Auf der Hochedlen Jungfrau Louisa Christina Trierin zu Glücksbrunn Namens-Tag

Den 24ten des Heumonats 1735.


In andern Namen.


Jüngst legt ich mich vergnügt zu meiner Glieder Ruh,
Und schlosse sanft und wohl die müden Augen zu.
Kaum hatte mich der Schlaf besiegt und eingenommen,
Da traumte mir: Ich wär in ein solch Zimmer kommen,
Des Pracht und Kostbarkeit nicht auszusprechen war.
Ich stund erstaunensvoll. Und sieh! ich ward gewahr,
Das eines Zimmers Thür sich aufgeschlagen wiese.
Und meinem Augen-Paar was schönes schauen liese.
Hier saß die Billigkeit auf einem hohen Thron,
Ihr Haupt und Silber-Haar umzirkte eine Kron,
Zur rechten ihres Stuhls erblickte ich die Tugend,
Die Schönheit linker Hand, dazwischen lag dieJugend
Gebückt und tief gebeugt auf ihrem Angesicht.
Drauf rief die Billigkeit: Ihr wehrten! zaget nicht,
Erzehlet mir getrost was euch in Leid gesetzet.
Ich schwer bey meiner Hand, die nie das Recht verletzet,
Ich laß euch meine Huld, Gunst, Gnad und Liebe sehn,
Ein Ausspruch, der mir gleicht, soll euch zum Trost geschehn.
Dieß Kleeblat richtete sich freudig von der Erden
Auf dieses Wort empor, und sagten: Nun so werden
Wir hoffentlich gestärkt, wir aber legen dir
Erhabne Billigkeit, den Dank davor jetzt für.
Drauf hub die Jugend an: Ich, die ich von demHimmel
Auf dieses grosse Rund, in dieses Welt-Getümmel
Herab geschicket bin, damit man sich an mir
Belustge und erfreu, krieg schlechten Dank dafür
Zwar werd ich lieb und werth geschätzet und gehalten:
Denn jeder, der mich hat, der hält sich vor den Alten,
Und die am Stabe gehn, besonders hoch beglückt
Allein die wenigsten, die machen sich geschickt,
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Vor mich den edlen Schatz, dem, der mich giebt, zu danken:
Hier trit die Dankbarkeit aus ihrem Weg und Schranken.
Man meint, die Ordnung wär schon längstens so gemacht.
Noch mehr, man giebt gar nicht auf meine Schätze acht:
Denn man bewirbet sich den Mißbrauch anzunehmen;
Sehr wenge suchen sich der Ubelthat zu schämen.
Die Schönheit fiele hier der Jugend in das Wort,
Und sprach mit tiefem Ach! der, welcher fort und fort
Regieret und besteht, läßt oftermahls geschehen,
Daß ich auch neben dir kan wachsen, blühn und stehen.
Und deine Schwester seyn; Allein wie viele sind
So unbedacht und kühn, und gleichsam sehend blind,
Daß sie die Würdigkeit gar selten recht betrachten.
Da wird man frech und stolz, man suchet zu verachten,
Die mir nicht ähnlich seyn. Man ist der Keuschheit Gold
Gar selten zugethan, noch vor den andern hold,
Wie es wohl billig wär. Hier schwieg die Schönheit stille.
Die Tugend aber sprach: Es ist des Himmels Wille,
Daß, wo die Jugend herscht, und wo die Schönheit thront,
Auch meine Herrlichkeit gleich an derselben wohnt;
Allein wie sieht man nicht, wo diese beyde prangen,
Da kan ich oft nach Wunsch nicht meinen Zweck erlangen.
Mein Adel und mein Stand heist nichtig kahl und schlecht,
Man meint, wer in der Welt fromm, redlich und gerecht,
Keusch, gütig und gelind/ demüthig, stille wäre;
Der hindert sich oft an Wohlfahrt, Glück und Ehre.
Man blickt mich immer scheel und über Achsel an,
Ich weiß, du fragst hier nicht, wer dieses hat gethan;
Nicht nur das Mannes-Volk; nein auch der Jungfer-Orden
Ist mir gehäßig, feind, meyneidig, untreu worden.
Drum bitt ich Königin; steh mir doch kräftig bey,
Damit ich künftighin geliebt geehret sey.
Worauf sie und mit ihr die andern gleichfals bathen;
Laß uns aus dieser Schmach und Herzeleid gerathen.
Drauf sprach die Billigkeit: die Klagen sind wohl wahr;
Das Bitten ist gerecht; Allein so offenbar,
Man euch beleidiget; so zeigt doch manch Exempel,
Daß es in seiner Brust als wie in einem Tempel,
