gebeth, Verstand und Klugheit in uns wohne,
Damit man würdiglich Gott und auch seinem Sohne
In solchem dienen kan? Empfindet dann die Brust,
Der Herr, der Gaben giebt, der habe zu uns Lust,
Sein Beystand, seine Kraft, die würde uns im Bethen,
Im Lehren, Predigen, aufs gnädigste vertreten;
Kommt denn ein heilger Ruf zum Predigt-Amt darzu,
Denn ist es Zeit, daß man nach Pauli Worten thu.
Man kan den Hirten-Stab in seine Hände fassen,
Und sich mit frohen Geist zum Priester weyhen lassen.
Betrachten wir was jetzt an diesem Tag geschieht,
So sehn wir, unser Freund hat sich nach dem gericht,
Was Paulus dort gelehrt. Er hat das Amt begehret,
Gott hat ihm solches auch durch seinen Geist bescheeret.
Dieß sehn wir nicht allein, wir sind auch überführt,
Er habe Jesus Herz durch sein Gebeth gerührt,
Daß er ihn seine Kraft und Seegen auf der Erde,
Zu seinem Priester-Amt gar liebreich schenken werde.
Sein Umgang, seine Zucht, sein Wort und seine Lehr,
Die zeugten, daß sein Herz nur Gott ergeben wär.
Sein Fürbild führte uns, so wie sein Wort zur Tugend,
Es war das Regelmaß und Richtschnur unsrer Jugend.
Der Herr, der deinen Fleiß an uns gesegnet hat;
Der Höchste, der dir rief: Daß du an seiner Statt
Das Wort vrkündgen solst, das Gott am Creutz vollendet;
Der Weinbergs-Herr, der dich in seinen Weinberg sendet;
Der Erz-Hirt, welcher dich nun in den Schafstall weißt;
Der gebe, daß du treu in seinem Weinberg seyst,
Er seegne dein Bemühn, und lasse dich mit Freuden,
Zu Zions Wohlergehn, die Heerde Christi weyden.
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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf des Herrn Johann Sigismund Schlottweins Priesterliche Einsegnung. Auf des Herrn Johann Sigismund Schlottweins Priesterliche Einsegnung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ACCF-6