12. Eine warhafftige Historie vorgestellet In einem Gespräche Zwischen dem Florindo und seiner Rosilis

Florindo.

Guten Abend liebstes Kind,
Ist es mir einmahl vergünnt,
Ach sie gebe mir Bericht,
Darff ich oder darff ich nicht?
Rosilis.

Loses Kind, wer sagts dann euch?
Itzund schläfft die Mutter gleich,
Wolt ihr fromm und stille seyn
Nun so kommet immer rein.
Florindo.

Liebste sie verzeihe mir,
[89]
Ich verfüge mich zu ihr,
Mach ich ihrer Ruh und Rast
Etwan einen Uberlast?
Rosilis.

Seit willkommen seltner Gast,
Sagt von keiner Uberlast,
Sagt vielmehr mit was vor Recht
Ihr uns also selten sprecht.
Florindo.

Weil es offtermahls geschieht,
Daß die Mutter sauer sieht,
Ach wie gerne käm ich her,
Wann die Mutter besser wär.
Rosilis.

Ja wenn man nicht weiter kan,
Klagt man nun die Mutter an,
Sagt, ob nicht die Liebes-List
Uber meine Mutter ist?
Florindo.

Furcht vermischt sich mit der List.
Ach wo nichts zu fürchten ist,
Und die Liebe siehet an
Alles was ihr schaden kan.
Rosilis.

Mein Florindo geht gemach,
Denckt den Sachen besser nach,
Denn zu unser Freundlichkeit
Gibts ja noch Gelegenheit.
Florindo.

Dieses muß ich auch gestehn,
Weil ich itzt zu ihr darff gehn,
Ach wie lang ist mir die Zeit
Worden in der Einsamkeit.
Rosilis.

Ja ein Junggeselle muß
Unerhörten Uberdruß
Leiden in der Einsamkeit,
Denn die Jungfern sind so weit.
Florindo.

Was vor Jungfern nennt sie mir,
Meine Jungfer hab ich hier,
Ausser ihr ist keine Lust
Meiner Seele mehr bewust.
Rosilis.

Ach du falsche Zunge du,
Spricht das Hertz auch ja darzu?
Zwar es ist gar bald verricht,
Seht mich an und lachet nicht.
[90] Florindo.

Liebstes Kind es lacht sich nicht.
Wann sie mir so widerspricht,
Ach wo treff ich Reden an,
Daß ich mich erklären kan?
Rosilis.

Rechte Liebe sieht den Mann,
Nicht verblümte Reden an,
Und die süsse Freundschaffts-Pflicht
Die besteht in Worten nicht.
Florindo.

Bin ich ihr zu unbekandt,
Fordert sie dann noch ein Pfand,
Seit mein Hertze, das sie liebt,
Sich in ihre Hände giebt?
Rosilis.

So tyrannisch bin ich nicht,
Euch zu Schaden abgericht:
Ach behalt das Hertze ja,
Sonst seyd ihr dem Tode nah.
Florindo.

Wann mein Hertz daselbsten schwebt,
Wo die Schönheit selber lebt,
Fürchtet sich mein Lebens-Liecht
Vor der Nacht des Todes nicht.
Rosilis.

Nun was schwatzt der lose Mund?
Setzt ihr euers Lebens-Grund
Bloß in meiner Schönheit ein,
Könnt ihr schlecht versichert seyn.
Florindo.

Warlich ihre Schönheit ist,
Die das Leben mir versüst,
Und die mir auch da gefällt
Wann sie sich zuwider stellt.
Rosilis.

Eure Worte sind zwar gut,
Aber ach ihr falsches Blut,
Wist ihr auch, was ihr der Magd
Neulich habt von mir gesagt.
Florindo.

Ach die Mägde dürffen nicht
Wissen, wie die Liebes-Pflicht
Und wie weit der treue Schluß
Sich bey uns erstrecken muß.
Rosilis.

Gleichwohl hab ich jene Nacht
Ohne Schlaffen zu gebracht,
Und darzu wer schertzen wil,
[91]
Nimmt die Warheit mit ins spiel.
Florindo.

Ihr zu Ehren glaub ich was,
Doch die Magd das Raben-Aas
Hat vielleicht die Sachen nicht
Mir nach Willen außgericht.
Rosilis.