Euch heget und verwahrt. Glaubt, daß noch manches Kind
Das Jugend Schönheit hat, auch solche Wege findt,
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Und auf denselben geht, von dem ihr könnet sagen:
Es ehrt uns würdiglich. Die Tugend darf nicht klagen,
Daß sie gehasset wär, und auf die Seit gesetzt:
Da sich noch mancher Geist an euch recht sehr ergötzt.
Ihr Werthen! fraget nicht, auf wem ich ziel und rathe:
Der Hofrath Trierin geliebte Jungfrau Pathe
Besitzt euch alle drey. Die Jugend ist bey ihr,
Die Schönheit schmückt sie aus, die Tugend ist die Zier
Die sie sich auserwehlt. Sie ist ein Pfand von oben/
Der Himmel und der Mund der Menschen sie nur loben.
Drum hat ein Priester auch sein Herz zu ihr gericht,
Und hält sie lieb und werth als seiner Augen-Licht.
Beschaut dieß Jungfer-Bild, betrachtet sie nur eben,
So seht ihr euer Bild vollkommen in ihr leben.
Drum so ermuntert euch, und glaubet nur ganz fest,
Daß man euch heilig ehrt. Dieß Kleeblat rief: Du läßt
O grosse Billigkeit! uns was vergnügtes hören,
Davor wir deinen Schluß und dich auch müssen ehren.
Wir sagen auch darzu, dein Wort ist wahr und rein,
Und dieses Jungferbild kan unser eigen seyn.
Drum rufen wir noch aus: dieß Jungferbild soll leben!
Indem dieß ausgeredt, so sahe ich gar eben,
Daß dieses Zimmers Thür sich von einander that,
Worauf die Zeit geschmückt, frisch in dasselbe trat.
Sie sprach mit Freudigkeit: Ich habe wohl vernommen,
Daß ihr von einer Braut zu reden seyd gekommen.
Ihr habt auch wahr gesagt. Und weil mir euer Schluß
Und was ihr habt erzehlt mir auch gefallen muß;
So kom ich Freudenvoll euch diese Post zu bringen:
Der, so von jeden Wort und allen schnöden Dingen
Dort Rechnung fordern wird, hat dieses Jungferbild
Mit einer grossen Lust an diesem Tag erfüllt,
Indem er ihr den Tag da sie Tauf empfangen
Bey allen Wohlergehn aufs neue läst erlangen.
Wie? rief die Billigkeit, ists wahr? o teusch mich nicht!
Ja! sprach darauf die Zeit, so wahr das Sonnen-Licht
Den Erden-Creis bestrahle; so wahr ist was ich sage!
Die Jugend und mit ihr die Schönheit hub die Frage
Benebst der Tugend an: O Zeit! ist dieses so,
So sind wir sonderlich vergnügt und herzlich froh.
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Drauf sprach die Billigkeit: Ihr, die ihr hier zugegen,
Bemüht euch eure Lust durch Wünsche darzulegen.
Ich geh darin euch vor, und sage: Holdes Kind;
Dein Glücke wachse so, daß man kein Ende findt!
Die Tugend, Schönheit, Zeit, nichts minder auch die Jugend,
Erhuben ihren Mund und riefen: Bild der Tugend,
Du müssest diesen Tag noch vielmahl frölich seyn!
Indem so sah ich sie vergnügt zurücke gehn.
Hierauf erwachte ich von meinem Schlaf und Schlummer,
Und wußt nicht, wie mir war. Doch mein gehabter Kummer
Verschwande alsobald: Indem man mich bericht:
Daß mein gehabter Traum und schönes Nacht-Gesicht,
Was ganz wahrhaftges sey. Dieß Jungferbild erblicket
An diesem Tag das Fest, das Gott der Herr geschicket/
Als er sie durch die Tauf zum erstenmahl erfreut.
Es wurde alsobald mein Geist von Lust erneut,
Ich wünschte, jeder Traum mög gleiche Wahrheit bringen.
Inzwischen muß ich dir hierbey vor allen Dingen
Des Geistes Munterkeit bezeugen, drum so spricht
Mein Mund und auch mein Herz: Es müsse dieses Licht
Und dieses Tages Schein dich vielmahl überschatten!
Dir geh auch jedes Werk beglückt und wohl von statten.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Zäunemann, Sidonia Hedwig. Gedichte. Poetische Rosen in Knospen. Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte. Auf der Hochedlen Jungfrau Louisa Christina Trierin. Auf der Hochedlen Jungfrau Louisa Christina Trierin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AB7F-2