Als Ihro Hoch-Ehrwürden Herr Johann Albert Fabricius, der H. Schrift Doctor und Professor des Hamburgis. Gymnasii, im 63. Jahre seinen ruhmvollen Abschied aus dem Getümmel dieser Welt nahm, entwarf eine Freundin der Musen ihre Gedanken darüber

Im Brachmonat 1736.


Ich weiß warhaftig nicht, wodurch es jüngst geschehn, Daß ich so glücklich war den Elben-Strohm zu sehn;

Ich fand ihn klar und stolz, und schnell und fruchtbar fliesen;
Mein Auge labte sich an den beblümten Wiesen.
Berg, Felder, Wald und Thal, und was man sonst erblickt,
Bewieß des Schöpfers Macht; Mein Geist ward ganz entzückt.
Dort sah ich eine Stadt, die mich so hoch ergötzte,
Daß ich sie noch weit mehr als jenes Tyro schätzte.
Ich stellte mir darbey der Stadt Carthago Flor,
Ihr Ansehn, Hoheit, Pracht, Gewalt und Reichthum vor.
Was ward ich da vor Schmuck und Kostbarkeiten inne!
Ihr Ansehn blendete auf einmahl Aug und Sinne.
Jedoch ein Trauer Klang nahm mich fast plötzlich ein.
Ich hörte durch die Stadt fast alle Seelen schreyn.
Die Priester weineten und schlugen in die Hände,
Und riefen, unsre Lust und Freude hat ein Ende.
Dort gieng die Priesterschaft die nur Minerven dient,
Sie klagte, unser Glück hat nunmehr ausgegrünt.
Ja, wen mein Auge traf, der ließ auch Thränen fliessen,
Es schien, als wolten sie die Wangen übergiessen.
Ich stund als wie bestürzt; doch schritt ich allgemach,
Dem starken Klag-Geschrey der Hochbetrübten nach;
Ich gieng, bis mich mein Fuß zu einem Orte führte,
Der mich, ich weiß nicht wie, beym ersten Anblick rührte.
Es schien mir dieser Ort den schönsten Tempeln gleich,
Er war auch ringsherum an Ehren-Mälern reich.
Ich fragte: wem dieß Haus allhier zu eigen stände?
So hieß es; daß man da den Ehren-Tempel fände.
[177]
Es schien der Tempel schwarz und voller Dunkelheit,
Ein jeder trug daselbst ein schwarzes Trauer-Kleid.
Die Mitte war geziert mit einer Trauer-Bühnen,
Worauf ein Leichnam lag. Man sah an Aug und Mienen,
Es müst ein grosser Mann, ein grosser Lehrer seyn.
Die Theure Leiche war zwar nicht mit Fackeln-Schein,
Noch, der Gewonheit nach, mit Lichtern, ausgeschmücket;
Allein, ich hatte kaum das Antlitz angeblicket;
So wars, als ob ein Glanz; selbst von der Leiche käm,
Der alle Dunkelheit aus diesem Tempel nähm.
Bald sah ich um den Sarg viel Klage-Weiber stehen.
Ich kont ihr Angesicht kaum vor den Thränen sehen,
Die sie benetzeten. Hier sah ich offenbar,
Daß dieß Eusebie, die andre Pallas war.
Die dritte liesse sich Historia benennen.
Die Tugend kunt ich auch als Vierte bald erkennen.
Es schlug Eusebia die Hände auf die Brust,
Und sprach, was vor ein Schmerz ist meiner Seel bewust!
Fabricius mein Schmuck und Krone meiner Haare,
Flieht aus der Sterblichkeit, und lieget auf der Bahre.
Was hundert anderen von mir ein Rätzel hieß,
Das ward von Ihm gelöst. Was ich besaß, das ließ
Sein Fleiß der klugen Welt mit vielem Beyfall hören.
Er wuste meinen Ruhm und Wachsthum zu vermehren.
Ihr Musen-Söhne kommt! beklagt was ihr verlohren!
So leicht wird keiner euch, wie dieser war, gebohren.
Kaum hielt sie klagend ein, so hub Minerve an:
Was hab ich, Atropos dir zum Verdruß gethan,
Daß du mir meinen Freund aus meinem Schooß entzogen?
Ach! das Fabricius, der meine Brust gesogen,
