Auf eben dieses gelehrten Freundes Namens-Tag

Den 7. des Maymonats, 1734.

Schäfer-Gedichte.

Der May, der Leib und Geist ergötzet und erquicket,
Feld, Garten, Zaun und Wald mit Laub und Blüthen schmücket:
Worbey die kühle Luft die Erde fruchtbar macht,
Die stets ein Sammel-Platz von bunter Blumen-Pracht.
Er lockt die Schäfer-Schaar, mit Lämmern und mit Schaafen,
Daß sie auf Laub und Gras und grünen Wiesen schlafen.
[310]
Dort steht an einem Baum, bey seiner Heerde Vieh,
Der junge Corydon, und sparet keine Müh,
Wie er die Allmachts-Hand des Schöpfers hoch besinge,
Auch wie er seine Heerd vergnügt zur Hütten bringe.
Dort wandert Thyrsias auf einer grünen Höh,
Und singt ein Hirten-Lied von seiner Galathee.
Da zeigt sich bey dem Busch die Schäferin Myrille,
Und steht mit ihrem Stab bey einer Eichen stille,
Sieht ihre Schaafe an, und denkt an Polidor,
Und singt von ihrer Lieb ein Lied durchs Hafer-Rohr.
Sie wirft den Stab dahin, und schneidet in die Rinde,
Des Schäfers Namen ein, daß er ein Zeichen finde.
Nebst diesem ließ sich auch der muntre Damon sehn,
Und sahe seine Heerd in fetter Weyde gehn.
Indem er sie beschaut; so trate aus den Weiden
Sein Freund Silvander vor, und grüßte ihn mit Freuden.
Silvander:

Mein Wehrter Herzens-Freund! den meine Seele liebt,
Weil du mich nie nach Art der falschen Welt betrübt.
Laß deine Heerde Vieh vor dir im Grünen wandern,
Schau, meine thut es auch, und geht zu keiner andern.
Du aber setze dich hier unter diesem Baum,
Und sprich ein Wort mit mir. Silvander hatte kaum
Die Worte ausgeredt; so warf er Stab und Tasche,
Das sanfte Hafer-Rohr, und seine Wasser-Flasche
Zur Erd, und satzte sich mit seinen Freund dahin,
Und sungen dieses Lied mit hocherfreutem Sinn.
Damon:

Dieser heist mit Recht beglücket,
Welchem ein getreuer Freund,
Der es ohne Falschheit meint,
Wird von oben zugeschicket.
Setzen sich vertraute Brüder,
Einsam in das Grüne nieder:
Warlich, so ist hier gewiß
Das erwünschte Paradieß.
[311]
Wer ein redlich Herz erblicket,
Dessen Herz wird recht erquicket.
Silvander:

Dieser thränt, wenn jener weinet;
Jener scherzt, wenn dieser lacht.
Daß auch Diamanten- Pracht
Diesem Schatz nicht ähnlich scheinet.
Wir noch jung und muntre Hirten
Können uns recht wohl bewirthen;
Da ein Freunschafts-voller Kuß
Unsre Lieb versiegeln muß.
Sieh nur, wie wir uns vereinet:
Thränt dein Herz, das meine weinet.
Damon:

Man rühmt und preiset sehr die welt-berühmten Tittel;
Man schätzt und ehret den, der Geld und grosse Mittel
Im Haus und Kasten hat. Doch seh ichs tiefer ein;
So sag ich ohne Scheu: Daß wir beglückter seyn.
Seh ich den Fürsten an/ der jenes Land regieret;
So weis ich, daß er Angst in seiner Brust verspühret,
Daß nicht ein stärkrer Held, sein Land und Haus begrüßt,
Und seine Stärk und Macht in engre Schranken schließt,
Er muß Verrätherey, Brand, Mord und Noth besorgen,
Zum Krieg und Löse-Geld viel Millionen borgen.
Dergleichen Bangigkeit betrift den Schäfer nicht,
Denn sein geringes Haus fällt keinem ins Gesicht,
Sein Hausrath wird ihm nicht betastet noch gestohlen,
Man sucht ihn auch nicht leicht zur Knechtschaft abzuhohlen.
Silvander:

