Georg Wickram
Der Jungen Knaben Spiegel

Eiñ schöñ Kurtzwyligs Büchlein /
Von zweyen Jungen Knaben / Einer eines Ritters
/ Der ander eines bauwren Son / würt in disen
beiden fürgebildt / was grossen nutz das stu-
dieren gehorsamkeit gegen Vatter vnd Můter /
schůl und lermeistern bringet / Hergegen
auch was grosser geferligkeit auß dem
widerspyl erwachsen / die Jugent darin
zů lernen / vnd zů einer warnung
fürzůspieglen. Newlich in
Druck verfertiget durch
Jörg Wickram.

Im Jar / M. D. LIIII.

Dem fürsichtigen und weisen herren Antoni Kuntzen

[3] Dem fürsichtigen und weisen herren Antoni Kůntzen, diser zeit schulteiß zů Rufach, embeut Jörg Wickram sein underdienstbaren grůß zůvor.

Es habend sich, günstiger weiser herr, die alten fast in iren gedichten beflissen, das dieselbigen nit so gar on nutz und fruchtbarkeit der jugend fürzůspieglen gewesen, sunder die jugend sunderlich von üblem und laster abzogen, darneben auch vilmalen zů der forcht unnd scham bewegt und getriben, welche stück warlich nit die geringsten tugenden an einem jungen mögen geacht werden. Dann auß forcht und scham erwachßet alle tugend in einem jungen; wa aber dise zwey liecht erloschen, do blibt wenig gůter sitten in alten und jungen, und ist auch nichts auff der gantzen welt, so die zart jugend mehr von bößen sitten abzieht, dann eben das, so ein junger des anderen gefährlicheit erwegen und ermessen thůt, nimpt im darbey ab, was auß loser, bößer geselschafft entspringet. Herwider ist auch den jungen angeboren von natur, wo anderst ein recht fundament ist, das sie gern, so sie recht und wol geschickt handlen, gelobt seind; sie nemen auch fleißig war, so man andre jungen ir wolthat halben lobet, befleißen sich demnach des gůten desto mehr. Man find aber leyder vil, so weder umb beyspil, loben noch schelten gar nichts geben, sunder auff ihrem gůtdunckel also hinaußfaren, geben weder umb vatter, můter, leer und schůlmeister gar nicht; und so die jetzund vatter und můter die gröst und höchst freud sein solten, geberen sie in das allerjämmerlichstes klagen und trauren.

[3] Derselbigen hab ich dreyerley arten beschriben: erstlich die, so gůter sitten und geberden seind, sich selb zů den tugenden und von den lastren abziehen. Zům andren seind etlich jungen, die das mittel halten; so sie ir beiwonung bey frummen gehorsamen kinden haben, geratend sie fast wol; wo man sie aber und er bößen můtwilligen kinden ir geselschafft laßt haben, werden sie beiwylen in grosse geferlickeit verfürt. Zům dritten fyndt man solch böße martialische und saturnische köpff, so am andren jungen nit sehen mögen, das sie iren älter gehorsammen, weisen sie auff alle büberey, schand und laster, damit dann manig frumb kind durch böße gesellschafft verfürt wirt. Was aber deren jedem auß seinem fleiß erfolget, wirb hie als in einem spiegel fürgemalet und der weychen jugend nutzlich darin zů lesen, damit sich die ehrlichen gemüter unnd herrlichen ingenia nit durch böße geselschafft verfüren lassen.

Dieweil ir nun, weiser herr, von gott dem allmechtigen auch mit lieben und wolerzognen kinden begabt seind, hab ich euch diß mein sohlechts büchlein, so dann auch nur für die jungen kinder gemacht, zůschreiben wöllen, damit die jugend, als euwer liebe kind, sich selb vor arger und bößer gselschafft hüten mög, den tugenden mehr dann den lastern nachgedencken. Dann ich mich je umb vilfaltige gůthat, so mir von eüwer weißheit widerfaren, nit anders kan oder weiß zů verdienen dann eben mit dem, so ich mit meinem verstand, der sehr gering ist, mag außrichten. Gott wolt, mir grössers müglich wer, wolt ich mich in allem gůten und früntlichen willen erzeygen. Wünsch euch hiemit vil glückseliger neüwer jor.


Datum Colmar den 26. hornungs anno 1554.


Jüngling, wilt du gen Antorff faren, Liß mich, so magstu dich bewaren Vor bůlschafft, schlam und bösem spyl, Die all drey bringen schadens vil.

1. Wie der ritter Gottlieb mit seinem gebätt sampt seinem weib

[4] 1.
Wie der ritter Gottlieb mit seinem gebätt sampt seinem weib gott fleißiglichen umb ein leiblichen erben bitten thůnt, und wie in gott einen erben bescheret.

Es ist gewesen vor langen jaren ein frummer alter ritter an dem hoff zů Preüssen, welcher seine tag in mannlichen und ritterlichen thaten hinbracht biß auff fünfftzig jar, so das er keinem ehlichen weib vermehelt ward. Mitler zeit fügt sich, das ein richer edelmann an des bochmeisters hoff mit tod abging, welcher des hochmeisters schenck gewesen was; an desselbigen statt kam der obgenant ritter, genant Gottlieb.

Zů einer zeit begab sich, das er seines amptes pflegen thet, seinem herren in kostlichen guldinen geschirren den wein dartrůg. Der hochmeister, welcher gar ein betagter alter mann was, als er den ritter ersehen unnd seiner langen getrüwen dienst bedencken thet, gedacht er in im selb: ›Diser dein getrüwer diener vor lang umb seine gefleissen dienst bas verdient gewesen wer, aber auß meinem grossen unfleiß nit bedacht worden ist; nun hat sich das glück jetz gleich gegen im erblicket, wo im anderst ein semlichs gefellig sein wil.‹ Mit disen gedancken den ritter ernstlich mit unabgewendeten augen ansach. Davon im der ritter Gottlieb nit wenig schrecken nam, jedoch mit unbeweglichen augen seinen herren ansach; dann er sich aller straff unschuldig wußt.

Sein herr fieng in an gütlich anzůsprechen also sagende: ›Gottlieb, edler und gestrenger ritter, deine langen und getreuwen dienst seind mir unvergessen. Darumb, so du wilt, magst du ein zimliche bitt an mich wenden. Was mir dann müglich ist mit land und leuten, hab und gůt, solle dir nit versagt sein, damit du auch einmal diner diensten entladen werdist. Zů dem ist dir unverborgen der todt meines lieben dieners, welcher das schenckenampt vor dir getragen, der dann ein schön jung züchtig edel weib verlassen hat mit übergrossem [5] reichtumb und on alle kinder. Wo dir nu anmütig wer, die zů der heyligen ehe zů haben, wölt ich die sach dohin triben und fürderen, das sie dich für iren herren und gemahel nemmen solt; darzů wolt ich dich reichlich begaben und außsteüren. Darauff magstu mir wol dein gůten willen zů verston geben.‹ – Gotlieb, wiewol ein mechtiger strenger ritter, so was er doch an gůt nit so gar überflüssig reich; derhalben nam er im einen kurtzen bedanck und sagt: ›Allergenädigster fürst und herr, die sach ist nit gůt abzůschlagen; dann die frauw ist schon, jung und frumb. Darumb bit ich auff das demůtigist, so müglich, euwer fürstlich gnad wölle die sach zů dem zeitlichesten fürderen; will ich mich dannocht zů aller zeit in eüwer fürstlichen gnaden diensten, auff das undertenigst und gehorsam finden lassen.‹

Alsbald nun das mal vollendet was und die taffel hingenummen, ließ der hochmeister die frawen für in berůffen, iren alle sach erzelende des ritters halb. Die fraw zůstund sich mit aller zucht und scham in des hochmeisters schutz und schirm ergeben thet und imme irenthalben zů handlen allen vollen gewalt übergabe. Zůhand ward der tag angesetzt, und kurtz darnach beschahe der hantschlag; dann was gern gaht, bedarff nit vil treibens. Wie aber und mit was kostlicheit und freud die hochzeit volbracht ward, wöllend wir von kurtze wegen underlassen, damit wir bald zů der materi greiffen, dovon dann diß gantz büchlein sagen würdt.

Diser ritter Gottlieb und sein gemahel also früntlich und fridsam und in grossen freüden mit einander lebten; allein was ir gröste kummerniß, das sie keinen erben von gott bekummen möchten, dann sie nun in das drit jar bey einander gewont hatten. Gottlieb der ritter belib an seinem ampt, pflag des mit grossem ernst und fleiß, hielte sich mit jedermann tugendtsam und früntlich, so das in meniglich liebgewan. Der hochmeister in Preüssen versahe in auch mit gůten lehen, so das er einen herrlichen und ritterlichen stat füren mocht, nam fast zů an zeitlichen ehren und gůt; allein bekummert in, wie obgemelt, das im gott kein frucht bescheren wolt. Darumb er dann mit grosser andacht gott den almechtigen täglichen batt, dem gelich thett auch sein liebste gemahel. Sie aber [6] baten allein gott den herren umb die frucht, wenig bedencken, das ihn auch die gnad von gott verluhen wird, damit die frucht, so in von gott bescheret, in seinem göttlichen willen und wolgefallen aufferzogen wirde, welchs dann, die notwendigist bitt gewesen sein solt. Wie aber sie gott irer bitt erhöret und gewert hat, wie auch das kind, so in gott bescheret, aufferzogen, werdend ihr hernach hören.

2. Wie eines armen bauren weib eines schönen sons genaß

2.
Wie eines armen bauren weib eines schönen sons genaß, und Gottlieb das kind auß der tauff hůb, auch von seines gemahels und seiner gelübt.

Der edel und theür ritter Gottlieb hat in seinem lehenland einen armen baursmann, frumm und gerecht, aber eines gar ruhen und groben verstands. Den hat gott versehen mit einer tugentsamen haußfrauwen, welche ihm gar vil schöner kinder gebar, die er dann in grosser armůt, aber doch in der forcht gottes aufferziehen thet. Der ritter und sein gemahel groß mitlyden mit ihnen, dem bauren und seinem weib, hatten, im tägliche hantreychung thetten, seine kinder mit speiß und kleideren versahen, und wo sie mochten zůstatten kummen. Der baur was genant Růdolff und sein gemahel Patrix.

Nun begab es sich, das die gůt Patrix aber eines kindes schwanger gieng. Sobald und sich nun die zeit irer geburt nehet, nam des ritters weib mit namen Concordia die Patrix zů ir in ir behausung und befalh, man solt ir wol und ehrlich pflegen, glich als wann sie es selb were. Dann sie sprach: ›Diewyl mich gott nit erhören wil von meiner sünd wegen, so soll mir dise frauw einen trost geberen, damit ich mein zeitlich freüd haben mag. Es sey gleich ein son oder ein tochter, soll es in aller gestalt als mein eigen kind aufferzogen werden.‹

Diß stund nit seer lang, die gůt Patrix gewan grossen [7] wehtagen (dann die zeit irer geberung sich nehet) und gebar einen gar schönen knaben, so das meniglich sagt, er solte eines küniges son billichen erkant werden seiner schöne und tugent halb. Von disem schönen kind name ir Concordia ein gar grosse freüd und frolocket nit anderst, dann wann das ir eigen fleisch und blůt gewesen were. Jedoch zů allen zeiten ward sie auch hertzlich bekümmert und gedacht: ›Ach almechtiger himmlischer vatter, wie unerforschlich sind deine gericht, wie unaußsprechlich deine milten gaben! Mir hast du verluhen groß gůt und zeitliche narung unnd mich aber diser freuden beraubet, unnd dise an zeitlichen güteren arme frauw begabst du mit so manigfaltigen freüden, gibst ihr sün und tochteren, in deren angesicht sie sich mit grossen freüden ersehen mag.‹

Mit solchen gedancken die edel Concordia ire zeit verdreib; das kind aber ward köstlichen unnd zertlichen ingebischlet unnd zů der tauff getragen. Gottlieb der ritter ward selbs götti oder pfetter. Und als er jetzundt das zart und schon kind also nacket und bloß auff seinen armen trůg, erwag er gar schwerlich, das er von gott nit möcht erhört werden, und mit bekumberten hertzen sagt er: ›O mein gott und mein herr, dieweil mir diß kind als einem geistlichen vatter bevolhen ist, so will ich auch sein zeitlicher vatter sein, es versorgen und erziehen, als wann das mein eigen blůt und fleisch were. Und ob du mich schon mitler weil mit einem oder mereren kinden begabtest, will ich dannocht diser meiner gelübdt nimmermer vergessen.‹

Do nu das kind getäufft ward und man das wider zů hauß brocht, empfienge das Concordia von den frawen, so das trůgen, und brocht das zů seiner naturlichen můter, sagt also: ›Patrix, mein liebste fründin, nim hin von mir disen schönen und adelichen knaben, welcher dir von got beschert ist und dein eigen leiblich kind! Denselbigen befilhe ich dir nun zůmol als minen son, das du ihm an keinem ding solt mangel lassen; und so dir etwas manglen werd, solt du mir das zůstund öffnen; bald soll dir semlicher mangel gewendt werden. Deines mannes und anderer deiner kind solt du dir kein unmůt tragen; dann inen soll gůter raht beschehen.‹

Wer ward jemals frölicher dann die frumb und einfaltig [8] Patrix, welche vormalen ire kindbetten in armen strowinnem hütlein hat außbringen müssen, sich mit milch, schwartzem rauhen brot und grober speis beholffen, in rauschendem stro die nacht mit unrüwigem schlaff verzeren! Die aber lag jetz in fürstlichem bett, ward mit gůten pflegerin und vorgengerin versehen; man speiset sie mit herlichen kostbarlichen spysen, ir dranck was bei dem kostlichsten. Solche gůte wartung was der gůten frauwen ungewon, nams also mit grossem dank an und ward in kurtzer zeit gar schon und frech. Darbey ward auch ires gemahels Růdolfen nit vergessen, darzů irer anderen kinder. Der ritter Gottlieb hat ein pfleg oder vogtey in seinem land, welche jerlich ein schones inkummens hat; auff dieselbig satzte er den gůten und einfaltigen Růdolfen, der ime auch sein korn und frucht getrüwlichen inziehen ward.

Das laß ich stahn und kumm wider an des ritters weib, welche grosse freüd mit dem jungen kind haben thet, jedoch von irern emsigen gebet nit abließ, sonder got täglichen bitten thet; der sie dann zůletst geweret, und ward sich in kurtzen befinden eines kindes schwanger gahn. Do ward grosse freüd bey ihr und irem gemahel gesehen, auch von allen denen, so umb und bey in woneten. Jedoch gewann sie iren angenummenen son je lenger je lieber; dann sie meynet, alles glück käme von im; wie dann auch ist. Wer armen leüten gůts beweiset, denselbigen lonet got gewißlich hie im zeitlichen und dort ewig. Patrix, die gůt fraw, hat seer grosse freüd an irem son Fridbrecht; und als der eben eines jars alt was, gnaß Concordia auch eines jungen sons.

Was aber für freüden und kostlicheit bey diser kindertauff und dem geburtstag fürgangen, ist nit von nöten zů melden, dieweil bey unseren zeiten von schlechten und gemeynen burgeren vil gepreng und kostlicheit fürgeht; dann die tauffdecken und andere kleidung sampt den kintsbettstatten auff das köstlichest müssen zůgericht sein. Das laß ich einen jeden selb ermessen. Wie auch die kinder in iren kintlichen jaren aufferzogen worden seind, wil ich von kurtze wegen underlassen und anheben zů beschriben von dem an, da der ein knab sechs, der ander siben jar alt worden ist, wie und in was tugenden, künsten und anderen mannlichen thaten der ein [9] durch gůte geflißne lernung und underwisung zůgenummen, und der ander aber von wegen zertlicher, weicher und unstraffbarer ufferziehung, dergleich von halstarriger böser geselschafft underweisen, gar eines unkündigen, groben und unartigen verstands worden, so das menicklich den edlen für einen bawren und des bawren son für edel schatzten.

3. Wie die beiden jüngeling zu schulen gethon wurden

3.
Wie die beiden jüngeling zů schůlen gethon wurden, und wie Fridbert, des bawren son, den Wilbaldum weit an der lernung übertreffen ward.

Als nun die kinder in groß lieb von dem ritter und seinem gemahel aufferzogen wurden, gantz suber und zertlich mit gleicher kleidung und anderem versehen, Fridbert der jüngling was jetzund siben jar alt und Wilbald, des ritters son, sechsjärig, also das Gottfriden dem ritter gefallen thet, die kinder zů der schůlen und andren freyen künsten zů ziehen. Des er dann fründtlich mit seinem weib sich underredt, wurden also glych mit einander beschliessen, im also nachzůkommen. Der ritter sach ihm umb einen frummen züchtigen knaben, welcher sie zů schůlen fürte und fleißige sorg und achtung auff die beiden jungen hett. Denselbigen iren pedagogen versolt der ritter erlichen und wol; mit kleidung, büchern und allem dem, so im von nöten was, ward er auff das rüchlichst versehen.

Der gůt jung underzog sich der kinder mit ganzem fleiß, damit die kinder früntlich und nit mit bolderischer weiß zů der lernung gezogen wurden. Diß verfieng auch an den beiden kinden seer wol. Dann sie in kurzer zeit dohin gericht wurden, so, was in fürkam, sie lesen und schriben konden, und insonders Fridbert, welcher sich dermassen mit so gar grossem fleiß auff die lernung begab, das sich sein schůl- und zuchtmeister des nit genůg verwunderen mochten. Darumb sich dann sein zuchtmeister anam, in etwas darvon abzůziehen, damit [10] der jung nit blöd wird. Beyweilen so fůrt er die beiden jungen in die lustigen grůnen wisen, ein andre zeit in die schönen gepfiantzten gärten, etwann in die grünen wäld, domit sie ir gemüt durch der vogel singen erlustigten. Dann ihm was unverborgen, das zů vil emsiges anhalten zů der lernung nicht anders geburt dann melancolia und andere schwere zůfell, sonderlich bey den subtilen ingenia.

Wann sichs dann begab, das Wilbaldus und Fridbert sampt irem zuchtmeister spatziereten und mit inen andre junge knaben ires alters, so was alweg Fridbert der freüntlichest, züchtigest und ernsthafftigest. Er underzog sich nit vil kindischer sachen, als mit den kloß, klucker oder anderen zů spylen, sonder sůcht er seinen lust in den schönen naturlichen gewechsen als blůmen und anderen zierlichen kreüteren; deren gestalt und schonheit er alweg mit gantzem fleiß beschawen und betrachten thet, seinen zuchtmeister, so weit sein kindischer verstand grieffen mocht, von disen und anderen naturlichen dingen fraget, auch ein jedes mit seinem eygen nammen nach latinischer sprach begert zů erlernen, mit rechtem nammen zů nennen. Sobald im dann sollichs von seinem meyster gesagt, bald was er gerüst mit einer schreibtaffel, verzeychnet ein jedes ganz fleissig uff.

Wilbaldus aber, sein vermeinter brůder, treib gleich das widerspyl, sůchet sein geselschafft; die mit im unzüchtiglichen hin und har umbschwirmeten, jetzund schlagen, dann rauffen, und nam sich auch der lernung gar wenig und ye lenger ye minder an. Darvon ward sein zuchtmeyster unmůtig, straffet in zů zeiten mit freüntlichen worten, also sprechend: ›Mein allerliebster Wilbald, wie magstu deinem brůder so gantz ungelich läben, und sichst doch, wie loblich im anstat, das er sich nach seiner jugent so zierlich und weißlich haltet. Ach, ergetz dich mit im und mit dem, darin er freüd und kurtzweil sůchet, und folg nit also den groben unadelichen jungen, die sich keiner tugent, sonder aller unzucht befleissen! Du sichst, von inen das alter verlachet und verspot wirt; all zucht, forcht und scham ist bey denen in keinem wert gehalten. Nun schaw, mein Wilibald, diser, wiewol er von geblüt dir gar nit verwant, sonder von deinem vatter und můter an eines kindes [11] statt angenummen und dir gleich wirt aufferzogen, er tritt in die adelichen füßstapffen, glich wer er von adelichen elteren geboren. Er geselt sich zů denjenen, bei welchen er mag kunst und wyßheit erfaren, und nicht zů dem unverstendig pöfel, wie du gewont bist. Was meynest du doch, wo dein herr vatter und dein fraw můter die sach recht erwegen und bedencken, was ihn semlichs für ein krütz an irem hertzen bring, das du als ir warhafftiger unnd naturlicher son, von gůtem adel geboren, mit disem deinem angenummenen brůder in gleichem flyß aufferzogen wirst und aber die zucht und straff so wenig an dir weder an im verfallen will! Dann er dir in allen dingen weit und starck fürzüht, an vernunfft nimpt er zů, so befleißt er sich aller tugend, kunst und lernung, er ist forchtsam, gehorsamm und doch frölich. Dem wöllest du auch nachfolgen und andre deine geselschafft vermeiden, wellichen dann dise ding gantz widerwertig seind.‹

Dise und deren glichen wort wurden offtmals mit dem jungen Wilbaldo geredt; es verfieng aber gar wenig an im, und ließ im solche warnung und leer alweg zů einem oren hinein, zů dem anderen wider heraußgon; wie dann zů unser zeiten die zartgezognen sünlein noch gewonet seind. So im dann sein zuchtmeister zů hart in den schilt wolt reden, bald lieff er zů seiner můter, klaget ir sein kummernis. Die kam dann bald zů dem zuchtmeister Felice (dann also hieß er mit namen), bat in, das er der blödigkeit des knabens verschonet; er wer doch noch gar kindisch, darzů hett man in nit darumb zů schůlen geschickt, das er solt doctor werden, allein darumb, das er im lust, freüd und kurtzweil mit anderen jungen seinesgelichen haben möcht; ihm were auch als einem einigen son nit von nöten vil zů erkunden und zů erfaren; dann er hett wol in seines vatters hauß zů bleiben und ser grosses gůts warten; darumb solt er in in seinem fürnemen onbetrübt lassen hinfaren.

Der gůt Felix ließ die sach also hingon, wolt nit vil mehr darzů reden, gleichwie noch geschicht in unseren schůlen. So etwann vatter und můter einem schůlmeister ein kind bevelhen und der schůlmeyster wendet sein möglichen fleiß an, das kind ist můtwillig ongezogen, fleißt sich aller bůberey und můtwillens;[12] so dann meynt der gůt mann das kind zů straffen, streichs etwan ein wenig mit růten, sobald lauffts hin, sagt das vatter und můter. Die kummen dann mit grossem grimm und zorn zů dem schůlmeister, verweyssen im schandtlich, sprechen, er hab ihn ihr kind gegeißlet wie die juden unseren herren, nemmend beyweilen die kinder wider auß der schůl, sagen, sie können ire kinder noch wol selbst straffen. Domit so goht dann das schiff an; dann unser son hat jetz- und schon den halsstarck. Stat nit lang, er gibt wenig und alsbald gar nichs umb vatter und můter, und das soll auch also sein. Wolan des genůg! Ich kum wider an die matery.

4. Wie Wilbaldus sich an ein verruchten jungen hencket

4.
Wie Wilbaldus sich an ein verrůchten jungen hencket, welcher in gentzlich gegen seinem gesellen Fridbert in feintschafft beweget.

Den halstarck, so Wilbaldo von seiner můter gegeben, hat er bald zů hertzen gefasset, seines zucht- unnd schůlmeisters straff und warnung wenig mer zů hertzen gefasset, also mit anderen üppigen knaben als mer geselschafft gehabt, davon dann sein gesell in grossen unmüt gefallen und die böß geselschafft understanden von im abzůlernen, insunders einem jungen, genant Lotarius, eines metzgers son; dann derselbig mer dann andre in aller boßheit geübt und erfaren was. So dann Fridbert sehen müßt, das sein brůder oder gesell mit disern ungezognen vogel gemeynsam hatte, so schwand im sein hertz in seinem leib vor grossem unmůt. Nun was Lottar ein freidiger und freveler junger, friß sich aller gůten stück, als; mit liegen, triegen, schlecken und stelen; und was er dann also überkommen möcht, was an der stet verspylet.

Eines tags begab sichs, das Fridbert seinen gesellen, der dann jetzund auff die zehen jar alters auff im hatt, bey im, dem Lottario, in einer tabern fand schlecken und spylen. Fridbert, [13] ein jungling oder knab von eylff jaren fast klůger und vernunfftiger sinn, fieng an den Lottarium zů straffen und sagt: ›Lotari, deinen namen thůst du gantz wol beweren; dann du mir mein liebsten brůder und gesellen auch understost zů deinem lotterwerck zů ziehen. Wann hat dein verwegen- und schalckeit dolest ein end? Wilt du nit gůt thůn, ach, so laß mir doch mein lieben brůder onverwent und onverfüret! Wo du aber je dich deiner boßheit nit massen wilt, so sag ich dir, das ich diß und alles meinem herr vatter und meiner frauw můter anzeigen will. Sodann wirst du deinen lon von ihn empfahen.‹

Lottarius, ein verwenter freveler junger, etwas stercker und krefftiger an glideren dann Fridbert, stund trotzlich gegen im auff und sagt: ›Ey du verwenter bawrenson, dessen vatter jederman wol erkennet, wie gern woltest du dich eines ritters son vergleichen, und der du umb gottes willen von herren Gottlieben auffgenummen bist, woltest dich jetzund seinen son nennen und schreiben lassen! Gang hinauß auff den meyerhoff zů deinem vatter! Den wurst du finden mit einem mistkropffen oder mit einer hewgabell; das seind seine ritterliche wafen, mit und in denen er sich zů aller zeit befleißt seiner ritterschafft, würt auch kein anderer adel von im gerümet; und stunde dir auch vil baß an, wann du dich nach deinem vatter artettest, dann das du also eines ritters son wilt genant sein. Ich sage dir auch, wo du mich mer mit sollichen trotzlichen worten wirst anfaren, wie du mir dann jetz gethon hast, dir sol nichts gůts von mir widerfaren. Demnach wiß dich zů halten!‹

Fridbert, der gůt jungeling, mit grossem kummer umbgeben ward, als er vernam, das ihm seines vatters schlecht herkummen von dem frevelen Lottario also schmechlich auffgerupffet ward, und er sich aber seines vatters nie hat verlougnet, fieng an mit zeherenden augen und demůtiger stimm zů reden: ›Ach mein lieber Lottary, meiner armůt hab ich mich nie beschambt, mich auch zů keiner zeit lassen edel schelten. Darumb ich aber meinen lieben herren einen vatter und mein liebe frawen eine můter genant, hab ich auß keiner verachtnüß meiner elteren gethon, hab auch kein hoffart darin [14] gebrauchet, wie mir dann söllichs von dir zůgemessen wirt. Gott wöll mir aber die genad geben, das ich umb alle die der gůthat vergelten müg, so mir widerfert, und sonderlich umb meinen lieben herren und fraw, die mich so schon und so lieblich erzogen hand. Aber du und alle die, so mir unverdient diß zůmessen, als wann ich mich eines andren herkummens rümet, dann wie ich von meniglichen geacht und auch wissentlich und worhafftig gehalten wird, werden sehen und erfaren in kurtzer zeit, das ir mir dis mit unrecht zůmessen.‹

Mit semlichen worten gieng Fridbert gar betrübt von dannen, gedacht im mancherley, weß er sich in solcher sachen halten wolt. Zůlest nam er im gentzlich für, seinen herren und frawen umb ein früntliches urlob anzůsprechen und witer an anderen orten sein heyl sůchen. Doch so fragt er zůforderist seinen zuchtmeister, wes er im darin zů rhaten, demselbigen wolt er auff das baldist nachkummen.

