9. Er hat ein jung Mädgen

1.
Geht ihr grossen Jungfern fort,
Und gedencket nicht ein Wort,
Daß ich mich um euch betrübe,
Dann mein Sinn wird offenbahr,
Und das Mädgen das ich liebe,
Geht nunmehr ins zwölffte Jahr.
2.
Ihre zarte Freundlichkeit
Spielt in keuscher Sicherheit,
Und bestrahlt die schönen Wangen
Durch dergleichen Uberfluß,
Daß ich über dem Verlangen
Auch zum Kinde werden muß.
3.
Ihre Jugend ist noch rein,
Und bewahrt den glatten Schein
In der Einfalt ihres Hertzens,
Andre lieben in den Wind,
Welche schon des stillen Schmertzens
Auß der Ubung kündig sind.
4.
Hofft man auff die Rosen nicht,
Eh die grüne Knospe bricht,
Ist sie aber auffgebrochen,
Wird man leicht des Handels satt,
Dann wer weiß, wer sie berochen
Und zuvor begriffen hat.
5.
Drum, ihr Jungfern, last mich gehn,
Ist mein Liebgen nicht so schön
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Als ein Bild von sechzehn Jahren,
Nun so darff ich auch die List
Mir zum Schimpfe nicht erfahren,
Daß sie falsch und eckel ist.
6.
Mangelt ihr am Gliedern was,
Ach wie bald ersetzt sich das,
Ist doch diß die beste Freude,
Wann die Jugend sachte blüht,
Und man seiner Augen-Weide
Untern Händen wachsen sieht.
7.
Nun das ist mein fester Schluß,
Und wofern ich warten muß,
Will ich lieber jetzt in zeiten
Nach der süssen Liebe gehn,
Alß daß ich so gar von weiten
Soll mit meiner Hoffnung stehn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken zehentes Dutzent. 9. Er hat ein jung Mädgen. 9. Er hat ein jung Mädgen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9906-3