[150] Selig sterben

Wie drückend schwül der Sterbepfühl!
Es muß geschieden sein ...
O Sommernacht, ach flüstre nicht
So lockend süß herein!
Ihr Düfte blühender Linden,
Wie muß ich bitter empfinden,
Was ich versäumt!
Weh mir! Auf meiner Wiese
Viel tausend Blumen lohten,
Die alle heimlich schmachtend mir
Den Kelch der Liebe boten.
Ich hab ihn nicht genossen!
Ich wähnte, streng verschlossen
Sei jeder Kelch.
Und in mir glomm es jugendstark;
Hätt ich vertraut der Glut,
Die Sterne konnt ich keltern
Und zechen ihr heilig Blut.
Doch zwischen öden Wänden
Hielt ich in darbenden Händen
Das bleiche Haupt.
[151]
Ich wühlte tief nach einem Schatz.
Da tappte meine Hacke
Vorbei an Goldes Adern
Und biß sich fest in Schlacke.
Am Ende bin ich worden
Vom Eremitenorden
Ein trüber Gast.
O Sehnsucht, die in junger Brust
Ich Tor ließ ungestillt,
Wie loderst du im siechen
Geblüte nun so wild!
Wohlan, du magst im Sterben
Um Liebeslust noch werben
Mit heißem Kuß.
Hinaus zum Garten! Schüchtern lock
Der Haubenlerche Schlag.
Mit rosa Knospen tastet
Aus Wolkengrau der Tag.
Ein Wollustschauer wittert
Um Busch und Baum/ und zittert
Durch meinen Leib.
[152]
Und feierlich vom Leibe
Streif ich das düstre Kleid.
O kühles Bett im Blumenklee,
Wo Perlentau mich weiht!
Voll Inbrunst beug ich Rosen
Vom Hag herab zum Rosen
An mein Gesicht.
Horch, Harfenjubel! Strahlend wallt
Die Sonnenkönigin
Zum Blumenbett/ und neigt sich
Umfangend zu mir hin.
An ihren Busen flutet
Mein Sehnen und verblutet
Im Hochzeitskuß ...
Ja sauge meinen Odem
In deinen Flammenschwall!
Laß mich, ein Tropfen Sonnenblut,
Wild pulsen durch das All!
Heil mir! In alle Wonnen
Versäumter Jugendbronnen
Mein Schwelgen taucht.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wille, Bruno. Gedichte. Der heilige Hain. Heimweh nach der Ewigkeit. Selig sterben. Selig sterben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A86D-4