Wie mancher Potentat empfindet Haß und Neid;
Dort biegt sich einer tief, der heimlich Geyser speyt.
(Wie stellt man Fürsten nach!) sie dörfen keinem trauen,
Und auch ihr Ruhe-Bett nicht ohne Wache schauen.
Dieß Kummers sind wir frey: Denn weil wir niedrig seyn;
So schleichet sich kein Haß in unsre Hütten ein;
[312]
Wir werden nicht verfolgt; wir wandern ungehindert,
Und unsrer Glieder Ruh wird warlich nicht gemindert.
Wir fürchten keinen Feind, kein Nachbar uns verletzt,
Der Hund durch seine Treu und Wachen uns ergötzt.
Ein unvernünftig Thier kan Menschen-Treu beschämen,
O! möchte man sie doch zu einem Muster nehmen!
Ein Fürst besorget sich der schnellen Todes-Post,
Daher geniesset er mit Furcht des Leibes Kost:
Wir aber können uns weit mehr als sie getrösten,
Und unser Stückgen Brod vergnügt auf Kohlen rösten.
Damon:

Wenn sich der Sorgen Zahl in ihrer Brust vermehrt,
Und sich ihr hohes Herz aus Kümmerniß verzehrt;
So darf kein Schäfer sich um eitle Sachen kränken;
Denn was er täglich braucht, wird ihm der Himmel schenken.
Des Göldes reiche Pracht an Kleidern drückt den Leib;
Uns aber drückt er nicht. Der Schäfer und sein Weib
Sind ruhig, und ihr Putz besteht in einem Kleide,
Das nichts von Golde weis, es kennt auch keine Seide.
Wenn durch ein fremd Getränk und delicate Kost,
Des Reichen Lebens-Rad an seinem Uhrwerk rost;
So laben wir uns blos an Milch und schlechten Bissen,
Und sind gesund und frisch. Was kan man edlers wissen?
Silvander:

Wenns heist: Herr Bruder trink! ich bring dirs öfters zu;
Da wird der Leib entkräft, da schwindet seine Ruh:
Ihr macht aus Abend Tag: Trinkt unter Schiefer-Dächern,
Aus raren Porcelan, aus Gold und silbern Bechern.
Aus Bechern, die von Holz, doch gleichwohl Silber-rein,
Schenkt sich ein Schäfer oft den klärsten Brunnen ein:
Und dieser schmeckt so wohl, als ob wir Nectar hätten.
Und schlafen wir gleich nicht auf schön geputzten Betten,
Und in Gemächern ein, da Samt und Purpur prahlt;
Wir ruhn auf Wiesen-Klee, der zehnmahl schöner strahlt.
Dieß Bette hat die Hand des Schöpfers selbst bereitet;
Daß Salomonis Pracht ihm nicht den Rang bestreitet.
Der Himmel deckt uns selbst mit seinem Schatten zu,
Und so geniessen wir die höchst-erwünschte Ruh.
Der liebliche Geruch der Blumen uns ergötzet;
Wir schauen, wie der Thau, so Gras als Laub benetzet.
[313] Damon:

Die Edlen sehen nicht das güldne Morgenroth:
Die Schlafsucht foltert sie, und mit genauer Noth
Zur späten Mittags-Zeit vernehmen sie die Schwalben,
Und sehen/ wie sie sich mit Wasser-Tropfen salben.
Allein die Schäfer-Schaar erwacht, so bald die Nacht
Das güldne Himmels-Kind die Morgenröth gebracht.
Die Glieder freuen sich vom Schlafe aufzustehen,
Und mit der Heerde Vieh ins Seegens-Feld zu gehen.
Der zarten Vögel Thon durchdringet Feld und Wald,
Allwo bald hier bald dort ein Lust-Geschrey erschallt.
Die muntre Nachtigall singt angenehme Lieder:
Und unsre Schafe gehn fast springend hin und wieder.
Die aufgeklärte Luft erquicket Leib und Geist,
Kurz, wir empfinden das, was mehr als Fürstlich heist.
Silvander:

