[124] 11. Das unempfindliche Hertze

1.
Ich wolte mich gerne verlieben,
Fürwahr ich kan nur nicht,
Der Kützel ist lange vertrieben
Der junge Leuthe sticht,
Ich seh die Mädgen an,
Als wie ein alter Mann.
2.
Die Pfeile der lieblichen Blicke
Sind viel zu stumpff vor mich,
Die Reden, die niedlichen Stricke,
Ziehn ab und schämen sich,
Weil ihre leise Krafft
So wenig Nutzen schafft.
3.
Die Rosen der zierlichen Wangen,
Die Lippen von Rubin,
Die geben sich selber gefangen,
Je mehr sie sich bemühn,
Je mehr ist ihre Last
Mir eitel und verhast.
4.
Die Reihen der artigen Hände,
Die Alabaster-Haut,
Da mancher Verliebter kein Ende
Zu seiner Wohllust schaut,
Dieselben kommen mir
Todt und verdorben für.
5.
Die Freude der reitzenden Ballen,
Die wunder-schöne Brust,
Mag andern Personen gefallen,
Ich hasse diese Lust,
Und die Gelegenheit
Zu solcher Eiterkeit.
6.
Sie mögen ihr Angesicht weiden,
Noch hundertmahl so schön,
Sie mögen sich butzen und kleiden
Und vor den Spiegel stehn,
Nunmehr so bleib ich schon
Am liebsten weit darvon.
7.
Drum weichet ihr zarten Gesichter,
[125]
Blickt mich nicht weiter an,
Mein Hertze sey zwischen uns Richter,
Daß ich nicht lieben kan,
Bemüht euch anderswo,
Ich bleibe lieber so.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken siebendes Dutzent. 11. Das unempfindliche Hertze. 11. Das unempfindliche Hertze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-986D-5