Als nun Fridbert von seinem gesellen und Lotario gegangen was, fieng der verrůcht und sehalckhafft jung Lothar mit Wilbaldo, des ritters son, an zů reden und sagt: ›Mein edler Wilbalde, was gibst du mir zů verehrung, das ich deinen widerwertigen angenummen brůder also mit meinen dapfferen worten und zornigen geberden von uns gejagt unnd vertriben hab? Fürwar du solt meinen worten gelauben: wirst du dich einmal disen bawrenson under sein joch bringen lassen, du kumst sein in ewigkeit nit mehr ab. Dir ist es nit loblich; dann du noch in zwey oder dryen jaren ein schöner junger manbarer edelmann erscheinen wirst, auff welichen menigklich ein auffsehens haben wirt, magst auch deines adels und geburt halben noch dahin kummen, an welche ort diser bawrenson nit dörfft gedencken. Deren ding du ungezweifelt gůt wissen treist. Darzů so sichstu, das dein herr vatter und dein fraw můter einen kleinen gefallen an dem haben, das dein zůchtmeister dir so hart ist, wie ich selb von dir verstanden. Dir mag an gůt, reichtum und ehren nit zerrinnen. Hab nur ein gůten můt! Ich will mich alzeit bey dir lassen finden; der dir leydes thůt, můß mich zůvor beleydigen. So mir dann beyd zů manbaren jaren kummen, wil ich dein diener sein, und was du mich heisest, gebütest, ermanest, soll zůstund von mir [15] erstattet werden. Dann in dein dienstbarkeit hab ich mich schon jetz ergeben. Gebeüt, heiß mich gleich jetz, was du von mir haben wirb! Du solt meine willige dienst erfaren. Ich beger mich dir nit gleich zů schetzen als einen brůder, wie dann diser baurenson understaht, sunder wil dir sein als ein gekauffter knecht. Das vertrauwen solt du zů mir haben jetz unnd zů allen zeiten‹.

Mit disen worten endet der schalck seine red. Der torecht jung edelmann verstund die sach nit, das ihm die zů solchem grossen nachteil reychen würd. Das zůsagen aber und versprechen des Lottars gefiel im auß der massen wol; dann er meinet sich schon ein juncker sein, wie dann gewonlich alle jungen geneigt seind, wo sie etwas gůts und rychtumb hinder in wissen. Darumb so fieng er an von disem tag sich fast wider Fridberten zů setzen, und wolte im gar nicht gefallen, was er anfing. Des im dann Fridbertus nit wenig unmůt und bekümerniß nam, also das er nit mehr frölich gesehen ward.

Des nam sein zuchtmeister, welcher dann ir beider zuchtmeister was, gantz fleisig war, stalt Fridberten darumb zů red; der im dann all ding zu wissen thet, was sich zwischen ihm und seinem lieben gesellen verlauffen hett. Felix der zuchtmeister sagt zů ihm: ›Mein lieber Fridberte, nicht laß dich semlichen unverstand deines gesellens krencken, laß dir auch die boßbeit Lottary nit angelegen sein! Dann ich hab mich vor lang beflissen deinen gesellen auff gůte und rechte ban zů bringen. Die liebe aber, so sein můter zů im treit, hat semliches fürkummen. Dann als ich in auff ein zeit freüntlich und ganz tugentlichen straffet, hat er das zůstund seiner frauw můter angezeigt; sie als ein liebe můter iren zart erzogenen son liebhabend, nit hat gestatten wöllen, im etwas unwürses zůzůreden und mich auch mit freüntlichen worten darfür gebetten, im semlichs zů erlassen. Also hab ich ihr gefolget und mich in solchem fal gemasset, ihn mit worten oder wereken zů straffen. Das magstu auch thůn, mein lieber Fridbert. Gedenck, was dir nutz sey, und hang nit böser geselschafft nach, biß in deiner lernung geflissen! So magstu noch zů hohem stand kummen onangsehen deiner nidrigen geburt.‹

[16] Auff sölliche wort antwort Fridbert: ›Wolan, muß ich dann meinen lieben gesellen also durch böse geselschaft sehen undergon, so můß mich immer reüwen, das ich an seines vatters tisch erzogen worden bin, und nit wie andere geschwistert in meines vatters armen heüßlein mein jungen tag herbracht hab. So wißt ich doch nit von sollicher kostlichkeit, sonder meynet, ich müßt also arm sein und bliben. Aber eh dann ich will mein liebsten gesellen in semlichem verderben sehen, eh will ich von meinem liebsten herren und frawen hinwegziehen, do man mich nit mehr erfaren soll.‹

Also mit weynenden augen endet er sein red. Mit lachendem mund Felix der zůchtmeister anfieng zů reden und sagt: ›Mein frummer Fridberte, nit nim die sach so schwerlich zů hertzen! Setz dir nit für, darumb dein vatter, můter, herren und frawen zů verlassen; gedenck und betracht mehr, wie du in deinem gůten anfang, so du hast, fürfaren mögest! Du hast zimlich und wol studiert, so du im anderst obligst. Darumb wöllest noch ein jar oder zwey gedult haben. Wo ich dann in läben bin, wil ich mit dir ziehen, war dein herz lustet. Wend die sach auch mit solcher bescheydenheit angreiffen, das wir freündtlich von unserem herren wöllend abscheiden. Sollichs mir und dir zů mererem lob reychen würt, dann wo du so heimlich on allen abscheid und urlob hinwegzuhest. So magstu auch an frembden orten mehr von unserem herren dann von dir selb gefurdert werden. So weiß ich auch, das er nimmermehr hand von dir wirt abziehen, wo du im anderst volgen wirst. Jedoch beflyß dich nichs desto weniger alle zeit noch bey inen zů sein, domit sie dannocht etlicher schalckeit sich maßgen! Wo anderst ein kleines fincklein der erbarkeit bey Wilbaldo glůnset, wirt es durch fleißige hůt etwann wider zů einem gůten feürlein mügen auffgon. Sodann er auch sehen unnd spüren wirt, das Lottarius mit so manigfeltigen lastern umbgeben und behangt ist, wirt im veilicht sein boßheit zůletst mißfallen und sich wider in zucht und scham begeben; so würt dann gewiß der scham nachfolgen ein ehrlich gemüt. Darumb, mein Fridberdt, vertrag die sachen noch ein zeitlang mit gedult! Wer weyßt, zeit wird rosen bringen. Frew dich aber zům allermeisten, das dir [17] gar kein schuld an disem üblen zůgemessen werden mag, es gerhat gleich wie das wöll.‹ Mit disen worten endet er sein red.

Fridbert nam urlob von seinem zuchtmeister, gieng mit bekummerten hertzen in einen lustgarten, den unfal seines brůders mit schmertzen bedencken. Solang es jetzund umb den nachtimbis ward, kam er nach seiner gewonheit, bereit die tisch und wartet also seines amptes mit gantzem fleiß und ernst. Als aber sein herr und frauw kamen das nachtmal zů volbringen, haben sie beidsamen nach irem son Wilbaldo geforschet; der aber nit vorhanden gewesen. Fridbert mit einem schweren seüftzen antwortet, er hette ihn bey Lotthario und seiner geselschafft verlassen; dann er in nit vermögt hett von in zů bringen. Deren wort ihm der ritter nit groß gefallen nam.

5. Wie Gottlieb ernstlich den Fridberten nach seinem son fragen thet

5.
Wie Gottlieb ernstlich den Fridberten nach seinem son fragen thet und inen seinem zuchtmeister von neüwem befalh.

Gottlieb der ritter, nachdem und er vernam, das sein son sich einer anderen gesellschafft underziehen thet, ward er von hertzen seer bekümmert, fragt weiter und sagt: ›Fridbert, mein lieber son, wie das mein son Wilbald sich ander gesellschaff underzücht und dich verlasset? Die sach můß nit recht zůgon. Habt ir euch mitnander gezancket? Das solt du mir sagen.‹ – ›Ach nein, lieber herr,‹ sagt Fridbert, ›dann das er sich zů einem bösen jungen gesellet, welcher gar schnöder stück pfleget, so einem frummen knaben nit gezimmen.‹

›Wer ist derselbig?‹ sagt der ritter. Antwurt Fridbert: ›Er ist eines metzgers son und heißt mit namen Lottarius. Sein, gröste tuget ist anders nichts, dann liegen, schlecken und stelen, die knaben von den tilgenden zů den lastern zů bringen. Den hab ich heüt mit worten gestrafft, er solle mir meinen lieben [18] brůder unverfürt lassen und seine bůbenstuck sunder inen vollbringen. Darauff hat er mich so gröblich außgangen, mir mein vatter unnd můter irer armůt halben fürgeworffen, mit treuworten dermassen angefaren, das ich ihm als dem sterckisten hab müssen platz geben.‹

Spricht der ritter: ›Was sagt mein son Wilbald darzů?‹ – ›Grar nichts,‹ sagt Fridbert, ›dann das er mit lachendem angesicht umbwandt, ein lange gerten in seiner rechten haltend, mit welcher sie der zeit haller und pfennig auß einem runden krütz oder ring schussen. Sie gebrauchen sich auch beyweilen der wirffel und karten; dann diser Lottar nimmer auff der gassen funden wirt, er hat zům wenigsten karten oder würffel im bůsam.‹

Von solichen worten ward Gottlieb nit ein wenig bekummert, fieng also gantz mit zorniger stimm an zů Felixen, welcher beider jungen zuchtmeister was, zů reden, sagt also: ›Felix, mein vertrauwen und hertz ist anders zů dir gestanden; het wol vermeynt, du hettest mir meinen son in grösser unnd sörglicher achtung gehabt, domit er nit mit sollicher bösen jugent in kuntschafft kummen wer. Einem pedagogen gebürt fleisiger auffsehens auff seine discipel zů haben. Dem allen aber sey jetz wie im wölle, so gebeüt ich dir, so lieb dir mein früntschafft sey, wöllest mit allem fleyß und ernst auffmerckung haben, meinen son wider in die forcht ziehen und kein růt an im sparen, damit er von solcher üppigen und bösen gsellschafft abstand, wider in sein erste zucht und scham trette. Dann wo er in der bösen würtzlen erwachset, ist ein sorg, man inocht in nit mehr darvon abziehen mögen. Derhalben thů als ein getreüwer zucht- und lermeister! Deiner růten nit milt sein solt und die nach aller noturfft gebrauchen.‹

Als Felix von seinem herren den zorn vernemen ward, sagt er: ›Allerliebster und getreuwer herr, mein fleyß, müh und arbeit hab ich alle meine tag an euweren son nit gespart, wie dann sein anfang wol erzeigt hatt. Darumb bitt ich, mir anders nicht vertreüwen wöllend.‹

Dieweil sie also mitnander sprachen, kumpt Wilbaldus mit schnauffenden atum gelauffen unzüchtiger geberden, mit ungewäschen henden zů dem tisch ylende, gleichwie ein unvernunfftiges [19] thier zů den oß lauffet. Der gůt Felix in züchtiglich darumb straffet, des im Wilbaldus einen bösen und schalckhaften blick geben thet. Der vatter semlicher seines sons geberden, wol wargenummen bat, darvon ihm das hertz im leib heimlich weinet; mit einem schweren seüfftzen gen himmel sehend und mit schmertz gedencken thet: ›O du mein himmlischer vatter, wie seind doch deine gaben so wunderbarlich under die menschen außgeteylt! Denn diser mein son mir des ein war exempel ist. Ich wolt in gern auff kunst und tugend aufferziehen lassen, auch all mein fleiß daran wenden, damit er mir an adelichem gmüt ein nachvolger were. O lieber gott, so nimpt er im anders für; das macht sein üppig und böß gsellschafft, die ihn dann zů sollcher büberey abrichtet. Dargegen aber ist mein ander son, welchen ich an kintsstatt von meinem meyer [überkommen hab], eines andren gemüts. Wiewol von armen groben leüten erboren, er aber befleißt sich aller kunst unnd tugendt; er ist forchtsam, warhafft, still und gehorsam seinem schůlmeister und pedagogen. Wie soll ich ihm aber thůn, dieweil ich sich, das kein zucht noch straff an meinem son verfahen thůt?‹

Als nun Gottlieb lang also gesessen ungeredt in himmel sehend, dem auch zům teil seine augen mit wasser beschwert, sein weib des vor andren am tisch mit erst warnam, anhůb gar früntlich mit ihm zů reden: ›Mein liebster herr und gemahel, was beschwert dir dein gemüt, das du nit essen noch frölich sein wilt? Sag mir dein anligen; ich wil dich, so mir anderßt möglich, mit hertzlichem trost ergetzen.‹

Gotlieb sein liebe haußfraw mit einem schweren süftzen ansach, seine hend zůsamen schlahend, unnd mit bekummerten hertzen zů ir sagt: ›O Concordia, mein liebe gemahel, mein beschwernüß, so mich so hart bekummert, ist nit klein, dieweyl [ich] all mein hoffnung auff disen unsern son gesetzt, aber sehen můß, das er so gantz übel gerhaten will, sich böser loser bůben und gesellen underzucht, von welchen er nichs gůtz sehen oder lernen mag. Aber all unzucht und můtwillen in im würzlet, das zů sorgen ist, er werd nimmer davon ablassen. Das ist mein groß beschwerniß, so ich an meinem [20] hertzen tragen thůn, würt mir auch die gröst fürdernüß zů meinem grab sein.‹

Concordia die fraw freüntlicher wort anfieng zů reden: ›Lieber herr und gemahel, nit lond euch die torheit und kindischen geberd unsers sons so größlich bekummern! Habt ir doch offt selb gesagt, witz kumme nicht vor jaren! Lond sein jugent ein wenig baß verwüten! Ich getreüw im, er werd unser beider geschlecht ersetzen, so ihm anders gott sein läben laßt. Juget laßt sich nit verbergen, ja auch in kein sack verknüpffen. Darumb, allerliebster herr, sollend ir solchen kummer von hertzen schlagen.‹

Gottlieb antwůrt: ›Liebe Concordia, du sichst aber, das er von tag zů tag unzüchtiger, unforchtsamer wirt. Semlichs ist ein bösy zůversicht, das besserung an im zů warten sey. Dann erstlich, als er zů schůlen gangen, hat er sich, sovil seiner jugent gebürt, in allen tugenden beflissen, biß er sich von Fridberten, seinem mitgesellen, gewendet und ander bösen gesellschafft sich underzogen. Fridbert aber in seinem fürnemen teglich befleisset, je lenger je geschickter zů werden. Solichs, meynt ich, solt unser son auch thůn.‹

Als nun vatter und můter also mitnander redten, stund Wilbald, hort iren worten zů gleich wie ein gans der predig, gedacht in im selb: ›Wer der imbis volnbracht, ich wolt mich wider zů meinem Lottario fügen; der gibt mir mehr freüd dann euwer tant.‹ Gottlieb in gegenwertigkeit seines sons befalh dem pedagogen Felixen, das er mit fleiß witer auffsehens haben solt, seinen son in der růten halten und von solcher bösen und unzuchtigen geselschafft abziehen, im aber ander erbar knaben erwölen; die möcht er dann wol mit im zů hauß bringen, frölich und gůter ding mit denselben sein, in die gärten und grünen feld unnd wald spatzieren.

Dis geschach; es weret aber nit lang; dann Wilibaldus sein alte geselschafft wider sůchen gieng, wie volgen würt.

6. Wie Wilibaldus ein kleine zeit in seines zuchtmeisters straff

6.
Wie Wilibaldus ein kleine zeit in seines zuchtmeisters [21] straff verharret, sonder ihn, als er von ihm gestrafft, mit eim messer durch einen schenckel stach.

Wilbald, als er die wort von seinem vatter vernummen, ist er ein klein wenig erschrocken und heimlich mit ihm selbs zů redt gangen und gesagt: ›Wilbald, wie schmackt dir die kost? Du můst die nuß krachen und des heuws essen, sing gelich sauwr oder süß. Hey, was werden aber meine gůten gesellen darzů sagen, wann ich mich iren so gantz und gar entziehen soll? Nun wolan, ich můß raht haben mit meinem Lottario, sobald ich ymmer heimlich mag zů ihm kummen unnd solchs mein pedagog nit erfaren kan; dann sunst wirt mein gar übel gewartet. Zůfordrist aber will ich mich zůr můter heimlich fügen, mich mit weinen und klagen gegen ir erzeigen und ir mein zwangsal klagen, das man mich so gar in ein bockshorn understand zů treiben, wil mich auch darbey annemen hinwegzůlauffen. Was gilt es, sye würt mit Felixen, meinem pedagogen, verschaffen, das der sachen gůter raht geschehen wirt und ich meine gůten gesellen nit also an kopff schlagen darff.‹

Als Wilbald solche wort mit im selb geredt, ist er zů seiner můter gangen, welche er gar einig in einem stüblein sitzen fand, hat aber gar nichts mit ir geredt, sonder gantz feischlich, angefangen zů weinen. Die můter von ires sons klag nit kleinen unmůt empfangen hat, mit linder und senffter stimm zů ihm gesprochen: ›Mein son, was ist diß für ein neuws an dir? Was kummert dich? Bist du kranck, mein son? Zeyg mirs bei zeiten an, damit ich raht darzů finden mög und dir deiner kranckeit zů hülff kummen!‹

Wilbaldus anfieng: ›O můter‹, sagt er, ›mir armen knaben! Soll ich, der vom edlen stammen und einem ritter geboren bin, also von einem schlechten studenten geplagt und gemeistert sein? Das thůt mir so weh, das ich sorg, mein hertz werd mir darvon zerspalten. Ja, eh dann ich mich also in ein bockshorn zwingen lassen, will ich eh meines vatters huld und gnad verlieren und hinweglauffen, einem bauren die [22] roß treiben oder der schwein hüten. Was darff mich mein vatter also zů der schul zů zwingen, dieweil ich kein doctor noch pfaff beger zů werden! Wann mich dann mein vatter zů einem ritter machen will, darff ich keines schůlers, mich der ritterschafft zů underwysen. Dann ich bey meines geleichen unverzagten knaben mehr mannlich dann in der schůlen werden mag. Dieselben sich keines dings schammen, sich vor niemant entsetzen, und ob er gleich älter ist dann sie, wissend sie einem yeden ein spetzlein anzůkleben. Was kan aber mein gsell Fridbert anders, dann, so man ihn straffet unnd nit gleich thůt, was er wil, spricht er: Wolan, ich wils gott befelen! facht zů zeiten an zů weinen, wie an der kintbetten. Was soll ich dann von im mannlichs leren? Darumb bitt ich dich, liebe můter, wöllest mit meinem vatter verschaffen, das er mir semlich band ufflöß. Sunst will ich und weyß auch nit zů bleiben, darnach weyß er sich zů richten.‹

Die můter, als der weiber gewonheit ist, iren son mit ruck anfůr, sagt aber mit sanfften worten zů im: ›Mein lieber son, du můst dannocht deinen vatter vor augen haben. Bedenck doch, wie lieb er dich hat! Dann all sein sinn und gedancken stat nach dir; das drit wort, so er redt, ist von dir, seinem son. Soltest ihm dann nit volgen, du müstest gott schwerlich antwurt darumb geben. Derhalb, mein lieber son, nimm dir nit ein semliche böse meynung für und bis getröst! Ich will mit deinem zuchtmeister wol verschaffen, das er dich nit so gantz hart halten soll; ich kan ihn mit schencken unnd gaaben wol dahin bringen, das er dir gantz lind und milt sein soll.‹

Wilbaldus von den worten seiner můter nit wenig halßstarck empfahen thet, fieng sein altes wesen wider an mit seinem gesellen Lottario; sie vertreiben ir zeit mit spylen, schlecken, liegen und allem můtwillen. Wann dann Felix, sein zuchtmeister, von ungeschicht darzů kam, seinen jungen Wilbaldum straffet, bald lieff er zů seiner můter, beklagt sich des. Bald lieff sie zů Felixen und fůr in schnartz an, er solte ires lieben sons und seiner jugent verschonen; dann witz kem nit vor jaren. Wann dann Felix anzeyget den befelch seines herren, sagt, die fraw: ›Hey, es můß mein herr [23] und gemahel nit gleich alle ding so gar eigentlich wissen. Mein Felix, du můst zů zeiten ein aug zůthůn; und wann du weyst mein son bey seiner gselschafft kurtzweil treiben, so gang du einen andren weg und thů gleich, als wann dir nichts darvon zů wissen wer! Daran thůst du mir ein sunder gross gefallen. Ich will dir auch, so mein herr schon semlichs erfaren würt, wol überhelffen; darbey solt du auch gůter schencken von mir warten sein.‹

Felix, welchen zům teil der frauwen wort nit gefielen, noch gedocht er: ›Wolan, der son ist dein. Gerat er wol, so mag mirs nit sundren nutz schaffen; würt er dann zů eim unützen lotter, hey so můst du in behalten und die schad mit im dulden.‹ Darzů bewegt in auch die verheisung und schenckung, so im die fraw angebotten hat, ließ also allen fleiss gegen seinem discipel fallen und wendet den auff Fridberten. So dann schon der ritter die ding beredt, kond im sein weib allwegen einen affen machen, wie dann solche müterlein gewollt sind. Sodann sieht man auch wol, wie beiwylen ire sönlein gerhaten, die beiweilen irer meister straff und zucht verachten, biß sie zůletz den hencker zů einem schůlmeister müssen annemen; das dann iren eiteren offt zů grossem übelem jamer und klag erwachssen thůt.

Das bleib also. Wilbaldus, welcher bald an seinem zuchtmeister verstanden hat, das sein můter mit im geredt hat, ist er erst in grossem můtwillen ersoffen, hat bald seinen Lottarium seiner freyheit bericht. Des sich dann Lottarius mit im größlich erfreut, hat im von neüwem undericht geben, wes er sich mit und gegen der můter halten soll, sagt also: ›Mein Wilbalde, yetz magstu wol frölich unnd wol zů můt sein. Dann gewiß wirt dein fraw můter des schnöden bauren son nit mehr gestatten, also gegen dir zů halstarren. Du můst dich aber auch mit gantzem ernst wider des bawren son streüssen; wann er dich dann understat zů überrafflen, will ich im warlich sein balg dermaß einmal erzausen, er soll sein tag an mich gedencken. Weiter můstu, mein Wilbaldß, auch anfahen die můter timb gelt anzůsprechen; das will ich gegen meinem vatter auch thůn. So mir aber das nit gelingen will, weyß ich ein andren rhat. Dami ich hab mit fleyß wargenummen, [24] wann mein vatter von der fleischbanck heimkumpt, setzet er zů allem mal sein losung in einer schissel in seiner schlaffkammer auff den schafft; do mag ich allweg mein teil von nemen, damit ich mit dir und andren unsern gesellen frölich sein mag. Also solt du auch gedencken zů thůn. Du sichst, mir fahend an albeid auffwachsen. Wo mir uns nit zů zeiten in den weinheusern und bierheusern finden lon, müssen wir von andren jungen gesellen und knaben unsers gleichen verachtet sein, wie du dann selb sehen und speuren magst. So dann mir zů mannlichen alter kummen, hand mir weder wein noch bier in gewonheit zů trincken, und sobald einer in ein glas oder krausen gutzet, ist ihm schon der dürmel im kopff. Darumb gebürt uns, so wir anderst der jetzigen welt nachvolgen wöllen, müssend wir uns auch nach deren richten.‹

Wilbaldus mit gantzem ernst der gůten und getreüwen leer Lottari zůhorchet, welch im auch zůlest grossen nütz bracht; ja hindersich, wie ir dann noch wol vernemen werdt. Also fiengen sich gemelte zwen jungen in liegen, triegen, schlecken und stelen zů üben, treiben das auch gar lang mit sampt andren verweilten jungen irs gleichen mit wirffel unnd karten, lereten sie auch dapffer rauschen und tauschen; in summa aller gůten stücklein übten sie sich, die dann all zům galgen fürderen. Also gadt es noch zů, wann wir nit mügen leiden, das unser lieber son von seinem preceptor gestrafft würt.

7. Wie Wilbaldus von seinem vatter in einer tafern funden ward

7.
Wie Wilbaldus von seinem vatter in einer tafern funden ward, seinen knecht nach im schicket, aber gar ungehorsam von seines vatters knecht funden ward.

Ir habend genůgsam verstanden, mit was gůter underwisung der schandlich Lottarius den edlen jungen Wilbaldum von jugent auff hat angefürt, welchen Wilibaldus mit [25] gar grossem fleyß nachvolget. Treiben das je so lang, biß zůlest der alt ritter Gottlieb eines tags auf die spaur kam, fand sein son und gůte gesellschafft bey einander in einer tafern, do sie im dann von einem seinem gůten fründ verkuntschafft wurden. Er ward ser von hertzen betrübt, brach im doch selb ab und schicket seinen reitknecht hinin, ließ seinem son zů hauß verkünden. Der dann nach seiner gewonheit nit gleich gehorsam was, sunder bey seiner faulen rott beharret, biß ihm wolgefallene zeit kam; dann er wol wußt, die můter das best zůr sachen reden wird, wie dann vor offt geschehen war.

Als nun der gůt alt ritter zů hauß kam, was er unmütig, seines sons mit verlangen wartet. Als er aber nit kummen wolt, schickt er nach Felixen, sines sons zuchtmeister; dann er argwonet in auch bey solcher rott zů sein und seinem son durch die finger sehen. Sobald nun Felix für den ritter kam sampt Fridberten, seinem andren jungen, fieng Gottlieb, der alt ritter, auß grossem zorn an zů reden und sagt: ›Ich hab dir, Felix, zů vil malen deinen unfleyß gegen meinem son fürtragen; was aber semlichs an dir verfangen, můß ich jetz leyder von meinen gůten freunden bericht werden, welche dann warlich mehr achtung auff meinen son dann du habend, welche mich, in zů finden, für ein offen taffern gefürt hand, do ich in sampt anderen jungen bößen bůben fand in allem laster und schanden sein zeit und jugent verzeren. Daran du allein, als dem er befohlen ist, schuldig bist, des ich dir dann nie vertrawt hett, sunder verhoffet, mein son solt von dir von allem bößen gezogen sein und zu aller tugent sich gewendt haben. Das aber alles widersins gerhaten ist; gott müß deß geklagt sein, du aber von wegen deines unfleisses billich von mir als ein ungetrüwer diener solt gestrafft werden.‹

Felix von des ritters worten nit wenig schrecken empfieng. Dann wiewol des ritters weib zůgegen aber das best darzů redt, mocht sie doch dem ritter seinen zorn nit außreden, mocht auch dem gůten Felix keinen friden gegen dem ritter erwerben; so gar was er in seinem hertzen und gmüt entricht und erzürnet, hůb an zům teil sein weib zů beschuldigen, iren auch so heiß ires sons halben zůzůreden, das sie es nimmer hören mocht; wie dann die müterlichen herzen alle thůn, so man [26] iren zarten sünlein so hart zůspricht. Darumb gieng sie mit grossem seüfftzen und weinenden hertzen von dannen, den jamer sie nit mehr hören wolt.

