Überflüssiger Gedancken anders Dutzent

1. An seine Marilis, als Er mit Ihr zürnen muste

1.
Ich bin schon satt, und sage
Daß mich der Hunger treibt:
Ich seh mein Glück, und klage
Daß solches aussen bleibt:
[25]
Ich such und fliehe meine Pflicht:
Ich wolte gern, und will doch nicht.
2.
Ich bin verliebt, und leide
Die Pein der Einsamkeit:
Ich sehne mich, und meide
Doch die Gelegenheit:
Die Gegenwart beliebet mir,
Und gleichwol geh ich nicht zu ihr.
3.
Die Liebes-Grillen wancken
Im Hertzen hin und her,
Und machen die Gedancken
Mit tausend Sorgen schwer;
Und schliesse doch vor meiner Ruh
Den Kopff das Hertz und alles zu.
4.
Ich bin ein Patiente,
Und lauffe vor der Cur
Als wann mein Rücken brennte:
Ich suche zwar die Spur,
Doch wann ich ihrer inne bin,
So will der schwere Leib nicht hin.
5.
Ich schlaff und muß doch wachen,
Ich red und schweige doch,
Ich klag und muß doch lachen,
Ich sterb und lebe noch,
Und dieses wehrt schon lange Zeit,
Bey Tag und Nacht ohn Unterscheid.
6.
Du allerliebste Seele,
Dir ist allein bewust,
Daß ich dein Hertz erwähle
Zu meiner zarten Lust,
Und daß ich liebe, weil das Liecht
Des Lebens mir den Schein verspricht.
7.
Jetzt muß ich mich verstellen:
Mein Kind du wirst von mir
Kein schlimmes Vrtheil fällen,
Denn ich verspreche dir,
Mein Hertz soll unbefleckt und rein
Gar bald bey deinem wieder seyn.
8.
Wie muß ich mich bemühen
[26]
Daß ich es enden kan,
Dann die Magneten ziehen
Mein schwaches Eisen an,
Und achten meine Krafft nicht viel,
Wann ich mich widersetzen wil.
9.
Doch halt ich mich zu rücke
So lang ich halten kan,
Und schaue deine Blicke
Nur in Gedancken an,
Und suche die Zufriedenheit
In der entfernten Freundlichkeit.
10.
So will ich dich probiren,
Es steht dir wieder frey
Mich etwas rumm zuführen,
Doch da wird meine Treu
In allen Proben voller Schein,
Wie feines Gold und Silber seyn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken anders Dutzent. 1. An seine Marilis. 1. An seine Marilis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-992C-F