7. Alte Grillen

1.
Auff ihr Stoppeln meiner Liebe!
Denckt einmahl an jene Zeit,
Als ich meine Dienstbarkeit
Einer stillen Gunst verschriebe,
Und mein Hertz ein süsses Band
An der Liebsten Hertzen fand.
2.
War ich nicht dem losen Kinde
Gleichsam auff den Hals gepicht?
Welche Stunde fragt ich nicht,
Wo und wie es umb sie stünde?
Auch ein Blickgen schien ein Jahr,
Wann sie nicht zugegen war.
3.
Ich entschlug mich aller Freude,
Die Gesellschafft war mein Todt,
Was mir neue Lust gebot,
Zehlt ich unter meine Feinde:
Denn es solt in ihr allein
Meine Freundschafft fruchtbar seyn.
4.
Sie vergnügte mein Verlangen,
Ihre Schönheit war mein Ruhm,
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Ihre Gunst mein Eigenthum,
Und die Rosen ihrer Wangen,
Die sie mir zu eigen gab,
Brach ich unverhindert ab.
5.
Ach, wie hoch war ich gestiegen,
Meine Venus schien mir voll:
Doch, nach dem ich fallen soll,
Werd ich desto tieffer liegen:
Denn des Glückes Wechsel-Stand
Hat sich schleunig umbgewand.
6.
Nun, ich muß mich drein ergeben:
Denn ich kan doch nicht dafür,
Und ich armer, sol ich hier
Keine Freude mehr erleben,
So verliehr ich doch das Liecht
Einer andern Hoffnung nicht.
7.
Unter dessen will ich dencken,
Was ich nicht besitzen kan,
Und die Lust der alten Bahn
Mir in mein Gedächtnüß schencken,
Ob ich gleich in meinem Sinn
Nur ein armer Jude bin.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken achtes Dutzent. 7. Alte Grillen. 7. Alte Grillen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-980A-1