Des im dann Felix nit kleinen trost nam, dann er sich in abwesen der můter des baß entschuldigen mocht. Anfieng mit seinem herren auff solche meynung zů reden: ›O strenger ritter, ich bitt, wöllend mich armen eüweren diener in keinem solchen argen verdacht haben. Dann ich mein hertz und gemüt in trüwe und forcht von euch nie gewendet hab, mich auch der wolfart euwers sons zů allen zeiten beflissen, das ich in in gleicher tugend und lernung hett mögen auffbawen, als ich dann mit Fridberten hie zůgegen, euwerm auß erbermbd angenummen son, gethon hab. Das alles aber umbsunst gewesen, wiewol er sich mit ersten in solchen fleiß begeben hat, das ich seinenthalben in sorgen stund, er möcht im zů vil auff sein zarte jugent laden. Derenhalben ich ihm dann vilmal lust gelassen, also das mir uns ettlicher zeit in dem feld mit beschawung der blümlein, ab dem lieblichen gesang der vögel, von den rauschenden bechlein und kalten quellen erlustierten. So wir dann wider zů hauß kamen, fügten wir uns wider zů der lernung. Das hat er ein zeit lang getriben, aber nit gleich wie Fridbertus darauff beharret, welches mir dann nit wenig kummer gebrocht hat. Weyß aber nit, was bößen geistes in zů des metzgers son, dem lichtfertigen Lottario, gefürt hat, von dem er nichts gůts, sunder aller boßheit sehen und lernen thůt; dann er in von allem gůten abgewendet hat. Fridberten aber hab ich auß seiner hand gerissen, wiewol im solcher Lottar mit seinem wasen nie hat wöllen gefallen. Darumb, strenger ritter, bitt ich, wollend mich nit so schwerlich in dem verdencken, als wann ich an dem handell schuld trüg.‹

Gottlieb, der frum alt ritter, mit bekumberten hertzen sagt also: ›Felix, du aber bist an dem allein schuldig, das du meinen son nit mit ernst under der růten und forcht gehalten hast, in von semlichen bößen bůben und loser gselschafft abzogen, das ich dann billich zů dir hab zů klagen. Ich hab zů vil malen mit dir geredt meines sons halben, das du im nit zů weich sein solt; darumb allein dein schuld daran spüren můß.‹ Felix batt weiter seinen herren, im zů vergeben, darbei anzeygend [27] das herzlich mitleiden der můter; ob er gleich wol im sein son in strenge straff hefolen het, hergegen die můter ihm durch groß flehen angehalten, irem son nit zů hart zů sein; dardurch het er sich lassen bewegen, auch der frawen zorn geförcht, das er die sach het zů zeiten lassen hingon.

Sobald der ritter semlichs hort, ward er etwas milter gegen Felice, befalh im aber, er solt sich in die tafern verfügen und in vor menigklich mit gůten růten strychen, damit er sich dest mer vor menigklichem scham. Felix was der sach zůfriden, macht im ein gůte růten, gieng in die tafern, findet seinen discipel Wilibaldum wol bezecht bey seinem hauffen sitzen, welcher seines Schulmeisters oder zuchtmeisters wenig acht nam, fůrt sampt seinem Lottario sein bracht für sich. Felix fordert Wilibaldum von dem tisch herfür. Als er sich aber spötlicher und gantz ungehorsamer geberd gegen im bewis, wolt er in mit dem har herfürziehen. Die anderen seine gesellen streüßten sich mit macht wider in. Felix ergrimpt noch mehr, (dann im lage an das schelten seins herren) dringt hinzů, erwischt Wilibaldum, buckt in über ein banck, reißt im seine hosen ab. Er aber mocht mit seiner růten nit so bald fertig sein, Wilibaldus zog heimlich ein messer auß seiner dolchenscheid und stach Felixen durch ein schenckel.

Sobald Felix des gewar worden, hat er den übelgerahtnen jungen lassen faren und mit schmertzen beladen zů dem artzet geeilet, sein wund zů verbinden. Fridbertus, welcher zůgegen was, schnell unnd bald heimlieff, seinem herren all sach zů wissen thůt. Davon er in neüwen zorn gegen seinem son und seiner geselschafft bewegt ward, laufft gantz grimm in daß hauß oder tafern, in welchem sein son saß, in selb zů straffen; der aber sampt seinen gesellen gewarnt, hinden zů einem laden in ein öde gassen hinaußfielen. Von dem tag an sahe Gottlieb sein gerahtwol nit mehr, wie ir dann hernach hören solt.

8. Wie Lottarius seinem vatter nit wenig gelt heymlich entrug

8.
Wie Lottarius seinem vatter nit wenig gelt heymlich entrůg und mit Wilibaldo auß der statt lieff, kamen gen Preßla; von dannen schicket Wilibaldus seiner [28] můter einen botten, die im ein grosse summa gelts schicket.

In grossen ängsten waren die beyden jungen Wilibaldus und Lottarius; dann sie in aller statt schon beschreyt waren, sie hatten auch der zerung nit vil, damit sie sich hetten mögen ereussern. Lottarius sagt zů seinem gesellen: ›Biß getröst, Wilbalde; ich soll uns wol umb ein zerung umbsehen. Morgen ist wochenmarckt, so blibt mein vatter den gantzen tag in den fleischbencken, dergleich mein můter. Sodann lůg ich, wo weg in das hauß zů kummen funden werd. Gerat mir das, will ich mit lerer band gewiß nit heraußkummen. So mir dann mit wenig zerung versehen seind, wend wir uns an andre ort verfügen. Hey, sollend wir dienen und also gespannen ston, will uns baß bei den frembden dann in unsers vatters hauß gebüren.‹ Mit disen und mehr andren listigen worten bracht er den armen verwenten Wilibaldum in solchen verzweifleten wohn, das er meynt, es wer alles glatt geschliffen, vergaß der kintlichen trüw gegen seinen ältern, schlůg zůruck scham und forcht und underwarff sich willig allen lastern.

Lottarius fügt sich heymlich in seines vatters hauß, do er dann nach seiner gewonheit das geld wüßt zů finden. Lottarius nam davon einen gůten theil, fügt sich wider zů seinem gesellen Wilibaldo. Also machten sie nit lange mist, zugen heimlichen auß der statt Boßna ohn alles urlob. In gar kurtzen tagen kamen sie in die Schlesi gen Preßla, da dannen schreib Wilibaldus seiner můter umb gelt, welches sie ihm ein grosse summa zůschicket. Erst fiengend sie an recht lotterbůben zů werden, treiben alles das, so dem gelt weh und dem lieb wolthet, mit spilen, fressen, sauffen tag und nacht, des sich menigklich irer jugent verwundren můßt, wie sie es doch erzühen möchten. Sie lagen bei einem wirt, welchem wol mit solchen gesten was; unnd so dann Wilbald kein gelt mer hat, saß ihr wirt auff ein klepper, ritt gen Boßna zů deß ritters weib; die macht sich jederzeit gefaßt, domit [29] sie iren lieben son in seinem bůbenleben auffbawen und erhalten mocht. Das weret so lang, das dem gůten ritter anfieng an seiner narung abgon. Dorfft aber zů seinem weib nichs sagen; dann sie ihm under augen schlůg, sie verdeth doch nummen das ir.

Diß leben trieben die zwen gůten sön auff drei jar inn der statt Preßla. Also kam Lottarius hinder des wirts tochter, versprach ir die eh und macht sie schwanger. Sobald er sie aber schwanger vermarckt, forcht er den zorn irs vatters; darzů was er nie willes gewesen, ir sein versprechen zů halten. Er macht sein ordnung mit Wilbaldo, sie wolten iren wirt gen Boßna umb gelt schicken, demnach andre land und stett auch besehen. Des ihm Wilbaldus bewilliget. Also ward dem wirt die ordnung geben, gen Boßna zů reiten. Der richt sein geschefft wol auß, kam in kurtzen tagen wider, brocht gelts ein gůten teil. Die zwen gerhatwol kauffet jeder ein schonen klepper, rechneten mit irem wirt ab, bezalten im, was sie schuldig waren, verwönten in, sie wolten nur ein zeit lang umbriten spatzieren und bald widerkummen.

Der gůt schlecht bidermann verlor seine gest nit gern; dann sie waren ihm nützer gewesen dann drei melckkhů. Noch vil mehr trauret sein tochter; dann sie sorget, ir wird es gon, wie es dann geschach. Der bůb hat sie betrogen, betrog sie noch weiters mehr. Das alles was vatter und můter verborgen, biß über lang das die gůt tochter kinds gelag. Da hůb sich erst der betteltantz; dann niemant wußt, wohin die zwen hinkummen waren. In kurtz aber starb das kindt, davon die gůt můter nit sunders leyd empfieng, dieweil sie keinen vatter niergend erfaren kondt.

9. Wie Wilbaldus und Lottarius auß dem Schlesierland geritten seind

9.
Wie Wilbaldus und Lottarius auß dem Schlesierland geritten seind, iren weg in Brabant genummen, aldo erst ir altes wesen recht angefangen haben.

Die gůten nassen kinder meineten schon, ihn möcht an [30] gelt und gůt nimmer zerrinnen; dann in das gůt müterlein ein grosse summa geschickt hat. Sie waren leichtsinnig, namen iren weg den nechsten der Laußnitz zů, kamen in ein statt, heißt Glogaw. Do bliben sie nit lang; dann das land wolt in nit gefallen; so wolt man in auch nit solch groß reverentz anthůn als zů Preßla. Darumb wolten meine juncker nit bleiben, gedachten iren weg den nechsten in Brabant gen Antorff zů nemen, do dann die rechte bader und balbierer wonen, so den teschen wol schrepffen unnd zů der ader lassen künnen, so das sich manche gar verblůt, das sie kein pfennig behalt. Das můsten sie auch erfaren.

Sie ritten den nechsten auff die Laußnitz, von dannen gen Torgaw, von dannen gen Hall in Düringen, demnach gen Northausen, von dannen über den Düringer wald ins land zů Hessen, bleiben etlich tag zů Cassell, do was der lantgraff zů Hessen mit allem seim hoffgesind. Sie aber, wiewol sie zierlich bekleidet giengen, hat man doch klein achtung auff sie; dann sie sich der hoffweiß nit wußten zů gebrauchen; machet, sie hatten sich mer auff büberey und boßheit geübet dann auff reüterspeil. Es wolt in an dem ort auch nit gefallen, namen iren weg auff Mentz zů. Da sassen sie auff den Rein, verkaufften ire pfert, schifften also mit freüden den Rein hinab bis gen Deventer. Do stunden sie von dem Rein, namen iren weg weiters über land zů roß und wagen, wie sie das haben mochten, bis sie kamen in die gewirblich statt Antorff. Do ward in bald nach noturfft gezwagen und geschoren, wie dann billich semlichen gesellen geschehen soll.

Sie fragten nach einem gůten wirt. Sie würden zů einem gewisen, der ein meister solche schaff zů scheren was. Er empfieng sie mit freüntlichen glatten worten, machet in gůt arbeit, fragt, ob sie kauffleüt oder vorn adel weren. Sie gaben sich beid für edel dar. Der mocht ihn die junckerschafft wol gunnen, dieweil in der beütel noch schwer was; bald er aber anfieng leicht zů werden, ward es ein anderß mit in. Wie dann gemeinlich in aller weit bey den wirten der brauch ist: [31] schmackend sie ein schweren seckel bey einem gast, sie gebend im sammet und damasten wort; würt aber der seckel leer, bringt man sie nit zwilchinin von in. Das bleibt also.

Die gůten junckern fiengend die sach auff gůt brabendisch an. Wo sie ein pancket hatten, můsten alzeit schöne frawen und seytenspeyl bey ihn sein. Nun hat es die gestalt umb sie: sobald sie der wirt zů gesten auffnam, gaben sie im ire bulgen mit dem gelt zů behalten; wann ihn dann gelt von nöten was, můsten sie alzeit den wirt anfordren. Der macht aber sein rechnung alzeit mit im selb, bis in daucht, des schimpffs wer gnůg; fieng er an nit mehr so reulichen aufftragen, wolt nit mehr gnad juncker sagen, wie ir dann wol werdend hören. Domit ich euch aber nit mit unnützen geschwatz bedeüb, wie und mit was üppigen läben sie ir gůt verschwendten, will ichs in kürtz erzalen.

Sie waren nit gar einen summer zů Antorff, sie hatten fürabent geleüt und můsten schon in die vesper. Das macht der gůt malmasier, lautertranck, muscateller und die gůten schleckerbißlein als phasant, rephüner, wilpret und hasen. So halffen in die schönen frawen, das sie dest eh feürabent spannen. Doch beleib ir beider gedechtniß den schalcknarren und speileüten am allermeisten in den schilten, so sie am hals trůgen, die sie ihnen dann geschenckt hatten, wie noch der brauch ist. Dann welcher ihn ein gůten spruch sagen, liedlein gigen oder pfiffen oder auff der lauten schlagen kond, der můst ir beider schilt haben. Das macht in ein zeitlang ein gůt lob, bestund aber nit lang.

Der wirt kam eines tags, als sie lang nit mit im abgerechnet hatten, sagt also: ›Lieben junckern, ich wolt, das ir einmal ein frisch register anfiengen und das alt abwüschten; dann man sagt: Gůt rechnung, gůt freünd. So můß ich auch gelt haben, wein und speiß einzůkauffen.‹ Lottarius, so alwegen am frefflichsten was, sagt: ›Wirt, meynt ir, das wir nit zů zalen haben, oder gedenckt ihr, das wir kein gelt mehr wissen, wann schon das verthon ist, so gond hin, bringt euwer register und unser bulgen! Wir wend euch abzalen und ein wirt sůchen, so uns mer dann ir vertreüwen würt.‹

Der wird gedocht: ›Ich hab gůte gest an in. So wissend [32] sie gewißlich mer hinder nien, dann ich bey mir hab; sonst weren sie nit so kostfrey gewesen. Ich můß in das geschwer baß außlassen; das gelt kan noch nit gar verzecht sein.‹ Sagt also: ›Lieben junckeren, ich bitt, wöllet mir mein wort nit so in argem auffnemen. Allein thů ichs euch zů gůt, damit, so die summ zů groß, das ir gedencken mögt, ich het euch zů vil gerechnet.‹

›Das habt ir nie an uns gespürt,‹ sagt Lottarius, ›mir seind doch aller rechnung gůtwillig gewesen, wie ihr uns die gemacht.‹ – ›Das ist war,‹ sagt der wirt, ›kan nit anders dann all miltigkeit von eüch rümen.‹ Damit nam der hader ein end.

Wolan, wir wöllen die gůten jungen herren volles lassen auffwannen und ein wenig sagen, wie sich Fridbertus und Felix derzeit gehalten hand, die dann beid von armen nidrigen elteren geboren waren, auch wie der gůt alt ritter sein läben beschlossen, wenig hinder im verlassen. Dann, wie ihr gehört, alles durch die verschwenten vögel geflossen ist, darzů dann die můter embsige stür gethon hat.

10. Wie Fridbert und Felix auff die hohe schulen gezogen

10.
Wie Fridbert und Felix auff die hohe schůlen gezogen, dermassen so wol studiert, das er in kurtzer zeit magister ward, demnach bald doctoriert und ward obrister kantzellarius am hoff zů Preüssen, Felix aber ein weitberümpter doctor in der medicin, kam derhalb zů grossen wirdin.

Schimpflich stund es, solten die untugenden der zweyer jungen also außgestreichen werden und aber die gůten sitten und fleißigs anhalten zů der lernung nit auch mit ihrem verdienst an tag brocht werden. Nemend war, nachdem Wilbaldus sampt dem Lottario in ir schalckeit verharret, also fluchtig mit einander darvon gelauffen und niemant dann die [33] můter wissen getragen, wo sie kummen oder an welchem ort sie sich enthalten haben, ist der gůt alt ritter Gottlieb schwerlich in seinem hertzen bekummert gewesen. Doch hat er ihm etwas trostes genummen von seinem angenummen son Fridberto, welcher sich dann in so fleißiger arbeit täglich in der schůl und zů hauß ob seinen büchem halten thet, das er all ander seins alters und nierers alters weit übertreffen ward, des im dann sein schůlmeister unnd pedagogus groß freüd namen.

Der schůlmeister ward auff ein hochzeitlichen tag von dem alten ritter zů gast geladen, damit er von im befragt wirde, wie im Fridbertus gefiel, ob er etwas verhofft auß im zů werden. Des im der schůlmeister antwurt: ›Strenger herr, von seiner geschickligkeit ist nit zů reden; dann er übertrifft alle andre meine schůler, so ich hab under meiner rhůten. Schad ist es, das man in nit zůr hohen schůlen fürdret. Fürwar so im gott sein läben laßt, er würt ein fürtrenich man werden, in was facultet man in doch studieren laßt.‹

Die wort fasset der gůt alt ritter in sein hertz, und mit einem grossen seüfftzen sagt er: ›O Fortuna, wie bistu so ein unstanthaffte göttin! Wer soll sich an dich lassen! Fürwar niemans. Dann so mehr du einem under augen anlachest, so mehr soll er sich hinder yhm deines außgezognen schwerts besorgen. So mer dein glantz herlich erscheinet, so grösser ist die dunckelheit, nebel unnd finsternis under dir verborgen, welche dein glantzenden schein schneller bedecken dann das trieb gewilck die sunnen. Bin ich nit menicklich ein genůgsam exempel? Disen Fridbertum hab ich auß lauter grosser erbermd auß seines vatters sewstellen, scholleten ackern und rauher wonung genummen, das er meinem einigen son, so mir von gott geben was, solt ein gesell sein, damit er sich nit ursach hett zů beklagen, ich ließ ihm kein gesellschafft zů. Zůdem hab ich sie beid mit einem züchtigen pedagogen versehen, welchem ich meines sones halben kein schuld mehr geben kan; dann er sein möglichsten fleiß angewendt hat. Was ist aber geschehen? Diser meines meyers son, den hastu, o Glück, mit deinen gnaden angesehen; den andren meinen son, so von adelichen geblüt erboren, den hastu schmehlichen under deine füß getreten. Darumb dir dann gar nichs zů getreüwen. [34] O du untrewes Glück, wie hastu mich armen ritter in so grosses ellend gesetzet; dann ich all mein hoffnung auff disen son gestelt hab. Dieweil die ding aber anders nit ergon mögen, so wil ichs gott, meinem schöpffer, befelhen und meinen son gantz auß meinem hertzen schliessen, disen meinen angenummen son Fridbertum für meinen rechten unnd lieben son haben, dieweil es veilicht also gottes willen geordnet hat.‹

Von disen worten des ritters weib so grossen schmertzen empfieng, das sie von dem tisch auffston und zů bett niderligen můßt, ir zeit mit solchem klagen, weinen und schmertzen verzeret, das sie in ktirtzen tagen ein hart grimmen in irem leib überkam, welches sie jar und tag gar schwerlich trenget, zůletz verzertes fleischs auß diser zeit verscheiden ist. Davon dem gůten alten ritter new leiden zůstund; nam im gentzlichen für, sein leben on ein weib zů verschleissen.

Fridbert was sein son und haußhalter sampt seinem zůchtmeister Felixen, welchen Fridbertus schon an dem zeil erreichet hat und im jetz anfieng fürzůlauffen. Sein vatter was jetz mit tod abgangen, hat hinder ihm verlassen sön tmd töchtern, so all schon erwachsen waren und den ackerbaw für sich selb füren kundten. Gottlieb, der alt ritter, nam zů ihm Patrix, des Fridberti můter, was jetzund ein zimlich alt betagt weib. Sie hat aller haußhaltung befelch als über mägt und andre haußgeschefft. Was aber die knecht betraff, sollichs versahe Fridbertus, der fieng jetz an gantz mannlich zů werden und eines klůgen verstands. Also macht sich Gottlieb aller ding zů rhů, dienet allein gott dem almechtigen; doch so fürsach er sein ampt an des hochteüschmeisters hoff fürbas hin. Wiewol er semlichen dienst gern von ihm geschopffet, noch wolt in sein herr des nit entladen von wegen seiner tuget und frumkeit. Ihn hat von wegen seines alters alles hoffgeseind in grossen würden unnd ehren; dann er sich mit dem ringsten als mit dem grösten gar freüntlich halten kond.

11. Wie Gottlieb mit seinem herren zu redt würt

11.
Wie Gottlieb mit seinem herren zů redt würt von mancherley sachen, under andrem in von seinem son [35] fraget; des in der ritter aller sachen berichtet, sagt im auch von der geschickligkeit Fridberti.

Das unstet wankelmütig gelück wolt sich doch zůlest eins teils über den gůten alten ritter erbarmen, unnd dis geschach semlicher gestalt. Als er sich seines sons gentzlich verwegen und kein andren trost noch freud mehr hat dann Fridbertum, der im dann in allen dingen wilfaret, zů beiderseit groß liebe zůsammen trůgen, nim war, so begibt sichs auff einen hochzeitlichen tag, auff welchem der hoch teütschmeister seinen gantzen hoff beiander hatte, er befalh seinem hoffmeister, dem alten ritter, nach altem brauch die sach außzůrichten, das er dann mit grossem fleiß versehen ward. Da nun die zeit kam und der gantz hoff erschein, was alle ding so gantz ordenlich zůgericht, das alle, die zů tisch sassen, wunder darab namen und insonderheit der teütschmeister, dem was es ein sunder groß gefallen.

Als nun das mal mit grossen freüden volbrocht ward und all welt von hoff gangen, hat der hoch teütschmeister Gottlieben den ritter bey seiner band genummen, in einen schönen lustgarten gefüret. Do sie zůsammen in einer summerlauben gesessen seind, also hat der teütschmeister angefangen mit dem ritter auff solche meynung zů reden: ›Hoffmeister, eüwer geflissen dienst, so ihr mir nun lange zeit beweisen, erstlichen in dem, als ir mein schenck und trucksess gewesen, volgends hoffmeister worden, kan ich mich nit geuůg verwundren, das nie mangel gespürt hat mögen werden; wundret mich an euch, wie ihr des alters halb so gantz fleysig versehen mögt.‹

Antwort der ritter: ›Hochwirdiger durchlüchtiger hochgeborner fürst und herr, wo ich armer ritter euwer hochheit nit mit allem dem, so meine dienst erfordert, nach aller gebür gedient hab, ist mir von hertzen leydt.‹ Antwort der hochmeister: ›Ritter, daran solt ir keinen zweifel tragen, es ist biß hieher nach aller noturfft verricht worden.‹

[36] Deren gesprech wurden vil gehalten, und under andrem fragt der hochmeister, ob im nicht zů wissen wer von seinem son. Der ritter antwort mit betrübtem hertzen, im wer von dem tag an, nachdem er hinwegkummen, nichs von ihm gesagt wurden, wo er sich hielt oder wie es im gieng. ›Ich hab in auch,‹ sagt er, ›auß meinem hertzen gegraben und erkenn ihn für keinen son mehr. Dann sein můter, mein gemahel, hat ir läben umb seinetwillen auffgeben. Damit ich mir aber einen andren trost nemen mög, so ist mir mein ander angenummer son dermassen so wol gerhaten, das ich mich sein in meinem hertzen größlich erfreüwen thů‹. Damit erzalt er im das gantz läben deren beyden jungen Fridberti und Felixen nach der leng, dabei meldend, wie sie jetzund tauglich und geschickt weren auff die hochschůlen zu schicken.

Dem hochmeister geliebt solche rümerich red von disen zweyen jungen dermassen, das er zůstund befelhen thet, man solt sie für in bringen. Semlichs geschach unverzogenlich. Als sie nun für den hochmeister kummen seind, hat er an ir beyder weiß und geberd wol können abnemen, das alles, so Gottlieb von inen gesagt hat, war sey. Es hat im auch gleich gefallen, das man sie auß seinem schatz reüchlich versehen solte und auff das fürderlichest auff die hochschůlen schicken.

Das geschah. Sie warden versehen mit gelt, kleidern unnd pferden, in ward auch zůverordnet eim jeden ein diener, so alweg auff sie warten solten. Sie danckten gott umb solche grosse gůtat. In kurtzen tagen worden alle sachen geordnet, das sie ir reyß volzugen. Fridbert nam urlob von seinem herren, befalh im sein můter in trüwen, die gesegnet er freündtlich; demgleich thet auch Felix. In freüden ritten sie darvon, kamen in kurtzen tagen auff ein gůte schůlen, do sie dann gantz fleißig studierten, also das sie in kurtzen zeiten fast hoch erfaren wurden.

Die wend wir lassen studieren unnd wider keren gen Antorff zu unsern junckern, die dann jetz schier im salve waren und außgetreschen und auffgewannet hatten; so was ihr korn und weytzen, so sie in iren bulgen gen Antorff brocht hatten, in des wirtes kosten.

12. Wie die guten jungen zu Antorff außgebadet hand

[37] 12.
Wie die gůten jungen zů Antorff außgebadet hand und ihn gar wol genetzt und geschoren ward und in grosser armůt von Antorff gezogen seind.

So man offt einen weg faret, würt das gleiß dest weiter: also wann man offt in seckel greifft, hat das ander gelt des mer raum, vorab so man vil heraußnimpt und nichs heinin legt. Also geschah es auch den gůten jünckerlein. Das gelt was verdempfft, so was der wirt nymm auff der post, so anders bringen kondt. Darzů was das müterlein gestorben unnd der weg zů weit. Der wirt zů Antorff mercket auch wol an seinen gesten, sie fiengen an an den orten einziehen, waren nit mehr die ersten an der taffel, brochten kein gest mehr zů hauß, in summa sie fiengen an gantz trostmütig zů werden. Der wirt gedocht im wol, die ků wer nit lang mehr zů melcken. Wann im gest kamen, satzt er seine junckern nymm nach alten brauch, unnd wann sie obenan sassen, hieß er sie herabrucken; er vergaß ir beyweilen gar, das er sie nit zům tisch berüffet. Das fieng die gůten jungen an schmertzen, insonderheit Wilbaldum; dann der kosten was auß im gangen, Lottarius hat sein bracht mer unnd vester gefürt dann er.

Der wirt kam eines tags mit einem grossen register und mit iren bulgen, die waren schon des kinds genesen; dann der bauch was in klein worden. Der wirt begert mit in zů rechnen, wolt einmal bezalt sein. Do gieng es an ein kopffkratzen. Domit ichs aber kürtz mach, es kam dohein, als die rechnung beschlossen und der wirt bezalt was, beleib in ungefor sechs brabendische pfund zům vorrhat, damit meyneten sie auß der statt Antorff zů reysen.