Der Welt entrissen wird. Was nur zu aller Zeit
Die Weisheit in sich faßt; was die Gelehrsamkeit
Und Klugheit in sich schließt, das war Ihm eigen worden,
Sein Ruf ging durch die Welt, durch Süd, West, Ost u. Norden.
Sein Geist war unermüdt. Was Rom und Griechenland
Gewust, gethan, gelehrt, das war Ihm wohl bekannt.
Der Sprachen Wissenschaft, die grosse Zahl der Schriften,
Kan mir und Ihm zugleich ein ewges Denkmal stiften.
Es kunte wohl sein Mund ein ander Delphos seyn.
Die Welt büßt jetzt durch Ihn ein grosses Kleinod ein.
[178]
Sie schwieg. Historia sah weinend in die Höhe,
Und rief, wer tröstet mich, da ich verlassen stehe?
Der, welcher mich gestützt; der, so mich hoch geacht,
Schließt nun die Bücher zu, und giebt mir gute Nacht.
Wie manches schönes Werk der Weisen dieser Erden,
Wird der Vergessenheit anjetzt zur Beute werden?
Die Tugend, die jetzt lebt traf auch zu jeder Zeit
Den Herold an Ihm an. Was hab ich nicht vor Freud
An seinem Kiel gehabt! wer stellt mein Herz zufrieden,
Da mein gelehrter Freund von dieser Welt geschieden?
Die Tugend fiel ihr drein und klagte, daß ihr Sohn,
Ihr Schmuck, und Augen-Lust, und ihres Hauptes Kron
Von hier gewichen sey. Sie rührte mit der Hand
Die würdge Leiche an, und sprach, mir ist bekannt,
Wie die Gelehrsamkeit sehr oft die Tugend scheuet,
Der irrenden Vernunft den besten Weyhrauch streuet.
Fabric verehrte Gott. Und die Philosophie
Gab keine Hinderniß, daß er nicht seine Knie
Mit Andacht niederwarf. Kein heuchlerisches Wesen,
Nur reine Gottesfurcht hatt Er sich auserlesen.
Nach diesem hörte man, wie eine jede sprach:
Fabricius gieng mir in seinem Leben nach.
Drum soll sein Cörper auch zum traurigen Vergnügen,
Zu einem bangen Trost in meinen Armen liegen.
Es wolte fast ein Streit bey diesem Chor entstehn,
Indem erblickte man ein Weib zum Sarge gehn.
Dieß Weib war voller Glanz, voll Klarheit und voll Schöne,
Aus ihrem Munde gieng ein angenehm Gethöne:
Ein jeder nannte sie die frohe Ewigkeit.
Sie sprach: Ihr Werthesten! was ist das vor ein Streit?
Was ists? Fabricius war euch in seinem Leben,
Auf das verbindlichste und zärtlichste ergeben:
Drum seyd damit vergnügt. Er hat euch gnug gethan,
Sein Leichnam gehet euch hinführo nichts mehr an.
Die Mutter, die Ihn gab, soll ihn auch wieder haben,
Wohlan! Er werde hier mit vielem Ruhm begraben.
Hier findt' Er seine Ruh. Sein Theurer Geist ist schon
Zu mir, und in mein Reich, und zu dem höchsten Thron
Mit Jauchzen angelangt? Ihn hat Eliä Wagen
Zum Schooß des Abrahä auf ewig hingetragen.
[179]
Drauf sah ich, wie die Ehr zu dieser Leiche kam,
Und sie mit allem Fleiß von ihrer Bahre nahm,
Sie senkte sie gleich ein. Auf einmahl riefen alle:
Schlaf wohl! Geliebter Freund! und wenn mit starken Schalle
Einst die Posaune thönt, so laß die Grabes-Thür,
Und geh aus dieser Gruft verklärt und schön herfür.
Nach diesem hieng die Ehr sein Bildniß in die Höhe,
Daß es die Nachwelt auch in ihrem Tempel sähe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Leichen-Gedichte. Als J.A. Fabricius seinen Abschied aus dem Getümmel dieser Welt nahm. Als J.A. Fabricius seinen Abschied aus dem Getümmel dieser Welt nahm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AC63-5