Auf eine Magister-Promotion

Den 12. April 1737.


In fremden Namen.


Ich kam, ich weiß nicht wie, an einen klaren Bach,
Sein angenehm Geräusch zog mich ihm immer nach,
Besonders da er mich durch grüne Saaten führte,
Wo ich die Seegens-Hand von oben reich verspührte.
Des Vetters Lieblichkeit trieb mich noch weiter fort,
Es kam daher mein Fuß an einen engen Ort,
Der einer Höhle gleich. Da sah ich ein Gebäude
Vor meinen Augen stehn. Allein zu meinem Leide
Las ich an seiner Thür und Eingang rechter Seit;
Die Schrift: Es ist alhier das Haus der Traurigkeit.
Jedoch ich trat hinein. Kaum hatte ich die Wände
Erblickt und angeschaut, da fand ich, daß die Hände
Der Künstler hier und dort ein Sinnbild aufgesetzt,
Das noch die Traurigen ermuntert und ergötzt.
Hier las ich: Du hast dir dein Unglück selbst bereitet,
Nicht anders geht es dem, der mit der Tugend streitet.
Dort hieß es: Zage nicht! die Unschuld sieget doch.
Hier wieder: Sey getrost! es will dein schweres Joch
Der Großmuth Merkmaal seyn. Hier hies es: ohn Bemühen
Und Sorgen wird uns nie ein Glück auf Erden blühen.
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Gleich hört ich hinter mir ein tief gehohltes Ach!
Ich sah mich um, und sieh, ein Weib ganz mat und schwach,
Mit blassen Angesicht und kläglichen Geberden,
Und tiefgebognen Haupt saß trostlos auf der Erden.
Sie sprach: man acht mich nicht, mein Reich, mein Volk wird klein
Wo wird ein wahrer Sohn von mir zu finden seyn?
Ich sah die Schönheit an, die also kläglich schriehe,
Und sieh, ich sah, es war die Himmlische Sophie.
Wie? sprach ich: Würdigste! was klagest du so laut?
Hat dir nicht manch Athen Altäre aufgebaut?
Wie zahlreich sind alda die Priester, so dich ehren,
Und Söhne, welche gern den Opfer-Dienst vermehren?
Ja sprach sie, sieht man gleich die größten Tempel stehn,
Sieht man die Priester auch durch ihre Thüren gehn;
So muß doch oft mein Heerd von Opfern ledig bleiben.
Wer suchet meinen Dienst nach Schuldigkeit zu treiben?
Wie mancher sucht Athen, daß er in Freyheit lebt,
Sich um die Venus mehr als wie um mich bestrebt.
Es wird oft mehr Toback als Sand zur Schrift gerieben
Und wo ist wohl der Fleiß und Sitzefleisch geblieben?
Die Nacht wird nicht mit Oel und Wachen hingebracht,
Das Buch, der Lehrsaal selbst wird recht zur Last gemacht.
Die Feder schmückt den Hut; nicht aber Hand und Finger.
Wenn man nach Büchern fragt, so sind es Wunder-dinger.
Ein Spiel- und Lombre-Tisch wird vor den Pult erwehlt,
Und was an nützlichen und schönen Büchern fehlt,
Das muß der Gläser Reih und Karten Meng ersetzen.
Hier muß ein wild Geschrey vors Musen-Lied ergötzen.
Wer ist wohl, der sich recht nach meiner Schönheit sehnt?
Wie öfters werde ich verlacht und ausgehöhnt!
Ich muß ein Hirn-Gespiel und leer Geschwätze heisen.
Will jemand sich mit Ernst auf meinen Dienst befleissen,
Und mag kein Stümper nicht, gleich wie die meisten, seyn:
Sieht er mein Wesen scharf, genau und reiflich ein,
Und geht recht auf den Grund! so sucht man ihn zu hassen,
Er muß, wer weiß wie sehr, sich heftig richten lassen.
Man giebt ihm schuld: Er sey von Gottes Wort kein Freund,
Was dieses öfters spräch, das hätte er verneint,
Er suchte meine Kunst und Kraft ihn gleich zu achten;
Sein Sinn woll immer nicht die Wahrheit recht betrachten,
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Die in der Biebel liegt. Die Allmachts-volle Spuhr,
Hieß man fast meistentheils nur Werke der Natur.
Ein wahrer Philosoph sey nie ein guter Christe;
Vielmehr ein Sonderling; ja gar ein Atheiste.
Die Seufzer liessen ihr kein einzges Wort mehr zu.
Drauf kam Eusebie und sprach: Ist deine Ruh,
O Freundin! so gestöhrt? Ich habe wohl vernommen,
Warum du in dieß Haus der Traurigkeit gekommen.
Allein ermuntre dich! es findt doch manche Brust
An deinem wahren Dienst die allergrößte Lust.
Liebt unter andern nicht mein Taucher deine Schöne?
Sophia! zehlst du Ihn nicht unter deine Söhne,
Die du gebohren hast? Er ist dein ächtes Kind,
So wie mein liebster Sohn. In seiner Seele findt
Dein Wesen seinen Sitz. Er forscht nach deinen Lehren,
Und hat auch stets getracht sie ernstlich anzuhören.
Er hat nie in Athen sich also aufgeführt,
Worüber du Verdruß und Sorgen hast verspührt.
Die Bücher waren Ihm die schönste Seelen Freude,
Der Lehrer Honig-Mund die angenehmste Weyde.
Er hat mit Fleiß und Schweiß, Witz, Vorsicht und Bedacht,
Mit Klugheit und Vernunft, scharfsinnig Tag und Nacht
Nach deinem Heiligthum und Opfer-Dienst gerungen:
Es ist Ihm auch nach Wunsch und dir zur Lust gelungen,
Drum ehrt Ihn auch dein Volk. Und sieh! das Ger-Athen
Wird heute seine Kunst durch weise Reden sehn.
Auf! komm! und folge mir! drauf ward dieß Hauß verschlossen.
Sie giengen, und man sah, wie Taucher unverdrossen,
Und mit Geschicklichkeit sich allda hören ließ,
Und alles richtig schloß, und jedes schön bewieß.
Sophia freute sich, und sagte voll Vergnügen:
So muß mein Taucher auch den Lohn nun von mir kriegen.
Sie küßte Ihn, und gab Ihm den Magister-Hut,
Das edle Violet, und sagte: Werthes Blut!
Trag dieß zu meinem Ruhm, leb, blühe, wachs und grüne.
Ich wünsche, daß der Schmuck dir zu was grössers diene.
Drauf sprach Eusebie: Mein Sohn! ich wünsche dir
Viel Glück zu diesem Fest. In priesterlicher Zier
Und Chorrock solst du bald in Gottes Tempel treten,
Und vor der Kirchen Wohl mit heiser Andacht beten
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Wer gegenwärtig war, rief tausendmahl: Viel Glück
Zu der erlangten Ehr! Ich aber gieng zurück
Von diesem schönen Ort, und ließ den Wunsch erklingen:
Es müsse dieses Fest mehr Ehren-Feste bringen!

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TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf eine Magister-Promotion. Auf eine Magister-Promotion. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-ABBD-5