Do sagt der wirt: ›Lieben gesellen, es ist bey mir gewesen ewer schneider und schůmacher. Der ein fordert so, der ander sovil, hand mir verbotten, euch nit volgen zu lassen, sie seiend dann also bar bezalt.‹ Lottarius sagt: ›Wirt, nempt, [38] das mir euch zů thůn seind! Mir wend uns mit unsern schneidern und schůchmachern wol vergleichen.‹ – ›Das mag ich leiden‹, sagt der wirt, ›aber sunder meinen schaden. Damit sie nit meynen, ich wolt semlich schuld ongefordret an euch lassen und ir auch nit gedencken, ich thü semlichs von mir selbs, will ich nach in schicken und selb mit euch reden lassen.‹ Bald schicket er seinen stallknecht nach in beyden.

Von ungeschicht was ein schöne frauw in des schneiders hauß, bey welcher die gůten gsellen manchen gůten schlafftrunck gethon und nit bezalt hatten. Die eilet bald in die herberg, thet nit dergleich, als wann ir die sach zů wissen wer. Sie sah wol, das ire junckern nit mehr so fleyssig auff sie acht hatten als andre mal; sie sassen gantz trurig mit iren füsen auff die erden klopffen, under sich sehen, ir gelt, so sie verloren, sůchten; es was aber umbsunst. Die schon frauw hůb an mit in schimpflich zů reden, do was aber kein freüd.

In dem kamen die zwen schůmacher und der schneider, grüßten sie, fragten den wirt der ursach, warumb er nach inen geschickt hat. Sprach der wirt: ›Ir wißt, ir habt mir beyd verbotten, ich solt meinen beiden gesten zůgegen nichs volgen lassen, so sie hinweg wend, ir seien dann von in vernügt und bezalt‹. – ›Also ist im‹, sagten die beide. In summa, sie machten die rechnung, das traff sich aber ein zimlichs, und sunderlich dem schůmacher. Lottarius widerfacht: ›Solten wir in einer so kürtzen zeit sovil in schůhen zerbrochen [han], was würden dann erst die hosen kosten?‹ Antwurt der schůmacher: ›Der schönen frawen schů, so ir bevolhen hand hinzůgeben, kommen auch in dise rechnung.‹ Die gůten jungen wußten kein außred mehr, sie můßten zalen, da was schon kein gelt mehr.

Erst kam die gůt dochter umb den wein und sehlafftrunck. Lottarius sagt: ›Gůte fraw, das mir bey euch verzert, seind wir zehenfaltig zů kosten kummen. Wann es rechnen gilt, ir werden uns heraußzůgelten sein.‹ – ›Bots‹, sagt sie,


›Den brauch hab ich in meinem hauß:

Wilt hnein, můst dapffer geben auß,

Umb dein gelt läben wir im sauß.

Wilt nit, so magst wol bleiben dauß.

Ir habt mirs gschreiben an die wand.

[39]

Habt ihr nit gelt, so gebt mir pfand!

Frawen zů teuschen wer ein schand,

So focht man die füchs in Brabant.‹


Was soll ich vil von disem tandt schreiben? Da můst all ding bezalt sein. Als aber kein gelt mehr vorhanden was, nam die gůt fraw dem Lottario einen schönen neüwen mantel, můsten all beid on alles gelt auß der herberg. Wilbald hat auch dem mantel einen gleich; den verkaufften sie umb ein pfundt flemisch, zogen so auß Antorff wol außgeriben, aber übel bekleidt. Da ward in alles, nach dem sie geworben hatten. Aber ich sorg, sie werden noch vil nachkümling haben, so zů Antwerpen den brauch noch nicht gelert unnd erst auff solchen hohen schůlen studieren werden, biß das sie in gleicher facultet mit disen zweyen doctorieren. – Do bleibt es, und wend fürbaß sagen, wie es Fridberten und Felixen gangen sey.

Jetzund kumme ich wider an Fridberten und seinen zuchtmeister, wie es inen auff der hohen schůlen gangen. Die haben sich in gar kurtzer zeit dohin gerichtet, das Fridbert doctor und Felix magister worden seind. Da semlichs dem hochmeister kundtgethon worden, hat er sich sein größlich erfreuwet; nit minder freüdt hat Gottlieb, als er der ding berichtet ward. In der zeit begab es sich von ungeschicht, das dem hochmeister sein kantzler starb. Er schicket zůstundt nach Fridberten, domit er in zů einem kantzler annem. Alda fing erst sein glück an zu grünen. Er nam auch Felixen an zů einem secretarien. Die beyde hielten sich dermassen an ihrem ampt, das sie in kurtzen zeiten von menigklich lieb gehalten und darbey gepreisen wurden.

Das bleibt. Weiters wöllen wir hören von Lottario und Wilbalden, wie es inen sei ergangen, nachdem sie von Antorff abgescheiden seind.

13. Wie Wilbaldus und Lottarius der sachen zu unfriden wurden

13.
Wie Wilbaldus und Lottarius der sachen zů unfriden wurden, von einander kummen. Lottarius sich zů Prüssel einem metzger verdinget, Wilbaldus aber in [40] dem ellend umbzog, zůlest sich zů einem bauren verdingen můßt und des viehes hüten; Lottarius seinem meister über sein schatz brach, darob ergriffen ward.

Wilbaldus, der gůt jung, jetzund hindersich gedencken und erst anfieng den reüwen zu überkummen; es was aber leyder zů spot mit im. Sie giengen eines abents spat auß Antorff, bliben die nacht in einem kleinen dörfflein. Auff dem weg fieng Wilbaldus an bitterlichen zů weinen und klagen und sagt: ›O unglück, wie hast du mich in so ein grosse fortun gefürt! Ach mir armůtseligen vogel, warurnb hab ich meinem lieben vatter nit gefolget, dergleich meinem getrewen freünd und zuchtmeister Felixen, der mich in allen treüwen gemeynet! Hab ich doch ein gnůgsamme geselschafft an im und meinem lieben brůder Fridberten gehabt, mich aber ir früntschafft und gsellschafft nit settigen lassen. Ach gott, wo soll ich doch mein zůflucht hin haben! Mein vatter ist gar über mich in allergrösten zorn gefallen; meiner lieben můter hab ich das ir schantlich und lasterlich verthon, sie würt mir nicht mehr fürsetzen; meinen freünden darff ich nit mehr under augen kummen. Aller welt wurd ich zů gespott sein, die kinder auff den gassen werden über mich feisen unnd můpfen. O bösy geselschafft, wie gibst du mir jetz den lon! War wirt mir jetzund alles das, so mir mein vatter und mein getreüwer schůlmeister vorgesagt hand. Ach mir armen verloßnen jüngling! Wo soll ich auß! Arbeiten hab ich nit gewont, mein schreiben, lesen ist mir empfallen, kein herr würt mich annemen. In armůt und ellend můß ich meine zeit verzeren; sterben wer mir geheurer dann läben. O Lottari, Lottari, wie hastu uns beide so gar übel außgebeützet, uns in armůt, angst und trübsal gesetzet, darauß wir nit mehr kummen mögen! Ach mir armen, das mir dein gesellschafft ye gefallen hat!‹

Lottarius, ein schantlicher bůb und verlorner vogel, antwort [41] auff die clag Wilbaldi: ›Die schuld, Wilbalde, solt du mir mit nichten geben; dann du an der sachen allein schuld tragen thůst. Meynest du nit, mich bekummer auch schwerlichen, das ich meines vatterlandes also můß beraubt sein, auß welchen du mich brocht hast, dieweil du auß forcht nit bleiben dorftest, als du deinen schůlmeister mit einem messer durch seinen schenckell stachest? Sag an, hab ich dich eines solchen underricht? Nein warlich; dann ich von außlauffenden blut so hart erschrack, het man mich erstochen, ich wurde keinen troffen blůt geben haben. Alsdann stund ich in grossen sorgen deinethalben; dann mir der zorn deines vatters wol wissen was; weyß gewiß, wo du ihm worden werest, er hette dich in ewige gefencknüß ingelegt, darauß du zů ewigen zeiten nit kummen werest. Des du mir dann nit genůg gedancken magst; hergegen sagst du jetz das widerspiel, als wann ich allein daran schuldig wer. Des ich dann gar kein gefallens het, wann ich wißt, das deine worten ernst gewesen wer. Wolan, thů ihm, wie du wilt! Ich wil mein weg gen Prüssel nemmen, daselb umb einen meister sehen, meines vatters hantwerck lernen. Versich du dich auch, wa du magst! Dann ich weyß dir in keinen weg zů rhaten noch helffen; ich hab jetz mit mir selb zů schaffen, so hab ich als wol als du kein zerung mer.‹

Wilbaldus erst jamerlich über seinen gesellen anfieng zu klagen: ›O du schnöder unnd argelistiger Lottari, dein namen an dir ist warlich nit vergeben; dann lotterwerck, wie den lotteren gebüret, des hastu dich lang geflissen, mich mit deiner lotterey schantlich von ehren und gůt brocht, darzů der gůten meiner lieben freünd beraubet. We mir, das ich in deine gesellschafft ye kummen bin!‹

Lottarius fieng jetzo an schamrot zů werden, unnd wie er mocht, understund er sich heimlich von ihm abzůstelen, als er dann thet. Er nam sich eines unwillens gegen im an, zancketen ein weil mit einander. Lottarius sagt: ›Ich mag mich deines zanckes nit erfrewen noch behelffen, ich will dir ein wenig auß den augen gon.‹ Damit schmeichet sich Lottarius von im auß der herberg in dem dorff, darin sie lagen, also das Wilbaldus lang nymm erfaren mocht, war er kummen was.

[42] Lottarius zog den nechsten gen Prüssel; doselbst verdingt er sich zů einem reichen metzger, was ein gar alter mann, hat seer vil gesindes, knecht unnd mägt. Der leckersbůb hielt sich von anfang gar unstreflich, so das in sein meister fast lieb gewann. Er vertrauwet ihm zůlest mehr dann keinem under all seinen dieneren, dardurch er dann all sein heymligkeit erfaren ward.

Eines tages was der gůt mann über land auff einen jarmarckt gefaren, ließ den bůben in dem hauß, welchen er vormals alweg pflag mit im zů nemmen. Er befalh im, das hauß zů verwaren, das ander gesind zůr arbeit anzurichten. Das er im alles gütlich zů thůn versprechen thet; sobald aber der meister von hauß kam, wartet er mit fleiß seiner gelegenheit. Da des metzgers weib zůr kirchen gangen was, das ander gesind ir geschefft pflagen außzůrichten, hatt er mit ettlichen instrumenten seines meisters kammer auffgebrochen, demnach über sein barschafft kummen und ein grosse summa gelts zůsammengesackt hat. Als aber das gerümpel von einer magt gehört ward, hat sie eylens ein geschrey gemachet, davon die andren knecht und mägt zůgelauffen seind, haben den erschrocknen diebischen bůben ob seinem diebstal ergriffen und in gefencklich angenummen, mit gůten starcken stricken gebunden und also auff des meisters zůkunfft verwaret.

Als der nun des abens kummen ist, hat er den bůben mit ruhen worten gestrafft und gar übel außgangen. Als er aber ein barmhertzig man was und gedocht, das ihm seines gelts noch kein schaden geschehen, hat er in dem richter nit wöllen überantworten und ihm ein zerung geben, hinweg geweisen.

14. Wie Lottarius nit weiter gieng dann von Prüssel gen Halle

14.
Wie Lottarius nit weiter gieng dann von Prüssel gen Halle, seind drei meilen wegs; do schnitt er einem kauffmann sein bulgen auff, stal im sein gelt, kam damit darvon biß gen Dengen, ist fünff meil; er würt von dem kauffmann verkuntschafft, in der herberg [43] funden, würt entlich gefangen und gehenckt.

Boßheit und büberey můß belond werden, es stand lang oder kurtz. Also gieng es disem Lottario auch. Er mocht nit wercken, hat fauler tag, fressen und sauffens gewonet; so was niemants mehr vorhanden, so für in zalen wolt. Was solt der arm schweyß anders anfohen, dann was in sein kunst, auff deren er gewandret was, lernet! Zů Brüssel hat er nit mehr platz, heim darfft er nit mehr kummen von wegen gůter stücklein, so er in seines vatters hauß gebraucht hat. Was thůt er dann? Er greifft sein sach fein geschickt an, redt mit im selb also: ›Lottari, du můst ein andren beltz anlegen. Du hast nit lang zů zeren, so magst du auch nit wercken, als soltestu gehenckt werden. Ich will mich in die sach schicken, mich zů Halle zů einem wirt für ein haußknecht verdingen; da mag ich gůte faule tag haben bey kleiner arbeyt und gůter kost. Ich hab wol gesehen, wo ich bey wirten gelegen bin, haben die haußknecht alweg die schlüssel zům keller, tragen wein und brot auff, mag offt einem ein zug auß der kannen gerhaten. So dann einer klupig umb die tisch ist und sich mit schencken weidlichen braucht, wird ihm von den gesten manigs gůts bißlein, auch mancher drunck dargestossen. Des will ich mich fürbaß underston und metzger lassen den, so es gern thůt; ich hab kein hertz darzů.‹

Also kam er gen Hall, fand bald ein gůten herren, einen wirt, der meynet, gott het in berhaten. Dann der schalck kondt mit solchen glatten worten strychen, das mann meynet, es were glatt geschliffen; er was auch von person ein hüpscher gerader jüngling. Er tummelt sich auch erstlichen so wol, das ihm sein herr anfieng gar nach alle seine geschefft zů vertrüwen und befelhen. Den schalck wůßt er zimlich zů verbergen, das einer gar spitzig het müssen auffmercken, der sein schalck erkennet het. Es stund aber nit lang, er kam so grob an den tag, das nit gröber het mögen sein.

Dann nemen war, es kamen eines tages vil kaufleüt gehn [44] Hall, die wolten in Antorffer meß; und wie dann brauch ist, gaben sie dem wirt ir bulgen mit samt dem gelt zů behalten, welchs in dann der wirt fleißig verwaret, saß demnach zů den kauffleüten und was frölich mit inen. Sie sagten von gůten schwencken, ein jeder, was im seid von hauß begegnet wer, gůts und böses, wie dann der kaufleüt gewonheit ist; wann sie in die messen faren, treiben sie all kurtzweil, damit sie die zeit vertreiben. Also gieng es da auch zů.

Als sie nun im besten essen seind, so kumpt einer irer gesellen geritten, welcher in nach postiert; dann er sich etwas doheym verhindert hat. Als er sie an dem nachtmal find, gibt er Lottario sein pferd, befilcht im das anzůlegen, nimpt seine bulgen, zücht zů seinen gesellen und lantsleüten in dem sal, befilcht dem wirt seine bulgen. Der wirt sagt: ›Mein herr, seind ihr zů růhen, ich will sie versorgen.‹ In kurtz darnach kumpt Lottarius. Der wirt befilcht ihm die bulgen auffzůheben. Er macht sich gantz küplich, nimpt die bulgen und des wirts kammerschlissel, als wann er die bulgen darin zů den andren behalten wöll. Er aber verstoßt die under ein stegen in alt gerümpel, kumpt wider mit des wirts schlißlen, gibt im die wider, als wann al sach gantz wol wer außgericht und versehen. Die kaufleut werden all wol bezecht, gond zů beth schlaffen, befelhen dem wirt, auff den kunfftigen morgen ein gůt früstuck zů bereiten; dann sie woltend nit frü auffston. Des ist der wirt gar wol zůfriden. Also gond sie all frölich schlaffen, der wirt und seine gest. Lottarius aber nam im für, die nacht nit vil zů schlaffen, sunder seinem geschefft außzůwarten.

Als nun alles volck im hauß schlaffen was, nam er die bulgen mit gelt und trůg die in sein kammer, da er dann mit einem scharpffen messer gerüst was. Er saumet sich nit lang, schneit sie auff; do fand er ein groß gelt darin, dann es was lauter goldt. Der schalck nam davon, sovil im möglich zů tragen was, legt an seine beste kleider. Sobald es tag ward, macht er sich darvon gantz frü, eh dann kein mensch im hauß auff was. Er nam sein weg den nechsten auff Dengen, ist fünff meilen wegs. Do kert er in ein herberg ein, bat den wirt, er wolt in nit vermelden, gab im sein [45] gelt, so er gestolen hat, eins teils zů behalten. Der wirt gedocht wol, die sach gieng nit gar schlecht mit im zů; dann er förcht ihm gar seer, wie diser diebischen bůben brauch ist; dann sie gmeinglich keinen bidermann dörffen ansehen.

Als aber nun zů Halle wirt und gest auffkamen, fragt jederman nach dem haußknecht; es kondt aber niemant nichts von im sagen. Dem wirt was nienan recht, er lieff für sein kammer, klopffet an; niemants wolt im antwort geben. Er schloß auff die kammer, wie er mocht, schauwet in alle winckel nach seinem knecht, zůlest erblickt er in einem winckel die zerschnitten bulgen. Davon erschrickt er unmenschlichen seer, laß damit ein lauten schrey: ›O wee des grossen bößweichts‹, sagt der wirt, ›er hat mich verderbet!‹ Diß geschrey erhorten die kaufleut, auch das ander gesind im hauß. Sie lieffen mit hauffen hinzů, do funden sie den gůten wirt in grossem jamer und klagen; dann er von schrecken nit wol geston mocht. Do die kaufleut von den bulgen klagen horten, erschracken sie all gemeinlich gar übel; dann ein jeder meynet, es were seine. Zulest erfand sich, das sie des kaufmans waren, so am lesten kummen was. Er laufft hinzů, befind sein schaden; dann er ein grosse summ seines goldes manglet.

Was solten sie thůn? Der gůt mann saß auff sein pferd, deßgleichen der wirt, ritten mit einander gar schnell auf Dengen zu; dann der bößwicht was dem wirt under der porten verkuntschafft worden. Die ander kaufleut hatten groß mitleiden mit irem gesellen, ritten auch auff all strassen, ob sie etwas von dem bößweicht erfaren mochten.

Der wirt und der ander kauffmann kamen gen Dengen, funden und erforschten so vil, das ihn angezeigt ward, in welcher herberg der bößweicht hat eingekert. Sie sassen ab von ihren pferden, stelleten auch in der herberg. Derselbig wirt was ein vernünfftiger und geschyder mann; er sach wol an der beider geberden, das sie bekümmert waren, er fragt sie die ursach. Sie sagten im den handel. ›Schwigt, lieben herren‹, sagt er, ›habend nur ein leichten můt! Ich hoff, euch soll geholffen werden.‹ Sagt in damit von seinem gast, welcher neulich zů im kummen und nit gar ein stund in seiner herberg gewesen wer, zeygt in darbey an gestalt und kleidung, darbey [46] der wirt von Hall wol abnam, daß es eben der bůb was, welchen sie sůchten.

Als sie nun mit einander sprachen, kumpt der schalck daher gon ein stegen herab. Als er nun den wirt von Halle erblicket, erschrickt er fast übel, understot die flucht zů geben. Der kauffmann aber laufft im die theür ab und sagt: ›Du verzwifleter arger schalck, hie můstu mir dein läben lassen.‹ Lottarius falt behend auff seine kney, bitt umb gnad, ziehet damit das gold, so er hatt, auß seinem bůsam und sagt: ›Ich hab hievon noch nichts verthon; so hat mein wirt das überig theil.‹ Davon der kauffmann seer erfreuwet ward. Der wirt brocht das überig gold auß seiner kammer, gabe das dem kauffmann. Der wolt jetz zůfriden gewesen seind. Aber der wirt von Halle sagt: ›Nein, der bößwicht můß keinem frummen mann mehr solchen schrecken abgewinnen. Es ist zů vil mit dem.‹

Also ward er dem richter geantwort, unnd dieweil er in so frischer that ergriffen, gleich an die folter geschlagen, do er von kleiner marter all sein boßheit bekant. Als nun der richter semlich bůbenstuck von im vernam, ward er gleich des tags an den leichten galgen gehenckt. Da ward im sein verdienter lon, nach welchem er gerungen.

Hie merckend auff, ir jungen knaben, was gůtes darauß erfolget, wann ir vatter und můter nit volgen, deßgleichen euwern schůlmeistern und fürmündern! Seind in widerspennig und volgen nach bösen üppigen bůben, von welchen ir nichts gůts lernen, sunder all bößen stück, als mit falschen würflen und karten umbzůgon, dergleich liegen, schlecken, stelen, welchs die rechten haubtstuck seind, so an galgen gehören, wie ir dann an disem Lottario wol gesehen!

Diß bleibt also. Jetzund wend wir wider kummen an Wilbaldum, wie es im ergangen sey, nachdem der böß vogel Lottarius von im gelauffen ist; demnach wend wir auch sagen von Fridberten und Felixen, die iren herren unnd schůlmeister willig und gehorsam gewesen, was nutz in darauß erfolgt.

15. Wie es Wilbaldo gangen ist, als Lottarius

[47] 15.
Wie es Wilbaldo gangen ist, als Lottarius, der böß vogel, von im geflohen was, auch wie sich Felix und Fridbert an irem dienst gehalten.

Jetzund wend wir fürbaß anzeigen von dem armseligen Wilbaldo. Er zog in Brabant umb als ein unbekanter armer frembder jungling, hat weder zů beissen noch zů brechen; so můßt er sich auch fast übel besorgen, wo er von der langen růt begreiffen wirdt, er möcht gehangen werden; wie dann semlichs der brauch in Brabant ist. Do reiten etlich reisig im land umb, unnd wo sie semlich verloren kinder, so nit wercken wend, ergreiffen, hencken sie die gleich als warm. Vor denselben besorgt sich Wilbaldus fast übel; darumb trachtet er ernstlich, wie er auß Brabant kummen möcht und sich wider zů seinem vatterland nehen. Er wüßt aber nit, das sein můter mit todt abgangen, was noch gůter hoffnung, wann er ein botten zů ir möcht haben, sie würd im ein noturfft schicken, domit er nit in solchem jamer und ellenden läben sein zeit verzeren müßt. Er zog so lang, biß er weder heller noch pfennig mehr hatt. Niemans wolt im umbsunst nichs geben, und wann er schon durch gotts willen batt, sagt man, er wer jung und starck, warumb er nit arbeitet. Also zog er in grossem hunger durch Westphalen, demnoch durch Saxen und die margraffschafft Brandenburg, biß er kam in Prüssen. Da verdingt er sich uff einem dorff zů einem bauren, der was fast reich und hat vil viehes. Des underzog sich Wilbaldus dann in der bitter hunger darzů bezwingen thet.

Also ward er schon auß einem edelmann zů einem sewhirten. Was aber des ursach gewesen ist, habend ir oben nach der leng gehört, wie dann auch ein alt Sprichwort gebraucht würt: ›Hundert jar machen auß einem hirten ein künig unnd wider hundert jar auß eim künig ein hirten.‹ Wilbaldus, der von gůtem geschlecht und edlen stammen erboren was, [48] můß jetzund der schwein und anders viehes hüten. Hette er nach adel und tugenden gestrebt, wer im gleich wie andren gelungen. Dann wiewol Fridbertus von bewrischen geschlecht und eines hirten son was, kumpt er doch von wegen seiner gehorsamkeit und tugend zů grossen ehren unnd wirden, wie ir dann des greüntlichen bericht empfahen werden. Deßgleichen sein zuchtmeister Felix, welchen sein herr auß der schůl vom almůsen nam, seinem son und Fridberto fürzůston, der würt auch ein fürtreflich, reich unnd gelerter mann. Des soll niemants wunder haben; dann mir sehen dergleichen exempel noch vil zů unser zeit, das es auff allen universiteten und hohen schůlen ein gar gemeiner brauch ist, die armen studenten, so durch almůsen und stipendia erhalten, werden gwonlich hochglerte menner, doctores und magistri. Die andren aber, welche man mit herlichen tischen versehen thůt, inen auch zů allen zeiten gelt zůschicket, was wirt drauß? Ja selten bakellari, ich geschweig, das sie ander gradum erlangen, werden auch gemeinlich die, so in zůgeben seind auff sie zů warten und ir diener zů sein, vil geschickter dann ire herren selber, welche dann offt ir patrimonium gar verstudiren, ja ich meyn in wirtzheüsern, mit würffel, karten, wein und beir, auch mit schonen frauwen, die machend keinen bůchfürer reich. Das bleibt.

Fridbert was jetzund bey zweyen jaren kantzler am hoff zů Preüssen gewesen, hat aber kein weib. Der hochmeister gedocht im umb eine zů trachten, in kurtz ward er bedencken seines vorigen abgestorben kantzler, welcher hinder im gar groß gůt verlassen, darbei zwo schöner tochtern. Die elter was genant Concordia, ein fast züchtig, sanfftmütig unnd weise junckfrauw, die jünger was genant Felicitas, ir schwester an schöne etwas übertreffen, ir auch an allen tugenden gleichen. Der hochmeister befragt Fridbertum den kantzler auff ein zeit, ob er nit willen het zů der eh zů greiffen. Er antwortet, wo er wußt eine, bey welchern er in friden und freüden läben mocht, wolt er sich darin begeben; wo er aber des in sorgen ston solt, wolt er eh von der freyheit, in welchern er jetzunder wer, nit abtretten und vil lieber einer gůten und tugentsammen [49] frawen manglen dann mit einer wunderlichen zenkischen haußhalten.

Von solchen worten ward der hochmeister zů gelechter beweget, fraget demnach Felixen, ob er auch eines semlichen gemüts wer. Antwort Felix: ›Nein. Dann nit gůt wer, wo alle jüngling eines semlichen fürhabens sein solten; dann sunst wird nimmer keiner zů ehlichen stand kummen.‹ Darzů wußt er wol, das alles menschlich geschlecht zů leiden erboren; dieweil es dann je gelitten müßt sein, wolt er sich mit gedult darin begeben; geriet es im dann nach dem besten, so hett er gott des mehr zů dancken. Batt damit den hochmeister, wo ihm ein tochter oder wittfraw zůston, mit deren er meynet versorgt zů sein, das er im dann mit gůten rhat, steüwr und hilff wolt furstendig und beholffen sein. Der hochmeister sagt im semlichs zů; zů stund bedocht er sich nach seines kantzlers tochtem, sagt: ›Mein lieben diener, ziehend jetzmals im friden hin! Morgen zů mittag so kummend wider zů mir! Ich hab mich einer sach, so euch zů gůt erschiessen wirt, bedocht.‹

Also gieng Fridbert der kantzler sampt Felixen zů irem herren Grottlieb, dem alten ritter, namen das nachtmal in grossen freüden unnd freüntlichen gesprech, sagten dem alten ritter alles das, so der hochmeister mit in geredt hat. Davon er seer grosse freüd empfieng; dann er wußt wol, das in die sach zů gůtem glück gerhaten würt. Nachdem sie nun gessen hand, gott dem herren lob und danck gesagt, seind sie auffgestanden unnd in einen schonen lustigen garten spatzieren gangen, die speiß abgedeüwet. Als sich nun die sanfften unnd külen abendtweindlein erhebten, die sternen mit irem zwitzern die nacht daherbrachten, ist ein jeder zů bett an sein rhů gangen, haben die nacht mit süssen schlaff vertreiben.