Ein Grosser fürchtet sich, als wär der Arzt bestochen,
In seinem Krankheits-Schmerz den Sterbe-Trank zu kochen.
Der Schäfer denket nicht an theure Arzeney,
Ein ihm bekanntes Kraut macht ihn von Banden frey.
Den Fürsten wehrt man ab ins Feld allein zu reisen,
Und ihrem Angesicht des Waldes Schmuck zu weisen.
Wir aber sind nicht mehr als in der Einsamkeit,
Auf Feldern und im Wald vergnüget und erfreut.
Behaltet Ehr und Gold, ihr Herren dieser Erden,
Wir sind weit glücklicher bey unsern bunten Heerden.
Silvander wand sich um, und sah am Geren-Strand,
An einem grünen Busch, zu seiner rechten Hand/
Den Schäfer Silvium, mit leisen Tritten gehen,
Bald schaute er sich um, bald blieb er stille stehen.
Er winkte seinem Freund, und faßte diesen Schluß:
Damon:

Wahrhaftig, dieses ist der Schäfer Silvius!
Silvander:

Ja, ja, er ists gewiß, ich kans aus allen Werken,
Aus Mienen und Gestalt, und allem Wesen merken.
Mein Freund! beschau ihn wohl! Er gehet ganz betrübt,
Und in Gedanken hin. Ich glaub, er ist verliebt.
[314] Damon:

Nein! nein! du fehlst das Ziel, er ist noch nicht in Orden
Der Uberwundenen hier eingeschrieben worden.
Er sucht vielleicht ein Kraut, das Angst und Schmerz zertheilt,
Die Krankheit niederdrückt und allen Schaden heilt.
Silvander:

Gewiß dein Wort ist wahr; ich hatte mich betrogen.
Mir ist das schöne Lob noch nicht so leicht entflogen,
Das ich vor Jahres-Zeit von Silvio gehört.
Damon:

Die Schäfer, welche uns in grosser Zahl beehrt,
Indem sie unser Feld, und unsern Ort begrüßten/
Und uns, du weist das Fest, umarmeten und küßten.
Die rühmten allesamt den herrlichen Verstand;
Dametus machte uns den grossen Fleiß bekannt,
Auch Hyrilas erzehlt sein ganz geschicktes Wesen,
Und wie er sich darbey die Freundlichkeit erlesen.
Silvander:

Amitas rühmete die Schönheit der Person.
Es sang auch Corylas mit einem hellen Thon:
Der Schäfer Silvius hat wenig seines gleichen,
Es will die Tugend nicht von seiner Jugend weichen.
Damon:

Wie ist mir, werther Freund? Ich glaube, heute ist
Sein helles Namens-Licht?
Silvander:

So wahr du redlich bist;
So wahr ist dieses Wort. Heut ist sein Tag erschienen.
Drum forderts unsre Pflicht Ihn wünschend zu bedienen.
Vergnügungsvoller Tag!
Damon:

Gewünschter Morgen-Schein!
Die Freude ziehet jetzt in meinem Geiste ein.
Freund! nim anjetzt dein Rohr, und blas, ich will mit springen
Dem Schäfer Silvio ein Hirten-Liedgen singen.
[315]
So viel Klee
Auf der Höh
Und auf Wiesen zu erblicken;
So viel Tropfen Morgen-Thau
Auf der Au
Bey des Tages Anbruch lieget;
So viel angenehme Lust
Wünsch ich deiner klugen Brust.
So viel man jetzt Blumen sieht,
So viel Ruhm, der ewig blüht,
Müsse dir der Himmel schicken.
Sie küßten sich darauf, und in demselben Nu,
Gieng jeder wohlgemuth nach seiner Heerde zu.

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf eben dieses gelehrten Freundes Namens-Tag. Auf eben dieses gelehrten Freundes Namens-Tag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ABD4-F