Überflüssiger Gedancken neuntes Dutzent

1. Er ist ein Narr

1.
Ihr Leute, gebt mirs doch geschrieben,
Daß ich ein Ertz-Fantaste bin,
Und solte mir es nicht belieben,
So bringt mich mit Gewalt dahin,
Daß ich die Thorheit zum Beschluß
Vor aller Welt bekennen muß.
2.
Ich höre nichts mit meinen Ohren,
Ich bin mit sehnden Augen blind,
Der Mund hat allen Schmack verlohren,
Die Fäuste sind nicht, wo sie sind,
Die Nase reucht, und hat gleichwol
Den Schnuppen, wann sie riechen soll.
3.
Dem Scheddel fehlt ein grosser Sparren,
Das Haupt ist wie ein Tauben-Haus
Da fliegen mir die jungen Narren
Bald fornen ein, bald hinten naus;
Doch auff den Abend ziehn sie hier
Zusammen wieder ins Quartier.
4.
Wolt ihr kein Cläußgen bauen lassen
[143]
Darein ich mich versperren kan,
So hetzt die Kinder auff der Strassen
Mit Hund und Katzen auff mich an,
Und legt mir alle Nahmen zu,
Biß ich nicht mehr so närrisch thu.
5.
Verbremt mir nur den Kopf mit Schellen,
Und setzt mir einen Fuchsschwantz auff,
Wollt ihr mir einen Hut bestellen,
So flickt mir auch ein Kühorn drauff,
Und gebt mir an des Sebels statt
Ein Holtz das keine Scheide hat.
6.
Besetzt mein Kleid mit bunten Flecken,
Und macht mirs Band von Bohnenstroh,
Und schreibt mir an auff allen Ecken,
Diß ist ein Narr in Folio;
Wofern ich bey dem Narren-Spiel
Nicht zum Erkäntniß kommen will.
7.
Doch nein, ich wil nun anders werden,
Ich mag kein Pickelhäring seyn
Ich stelle mich nur an Geberden,
Bißweilen närrisch auff den Schein;
Drum Lieber, was verlacht ihr mich?
Ein jeder ist ein Narr vor sich.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weise, Christian. Gedichte. Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Überflüssiger Gedancken neuntes Dutzent. 1. Er ist ein Narr. 1. Er ist ein Narr. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9807-7