16. Wie der hochmeister nach der wittfrauwen schicket

[50] 16.
Wie der hochmeister nach der wittfrauwen schicket sampt ihren zweyen töchteren, wie sie mitnander geredt haben.

Des andren tags bedocht sich der hochmeister, den sachen einen außtrag zů thůn, wie er im dann am abent darvon hat fürgenummen. Er schicket nach der wittfrawen, der kantzlerin, befal dabei, ire beiden töchteren mit ir zů bringen. Die fraw hieß mit irem namen Charitas; sie waß gehorsam und gantz willig irem herren; dann sie wust wol, das er in gůtem nach ir gesant hatt. Sie schmucket sich in witweliche kleider gantz seüberlich, ire töchteren aber zierett sie auff das allerschönest.

Mit zuchtigen geberden kamen sie für den hochmeister; ir reverentz kunden sie so adelich und höflich, das sich der hochmeister größlichen ab ihn verwunderet. Darzů waren sie so übermeßlicher schönen gestalt, das in der augen nit gnůg möchten verluhen werden. Felicitas als die jünger gieng zůvor; deren volget nach ir schwester Concordia, die hat ir goltfarbes har zů rucken abgeschlagen, von dem glantzet die verhöhung nit anderst, dann wer das ein gespunnen turckisch gold gewesen. Auff irem haupt trůg sie ein schon perleingebend, auff dem einen schonen krantz. Ir stirn, erhaben glat und wolgeziert mit gebogen schmalen augbräulein. Die euglein, wie schon und klar die gewesen, kan ich nit volloben; sie kondt auch deren so lieblich gebrauchen, das nit zů schreiben ist. Ihr neßlein langlecht und nit gar zů scharpff; ire wenglein schon mit kleynen grüblein bekleydet, lieblich rosiniert; ir zart unnd wolgesprecher mund mit einer lustigen rubinfarb von der edlen natur begabet; das under leftzlein hieng ein wenig für das ober gegen dem zwifachen gespalten kinlein zů tal; ir helßlein in rechter leng; die brust schon und breit. Sie hat auch ein gantz rans weichlein, darunder das überig teil gar artlich proportziniert was. Der gang an ir was ein überzierliche [51] wolgestalt ires leibs. Die jünger schwester nit mit minder schonheit geziert was dann die elter, allein das sie ein wenig brauner was an der farb.

Als nun Charitas mit iren töchtern ein kleine zeit bei dem hochmeister gewesen, hat er zů stund Fridbertum sampt Felixen und dem alten ritter berüffet sampt andren seiner räthen, die dann gehorsam erscheinen. Der hochmeister sagt in alles, was er den vorgenden tag mit Fridberten und Felisen geredt hat; dann ihm wer nit von nöten ir beider fleißigen dienst vor ihn allen zů erzalen, dieweil alles sein hoffgesind ein semlich täglichen vor augen scheinbarlich sehen. Darumb wer im in gedancken kummen, wo es in an ders beiden gefallen, wolt er sie mit züchtigen schönen junckfrauwen versehen, dieweil er gůter hoffnung wer, Charitas die můter sampt ihren töchtern würden ihm seiner bitt nit abschlagen. Als er nun ein semlichs mit seinen rhäten geredt, růfft er zů ihm die züchtig und wolbertig Charitas und sagt: ›Mein liebe und getrewe dienerin, umb das ich nach euch geschicket, beschicht auß allem gůten gunst und sundren gnaden, so ich gegen euch hab, welches dann ewer gemahel seliger gedechtnüß wol umb mich beschuldet, mir auch euch sampt euwern beyden töchtern in seinem todtbett gantz treülichen empfolen. Darumb ich dann nun zůmal ewer aller getrewer vatter sein will. So euch das anders anmütig, will ich beyd eüwer töchter mit züchtigen tugentsamen jünglingen verheyrathen, welche von wegen irer tuget wol edel genant möchten werden. Darauff, mein liebe Charitas, mögt ir eüwern willen zů verstan geben.‹

Die gůt frauw des grossen erbietens so unmeßliche freüd empfieng, das sie vor freüd nit wußt, was sie antworten solt; jedoch kurtz bedocht fiel sie ihm zů fůß. Der hochmeister nam sie bei der hand, zog sie auff und satzte sich zů ir auff einen banck, sagt: ›Mein Charitas, mit unerschrocknem hertzen gebt eüwern willen zů verston!‹

Charitas hůb an zů reden und sagt: ›Hochwürdiger, durchlüchtiger, hochgeborner fürst, der grossen veilfeltigen gnaden und vätterlichen erbietens mag ich umb gott noch umb ewer hocheit nümmer verdienen. Was möcht mir glückseligers auff diser erden zůston, dann so ich meine lieben töchtern also [52] glückselig in ehlichen staht kämen sehe! Mir armen wittfrawen aber ist semlichs zů volbringen nit möglich. Dieweil aber eüwer hochheit sich so vätterlichen erbieten thůt, so ergib ich mich mit meinen töchtern in deren schutz und schirm. Dann ich meine beiden töchtern in solicher gehorsamkeit aufferzogen, das ich weyß, keine under in beyden wider meinen willen nimmer thůn würt. Darumb, allergnädigster herr, habent ir vollen gewalt.‹ – ›Das gefalt mir ser wol‹, sagt der hochmeister, ›ich will auch in disem heyrot zů beyder seiten vatter sein, braut und breütigam mit einem herrlichen zůgelt versehen.‹

Also stund der hochmeister auff, gieng mit seinen räten uff ein ort, nam Fridberten und Felixen zů in, sagt in alle handlung. Wer hat grösser freüd dann die gůten jungen herren! Dann wiewol Fridbert sich vormals gewidert hat, als er aber der schönen zuchtigen junckfrawen ansichtig ward, darbey iren züchtigen wandel ersehen, hat im zůstund sein hertz ein anders geraten. Als er nun von dem hochmeister gantz gruntlichen bericht empfangen, hat er in gleich gebetten, wo möglich wer, das er im die schone und zůchtige junckfrauw Felicitas zů einer gemahel geben wolt. Deßgleichen begeret auch Felix, im die die ander junckfraw Concordia zů vermehelen. Das gefiel dem hochmeister fast wol; berůfft von stund an die můter sampt iren beyden töchteren, gab sie selb zůsammen; dann alle ding waren zůvor abgeredt. Die hochzeit ward bestimpt auff ein gelegnen tag.

Das wend wir also lassen beleiben und wider kummen an den trübseligen unnd armen Wilibaldum, wie er sein narung so in grossem jamer, ellend und trübsal hat suchen müssen.

17. Wie Wilibaldo ein wolff under sein vieh kam

17.
Wie Wilibaldo ein wolff under sein vieh kam und im vil schaden thet, also das er seinem meister entlauffen můßt.

Wilibaldus, der armůtselig glückvogell, was jetzund schon gewonet, bey dem vieh auff dem fäld sein zeit zů verzeren. [53] Etwann zů zeiten saß er an der sunnen, seine schů flicken, darnach bletzet er im selb seine hoßen; auch, fiengen im all seine kleyder abgon. Wo im dann ein loch in sein rock kam, büßet er ein andren bletz daruber, achtet nit der farben, ob sie seinem rock vergleichen oder nit. Er nam auch für gůt;, so im die leuß mit hauffen in seine kleider nistetten. Rauhes und schwartzes brod was sein speiß; und wann in gott ziblen und knoblauch bereit, hat er ihm wohl für gůt, meynet, er het ein gůten imbiß gehat. Also můß man solchen schleckmüleren kochen, so vormals aller gůten beißlein gewont waren. Do giengs nimmer auff brabendisch zů: malmasier und mett was dem gůten Wilbaldo gantz teür worden; dann er můßt sich der kalten brunnen und fliesenden bechlein behelffen. In seines vatters haus mocht er nit läben als ein edelmann mit schönen kleyderen geziert, nach dem für andre jungen in ehren gehalten mit köstlicher reicher speiß unnd dranck fürsehen. Das aber schmackt ihm vil baß, ließ sich auch mehr in des bawren hauß dann in seines vatters küche benügen.

Es wolt aber das unstet und wanckelmütig gelück noch nit vernügt sein. Dann als der arm hirt Wilibaldus eines tags mit seinem vieh zů feld lag, zů allem unglück keinen hund bey im hat, fůr nit weit von einem wald uff gůter weyd. Als es nun umb mittentag und die sonn fast heyß scheinnen was, rucket Wilbaldus zů dem wald, damit das vieh schatten möcht haben. Er legt sich under ein schöne dicke eychen an den schatten schlaffen und entschlieff gar hart. In dem kummen auß dem waldt ein hauffen wölff, rissen und zerten im etlich vieh zů boden unnd erwürgten deren manig stuck. Wilbaldus hart enschlaffen hort noch wußt von semlichen schaden und unfal gar nichts, erwachet auch nit, biß der schaden geschehen.

Als er nun gnůg geschlaffen und auffgestanden, was er umb sich sehen nach seinem vieh; das lieff im feld umb gantz zerstrewet und forchtsam. Er kumpt an das ort, findt den übrigen aaß, so dann die wolff hatten übergelassen, erkand [54] wol, das seines bawren vieh gewesen was. Wer erschrack übler dann Wilibaldus! Er raufft im selb das har auß und klagt jämerlichen: ›O mort‹, sagt er, ›mir armen betrübten hirten! Wo soll ich nun auß! Zů meinem meister darff ich nit mehr kummen. Jetzund ist mein verdienter lon dohin, meine kleyder seind zerrissen, und solt mich mein meister auff den winter gekleit haben. Ich aber darff im nit mehr under augen kummen, und was ich noch in seinem hauß von alten lumpen hab, můß ich auch hinder mir lassen. Ach, ach mir armen Wilbalde! O du schantlicher Lottarius, wie wirt mir aber deiner schantlichen geselschafft gelonet! O du mein früntlicher lieber Fridbert, du mein getrewer brůder, wie wirt mir jetzund deiner getrewen warnung so gar eingedenck! Aber zů spat, zů spat hab ich hinder mich gesehen. O Felix, du mein lieber zuchtmeister, wie hab ich dir deiner grossen treüw so gar übel gelonet! Du hast mir brüderlich gerhaten; ich aber hab die ding nie bedocht. Umb dein vätterliche straff und zuchtigung stach ich dich durch einen schenckel, das dann auch meiner flucht gröste ursach gewesen ist. Wolan, mir ist weder zů rhaten noch zů helffen nimmermer.‹

Wie der arm Wilbaldus in so grosser klag und jamer was, ersicht er von ferrem seinen meister herreiten; dann im von seinen nachbauren gesagt was, wie sein vieh on einen hirten in weitem felt gantz verscheycht unnd irr gieng. Er reit im feld rumher, treib das, so best er mocht, zůsammen. Wilbaldus wolt sich nit lenger saumen, erwuscht sein hirtentasch, stab und riemen, eilet dem dicken wald zů, schloff unnd kroch in grossen sorgen durch alles gestrip und rauhen dornhecken, zerriß und zerzert sich fast übel, also das im sein gantzer leib verseret was. Dann er meynet nit anders, dann sein meister ritt, umb in zů suchen.

Der meister kam zůletz auff die walstatt, auff welcher sein zerrissen und erbissen vieh lag. Do sah er wol, das der wolff ein michel teil ob in gewesen, gedocht nit anderst, dann Willibaldus wer von in auch umbkummen. Er saumbt sich nit lang, reit zů hauß, treib mit ihm sein überbliben vieh; dann er sorget sich auch vor den wolffen.

Wilbaldus aber vor grossen sorgen und engsten gedocht [55] der wölff nit mehr, biß jetzund die finster nacht herinbrach. Do fieng ihm an der haß in bůßen lauffen unnd die katz den rucken auff; er růfft gott und all sein heylgen an, sie solten ime auß dem finstern wald helffen. Die nacht aber kam mit solcher finsternüs, das er keinen sticken mer sehen kondt. Das gantz holtz daucht in voller bären und wölff sein. ›Ach gott‹, gedacht er, ›wo soll ich auß! Steig ich auff einen baum, so bin ich wol sicher vor den wölffen und wilden schweinen. Wer frist mich aber vor den graussamen bären und lüchßen, deren dann gar vil in disem wald seind! Nun ist mein leben all mein tag in grössern geforen nie gestanden. Ach warumb hab ich meines meisters nit gewartet und den todt williglich von irnme gelitten! So were ich doch nit ein aaß der wilden thieren worden.‹

Als er nun in solcher grossen angstbarkeit mancherlei gedenckens ward, stig er doch zůlest auff einen hohen baum, legt sich in ein starcke zwürchgabel, band sich selb mit seinem gürtel daran, damit, so er entschlieff, nit herabfiel. Im aber kam dieselbige nacht kein schlaff in seinen augen, sunder was in grossen engsten und sorgen; die nacht was im so lang, als im all seine tag nacht je worden war. Sobald nun der bletlein eins von einem baum riß, meynet er, es wer ein wild thier oder sunst ein ungeheür. Er erschwitzet sich die nacht gar wol auff dem baum.

Sobald es nun tag ward, steig er von dem baum herab, gieng so lang, bis er auff ein gůten und getreibnen weg kam. Der furt ihn auß dem wald an ein seer groß wasser, Wiell genant; daran ligt ein statt, heyset Dobrin. In die kam er gantz schwach und hüngerig. Er gieng für die burgersheüser, bat sie umb brot durch gottes willen. Von ungeschicht begab sichs, das der sewhirt in der statt keinen knecht hat; der dinget in umb einen lohn. Deß war er gar fro. Also dienet er im so wol, eh dann ein vierteil eines jars hinging, macht er ihm andre kleider, damit er sich vor dem frost und regen mocht bewaren und erneren. Er gab ihm auch baß under die zen dann der bawr, bey welchem er vor gewesen was.

Jetz wend wir Wilbaldum bei seinem hirten bleiben lassen und sagen von der köstlichen hochzeit, so zů Boßna an dem [56] hoff ward gehalten, als Fridbert und Felix zů kirchen gangen sein.

18. Von der herrlichen hochzeit

18.
Von der herrlichen hochzeit, so zů Boßna an des hochmeisters hoff gehalten ward den beiden junglingen zů gefallen, auch wie sie so reüchlich von dem hochmeister auß wurden gesteürt.

Es was jetzund die zeit vorhanden, das man alle ding, so zůr hochzeit von nöten was, zůrichten solt. Der hochmeister ließ einen freien hoff außrüffen in seinem gantzen land, damit alle ritter und graffen, so ihm underworffen waren, erschinen und einmal freüd und kurtzweil hetten. Es ward auch ein groß jagen und beyssen auff allerley wiltpret angestelt; da wolt niemans der bößt sein. Also kam in kurtzen tagen ein grosse zal wiltprecht von hirschen, rehern, schwine und beren, das sich menicklich darab verwundren thet. Die kuchen wurden auffgeschlagen in einem schönen weiten baumgarten. Darinn wurden vil zelten auffgeschlagen, under wellichen man essen unnd trincken solt.

Als nun bestimpter tag kam, an welchem die hochzeit solt gehalten werden, do ist nit zů sagen, was köstlicheit erscheinen thet von frauwen und junckfrawen; die kamen gantz zierlich bekleidt mit perlein, gold und silber umbgeben. Do hort man vil trommeten, herbaucken, zincken, harpffen, lauten unnd gigen; in summa alles seytenspils was da ein überfluß, do hort niemant sein eigen wort. Es kam jetzund die stund, das man zů der kirchen gon solt. Der hochmeister gyng zů fordrist, Fridbert gieng im zů der rechten seiten unnd Felix zů der lincken, die fůrt er bey iren henden. Ihnen volget gleich auff dem fůß nach Gottlieb, der alt ritter, in grossen freüden; mit im gieng der obrist hoffmeister des hochmeisters; denen volgeten graffen, ritter und knecht an grosser zal. Zůlest kamen die zwo schönen vermelhten junckfrawen auff einem kostlichen [57] vergulten wagen gefaren. Dem wagen volgeten noch vil ander köstlich und schöne wägen nach, all mit schönen junckfrawen und frauwen besetzet.

Do sie nun für die kirch kummen, zůhand ist do gewesen ein ertzpriester, hat erstlich Fridberten und sein liebste junckfraw mit schönen worten ermanet, was der ehlich stand, auch wie und wer den ingesetzet, auch wes sie sich in sollichen heyligen stand halten sollen. Demnach er nun ein gůte zeit mit in geredt, hat er den göttlichen sägen über sie gesprochen und in die kirchen gefürt, da dann das ampt gar herrlich mit lieblicher music volbracht ward.

Nach dem ist man zů tisch gangen, jeder nach seiner wirdi gesetzt worden. Was aber do für kostlicher speisen und trachten fürgetragen worden, bedunckt mich zů schreiben nit von nöten sein. Es näm ein jeder selb acht, wie es bey gemeinen hochziten zůgaht. Do můß nummen der vollauff sein, man vergißt aller armůt. Wann man zůr hochzeit einkaufft, seind alle freünd gantz willig; do find mann vil vettern und basen, die alle helffen hüner und genß zůtragen. Braut und breütgam müssen schöne schauben, röck, hosen und wammeß haben; in ist kein tůch zů theür, wann nur der kauffmann ein breiten fůß hat und borgen will. Dann seind wir zwen oder drei tag in fraw Venus berg. Wann dieselbigen rumb seind und es an ein rechnen und bezalen gaht, so kummen wir in die rechnung, können nit drauß kummen, müssen vil an der hochzeit nachziehen; der wein und ander ding ist noch nit bezalt. Da sieht man kein baß noch vetter mehr, so die hüner, genß, kälber und anders hand helffen kauffen, ja, aber nit bezalen. Wolan, so faren wir dann auß frauw Venus berg in sant Patricius fegfewr; und eh das jar umb kumpt, so wolten sie, es wer noch anzůfahen. Diß bleib also.

Als nun der imbiß im besten was, trůg man für der beyden braut tisch ein schönen hohen stůl, der was bedecket mit einem roten carmasein; den stalten vier ritter gegen den beyden breüten, das in mencklich sehen mocht; niemant aber wußt, was dis bedeüten wolt. Es was aber ein schönes weites gezelt, under welchen die breüt saßen sampt dem merern teil frawen und junckfrawen. Darumb nam im der hochmeister [58] für, die zůgab, so er beiden brüten geben, wolt er für frawen und junckfrawen spieglen unnd nit vor den mannen, damit es nit under alles volck käm; dann er wol wußt, das die lieben frewlein verschweigen und ein ding bey in beliben lassen. Und obschon bey weilen [eine] ir lieben gefetterin etwas offenbart, sagt sie doch zůvor: ›Lieb gevatter, ich het euch etwas zů sagen, wann ir reinen mund haben wolt.‹ Sodann sagt die ander: ›Ach mein liebe gevatter, es soll bey mir behalten sein als in euwerem eignen hertzen.‹ So sagt dann jene: ›Lieb gevatter, in euwerem hertz geredt!‹ Sagt ir damit den handel. Das bleibt verschweigen, biß sie zů einer andren kumpt. Diß alles wußt der hochmeister wol, darumb meynt er nit von nöten sein, sein fürnemen vor den mannen zů erzeigen.

Es kamen jetz die vier ritter oben gemelt; deren jeder trůg ein schönen grossen vergulten kopff, in deren jedem waren tausent stück golds. Vor inen her gieng ein herolt und zwen trummeter. Der herolt růfft vor meniglich die gaben unnd schencken auß. Demnach satzten die vier ritter die gaben auff gemelten stůl, und mit genummen urlob von junckfrawen und frawen zugen sie wider davon. Alsbald nun das mal ein end nam, jede frauw zů ihrem gemahel eilet, alles, was sich verlauffen hat, baß bericht, dann wann er es selb mit augen gesehen het.

Nachdem nun das wasser auff die hend genummen ward, ist ein schöner tantz gehalten worden, der hat geweret biß auff das nachtmal. Demnach das auch mit gar köstlicher speiß unnd dranck volbracht ward, unnd wider ein neüwer dantz bey vilen wintliechten gehalten worden.

Da jetzund die stund der rhů kummen, hat man braut unnd breütgam mit grossen ehren schlaffen gefüret. Darnach ist auch jedermann an sein rhů gangen, habend die überig nacht mit süssem schlaff vertriben. Das hoffgeseind aber hat, erst, nachdem herren und frawen schlaffen seind gewesen, weydlich uffgeschepfft; da ward erst Lorentz keller.

Die nacht vergieng, und der ander tag erschein jetz mit klarem schein. Da fieng man an von neüwen dingen die malzeit gar köstlichen zů bereiten. Der hoffmeister befal an seinem hoff den jungen edelleüten, das sie auff den kunfftigen [59] tag sich rüsten solten unnd ein gesellengestech anrichten; welcher dann under inen den preiß behielt, dem solt ein kleynot verert werden zů seinem danck. Deßgleichen ordnet er den ritknechten ein danck, das was ein kleid von fůß auff; die solten mit stumpffen schwerten in einem schrancken zů roß kempffen; welcher dann sich am baldisten dumlen kondt, dem solt die gab, so bey sechs ducaten wert was, geben werden. Zům dritten gab ein gemeine ritterschafft den schildtbuben auch ein kleit auff dreyer ducaten wert; die můßten in einem schrancken mit lidrinen kolben, so gantz hart außgefüllet waren, kempffen on alles harnasch und mit blossen heubtern, nichts anders dann hosen und hembder an und schlaffhauben auffhaben; das dann gar ein kurtzweiliges sehen was. Es warde auch der edlen und gräffinnen junckfrauwen etlich elen damast außgaben, darumb můßten sie lauffen; welche dann mit ersten das zil erreichet, deren ward ein semlicher damast erteilet.

Diser und deren gleichen kurtzweil wurden auff diser hochzeit vil getriben, darvon dann gar vil zů schreiben wer; wils aber underlassen. Wer aber ein semlichs zů wissen und sehen begert, mag das an eines jeden fürsten hoff nach seinem gefallen erfaren. Die hochzeit weret bey den acht tagen, das niemant von hoff schied, biß die acht tag verscheinen. Da nam jedermann urlob von dem hochmeister und reit wider heim. Fridbert und Felix läbten in grossen freüden mit iren beiden gemeheln, also das sie in kurtzen tagen ir selb schwanger empfunden, davon dann erst grosse freüd entstund.

Diß bleib also, und wend jetz wider an unsern Wilbaldum kummen, wie es im ergieng.

19. Wie Lottarius eines nachtes dem Wilbaldo erschein

19.
Wie Lottarius eines nachtes dem Wilbaldo erschein in gantz jämerlicher gestalt, mit gebunden henden und einen strick an seinem hals habend, wie und was er mit Wilbaldo geredt hat.

Wilbaldus in seinem stat also an dem hirtenampt gar wol [60] und fleißig studiert, so das er seinem meister nit meer umb gelt veil was. Sein meister was ein grosser kunstner under den hirten geacht; dann er gar wol auff der sackpfeiffen rauschen kondt. Das begert der gůt Wilbaldus auch von seinem meister zů leren; das er in dann mit gůtem willen underricht. Er ward auch in kürtzer zeit sein meister mit dem edlen seytenspeil übertreffen; dann wann er darauff spylet unnd jetzund mit der sackpfeiffen rühet, sang er gar wol darin. Er hatte auch noch ein füncklin und gar kleines stücklin von dem schůlsack behalten, also das er offt eigene liedlein unnd rymen dichtet. Ward zůletst der kunst so frey, das er sich des hirtenstabs abthet und sich allein seiner sackpfeiffen und singens begieng, meynt, es stund dannocht ein wenig baß dann gar bettlen, wiewol es fast schwester und brüder mitnander seind. Niemans aber soll sagen, das es gebettlet sei; sunst müsten sich die geiger und pfeiffer, so mit den silbren schilten umbziehen, übel schamen. Von einem schloß, statt, wirtzhauß zů dem andren ziehen, singen, gigen, pfeiffen und sprechen; demnach legen sie ein teller auff den tisch, schweigen still. Was man git, nemmen sie das; das ist je nit gebettlet, aber sunst auff die hurst geschlagen. Darumb fieng das der gůt Wilbaldus auch an.

Auff ein zeit saß er und dicht im des tags ein lied zů seiner sackpfeiffen, in welchen er allen seinen unfalh anzeiget, und fürbindig beschalt er den Lottarium fast übel, umb das er ein ursach was all seines leidens. Das gedacht lied werd ir nachmals hören, wann sichs schicken wirt.

Als er nun des nachtes mit seinem vieh heimgefaren was unnd nach dem nachtmal gantz müd nider zů bett gieng, nit lang lag, mit disem schlaff gefangen hart enschlaffen thet. Zůhand daucht in in seinem schlaff, wie er ein erschreckens menschlichs bild sach vor im stan mit zitterndem leib und angsthafften geberden; das sagt stetz zů im: ›O Fridberte, Fridberte, deines Wilbaldi, deines Wilbaldi!‹ Von solchem trurigen růff ward er sich in seinem schlaff gar übel förchten; [61] was im stetz, wie er mit krefftiger stimm mort schrey, kond aber nicht schreyen. Zůlest aber gerat im ein schrey, und schreigt mit lauter stimm, so das er darvon erwacht, sicht und greifft umb sich nach dem bild, do was aber gar nichts. Er lag in enstlichem schweiß gantz forchtsam, wünscht offt, das es tag würdt, domit er mit seinem vieh zů fäldt für. Zůletst entschlieff er gar hart widerumb; so kumpt im für noch ein grusammer gesicht, dann das forder gewesen was. Dann er sahe den Lottarium gantz scheinbarlich für im in dem schlaff; seine beiden hendt waren im auff seinem rucken gebunden, ein langen strick an seinem halß tragen, gantz ellender unnd tödtlicher gestalt. Er sagt mit schwacher heyßerer stimm: ›O Wilibalde, Wilbalde, weh mir armen Lottario! Wie hat mir mein bößheit so übel gelonet! Erstlich wolt ich meinem lieben vatter nicht volgen, befliß mich aller bösen stuck, diebstals, liegens und betriegens; zůlest aber ach leider ist mirs dohin geraten, das ich zů miner grossen ellenden schand dem hencker biß an den leichten galgen hab volgen müssen, daran mein leib den rappen zů einer speiß worden ist. Dich hab ich leyder von deinem vatter hinweggefürt und in groß armůt, in deren du jetzund bist, brocht, darumb du dich dann nit unbillich über mich zů klagen hast. Ich bitt dich aber, lieber Wilbalde, wöllest deinen zorn gegen mir ablassen und mir verzihen, domit mir mein arme seel zů rhůen kumm.‹ Mit dem geredt verschwand das gesicht.