Mein verzeiht mir was ich thu,
Ach ich trau es euch nicht zu,
Nehmt den ungereimten Schertz,
Nur wohl auff mein liebstes Hertz.
Florindo.

Ich bin ihr verbundner Knecht
Und zu allen Sachen recht,
Sie thut mir keinmahl zu viel,
Wann sie mit mir schertzen wil.
Rosilis.

Nun so bin ich eure Magd,
Weil ihrs gleichwohl habt gewagt,
Und versprochen ohne Schein,
Daß ihr wollt mein Knechtgen seyn.
Florindo.

Die Vergnügung nimmt mich ein,
Daß ich als ein todter Stein
Nicht ein Wörtgen sprechen kan,
Ach sie nehme dieses an.

(osculatur.)

Rosilis.

Ey ihr Vorwitz kommt ihr nun,
Könnt ihr wieder freundlich thun,
Kommt mir nur nicht mehr so nah,
Seht ihr meine Nadel da.
Florindo.

Das ist noch ein guter Kauff,
Meiner Treu ich wag es drauff,
Und erschrecke warlich nicht,
Wann mich ihre Nadel sticht.

(osculatur.)

Rosilis.

Wie zum tausend schlapperment
Habt ihr euch nicht gnug verbrennt,
Seht da habt ihr einen Stich,
Wessentwegen hertzt ihr mich?
Florindo.

Nun die Straffe nehm ich an,
Gleichwohl hab ichs gern gethan,
Dann ihr angenehmer Mund
Hat mein Hertze so verwundt.

(osculatur.)

[92] Rosilis.

Nadeln her ein Säckgen voll
Wo ich immer stechen soll!
Daß ihr doch so lose seyd,
Denckt die Mutter ist nicht weit.
Florindo.

Liebgen ach was wehrt sie sich,
Sie gedencke doch an mich,
Es ist ja nicht stets ein Tag,
Daß ich sie umbfangen mag.
Rosilis.

Nun es steh euch alles frey:
Nur gedencket diß darbey,
Daß ihr ja nicht stärcker schreit,
Dann die Mutter ist nicht weit.
Florindo.

Den Befehl nehm ich in acht,
Dann was mich glückselig macht
Kan ich ohn ein eintzig Wort
Mir erwerben fort und fort.
Rosilis.

Schweig mein Kind, und küsse mich,
Oder sonsten küß ich dich.
Ach du loser Hertzens-Dieb,
Hast du mich rechtschaffen lieb?
Florindo.

Freylich bin ich recht verliebt,
Und was sie zu kosten gibt,
Das versichert meine Brunst
Einer rechten Gegengunst.
Rosilis.

Hört dort kömmt die Mutter rauß,
Geht doch unbeschwert hinauß,
Ach nehmt euch ja wohl in acht,
Liebstes Hertzgen gute Nacht.
Florindo.

Nun mein liebstes Tausend-Kind
Sie verbleibe so gesinnt
Wie du mich verliebt gemacht,
Liebstes Täubgen gute Nacht.
Rosilis.

Morgen kommt ihr ungefehr
Um die Stunde wieder her,
Nehmt die Zeit nur wohl in acht
Unterdessen gute Nacht.
Florindo.

Nimm den heissen Abschieds-Kuß,
Weil ich dich verlassen muß,
Wegen meiner Liebes-Macht,
[93]
Liebstes Seelgen gute Nacht.
Rosilis.

Du nimm diß dargegen hin,
Und gedencke daß mein Sinn
Dir zu dienen ist bedacht,
Liebstes Schneutzgen gute Nacht.
Florindo.

Ist das nun mein letztes Wort?
Freylich freylich muß ich fort,
Da mein Glück am besten lacht,
Schönstes Liebgen gute Nacht.
Rosilis.

Itzund gehst du zwar von mir,
Doch mir traumet stets von dir,
Biß die Morgenröthe lacht:
Ach mein Liebgen gute Nacht.
Florindo.

Wo ich diese Nacht nicht bin,
Schick ich Liebes-Seuftzer hin:
Bin auff morgen nur bedacht,
Ach mein Lämgen gute Nacht.
Rosilis.

Weil ich Morgen dencken kan,
Seh ich auch mein Leid nicht an:
Doch fürwar die Mutter wacht,
Ach mein Engel gute Nacht!

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TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken fünftes Dutzent. 12. Eine warhafftige Historie. 12. Eine warhafftige Historie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9889-5