39. Französische Wörter 1 in der Deutschen Sprache

Dass keiner männlich mehr in unsrer Sprache spricht,
Und nichts als Eyter fleusst aus unsern Federposen, 2
Verwundert mich im minsten nicht:
Die Deutsche Sprach' hat die Frantzosen.

Fußnoten

1 Frantzösische Wörter. Dass diese unbegreiffliche Thorheit unter uns so weit eingerissen, dass unsere Sprache nichts anders als eine Babylonische Thurm-Sprache sey, ist einem jeden bekant. Kein Deutsch Buch in ungebundener Rede, worinnen nicht tausend ausländische und insonderheit Frantzösische Wörter zu finden, welche durch Deutsche nicht allein ohne allen Zwang ersetzet, sondern auch offtmahls verbessert werden könten. Keine Deutsche Briefe, worinnen die Deutsche nicht von den Frantzösischen Wörtern ersticket; und diese gemeiniglich auch als Meerwunder, halb Mensch, halb Fisch mit einem Frantzösischen Kopff, und einer Deutschen Schleppe vorgestellet werden. Obligiren vor nöhtigen oder verbündlich machen, temoigniren vor bezeugen, contestiren vor streitig machen, excusiren vor entschuldigen, und etliche tausend dergleichen Frantzösische Hussaren mehr; welche, wie die eine die Gräntzen unsers Vaterlandes, so die andern unsre edle Sprache verwüsten. Das artlichste ist, dass viel sich solcher frembden Wörter bedienen, deren Verstand sie nicht einmahl begreiffen, und folgends offmahls ihre BriefeVôtre Vâlet, oder Vôtre tres-acquis Valet unterschreiben nicht wissende, dass dieses in der Frantzösischen Sprache eben so viel heisse, als wenn sie sich des Herrn ergebenen Schuhputzer unterschrieben. Von der Sächsischen Poesie, in welcher sich diese frembde Gäste auch hin und wieder hervor thun, sage ich nichts, sintemahl es so leicht keine Noht hat, dass andere ihnen in ihrer Thorheit zu folgen sich gelüsten lassen solten.

2 Aus unsern Federposen. Dass die Frantzosen denDeutschen selten was gutes bedeuten, ist aus diesem Worte klar zu sehen, denn hätte man es hier mit den erstern nicht zu thun gehabt, so wäre der Preusse dem Sachsen, ich will sagen, die Federpose dem Federkiel nicht vorgezogen worden, solte gleich aus dieser was ungereimters als aus jener geflossen sein Unterdessen so bin ich wegen dieses Worts wiederum vor einen Nieder-Sachsen gehalten worden, gleich als ob der Nahme ein Vorwurff sey, und kein Nieder-Sachse die Deutsche Sprach verstünde, da es doch bekant, dass diese den Ober-Sachsen nicht allein in der Redens-Art nicht weichen, sondern so gar in der Aussprache den Vorzug streitig machen wollen. Denn als einst in einer lustigen Gesellschafft ein Ober- und Nieder-Sachse deswegen lang und hefftig gestritten, und endlich einen dritten zu ihrem Schiedsmann erwehlten, so legte dieser beyden auf, dass ein jeder eine lebendige Fliege in den Mund nehmen, und hernach dem anwesenden Pfeiffer befehlen solte ein Stücklein aufzumachen, so dass derjenige der es so behend machen könte, dass er die Fliege lebendig in dem Mund behielte, den Sieg davon tragen solte.Piper pip up, sagte hierauf der Nieder-Sachse mit solcher Behendigkeit, dass die Fliege sich nicht einmahl rühren konte; Als aber der Ober-Sachse, Pfeiffer-pfeiff auf, sagte, so hatte die Fliege raum genug mit weit ausgespannten Flügeln heraus zu ziehen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wernicke, Christian. Gedichte. Überschrifften in zehn Büchern. Der Uberschriffte drittes Buch. 39. Französische Wörter in der Deutschen Sprache. 39. Französische Wörter in der Deutschen Sprache. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9C7B-3