Wilbaldus erwachet vor lauter grossem schrecken unnd forcht; er sah gantz forchtsam umb sich, unnd als er nichts sehen kond, zoh er sein haupt under die deck, lag also ungeschlaffen, bis der tag anbrach. Da stund er auff, nam sein zeüg, als teschen, stab und horn, gieng auff alle straßen, bließ den mägten, auff das sie das vieh triben solten. Als er nun in das feld kam, gedacht er dem gesicht gantz fleißig nach. ›Allmechtiger gott‹, gedacht er, ›wie mag das immer zůgon? Ist im also, wie ich in meinem schlaff gesehen hab, so hat Lottarius ein böß end genummen. Wolan, sein schalckheit hat in verfürt, und er mich armen ellenden Wilbaldum zů einem verlaßnen menschen gemachet. Nun ist mir dannocht besser und ehrlicher meiner früntschafft, ich neer mich [62] mit dem hirtenstab im ellend, dann das ich also eines schantlichen und ellendigsten todts sterben solt oder gestorben wer. Möcht ich allein den tag und stund erläben, in deren ich mein liebsten herren und vatter, deßgleich mein liebe můter einmal sehen möcht, ach ich wolt gern ir geringster diener unnd knecht sein, mich keines brachts noch hoffart nimermer underziehen. Wolan, ich will mein hoffnung und trost zů gott meinem herren setzen; ich weyß, er würt mich nit verlassen und mich wider in meines vatters hauß bringen, wie er dann auch dem verlornen son geton, dem ich mich dann gentzlich vergleichen mag, dieweil ich mein gůt und hab mit schnöder und üppiger geselschafft bin on worden. Ach gott, wer doch mein herr und vatter auch eines semlichen demütigen hertzens, das er mich armen nackenden verlaßnen son mit barmhertzigkeit auffnäm, wie dann gemelter vatter seinen son auffnam! Er aber, mein vatter, würt mir nit so leichtlich gnaden, dieweil ich on alles sein wissen und wider seinen willen von im gelauffen, darzů meinen getreüwen zůchtmeister so übel verwundet. Nun wolan, ich wils einmal wagen. Nimpt mich mein vatter in gnaden auff, habe ich gott wol zů dancken; legt er mich dann in ewige gefenckniß, hab ich grösser übel, verschuldt. Jedoch wil ich lieber bei im in gefengnüß verschlossen mein läben schliessen, damit er mir doch mein groß mißthat vergebe, dann also in einem freyen läben im ellend bleiben. Solt ich also in ungenaden meines vatters beliben wie wolt ichs ewig gegen gott verantworten, dieweil er in dem vierten gebott haben wil unnd gebeüt, vatter unnd můter in ehren zů haben! Darumb ist besser, ich geb mich gegen meinem vatter in wol verdiente straff, dann das ich erst in den zorn gottes fall und mein arme seel in ewige gefencknüs bring unnd verpfend.‹

Sollicher gedancken hat der gůt Wilbaldus gar vil und mancherley, tag und nacht satzt er ihm für, urlob von seinem meister zů nemmen; er was bey im gewesen in das zweit jar, hat jetzund etwas lons verdienet, mit dem er meynet wol biß in sein vatterland zů zeren.

Eines tages kam sein meister an in, begert, er wolt sich noch weiter zů ihm verdingen. Wilbaldus sagt ihm sein entlich [63] fürnemen, das er willens wer heimzůziehen; er sagt im auch darbey, wie er in das ellend kummen, vil gůts verthon, was stammens unnd nammens er wer, und in summa so erzalt er im sein gantz histori, darab der hirt ein groß und mercklichs verwundern hatt. Wilbaldus was von art gar ein wol proportzionierter jüngling, so was er auch gantz suberlich mit im selbs, dabei der hirt wol abnemmen mocht, das nit gar nichs an der sachen sein kond. Er gab im gütlich antwort auff sein begeren unnd sagt: ›Mein lieber Wilbalde, dich beger ich an deiner wolfart nit zů hindren. So mir auch wissen gewesen wer, das du eines solichen geschlechts und herkummen werist, ich solt dich zů keiner solichen růhen arbeit haben kommen lassen; dann du in unser statt noch wol von adel finden soltest, so deinen vatter seer wol kenneten; dieselbigen dich gern auff wurden genummen und zů ehrlichen dienst dann ich dich gebraucht haben.‹ Wilibaldus sagt: ›Liebster meister, ir solt mir glauben, das ich euwer dienst gar über die maß fro gewesen; bin auch von euch auß grossem triebsal auffgenummen worden, sonst weyß ich nit, wie mirs gangen wer. Desselben bedanck ich mich größlich. Gott laß michs verdienen!‹

Also bezalt in sein meister, der hirt. Er nam sein sackpfeiff, gesegnet sein meister unnd frauwen; er zog von Dobrein scheiffet über den flüß Wiel, kam in ein grosse statt mit nammen Vladißlavia, da was vil herrschafft. Wilbaldus brauchet sich mit seiner sackpfeiffen, so bests er mocht. Wann er dann in ein herberg kam, vereret man in bald, damit er nur hinweg mit seinem seytenspil käm; dann es lautet so gantz jämerlich, das im niemans verstendigs zů mocht hören. Noch dannocht kam sie im offt gar wol; so er ungefor den imbiß erreychet, hieß man ihn zů dem gesind oder reitknechten sitzen; die hatten dann ir fatzwerck mit im. Wann er sich dann bedencken ward, wer unnd von was ältern er herkummen, thet es ihm fast weh; dann er gedocht: ›O lieber gott, het ich meinen vatter und zuchtmeister gefolget, dörfft ich nit jedermans narr und fatzmänlein sein, ich seß jetzund bey erlichen herren an ir taffel, het knecht und diener, so auff mich müßten warten. Jetz aber bin ich der wenigsten schiltbůben fatzman.‹

[64] Das ist noch brauch an allen höffen, ja in eines jeden schlechten edelmans hoff, auch bei andren herren. Hilfft schon gott etwan einem armen frummen einfeltigen menschen, das er von der herrschafft ongefatzt und ungespeyt bleibt, mag er doch von iren suppenfressern unnd federklübern nit hinkummen. Gedencken wenig, das man gewont ist zů sprechen: ›Jung ritter alt bettler, jung köch alt breter‹. Es schlecht aber dannocht offt derselben speyvögel ein einfeltiger auff ein schellen, das ihm alle seine schellen klingen werden und eim offt gesagt würt von einem torechten, das er selb wol weyßt. Das bleib also.

20. Wie ein grosser tag in der statt Vladißlavia ward

20.
Wie ein grosser tag in der statt Vladißlavia ward, Fridbert und Felix werden als commissarien von irem herren dohin gesant. Wilibaldus kumpt von ungeschicht in die herberg, dorin sie liegen, singt vor dem tisch in sein sackpfeiff. Fridbert bitt in, das er nit mer pfeiff, allein das liedt noch einmal sing; des würt im Wilibaldus zů willen.

Wan das glück einen stürtzen will, kan er zů hoch nit sitzen, es wirfft in zů boden; will es dann einen erheben, mag er so dieff im kot nit ligen, es kan im haraußhelffen. Also wirt es dem gůten Wilibaldo jetzundt auch gon, wie ir hören werdt.

Dann es fügt sich auff ein zeit, das ein mechtiger landttag zů Vladißlavia gehalten ward; dahin schicket der hochmeister beide, Fridbertum und Felixen, als commissarien. Als sie nun ein gůte zeit da lagen, begab sich eines tags, das sie frölich waren bey andren grossen herren und gsanten, zů tisch sassen; kumpt der gůt einfeltig spylmann mit seiner sackpfeiffen unnd singt sein liedlein. Der Fridberten noch Felixen nit erkant, dergleich sie ihn; sie beid aber mercketen gar eben auff sein gedicht.

Als er nun außgepfiffen, sagt Fridbert: ›Mein lieber spylmann, [65] sag mir, hast du diß lied von einem andren gelert, oder ist es von dir selb gemacht?‹ Antwort Wilbaldus: ›O mein lieber herr, ir solt mir glauben, was ich in disem lied sing, semlichs alles ist mir unnd noch vil ergers zůhanden gangen. Dann ich jetzund mehr dann zehen jar in grossem ellend umbgezogen bin; ich solt, demnach ich von jugent auff erzogen bin, einem stein erbarmen. Mir gedenckt wol, das ich ein gar lieb kind was, kond nimmer unrecht thůn; wer mich schalt und strieff, den hasset mein liebe můter. Das aber hat mir nit grossen nutz brocht, sunder in alles mein ellend, darin ich gewesen bin, gesetzet.‹

Fridbert sagt: ›Lieber spylmann, von wannen bistu lands her?‹ Antwort im Wilbaldus: ›O lieber herr, das zimpt mir nit zů sagen; dann sich meine älter mein schammen müßten.‹ Spricht Fridbert: ›Ich bitt, wöllest uns dein liedlein noch einmal singen. Sodann soll dir von mir und disem gůten herren ein verehrung werden, die du zů grossem danck annemmen wirst.‹ Felix war des auch gar begirig zů hören.

Also fieng Wilbaldus an und sang mit lautklingender gůter stimm sunder die sackpfeiffen, damit sie in des bas verstan mochten; und wiewol er sein tauffnammen verendret hat, damit man in nit erkennen solt, hat er in doch in disem lied zů fordrist unnd an vil orten heinin geflicket. Darauff sie beyd ein sunder gemerck hatten; dann er an seiner gestalt nümmer het mügen erkant werden; so bleich, schwartz und mager was er von dem gůten läben worden, so er in der zeit gehabt hat. Er nant sich mit seinem nammen Heintz Ontrost; dabey namen sie ab, das er sich seines rechten namens verlucknet hat. Ir keiner aber thet dergleich, als wann er in erkennet; so kam im auch gar nit in seinen gedancken, das sie beid in so grossen ehren [und] wirdin solten sein. Dann er zůvor wußt, das sie von schlechten armen groben ältern geboren waren, gedacht nit: Darnach man stelt, darnach es felt; nach dem gerungen, nach dem gelungen.


Wilbaldus singt sein liedlein:

1.
Will bald hie singen ein gedicht;
Wie mir beschicht,
[66]
Mags noch manchem beschehen :,:
So dann in meinen orden trit,
Will volgen nit
Und niemans übersehen :,:
Ob schon das glück mit falschem blick
Ihm geben thůt so grosses gůt
Durch sein arglistigs brechen.
2.
Will bald derselb ein juncker sein,
Setzt dapffer nein,
Sein gütlein hat kein dauren :,:
Verzert, verspilt sein hab und gůt,
Sucht im ein můt
Bey nassen knaben, lauren :,:
So aller schand kein schühens hand,
Groß speil unnd schwier ist ihr manier,
Fressen, sauffen on trawren.
3.
Will bald ein end das gütlein han,
Fahend sie an
Heimlich rauben und stelen :,:
Etwann feinden sie iren wert,
Strick, hencker, schwert
Kan in gar höflich strelen :,:
Dann wirt zů spat dem gůten rhat
Zů volgen nach, den man vor floh;
All ihr anschleg thůnt fehlen.
4.
Also giengs auch mir jungen mann;
Ein Lottar han
Ich gfolgt, das thůt mich reüwen :,:
Er leydet mir meins vatters leer
Unnd andrer mehr,
So mich meynten mit treüwen :,:
Lieff von ihn weit, hat kurtze zeit
Ein lichten můt; als nun mein gůt
Zergieng, thet man mich scheüwen.
5.
Der wirt jaget mich auß behend,
In dem ellend
Můßt ich mein zeit verzeren :,:
Leer, kunst, wyßheit hat ich veracht,
Treib nur mein pracht,
Zletz můst ich anders leren :,:
Můst hirtlein sein der kelber, schwein,
[67]
Umb harte speiß brauchen gůt fleyß,
Das ich mich möcht erneren.
6.
Im reiffen, rägen, wind unnd schnee
Gschach mir offt wee,
Meynet offt zů erfrieren :,:
Ein ledersack und hirtenstab
Was all mein hab,
Damit můst ich mich zieren :,:
Des nachts ich lag auff eim strosack,
Das wasser klar mein trincken war;
So kond mich Lottar fieren.
7.
Dis leid ich als gern mit gedult,
Wann ich nur huldt
Beim vatter möcht erwerben :,:
Ach solt ich in seir wonung sein
Ein diener sein
Biß an meins endes sterben :,:
Von gott so seer bitt ich nit mehr,
Der helff mir bald semlicher gstalt;
Sonst můß ich gar verderben.
8.
Will bald helffen der sehepffer mein,
So will ich sein
Beim vatter kurtzer stunden :,:
Dem geb gott in sein hertz und gmüt,
Das er in güt
Barmhertzig werd erfunden :,:
Dann so wolt ich gwiß schicken mich
Semlicher gstalt, das den Wilbald
Kein Lottar solt verfieren.

Finis.

Als nun Fridbert der cantzler und Felix von Wilbaldo das liedlin von anfang bis zům end vernummen, hatten sie gar keinen zwifel mehr, Wilbaldus wer selb zůgegen, darumb sie sich dann des weinens kummerlich mochten entheben. Sie namen den gůten sackpfeiffer zů in an den tisch, hiessen, in nach allem seinem lust dapffer essen und trincken. Sollichs nam er zů grossem danck auff; niemant aber sunst an der tafell wust die ursach, warumb dise zween trefflichen mann sich des unachtbaren pfeiffers so hoch annamen. Fridbert, so [68] offt er Wilbaldum anschawet, leiß er alzeit einen schweren seüfzen von seinem hertzen gon. Des namen die andern herren offt war, jedoch wolt in niemant fragen. Wilbaldus aber achtet sein nicht; dann er müst den schlemmer singen.

Als aber nun das maal vollendet waß, Fridbert und Felix auffstunden, namen iren sackpfeiffer, furten in zů einem goltschmit, bestelten im zween schöner silbriner schilt zů machen und ir beider wapen dorin zů schmeltzen. Sie befalhen auch Wilibaldo, das er auff sie warten solt, solang sie in der statt Vladißlavia bliben, sie wolten im kein mangell lassen; so es im dann geliebt wer, das er mit ihn in ir heimnat ziehen, wolten sie im ein ehrlichen dienst schaffen oder ihm selb underschleiff geben. Das gefiel Wilibaldo fast wol; er wußt aber nit, wohin sie ihn füren wolten. Er hatt täglich sein auffrit bey inen, wartet auch gantz getreülich uff den dienst; dann sidher er in Brobant gewesen und selb juncker gesein, was es im nie so wol umb das maulfůter gestanden. Siner deckelsammen und geflißnen dienst konden sich Fridbert unnd Felix nit genůgsam verwunderen, sagten offt zůsammen: ›Warlich, Wilibaldus hatt einen besseren zucht- unnd leermeister gehabt, dieweil er nit zů Boßna gewesen ist, dann dieweil er bei seinem vatter was. Warlich, die armůt ist ein meisterin, verwente můtwillige kinder zů züchtigen. Hett im sein můter selig den zaum nit so weit gelassen, es wer ihm dohin nymmermeer kummen.‹

Sie hetten beid fast gern gewist, ob Wilibaldus wissen gehabt het, das sein můter mit todt abgangen was, wüsten aber die sach nit anzůgreiffen, dann sie je nit wolten, das er sie erkennen solt biß zů seiner zeit, wie ir dann hören werdet.

Uff ein zeit, als sie beid müßig unnd aller geschefft entladen, furten sie Wilbaldum zů dem goltschmit, lößten im sine schilt, wolten versůchen, ob er sie tragen wolt. Ach gott, der gůt arm zittell hatt jetzund alles seines adels vergessen. So man an in ein narrenkappen zů tragen gemůtet, er hett die mit willen getragen; so gantz wol hatt ihn die armůt, angst und not gebutzet. Als er nun die schilt angehenckt, fůrten sie in für die stattporten uff einen grünen anger, fiengend in an mit subtilen griffen anzůzepfen, kondten aber nichts von im [69] erfaren. Allein erzalt er in, wie es im von anfang ergangen was, als er von Antorff hat müssen weichen armůt und scham halben, dieweil er erstlichen so grossen pracht triben, auff dletz aber den wirt kummerlich bezalen mocht.

Als er ihn nach der lenge erzelet sein ellend und trübsall so er erlitten, hat Fridbert angefangen sagen: ›Es ist in verscheiner wochen ein edelmann in unser herberg gelegen, der uns vil langer weil vertreiben und mit seinen gůten schwencken und historien gekurtzt hat; so ich recht behalten hab, ist er in der statt Boßna an dem hoff. Under anderem erzalt er uns ein histori von eines ritters son; demselben ist es gleich gangen wie dir armen sackpfeiffer, und fürwar wann du dich mit nammen hettest genant wie gemelter rittersson, glaub ich gentzlich, du derselbig werest.‹

Wilbaldus einen grossen seüfftzen von seinem hertzen gon ließ: ›Ach mein herr,‹ sagt er, ›ich bitt, ir wöllen mir dieselbig histori erzalen, damit ich vernim, das noch mehr armůtseliger vögel seind dann ich.‹ Er aber begert das nit darumb zů hören, das solche histori von einem andren sagt; dann er an allen worten wol abnam, das er eben des ritters wolgeratner son was, von dem Fridbert gesagt hat; allein begert er heimlich zů erfaren, wie sich sein vatter und můter nach seinem abscheid gehalten.

Fridbert hat auch keinen zweiffel mehr, dann das er eben der Wilbaldus wer, von dem er sagen wolt; darumb sprach er: ›Nim war, mein lieber sackpfeiffer! In der statt Boßna, nach laut des edelmanns sag, wonet ein ritter mit nammen Gottlieb, ein fümäm mann an des hochmeisters hoff, der hat in seinem betagten alter ein schon zuchtig edel reich weib genummen, bey welchern er ein einigen son geboren und erzucht hat. Denselbigen genant er Wilbaldus, welchen er mit grösser liebe aufferzogen, einen jungen knaben im zů gefallen und geselschafft von einem bawren genummen, in gleichem fleyß bey einem zuchtmeister erhalten, bey welchem sie in gleichen tugenden zůnamen, biß so lang der jungling Wilbaldus an ein bößen lockvogel sich henget, seines vatters und zuchtmeisters straff vernicht und gar in den wind schlůg. Zůletz, als der vatter seins sones groß verderben sehen, ward er ihn seinem [70] zuchtmeister in scherpffere straff bevelhen. Als ihn nun derselb bei üppiger bößer geselschafft fand, understund er in mit der růten zů züchtigen. Wilbaldus aber von seiner bößen gselschafft dermaß abgericht, wolt solche straff nit leiden, sunder stach sein zuchtmeister mit einem messer durch ein sehenckel und wundet in gar hart. Solcher ursach halben dorfft er für sein vatter nit mehr kummen, lieff also mit einem seinem gesellen, so ein außerleßner diebischer schalck was, wiewol von frummen eltern, darvon, hielt sich ein zeit lang nit weit von der statt Boßna bei einem wirt, dohin im sein můter groß gelt schicket, biß er zůletst weiter kummen, do er von seiner můter nit meer mocht erfaren werden. Als aber der vatter die můter offt darumb schalt, das sie dem son so weich was gewesen und darzů sie iren son nit mehr erfaren kond, ist sie auß grosser kummernüß in ein tödtliche kranckheit gefallen und bald darnach gestorben. Der ritter aber soll sich noch in seiner behausung mit seins gemelten sons gesellen halten, der jetzund ein schon jung reich weib hat. Wo aber Wilbaldus im land sey, mag sein vatter nit wissen. Diser gemanet mich an dich; dann wol möglich ist, es gange im gleich so trübselig als dir.‹

Damit beschloß der cantzler Fridbert sein red. Wilbaldus aber manchen tieffen und schweren seüfftzen von seinem hertzen gon ließ, und sunderlich, als er seiner lieben můter todt vernummen hat, mocht er sich des weinens nit mehr erhalten. Jedoch was er so gantz geheb, das er nicht schnellen wolt, allein sagt: ›Gott verzieh dem son, das er ein ursach ist an dem todt seiner můter! Ich aber warlich sorg meiner můter gar seer.‹

Als aber Fridbert und Felix an im verstunden, das er sich so lenger so weniger zů erkennen geben wolt, seind sie wider in die statt gangen in ir herberg und zůsammen allein in einen sal gesessen, aldo mitnander sich zů beraten, durch was mittel sie doch den Wilbaldum möchten gen Boßna bringen. Fridbert sagt: ›Es ist ein sorg, wann er sich selb erkennet, das er in seinem vatterland ist, würt er gewißlich nit dem vatter under augen kummen. Darumb so wir etwas nahe zů der statt kummen als auff zwo oder drey meil, wend wir [71] uns annemen, grosse unnd ehaffte geschefft treiben uns bey nacht zů reiten. So mir dann zů der porten kummen, schließt man uns die bey der nacht auff. So reiten wir mit im in unserer schwiger behausung; do würt er sich nit erkennen mögen.‹ Das ward also von in beyden beschlossen.

21. Wie Fridbert und Felix Wilibaldum den sackpfeiffer bei nacht

21.
Wie Fridbert und Felix Wilibaldum den sackpfeiffer bei nacht gen Boßna bringen und morndiß etlich freündt, herren, sampt dem alten ritter zü gast laden; Wilbald in einem nebengemach sang und pfeiff, wußt
aber nit, wo er was.

Es hatten sich jetzund alle geschefft geendet, jedermann rüst sich wider heimwartz zů riten. Fridbert und Felix fragten iren sackpfeiffer, ob er mit in wolt. Er was sein gar wol zůfriden, fragt nit weiters, ob er reiten, faren oder gon můst; sie aber machten in beritten. Als sie nun aller ding ferig wurden, zalten sie iren wirt, ritten den nechsten weg heimwarts zů. Auff der strassen hatten sie gar vil freüd mit irem sackpfeiffer. Als sie nun auff zwo tagreissen waren geritten und Wilbaldus sein gasthütlein gegen der beiden herren knechten abgezogen, fieng er sie an fragen, wo doch ire herschafften ir wonung hetten. Das aber was ihn zůvor von beiden herren verbotten; dorumb sie dann Wilibaldum mit geschyden und listigen worten abweisen. Der gůt stockfisch gelaubett alles, das man im sagt.

Sie waren jetzund nicht weit mehr von Boßna. Der ein knecht ward zůvor geschicket, ihr zůkunfft zů verkünden, dann sie bey nacht erst kummen würden, dorumb solt man ir an der porten warten. Wilbaldus in im selb heimlich dencken wardt: ›Diß mögen wol seltzam herren sein, das sie erst nachts in die statt reiten wend und deß tags wol zeit genůg hetten. [72] Warlich ich sorg, sie haben nichts gůts im sinn. Wie, wa sie ir kuntschafft wüßten und mich etwan einem kauffmann zůstalten, so mich auff ein galleen schmiden ließ! Sie sehen, ich bin jung und starck; solche gesellen, wie ich bin, bezalt man theür. Sie möchtend auch wol selb kaufleut sein, die mit solcher war umbgiengen. Wann ihm also wer, wolt ich, das mich die wölff im holtz hetten fressen oder aber mich mein meister bey dem zerrissenen vieh funden, het mich an einen baum gehenckt. Dann weger wer einmal gestorben dann allen tag leiden und nit sterben können.‹ Sollich gedancken umbgaben in so starck, das er gantz verdocht saß, auff nichts kein acht hat.

Diß hat Felix bald wargenummen und ihn bey einem arm gezopfft, mit lachenden mund gesagt: ›Heintz Ontrost, biß mannlich! Morgen můst du erst für recht gestelt werden.‹ Damit hand sie ir fatzwerck weiter mit im getreiben; unnd als es sie zeit daucht, seind sie auffgesessen, vollends auff Boßna zůgeritten. Nun schein der mon ein wenig, so das man kein gantz eigentschafft eines dings darbey erkennen kond. Noch dannocht, als sie gar nahend hinzůkamen, beduncket Wilbaldum, er hett die statt vor mehr gesehen; noch meynt er nit, daß es Boßna wer, fraget Fridbertum, wie die statt hieß. Der nant im die, aber mit einem andren nammen. Also ließ er sich aber settigen.

Sie kamen in Felixen schweiger hauß; bey deren wonet Felix und sein weib. Es was aber alle ding dermassen angestifft, das er gar nichts mercken kondt, wo er was. Sie wurden schon empfangen. Dann Felixen diener, so zůvor geritten, hat sie aller ding bericht; so erkanten sie auch wol, das all ir wolfart von disem Wilibaldo harreychet, wiewol es im nit so wol als ihnen geraten was.

Fridbert als er abgesessen und seine stiffel abgezogen, hat er urlob von dem alten ritter genummen sampt seinem weib, zů seinem schwager Felixen gangen, damit sie die nacht vollend freüd mit irem sackpfeiffer hetten. In summa es ward ein köstlich mal zůgericht; und als man zů tisch saß, satzt Felix den sackpfeiffer oben an, neben ihn die beyden jungen frauwen, die dann beyd wol wußten, wer er waß, aber gar [73] nit dergleichen thetten; sie treiben vil gůter riß mit ihm. ›Allmechtiger gott‹, gedocht Wilbaldus, ›was wil doch hierauf werden? Dise herren bieten dir groß zucht unnd ehr; entweder es würt dir gar übel oder gar wol gehn. Wolan, sol mirs dann übel gon, wil ich mir recht vor einen gůten můt haben.‹

Als sie nun wol gessen und druncken hatten, sagt Felix zů seiner schweiger: ›Fraw můter, nimpt euch nit wunder, was ich euch hie für ein gast brocht hab?‹ – ›Sicher nein,‹ sagt sie, ›dann ich sich wol, er ist ein spylmann; das zeügen seine schilt.‹ – ›Ja fürwar,‹ sagt Felix, ›besser sackpfeiffer habend ir in all eüweren tagen nie erhört. Damit ihr aber meinen worten glauben, so lond im sein sackpfeiff bringen! Da werdend ir wunder vernemen.‹ Alsbald brocht man im den sack; Wilbaldus fieng an von seiner wanderschafft zů pfeiffen und singen. Darab in die weiber gnůg freüd namen, sunderlich freüweten sich auff den kunfftigen tag, wie er sich halten wolt, wann er seines vatters ansichtig würd. Die nacht was jetzund mehr dann halb hinweg; darumb begert jedermann an sein rhů, damit sie den morndigen tag in freüden und kurtzweil möchten volnbringen.

Als es nun tag worden und der alt ritter sampt Fridberten auffgestanden, hat in der alt ritter erstlich befragt, wie es im auff der reyß gangen sey. Fridbert antwort mit freudiger stirnen und lachendem mund: ›Allerliebster herr, ir sond wissen, das wir ein wunderbare reyß gehabt. Dann von ungeschicht haben wir meinen lieben brůder, eüweren son Wilbald, funden in einem gar seltzamen stand, des ir euch dann nit gnůg wert mögen verwunderen, so ir ihn sehen wert, das ich dann hoff in kürtze zů beschehen.‹ Gottlieb, der gůt alt mann, wiewol er in grossem zorn gegen seinem son wütet, noch dannocht erregt sich das vätterlich hertz in im, als er von Fridberten aller sach bericht ward, das ihm seine augen übergingen. In groß mitleiden fiel unnd bewilliget also Fridberten an der stett, das er seinem son Wilbaldo vergeben, doch in der gestalt, das er als ein diener bei ihm wonen solt, dieweil er sein gůt vor langem verthon hat.

Felix in solcher zeit all ding nach notturfft anschicket, etlich gůt herren und freünd zů gast lůd; die gantz willich [74] kamen, dann ihn Felix newe zeitung zů sagen versprochen hat. Es ward auch ein seer schimpflicher imbiß darauß, in welchem von etlichen seer gelacht, den andren geweynet ward. Dann der alt ritter sich gantz spat im imbiß sehen ließ; so hat Wilbald zůvor niemant erkennet, biß im sein vatter zů gesicht kam; do erkant er sich erst.

22. Wie Felix und Fridbert ein schimpflich mal zurichten

22.
Wie Felix und Fridbert ein schimpflich mal zůrichten, etlich gůt herren und freündt darzů laden, deßgleich Gottlieb, den alten ritter, der im halben essen von dem tisch gieng, Wilbald hineingerüffen, zů dem tisch gesetzt ward, Gottlieb nach langem in den sal kam; wie es weiter gieng.

Die herren und gůten freünd, so zů gast geladen waren, kamen sampt iren weiben. Felix in einen nebensal ein taffel für die diener hat zůrichten lassen; bey denselbigen saß auch der sackpfeiffer. Felix befal in, er solt seinen mitgesellen gůt arbeit machen und sich auch beyweilen mit seiner sackpfeiffen hören lassen, damit seine herren und gest auch lichtsinnig davon wurden in dem andren sal. Deß was Wilibaldus gutwillig. So offt man ein richt brocht, sang und pfeiff er leichtsinnig darzů.

Als es nun in halben essen was, staht der alt ritter von dem tisch auff; niemans aber in dem saal wußt von dem anschlag dann der ritter, deßgleich Fridbert und Felix sampt iren beyden weibern unnd der můter. Sobald der alt ritter hinwegkam, saget Felix: ›Lieben herren und frawen, wer es euch nit verdrießlich, ich wolt euch unsern spylmann herinbringen. Ir solten gůt schwenck von im erfaren; weyß auch, eh dann diser imbiß zergoht, ihr wert seltzam obentheür von im hören, darbey erfaren, wer er ist.‹ Das gefiel ihn allen seer wol. Felix brocht in bald an den tisch mit seiner pfeiffen. Als er ein kleine weyl gepfeiffen, hat in Felix gemanet, sein lied allein zü singen.

[75] Wilbaldus in allen dingen gehorsam was, sang von heller luter stimm, versahe sich aber nit, das im sein vatter so nahend was. Welcher wider in den saal geschlichen, sich zů den weiberen an ir taffel gesetzt hat, seinem son den rucken wendet, damit er nit von ihm gesehen würd. Von allen denen, so in der gastung waren, ward genůg gelachet; wann Wilbaldus hat jetzund wol getruncken unnd seines leids gentzlich vergessen. Er was fast gůter schwenck, des ihm dann der gůt alt ritter auch heimlich lachen můßt, thet aber nit dergleichen, das im der sachen wissens were.

Als nun Fridberten zeit bedaucht, das der gůt sackpfeiffer sich einmal selbs erkennen möcht, sagt er: ›Heintz Ohntrost, lieber, sag uns doch die warheit, wo und in wellichem land meynstu, das du und mir all jetzund seiend? Möchtest du auch in einem solchen dienst beharlich bleiben, auch solcher haußmanskost zů gůt haben? Oder belanget dich wider in deines vatters hauß, so scham dich nit, zeigs uns an! Wir wend dir alsam beholffen und beraten sein. Doch můst du uns zůvor den nammen deines vatters, land und statt, in deren du erzogen und erboren bist, anzeigen.‹

Wilbald mit einem grossen seüfftzen anfieng und sprach: ›Allerliebster und getreüwister herr mein, wie mag ich immermer umb euch verdienen des freüntlichen erbietens, so ir mir gethon, ich geschweig der gůtat, so mir schon widerfaren ist! Das ihr mich fragend, ob mir gefall bey euch zů bleiben, darzů antwurt ich, wo mir solche gnad von euch widerfaren, kan ich umb gott nimmermehr verdienen. Das ir aber fragt, ob mir lieber wer bey und umb meinen lieben vatter zů wonen, so sag ich, wann gott geb, das mir mein lieber vatter verzihen, wußt ich kein grösser freüd in aller welt, so mir lieber sein möcht; ich wolt mich gern den ringsten under seinen dieneren achten, mich nit als sein son, sunder als ein gekauffter eigner knecht halten. Damit aber ir vernempt, wer ich sey, darzů mein vatterland unnd meines vatters nammen erkennen, so wißt, das in der statt Boßna mein vatter wonet, ein frummer alter ritter; unnd ich bin eben der Wilbaldus, ein ungehorsammer son, von welchem euch der edelmann gesagt hat in der statt Vladißlavia. Das ich aber meinen nammen [76] verendret hab, allein darumb geschehen ist, das ich besorgt hab, man würd mich erkennen; und so dann mein frummer herr und vatter erfaren, das ich in solchem ellend umbzogen, er möcht sich des so hart kümmern und dardurch in kranckheit und unmüt fallen. Dann mir ist unverborgen, das alten betagten mannen nichts schedlichers dann der zorn sein mag. Wo ich dann ursach zů seiner kranckheit gebe, wie wolt ichs immer gegen gott verantwurten? Dann ist im, wie ir von dem edelmann verstanden habt, das mein liebe můter mit todt abgangen, we mir, wo will ich mit meiner armen seel hin, dieweil ich schuld an irem jämerlichen sterben getragen!‹

Als er semlichs geredt, fieng er an bitterlichen zů weinen, dardurch er sie allsampt zů weynen bewegt. Als sich nun Fridbert wider erholet, sagt er: ›Wolan, mein lieber Wilbalde gehab dich wol! Dein herr und vatter ist mir nit unbekant. Du solt in in gar kurtzen stunden mit deinen augen sehen.‹ Gottlieb der ritter mocht sich auch nit lenger erhalten, stund, auff von dem tisch, an welchem er saß, gieng zů seinem son-und mit gantz bekummerten hertzen sagt er: ›O du mein un, ghorsammer son, weh mir, das ich dich ye gezogen hab! Ach, warumb starbest du nicht in deiner kintheit! So werest du nit ein ursach gewesen an dem todt deiner můter, so wer ich auch meines grossen gůts nit so gar beraubet, welches du mir gar schantlich und lasterlichen verton.‹ Wilbaldus von grossem schrecken nit wußt, wo er was, dieweil er seinen liebsten vatter reden hort. Er saß gantz erstumbt, als wann er ein stein gewesen wer; antworten kond er gar nicht, so kond er auch nit fliehen. So was dem ritter jetzund vor freüd und leyd sein sprach auch gelegen.

Fridbert, welcher gar ein weiser verstandener mann was, gedocht im, wie er sie beid getrösten mocht. ›Strenger lieber herr und vatter,‹ sagt er, ›ich bitt, wöllet semlichen unmůt fallen lassen und gedencken, wie man den sachen thůn mög. Was hein ist, mag herwiderbracht nimmer werden. Euwer haußfraw ist in ewigem läben, hat alles unglück, angst und not überwunden. Hat Wilbaldus das sein üppigklich verthon, so hat er das auch in grosser armůt wider gebüßt. Lottarius, der schantbůb, ist auch umb sein vilfalten bösen stück an [77] dem galgen erworgen, wie dann allen lotteren billich geschehen soll. Darumb, strenger lieber herr, nemmen zů gnaden mein lieben brůder und gesellen! Dann er mag euch in eüwerem schwachen alter noch zů grossem statten kummen. Sein armůt, angst und not würt in dermaß gewitziget haben, das er arges nimmer gedencken würt.‹

Von solchen worten ward Wilbaldus etwas ermundert worden, stund auff von dem tisch, fiel seinem vatter zů fůssen und sagt:

23. Wie Wilibaldus seinem vatter zu fußen falt, gnad an in begeret

23.
Wie Wilibaldus seinem vatter zů fůßen falt, gnad an in begeret, und wie ihm der vatter sein mißhandlung verzeihet.

›O mein hertzallerliebster herr und vatter, verzeihet mir armen ungehorsamen son! Nempt mich durch gott zů gnaden auff, nit als einen son, sonder als den geringsten stalbůben! Ich wil mich aller arbeit, so niemans thůn will, underziehen, domit ich nur underschleiff in eüwerem hauß haben mag. In keinem beth beger ich nimmer zů schlaffen, allein vergünnet mir under dem tach bey den pferden in dem stall zů wonen! Dem wenigisten diener will ich als meinem herren gehorsamen.‹ Als Wilibaldus semlichs geredt, hat er sich gen den gesten gewendet, sie auff das hertzlichest gebetten und ermanet, im umb seinem vatter helffen gnad und verzihung zů erwerben. Das sie dann all mit höchstem fleiß vollbracht haben.

Also hat im der alt ritter gentzlichen verzeihen, doch das er nümmer wider ihn thůn solt, sunder Fridberten als seinen herren in allen gebotten gehorsamen. Des im Wilbaldus gar große freüd nam, diewyl er jetzund Fridberten und Felixen erkennet, die er dann vormals gar nit kennen mocht. Als nun alle sachen in das beste verwant, sind sie von news [78] zůsammen gesessen. Aldo hat Wilbaldus nach der leng sein außfart, wanderschafft unnd begangnus erzalen müssen, deß sie inen all groß kurtzweil namen.

Zületst sicht er Felixen, seinen schulmeister, mit einem großen unnd schweren seüfftzen an und sagt: ›O Felix, mein getrüwster ratgeb und schulmeister, wie hab ich die getrüwe warnung, so ir mir geton, so mit ungleichem bößem lon vergolten! Wie mag ich uch mit frölichen augen ymmer ansehen! Weh mir, das in die schantlich geselschafft deß Lottari je kummen bin! Dann er mich durch seine arglistigen vilfaltigen bösen anstifftungen zů aller ungehorsamme gebracht hat. Ich bin durch sein eingeben zů verdserbung und grossen spott kummen, meiner allerliebsten fraw můter beraubt worden. Ich, der dem vätterlichen gůten getrüwen raht nit volgen wolt, so mir mein liebster herr und vatter geben thet, müßt zůletst einem armen groben hirten in aller unsuberkeit volgen, in kaltem wind, regen und schne min zeit vertriben. Edler richer kostlicher speis wolt ich mich in mins vatters hauß nit settigen lassen, můßt mich aber an minem hirtendienst mit ungeschmaltzen kraut und růben benügen. Samat unnd siden waß mir zů gering zůr kleidung, der zůletst ein zwilchin sack über meine schultern gespannen zů grosser noturfft für gůt nam, domit ich mich vor dem frost erwören unnd behelffen mocht. Darumb dann billich alle knaben, edel und unedel, ein bispyl ab mir nemmen werden und solcher bösen gselschafft abston, sich in kein solche ungehorsamkeit begeben. – O Fridbert, min allerliebster brůder, nun erkenn ich, weyß auch durch erfarnüß, war sein alle früntlich und brüderliche warnungen, so mir in meinen jungen tagen von euch empfangen; do aber was kein volgens nicht. Deß můß ich jetzund knecht und ir herr sein, das auch recht und billich ist. Grott sey gedancket, der mich zů Vladißlavia zů uch gefüret und mir wider zů sollichem schwert geholffen, so das mich [mein] herr und vatter in gnaden auffgenummen und ich euch alsampt in solchen grossen wirdin und eren funden, das mich dann meines leyds nicht wenig ergetzet.‹

Mit solchen worten machet Wilibaldus in allen die augen übergohn. So best es sie mochten, in trösten würden. Als nun [79] das malzeit ein end hatt, die tisch auffgehaben wurden, jederman urlob nam, zů hauß giengen. Wilibaldus volget Fridberten unnd seinem vatter auff dem fůß nach wie ein gehorsammer undertheniger diener. Er waß in beiden gantz willig unnd gehorsam, stetigs in sorgen stund, das er seinen vatter, den ritter, nit erzürnet.

Bald ließ im Fridbert schöne kleider machen. Also ward das verloren kind zů einem emsigen diener; sein thůn und lassen ward aller welt gefellig, nam wider zů an vernunfft unnd weißheit, welche zůvor auß verruchter böser geselschafft gantz an im verlosschen waß. Also wirt manches adelichs gemüt, dem es doch von natur angeboren ist, durch nichtige böse geselschafft corrumpiert an gůt und ehren, und kummendt aber deren gar wenig wider zů solcher erkantniß. Dann deren sind gar vil, so ich erkant hab, welche ihr gůt durch böße gselschafft vertohn, volgens alle erbarkeit, zucht und straff gantz verlassen, die untugent und laster angenummen; zůletst haben sie ire zuchtmeister am galgen und köpfbühel suchen müssen, doselbs jemerlich gezüchtiget werden.

Das lond wir beliben und wend witer sagen, wie Wilbaldus sein überiges läben zů end brocht hab, domit danoch die gůthertzigen, so etwan sich übersehen hant, ein bispyl bey im nemmen unnd wider zůr tugendt keren.

24. Wie Wilbaldus deß hochmeisters forstmeister ward

24.
Wie Wilbaldus deß hochmeisters forstmeister ward, unnd wie er sich so artlich und jegerisch auff dem gejägd gehalten hatt.

Erstlich haben ir das gantz läben, anfang und mittel gehört, wie und welcher gestalt Wilbaldus sein zeit herbracht hab; jetzund wend wir sein end und außgang auch besehen. Er wonet bey seinem vatter und Fridberten in grossen freüden, was gantz außrichtig in allen dingen. Diß gerucht von im erschal an deß hochmeisters hoff, der dann noch von seiner [80] widerkunfft nit gehört hatt. Er ließ den alten ritter für sich beruffen, befragt in aller ding seines sones halb; deß ward er gantz gruntlich von im bericht. Also befalch der hochmeister dem ritter, er solt im seinen son zů hoff schicken, er wolt in zů einem diener annemen. Deß der gůt alt ritter aber zůfriden was; er schicket Wilbaldum gen hoff.

Als in der hochmeister ersehen ward, fing er gantz gütiglich an zů lachen. Er befragt in gar eygentlich, wie es in ergangen, seid er von Boßna außgereyßt wer. Des alles in Wilbaldus gar eigentlich berichtet. ›Also‹, sagt der hochmeister, ›soll es allen bösen ungehorsammen sönen gelingen; sunst wirdend ir gar vil von vatter und můter lauffen und denselbigen gantz ungehorsam sein. Nun wolan, Wilbalde, dieweil du nun weyst, was armůt und eilend gethůn mag, wa es dein gelegenheit sein, wolt ich dich zů einem diener annemen. So mir dann die deinen dienst angenem sein wöllen, wirst du erfaren, das ich dich je von tag zů tag mit besseren und hohern diensten begaben und versehen will. Dann ich mit deinem vatter schon darvon geredt hab, in auch gantz willig funden. Du solt wyssen, daß mir kurtzlich ein forstmeister abgangen ist. So dir solch ampt anmütig unnd du lust zůr jägerey hettest, solt dir die forstmeisterey zůgestelt werden.‹

Wer was frölicher dann Wilbaldus, als er im jetz ein gnädig unnd geneigten herren wußt! Er nam das ampt zů grossem danck an, versprach dem hochmeister allen fleyß im forst und andren höltzern außzůrichten. Bald darnach stalt im der herr ein schönen gaul zů; deßgleich ein knecht, so stetig uff in warten und mit im reiten solt; demselbigen waren alle schlipff, weg und steg im gantzen forst, wiltnüssen und wälden wol bewußt, darumb ihn dann Wilbaldus dest lieber annam.

Als er nun urlob von seinem herren genummen, ist er eilens zů Fridberten gangen, damit er in seiner freüden auch teilhafftig machet. Er sagt: ›O mein lieber brůder, freüd euch mit mir! Dann das glück meynet es fast gůt mit mir; dann mich mein gnädiger herr zů einem dienstmann und forstmeister auffgenummen hat, mir auch ein weidlichen diener zůgestellet, so alweg uff mich warten [ist].‹ Sagt ihm dabey alle ding, was sein geschefft unnd befelch sein würd. Darab sich Fridbert [81] nit wenig erfreüwen thet, deßgleich Gottlieb, der alt ritter, insunderheit dieweil sie sahen, das sich Wilbaldus an seinem ampt so unstraffbar halten und gantz geflissen auff das wiltbret was. Nichts mocht sich vor im verbergen, es ward von ihm erspecht und zům jagen anbrocht, wiewol er manch hart obenteüwr darauff beston můst, als mit fressamen bären, wilden schweinen und andren grausammen wilden thieren. Also bleib er an solchem dienst lange zeit, das er manig stück wiltpret an den hoff brocht, so er mit seinem bogen und schuß fellet. So was sein diener auch sunderlich darauff abgericht; dann wann sie beid beynander waren, mocht kein bär noch wildschwein so gross sein, so in zů mechtig was, sie brochtens mit irer geschwinden und behenden geschickligkeit zů grund.

Einsmals aber begab sichs mit einer grausammen bärin, die hat junge in einem felsen, dieselbigen jetzund zimlicher größ und stercke waren. Sie kamen von ungeschicht zů dem hool und sahen zwen junger bären darvor gan, mit grossen steinen spilen und an der sonnen hin und her welgeren; sie klammen auch etwann auf die jungen tannbäum, damit sie ir stercke und geschicklicheit üben und brauchen lerneten. Wilbaldus und sein diener sahen in mit grossem verwunderen zů; die bärin aber was jetzund außgangen nach speiß. Wilbaldus und sein diener, als sie den jungen bären lang zůgesehen, seind sie zů raht worden auff sie abzůschiessen. Also hand sie sich nit lang gesaumet, ire beiden bogen auffgezogen und auff die jungen bären abgeschossen. Wilbaldus hat den einen getroffen, aber sein knecht, als er des andren gefelet, ist er mit grossem praßlen hinab zů thal gefallen.

Des ihn die alte bärin bald erhört hat und mit grosser ungestüm den berg hinauff irem hool zů gelaufen, die beiden jäger ob dem erschossnen bären ston funden, die sie mit grosser ungestüm angelauffen. Haben kein andre wehr mer, dann ire scharpfen schwinenspies zů hant genummen und sich zů weer gestellet. Als aber der diener seinem herren fürgesprungen ist, hat vermeynt die bärin zů erlegen, do hat sie im schnell seinen spies genummen unnd den zů kleinen stücken zerbrochen, die stang weyt hinunder verworffen. Der knecht [82] saumet sich nit lang, nam sein bogen, warff die bärin damit so hart auff den kopff, das ir davon getummelt. Wilbaldus ersahe das, zücket sein güte spies und stach die bärin auff stund zů todt.

Als sie nun die mit grossen sorgen überwunden, hand sie die beid, alt und jung, zůsam geschleifft, mit reiß und laub bedecket, auff ire roß gesessen, auß dem forst geritten, im nechsten dorff ein bawren bestelt, der in die beiden alt und jung bären auß dem walt gefürt, hand sie gen Boßna an hoff brocht nit mit kleinen verwundern aller deren, so sie gesehen hand, dieweil sie die sunder alle hund, seil unnd garn in dem forst gefangen unnd erlegt hatten.

Gottlieb, als er das vernam, kam er auch gen hoff, das übergroß thier zů besehen. Als er nun von dem knecht Wilbaldi vernam, wie sich alle sachen auff dem forst zůgetragen, hatt er heymlich in im selb gedocht: ›Ey du lieber Gott, wie seind deine urteil so wunderbarlich! Diser mein son můß gewißlich noch grosse far beston, dieweil du in in so manchen und grossen geferden bewarest. Ich glaub, das er zů einer seltzammen stund an die welt sey kummen. Wolan, ich bitt dich, bewar in alzeit vor schand und laster und gib im sunst zů schaffen genůg, damit er sein üppiges voriges wesen nit mehr anfoch!‹

Diß lond wir also beston. Dann solt alles gemelt werden, was Wilbaldo und seinem diener in forsten, welden, wiltnüssen und gebirgen zů handen gangen, es geb ein eygen bůch davon. Darumb wend wir weiter schreiben, wie es im sunst ergangen, wie er sich in ehlichen stand begeben, auch wie es seinem vatter, dem alten ritter, weiter gangen sey, deßgleichen Fridberten, dem cantzler, und Felixen, dem secretarien.

25. Wie Wilbaldus an seines vatters statt kam

25.
Wie Wilbaldus an seines vatters statt kam, und wie im der hochmeister ein reich weib geben hat.

[83] Als sich Wilbaldus an seinem dienst jetzt in das drit jar sampt seinem diener in aller dapfferkeit beflyssen und gar ein geschwinder jäger auff allerhand wiltpret ward, hat ihn der hochmeister fast leib gewunnen, sein dienstgelt und besoldung von tag zů tag gemert, also das er in kurtzer zeit wider ein barschafft zůsamenbracht. Dieselbig aber hat er mit grösserem fleiß zůsamen gehalten dann zů Glockaw in der Laußnitz und zů Antorff in Brobant, do er sampt dem Lottario so groß gůt vertohn hat. Als nun der hochmeister seinen ernst unnd kündigkeit ersehen thet, gedacht er im auch in ehlichen standb zů helffen.

Eins tags, als Fridbert, der cantzler, unnd Felix, der secretarius, ir geschefft bey dem hochmeister außgericht hatten und jetzund urlaub von im namen, wider zů hauß gon wolten, sagt der hochmeister: ›Fridbert unnd Felix, ir beid tragen gůt wissen, das ir von Gottlieben dem ritter in eüweren jungen tagen auffgenummen worden, der euch dann auß liebe, so er zů Wilbaldo seinem son getragen, im zů auffbawung und underweisung angenummen; er aber, Wilbald, von böser nichtiger geselschafft verfüret, also von der schůl unnd seinem vatter entloffen, groß gůt und gelt unnutzlich on worden, demnach lang zeit in ellend und armůt gantz trübselig gelebt hatt. Nun weyst ir wol, das sein ungehorsams leben euch größlich gefürdret und beidsammen nach seinem abscheit von dem alten ritter Gottlieben in grossem fleyß unnd kosten erhalten worden, so lang das ich uch beid durch flysigs anhalten deß ritters auff die hohen schůlen geschicket, demnach mit zweyen ehrlichen töchteren mit grossen heürotgůt versehen. So sind ir auch nit die geringsten an minem hoff worden. Das und anders wöllend zů hertzen fassen und dem gůten Wilbaldo mit gůtem raht vorstendig sein! Ir secht, sein vatter, der frum alt ritter, nimpt gar fast an seinen krefften ab und wirt je lenger je schwecher; so ist Wilbaldus ein junck stark unverdroßner junger. Denselbigen meynet ich anstatt seines vatters zů ordnen, damit er in in seinem alter spaaret. So mocht er auch von seinem vatter dermassen abgericht werden, daß es ihm all sein läben, solang er hoffmeister bleib, erschießlichen wer. Derhalb wer das mein meynung, das ir beyd euch [84] umbsehen wolt umb ein schöne junckfraw, so im gemeß wer. Onangesehen das er in seiner jugent so übel gehuset, er wirt sich in ein anderen stath schicken, sein armůt und ellend, so im zůhanden gangen, bedencken. Ich hab in dermossen im dritten jar an seinem ampt probiert, das mir gar nicht an im grawset noch zweyfelt. Hierauff so wyßt euch zů bedencken!‹ Damit endet der hochmeister sein redt.

Fridbert und Felix nach gethoner reverentz dancketen sie irem herren von wegen Wilbaldi, sagten im darbey, das sie nicht erwinden wolten der sachen nachzůtrachten, biß sie ein junckfraw oder witwen funden hetten, so im füglich und dienstlich sein möcht. Damit namen sie urlob von irem herren unnd freüweten sich von gantzem hertzen, das die sach umb Wilbaldo jetzund so wol stund. Sie befragten sich auch mit gantzem fleiß in aller statt, wo in ein junckfraw möcht angezeigt werden; do was aber keine, so Wilbaldo dienlich hett sein mögen. Diser anschlag aber waß Wilbaldo und seinem vatter gantz verborgen, dann also wolt es der hochmeister haben.

Nu was in der statt Boßna gewesen ein armer edelman, der hatt vil schöner töchteren gehabt; im aber waß von seinen eltern nit sovil verlassen, so hat er auch klein rent und gülten und wenig dienstgelt, mocht derhalben seine töchtern nit, nach dem sich gebürt hett, außsteüren, můßt sie also hin und wider in die frawenklöster thůn. Eine aber under disen gemelten töchteren was so fürbindig schon gewesen, das deren ein reicher kauffmann zů der eh begeret. Der vatter was willig, gab im sein tochter; die gewan der kauffman fast lieb, derglych sie in. Er aber ward in dem ersten jar fast kranck an einem tödtlichen feber; das umbgab in so streng und hart, das er sich zůlest gar zů beth leget unnd starb, verließ sein haußfraw mit schwangerem leib, die sich dann umb den tod ires herren fast übel gehaben thet. Sie gebar in kurtzer zeit hernach mit grossem kummer beladen, so das die frucht, so sie bracht, auch gar kurtzlich verscheiden thet. Deß sie in neüwes leyd und schmertzen kam, sich dermassen so übel gehaben ward, das niemant ir das leben zůsaget. Als sie aber durch gottes hilff, raht und mittel der ärtz wider zů krefften kam, [85] nam sie ir für also in witwenstot zů bliben. Sie besaß also das groß gůt, so ir der kauffman hat verlassen, ohn mennicklich irrung; und wann dann etwo ander jung gesellen kamen, umb die gůt fraw worben, schlůg sie es alwegen ab. Dann sie hat sich zů wyt gegen menigklich verredt und alwegen gesagt, sie wolt in dem witwenstaht beliben. Als ihr aber das leyd zům theil was vergangen, hett sie es gern gewacht, wo sie der nachred nit gesorgt het.

Die obgemelt wittfraw kam Fridberten erstlich zů gedancken. Er gieng bald zů seinem schwager Felixen, zeyget im sein meynung an. Das gefiel ihm auch fast wol. ›Ach gott,‹ sprach Felix, ›möchten wir den wagen nur einschalten, das die sach fürgieng! Dann ich sorg, die fraw werd sich nit bereden lassen, dieweil sie ir nach ires herren todt so entlich fürgenummen hat, in den wittwenstat zů verharren biß an ir end.‹

Antwurt Fridbert: ›Das aber irret mich gar nichts. So gwiß das ist, das die weiber lang hor und lang kleider gern haben, so gwiß tragen sie auch ein kurtzen sinn. Ach gott, wie fro würt sie werden, wann unser herr an sie werben laßt, er wöl sie wider mit einem gemahel versehen. Alsdann mag sie sich gegen menigklich entschuldigen, sie hab unsrem gnädigen herren seins ehrlichen begerens nit können abschlagen. Diß aber wer das best, wann im, dem Wilibaldo, unser gnädiger herr das hoffmeisterampt zůvor übergeb. Das wirds rößlin traben machen, wann die gůt frauw bedencken wird: Vor was ich eines kauffmans weib, jetzund aber seind mir fraw hoffmeisterein. Dann dir ist unverborgen, das alle weiber sich der hohen empter irer mann vil mehr und höher dann die mann selb überheben. Solches ist in anererbet von unser ersten aller můter; dann als der teüffel im paradeiß zů der Eva sagt, wo sie von der verbotten speiß essen, würden sie gott am verstand gleichen und wissen böses unnd gůtes, do was kein hindersehen mehr, der apfell můst vom zweig. Sich zů, dohin drang das weib nichts anders, dann das sie gern erhöcht gewesen. Du sichst und findest auch vil weiber, wann die schon etwann arm, ich sag schier gar verschmecht gewesen und kummend etwann durch glückes val zů grossen ehren und gůt, so ihn [86] dann derselbig mann abgaht, gedencken sie ire ersten armůt nit mehr; kein gemeyner burger darff nach inen reden; dann hand sie vor ein ratherren gehabt, hetten sie jetzund lieber ein burgemeister. Das alles můst du mir bekennen.‹

Felix sagt: ›Ich kan dir an dem ort nit widersprechen. Damit aber wir der sach einen anfang geben, so laß uns gen hoff gon! Dann jetzund finden wir unsern gnedigen herren müßig und aller geschefften entladen.‹ Also gingen sie beid gen hoff, brochten dem herren die sach für.

26. Wie Wilbaldus für seinen diener bat

26.
Wie Wilbaldus für seinen diener bat, das er ihn an sein statt kummen ließ und ihn zům forstmeister annem.

Fridbert sampt seinem schwager kamen an den hoff. Der hochmeister nam von stund an irer gestalt ab, das sie von Wilbaldus wegen kummen waren; er fragt sie zůstund, was ir geschefft weren. Sollich ward im nach der leng angezeigt, wie oben gehört ist, also das Wilbaldo erstlichen das hoffmeisteramt zůgestelt wurd, demnach verhofften sie an der frauwen zů haben, was sie begerten, so dann zůn ehren gelangen möcht. ›Diß,‹ sagt der hochmeister, ›würt dem handel ein rechte gestalt unnd ansehens machen.‹ Bald ward nach dem alten ritter geschicket, deßgleich nach Wilbaldo.

Als sie nun beyd zůgegen stunden, fieng der hochmeister erstlich an zů erzalen, was getreüwen dienstes ihm von Gottlieb widerfaren weren, klagt daneben seinen alter, das im nit wol müglich sein mocht sein dienst lenger zů verwalten; dann so er also stumpff davon käm, würd es dem gantzen hoff zů Preüssen hoch nachteilig sein; so aber gott der almechtig die sach wider dahin het kummen lassen, das Wilbaldus, der verloren son, wider funden und zů land kummen wer, deßgleich vil [87] angst und noth, müh unnd arbeit erlitten, wer er der hoffhung, er solt seine kindtschůh zertretten und zerbrochen haben und jetzund in seines vatters fůßtrit stohn; doch solt Gottlieb in allen dingen nicht minder dann vor geachtet sein, darzů sein besoldung vor als nach behalten, und wer auch das sein gröst begeren, das Wilbaldus sunder seines vatters rhat unnd wissen nicht vornemmen solt, sunder zů allen zeiten seines rahts pflegen, damit er den brauch des gantzen hoffs von tag zů tag underricht würd.

Do semlich der gůt frumb alt ritter vernam, von grossen freüden gieng im sein hertz über, und dancket seinem herren auff das zierlichest, so er immer mocht, befalh im darnach seinen son an seiner statt mit tröstlicher zůsagung, im in allen seinen geschefften berahtlich zů sein, damit an allen hoffradt nichts versaumet wird. Also ward der Wilbaldus, welcher vormals all armůt, arbeit, hunger und durst erlitten hat; obrister hoffmeister am hoff zů Preüssen. Fridbert unnd Felix wünschten im vil glück zů seinem neüwen ehrlichen ampt. Wilbaldus gedocht auch gantz treüwlich seines dieners, batt den hochmeister, er wolt in seiner ersten bitt geweren und seinen diener zů eim forstmeister machen an seiner statt. Das geschach nach seinem begeren.

Als nun dis alles beschlossen unnd vollend was, fieng der hochmeister weiter an zů reden: ›Wilbalde,‹ sagt er, ›damit unnd du spüren magst, das ich dein wolfart von hertzen meyn, so solt du wissen, es ist vorhanden ein züchtige, schöne und reiche witfraw, von edlen stammen geboren. Umb die will ich dir lassen reden, wo dir anderst die sach anmütig sein will. Damit du aber wissest, wer sie ist, will [ich] dir iren nammen zů verston geben. Sie heyßt mit irem nammen Marina und hat zůvor einen richen kauffman gehabt, welcher nit gar ein jar bey iren gelebt hat; sie ist gantz einig und groß reichtumbs gewaltig.‹

Sobald Gottlieb und Wilbaldus die wittfrauw horten nennen, hand sie die fast wol erkennet und von stund an dem hochmeister die sach gantz übergeben, darin nach seinem gefallen zů handlen. Sobald hat der hochmeister Fridberten als seinen geheimisten cantzler und Felixen seinen secretarien mit [88] freüntlichsten befelch und werbung an die frauwen geschicket, die dann zůvor gern Wilbaldus werbung gethon hetten, damit sein wolfart grünet unnd wůchs.

27. Wie der heyrot beschlossen ward

27.
Wie der heyrot beschlossen ward, unnd wie sich die wittfrauw so lang mit listen erweret, ihr aber doch gar nit ernst was.

Die beiden gůten jungen herren fügten sich zů der schonen witfrauwen; sie funden sie in irem laden irer kauffmanschafft außwarten. Fridbert ging heinin, thet ir sein reverentz, deßgleich auch Felix. Die frauw stund auff, gieng gar züchtiglich den beyden jungen herren entgegen, empfieng sie mit züchtigen geberden; dann sie kandt sie beide wol, wußt aber nit, was geschefftes sie bey ir wolten außrichten.

Fridbert sagt: ›Edle ersame tugenthaffte fraw, wir beyde unsers allergnädigsten herren diener haben auß seiner hochheit befelch ein werbung an euch zů bringen, bitten euch demůtig, wöllend uns beyd lassen gůte botten sein und tugentlichen verhören.‹ Die frauw von disen worten etwas schrecken empfieng, gantz schamrot vor beiden herren ston thet. Derhalb ir schein noch mer erschein; dann sich ihre wengling mit roter farb gar artlich vermischten, wie dann semlichs die natur mit sunderem fleyß an ihr gewürcket hat. Sie sprach mit züchtigen worten: ›Erenwirdigen herren, wo semlichs ein ehrliche und zimliche werbung ist, will ich sie von meinem allergnädigsten herren gern vernemmen. Wa es aber meiner ehren einigen mackel bringen solt, bitt ich durch gott, wölt mich semlicher werbung erlassen.‹

Fridbert gütlich anfieng zů lachen unnd sagt: ›Edle züchtige frauw, das sey ferr von uns, das wir euch oder andren edlen züchtigen frauwen ein werbung fürbringen, so nit ehrlichen und recht wer.‹ Die fraw sprach: ›Ein sollich vertrauwen hab ich entlichen zů euch.‹ Semlichs geredt fürt sie [89] die beyde herren in einen schönen sal, so gleich neben dem laden was, der was mit köstlicher und schöner tappitzerey behencket. Sie befalh irem diener, das er ein trunck bringen solt, saß darnach zů den herrn nider, die werbung von inen zů vernemmen.

Fridbert von erst an erzalt die langen getrewen dienst, so Gottlieb, der alt ritter, an des hochmeisters hoff so fleißig volbracht het, also das der hochmeister sein alter und schwacheit angesehen und sein son an sein statt gesetzt, das derselbig hinfürbaß hoffmeister sein solt, den er dann anstatt seines vatters alzeit in gnaden erkennen wolt. Nun wer nit on, Wilbaldus het sich in seiner jugent gar übel gehalten, het aber auch darob die allerschwerest bůß empfangen. Erzalt ihr darbey den anfang, mittel und end, wie er erstlich von seinem vatter gelauffen, wes er sich im ellend het genietet, auch wie sie ihn in der statt Vladißlavia funden, was sie für kurtzweil daselbs und auff dem weg gehabt hetten, item wie fast er sich gegen seinem vatter gedemütiget, nachmals der obrister forstmeyster in dem gantzen land Preüssen worden unnd sich drey gantz jar an solchem dienst so ehrlich und wol gehalten, das in der hochmeister zů einem obristen hoffmeister des gantzen hoffs zů Preüssen gemacht het. Von desselben edlen Wilbaldi wegen ließ ir herr an sie werben, bett sie auch, im sein erste bit, dieweil die mit ehren wol geschehen möcht, nit zů versagen; das wolt er sie zů aller zeiten in höchsten gnaden erkennen.

Die güt fraw, so jetzund auff vier jar in wittwenstand gewesen unnd noch wol eines ehrlichen mans wert was, gieng ir auch nit gar nach irem sinn; dann sie hat niemans, so zů iren sachen lůgen wolt, was ir auch nit möglich als zů versorgen.

Wie dann die gůten lieben frewlin gemeinlich sagen: ›Ach gott, mir schawt niemans zů dem meinen. Ja, wer das nit, ich wolt mein lebtag wittfrauw bliben.‹ Das gerot zům offtermal, zů zeiten aber widersinns. Dann manche gůte liebe witfraw, wann man ir von einem gestanden man sagt, der vormals in der ehe gewesen, geben sie zů antwort: ›Ach got, er ist alt, so bin ich nit jung. Wer wolt uns dann beide [90] müßig gon erziehen! Ich můß ein haben, der arbeiten und wefern mach und mir und meinen kinden das best thůt. Sunst nodt mir nach keinem.‹ Alsdann nimpt sie ein feinen jungen fratzen, des můter sie joren halben wol sein möcht. Derselbig gibt ir gůte süsse wort, als werens mit zucker überzogen. Das wert so lang, bis er als irs gůts bericht empfangen, was sie von kleinoten, barschafft und anders mer hab. Bald sie ims endeckt hatt, werden auß den hönigsüßen worten versaltzne unnd allerbitterste entzian. Er focht an schlemmen, spielen und brassen; redt sie ihm drin, sie můß geschlagen sein; er spricht: ›Ich heiß Hans im hauß, do hindurch můß oder brechen.‹ Wolan genůg darvon! Wir kummen wider uff die materi.

Die gůt witfraw oben gemelt, Marina genant, het sich gern lang geweret; do was kein ernst dobei; dann sie hat Wilbaldum zům offternmal gesehen, der was ein schöner junger gerader kerle. Sie dancket zů allerfordrist dem hochmeister, demnach den beiden gůten herren ir erlichen werbung, demnoch sagt sie: ›Erwerdigen lieben herren, ich will eüch mein hertz und gemüt in einer summa entdecken. Dieweil min allergnedigster herr disem jungen herren sein gantzen hoff vertreüwet, wie kan ich mich dann seiner ehrlichen werbung widersetzen! Hatt Wilbaldus sein jungen tag in můtwillen verzert, ist im wol zů verzeihen, dieweil er davon gestanden. Ist vil weger, dann solt er jetzund erst das gůt verlassen und das böß an die handt nemmen. Darumb gebt meinem gnedigsten herren vollen gewalt, in meinem nammen zů handlen nach seinem gefallen! Ich wil mich in seiner gnaden schutz unnd schirm gar ergeben haben.‹

Von disen worten wurden beide jungen herren größlichen erfreüwet. Sie bedanckten sich zům höchsten gegen der frawen, namen freuntlich urlaub von ir, giengen den nechsten wider gen hoff, funden iren herren sampt Gottlieben unnd seinem son noch beynander. Denen sagten sie, was ir werbung geschafft, darvon sie zů allen teilen große freüd empfiengen. Zůhand schůff der hoch teütschmeister, das auff den nechstkunfftigen tag hantschlag unnd kirchgang geschehen solt. Söllichs ließ er der frawen auch verkünden, deß sie [91] dann gar wol zůfriden was. Also ward alle ding, so zů einem so schnellen hochzeit von nöten was, gantz rühlich versehen.

28. Wie Marina auff einem hangenden wagen gen hoff faret

28.
Wie Marina auff einem hangenden wagen gen hoff faret, und sie der hochmeister selb zůsamengab.

Den andren tag des morgens frü verordnet der hochmeister, das sein fürnemstes hoffgesind zů hoff erschinen solt sampt ihren gemaheln. Die jung edel Marina ward von einer ehrlichen geselschafft auff einem wagen gen hoff gefieret, aldo von dem hochmeister dem Wilbaldo selb vermehelt. Demnach als auch der kirchgang geschehen was, blies man gar fürstlich zů hoff. Da hort man ein gethon von heerbaucken, busunnen und trommeten, davon die gantz statt erfüllet ward; aber wenig volck mocht wissen, was semlich freüd bedeutet. Darumb dann eins zů dem andren lieff, die ding zů erfaren. Also kam die mär bald auß; das ein redet gůts, das ander böß darzů; dann niemant lebt, er hat feind und frind.

Der imbyß ward mit grosser kostlicheit volbracht, nach dem ein schoner tantz angefangen von den züchtigen frawen. Als aber die dantzens müdt wurden, das doch selten geschicht, sind sie in ein schönen garten spatzieren gangen. Die jungen herren, so zů hoff waren, fingend an allerhand kurtzweil zů triben, einen schimpff unnd kurtzweil über den andren. Do spylt man das ballenspyl, dort stieß man den stein, an einem andren ort sach man gar ritterlichen fechten, ringen und springen. Die edlen jungen züchtigen frawen sangen ein reyen, aldo hört man manche süsse stimm ertonen. In dem garten stund ein schöner palast, in welchem vil schöner tisch gar reülich bedecket und mit kostlichem confect unnd lattwergen besetzet. In dem palast hort man die gantz musick; dann die cantores je eins umb das ander gon liessen, jetz mit instrumenten, darnach mit gesang.

[92] Marina die braut ward von dem hochmeister in den reichen palast gefürt. Sie sah an der wand ein schönes schochbret bret hangen: seine feldungen waren von edlen steinen außquartiert; das weiß solt sein, waren schöne durchsichtige geballierte cristallen, und was von schwartzen fierungen sein solt, das waren gar schone brune ammatisten. Die stein hiengen darbey in eim schönen ledlin, die waren mit grosser kunst unnd arbeit gemachet unnd von silber unnd gold underscheiden. Sobald Marina das spyl ersach, von grossen freüden erstarret sie daran. Deß nam der hochmeister war, fragt sie, ob ir das spyl kundtbar wer. Sie antwurt zůchtiglich: ›Allergnedigster herr, sovil einer armen frawen möglich ist zů begreiffen.‹ Zůhand nam er das bret und spyl von der wand, begert ein spyl mit ir zů ziehen, deß sie im mit züchten verwilliget.

Der hochmeister was in dem schochspyl so gefiert, das er sich den geschicktisten, so in gantzem Preüssen was, in gemeltem spyl schriben thet; semlich die holtselig und edel Marina gůt wissen trůg. Sie fiengen das spyl mit freüden an. Do ward kunstlich gezogen, die fraw was deß spyls gar sittig. Das nam der herr war und sagt: ›Marina, ich verstand an eüwerem ziehen, das ihr meiner stein unnd spyls verschonet; daran thůt ir mir ein kleinen gefallen. Ich gebüt euch, eüwer kunst, so besser ir kennend, zů brauchen. Dann es stallt gar übel, wann ein ritter eines fursten auff dem kampff-, renn- oder fechtplatz verschonet; noch minder ist zů loben, so ein fraw eines fursten ob dem spyl verschonet.‹

Von disen worten ward Marina gar behertzt und gedacht in ir selb: ›Ich wolt, es stünd ein gůte summa gelts darauff zů verlieren; wer dann am meisten kunst braucht, der solt sein gniessen.‹ Also fiengen sie das spyl erst recht an zů ziehen. Der herr zoch sein spyl auff das reübisch auß. Solches mercket die fraw, behielt ire stein in Ordnung, biß sie zeit bedaucht. Der herr raubt ir ein fenden. Das gibt sie gůtwillig nach, raubt im gleich darauff ein roch mit einem ritter und macht gleich den selben zug dem herren seinen künig schoch [93] und matt, des er sich gar nit zů ihr des spils versehen hat. Er sagt: ›Frauw, ihr habt mir ein künstlich schoch gebotten. Wolan, es můß diß speil etwas zů gewin ston, damit ihr eüwer kunst nit umbsunst außstreüwt.‹ Also satzten sie ein summa gold zů gewin. Die frauw brauchet allen fleyß, damit sie im obligen möcht, als dann auch geschah. Dann eh der herr sein stein halb zů feld brocht, ward er von ir schoch und matt.

Er bessert das gold mit einer grossen summa, begert das dritt spyl mit der frauwen zů ziehen. Des was sie willig. Als sie aber das auch gewan, do sagt der fürst: ›Fürwar, frauw, dis spils seind ihr ein rechte meisterin. Darumb gebürt eüch diß bret und stein baß dann mir. Nempt das gentzlich hin in eüwern gewalt! Ich můß bekennen, wiewol mir in langer zeit niemant obgelegen ist, so bin ich doch ein schlechter schůler gegen euch.‹

Die fraw die riche schenckung zů grossem danck annam. In dem kam die zeit des nachtmals; das ward in dem schönen garten und palast volbrocht in grossem freuden und wolust. Als aber das ein end nam und die duncklen wolcken jetzund auß dem mör steigen, hat sich jederman zů rhů unnd schlaff geschicket, urlub von dem hochmeister genummen, heim zů hauß gangen, die nacht mit freüden und süssem schlaff vertriben.

29. Wie der alt ritter Gottlieb von diser welt schied

29.
Wie der alt ritter Gottlieb von diser welt schied, und was er seinem son für gůte leren vor seinem end geben hab.

Die hochzeit und fäst weret etlich tag, davon nit not ist zů schreiben. Wilbaldus und sein liebste gemahel lebten in grossen freüden fridlich und freüntlich mit einander; dann was ein jedes begert, das wolt das ander. Sein vatter Gottlieb ward von in in grossen züchten und ehren gehalten; so hat in sein sonsweib Marina über die massen lieb und wert. Das [94] wert so lang, biß Marina eines schönen jungen sons genaß, davon der alt vatter groß freüd empfieng.

Aber daß unstet glückrad, welches seinen ungewissen lauff nicht verlaßt, mocht dem gůten alten man solche freüd nicht lang vergunnen. Dann eh das kind eines jars alt was worden, legt sich der gůt frum alt ritter nider zů beth und ward fast kranck unnd seer abnemmen. Davon sein son unnd sonsweib grossen kummer unnd hertzleid empfiengen; sodann auch der hochmeister unnd alles hoffgeseind seines niderkummens sich hart klagten. Ward davon Wilbaldo sein leyd und kummernüß größlich gemeret, wann er bedocht, wie lieb unnd wert sein vatter von menigklich, jung und alten, armen und reichen, gehalten gewesen was; ursach, das er in seinem ampt den armen mann nie beschwert hat, sunder mit gantzem ernst ein solchs verhüten thet. Darumb er von reich und armen hart beklagt ward. – Er underwiß und ermanet auch alweg seinen son, er solt sich vor tyranny und hoffart wol verhüten, dieweil hoffart unnd tyranny iren rechten und gewissen ursprung von dem vermaledeyeten teüffel hetten. Er befalh im auch, sein lieben gemahel schon und ehrlich zů halten, dann sie in in groß reichtumb und ehr gesetzt het. Er bat in auch ernstlich, so [gott] im die frucht, so er im geben hat, leben ließ, solt er sie in der forcht gottes aufferziehen, damit die kinder in tugenden auffwůchsen, solt sie auch mit gantzem ernst von böser gesellschafft abziehen, damit sie nit von inen verfürt vatter und můter verliessen, wie dann er auch gethon hatt; dann durch sein ungehorsam hett er vatter unnd můter in jamer, angst unnd noth gesetzt, auch sein liebste můter umb ir läben brocht. Sollichs alles zů vermiden, solt er seine kinder in der forcht aufferziehen, gůt exempel vortragen, sie in der jugent anheben biegen, den zaum nicht zů bald auff den halß legen, so lang biß sie zů verstand kämen und zeit [zů] verhyraten were; so wurd ihm und ihnen von gott glück und gnad vilfaltig verluhen werden hie zeitlich und dort ewig.

Als nun der gůt frumm alt ritter meynet, seines belibens wer nit mehr, schicket er sich, wie einem jeden frummen christenmenschen zimpt, schickt nach Fridberten dem cantzler und nach Felixen, befalhe in seinen son, auch sein liebste sonsfraw [95] und kinder, batt sie auch, das sie sich in iren diensten nit minder früntlich gegen jedermann erzeigen solten, dann wie sie bißher geton hetten; dann gott würd des armen zwancksal, so im wider recht gescheh, nimmermehr ungerochen lassen; darumb solten sie das kurtz läben in diser welt bedencken, welchs gegen dem ewigen läben nit eins augenblickleins lang ist zů schetzen. Er befalh in auch, sie solten ihm seinen liebsten herren auffs freüntlichest gesegnen. Und als er nun sein sachen allsammen auff das fridlichest hat außgericht, ist er gantz lieblich auß disem jamertal verscheiden, wie man dann gemeinlich spricht: Welcher wol läbt, der stürbt auch wol.

Also ward ein groß und jämerliches klagen umb disen theüren und frummen ritter. Er ward auch gantz wirdigklich und ehrlich, von allem volck zů Boßna zů grab getragen und jämerlich geklaget, insonders aber von seinem herren, dem hochmeister, welcher dann nit lenger dann ein jar nach im lebet.

Wilbaldus aber belib an dem hoff bey andren hochmeistern. Er ward ein fast fürnemmer werder mann in gantzen Preüssen. Sein haußfrauw gebar im vil schöner und lieber kinder, knaben unnd töchterlin. Die alle worden gar schon und ehrlich nach der leer seines vatters; sie liessen keines under ihn allen die zeit müßig vertriben, sunder můst ein jedes, nach dem und es von gott begnadet was, arbeiten leren. Die töchteren leret ir můter erstlichen spinnen, demnach neben, wircken, sticken, sticken und weben; dann sie wol kondt ermessen, das müßiggang nichts gůts geberen thůt. Dann als künig David müßig auff seines palastes zinnen spatzieret unnd ersahe Bersabeam müßig in wolustigen wasser baden, was kam anders darauß, dann sie beid im ehbruch versuncken und ein grosser mort dadurch gestifftet ward? Die Dina, als sie müßig spazieret, die töchtern der Sichemiten besehen wolt, ward von Sichem, des Hemors son, übergeweltiget und irer junckfrawschafft beraubet, darauß nachvolgens ein seer große mannschlacht ervolget hatt. Diß alles kondt die fürsichtig und edel Marina wol ermessen; darumb sie dann ire lieben kinder und tochteren zů subtiler kunst unnd weiblicher arbeit [96] aufferziehen thet. Sie ließ auch auff der harpffen, clavicordium und andren junckfrewlichen sinfonyen gar kunstlich underrichten, damit sie auch beyweilen ire müden und schläferigen geister erquicken möchten.

Nit weniger beflyß sich auch Wilbaldus gegen seinen sünen; sobald sie immer zů verstand kamen, schicket er sie zů schůlen. Wann sie dann nach seinem beduncken erwachsen waren, welcher dann lust und liebe hatt zů studieren, den ließ er bey der schůlen bliben. Do er aber erkennen kondt, das sollichs umbsunst was, nam er sye, nachdem sie wol lesen und schriben konden, harauß, lernt sie ritterspyl triben, desgleichen jagen und beytsen und als ander weydwerck, ließ in auch kein ander geselschafft zů dann kinder, so seinen gleichformig in tugent aufferzogen waren.

Fridbert und Felix lebten gar ehrlich unnd wol mit iren weibern unnd kindern. Sie hielten sicli auch die zeit, diewil sie umb einander lebten, gar brüderlich und freüntlich mit Wilbaldo. So hatten auch ire kinder grosse freuntschafft zůsammen, als wann sie blůtverwante freünd mitnander weren gewesen.

Als nun Wilbaldus lange zeit mit seiner liebsten gemahel Marina hauß gehalten und freuntlich gelebt, seind sie zůletst seliglichen gestorben, iren kinden groß hab und gůt verlassen. Also auch die zwen redlichen und gelerten mann Fridbert und Felix nach langem läben verscheiden seind. Gott der almechtig verlüh allen gleübigen die ewig freüd unnd seligkeit, in disem zergencklichen läben frid und einigkeit und am letsten ein seliges end, nach disem läben das ewig läben! Amen.

Beschluß

Beschluß.

Jetzund hand ihr, lieber günstiger weyser herr Antoni, das, so ir langest an mich begert. Grott wolt, mein verstand, welcher fürwar klein ist, het sich in dem und andren euch zůgefallen werter erstrecken mögen! Es ist aber diß mein [97] büchlein allein euch und denjenigen gemachet, so mein wolmeynung verston und zů gůt anemmen; den andren aber, so nit erkennen wöllend, warumb oder was ursach dis büchlein an tag geben, verachten und vernichten das, denselbigen sol diß büchlein nicht gemacht sein. Gleich als wann einer über landt ziecht und kumpt an einen gůten und wolgebanten pfadt, veracht denselbigen und zücht darfür oder gaht ein ruhen und bößen karrichweg, demselben ist der gůt weg auch nit gemacht, wiewol er den vor im gesehen hat. Dann gewissz bin ich, das dis mein ringes büchlein, wiewol das niemant zů nachteil, schand oder schaden reychen wirt, es doch von etlichen ungetadlet nicht mögen hingon.

Wenig gedencken, so man das etwann in teütschen schůlen braucht und die jungen darauß lesen leren, das sie dannocht bey etlichen beyspilen ein schrecken empfahen und sich dester mehr in zucht und forcht irer schůlmeister geben werden. Dann so ein gůthertziger knab lesen würt, was disem Wilbaldo auß sei nem unfleyß und ungehorsam für armůt, trübsal zůhanden gangen, nimpt auch darin ab, wohin der bübisch Lottarius zůletst seinen gesellen Wilbaldum gefürt, ja zůletst, als er nichts mehr hat, gar von im verjagt und verstoßen und aber er, der lottersbůb, nach vilfeltiger seiner bößen stück an lichten galgen erhenckt worden; item er bedenckt noch ferner, was grossen ehren, glücks unnd selden den zweyen bauwrensönen, als dem Fridbert unnd Felixen, von fleißigen studieren und gehorsame irer herren und schůlmeister widerfaren ist, so müst es freilich ein verrůcht hertz da sein, wann es nit so bald dem gůten und mer dann dem bößen volget. Darumb ich mich gar nicht irren lassen will. Ein yeder urteil nach seinem gefallen; dann wort schlagen weder wunden noch bülen. Sagt schon einer, wo ich die geschicht erfaren hab, würt er mich on antwurt nit finden. Dann ich würt sagen: Bey unser jugendt sihe ich noch täglich derglichen. So findt man auch noch vil der ältern, so ir kinder zucht und straff nit sehen noch hören wöllen, sehen sie schon den hencker all tag solch galgenvögel zům thor hinaußfüren. Gott geb gnad, das sich die juget besser und in der forcht auffwachs!

[98] Hiemit, günstiger herr, befilch ich euch unnd eüwer weib und kinden in den schirm des almechtigen.

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TextGrid Repository (2012). Wickram, Georg. Romane. Der jungen Knaben Spiegel. Der jungen Knaben Spiegel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A606-9