Zwiegespräch

zwischen Felix, dem Schäfer,

und Galathea, der Schäferin

Felix

Galathea, wie lange schon
Hab ich dich nun gebeten!
Galathea, nur kalter Hohn
War die Antwort auf all mein Flöten,
Auf mein Trompeten, auf mein Schalmein,
Auf meine entzückenden Weisen!
Oh, Mädchen, du hast ein Herz von Stein
Und eine Tugend von Eisen!
Galathea

Mein lieber Felix, was bist du nur
So traurig im schönsten Lenze?
Komm mit mir hinaus auf die Blumenflur,
Da schwellen die üppigsten Kränze.
Sieh, wie die Vögel so zärtlich tun,
Wie die Hunde so selig schlafen.
Sieh, wie so friedlich im Grase ruhn
Die Böcke bei unsern Schafen.
Felix

Oh, Galathea, die Böcke sind satt,
Die Schafe in Rührung zerflossen.
Von meinen Empfindungen aber hat
Sich keine den deinen erschlossen.
Es brodelt in mir wie in einem Vulkan,
Ich muß mich beständig kratzen;
Und wird mir nicht bald Genüge getan,
Dann werde ich nächstens zerplatzen.
[388] Galathea

Ach, Felix, wir leben im Monat August,
Da schwitzt man begreiflicherweise;
Und wenn du dich überdies kratzen mußt,
Dann hast du wahrscheinlich Läuse.
Sieh nur, welch reizenden Kranz ich hier
Aus Himmelsschlüsseln gewunden!
Kränz ich damit deine Locken dir,
Dann ist alles Jucken verschwunden.
Felix

Es handelt sich nicht um das Jucken der Haut;
Das würd ich wohl schwerlich noch spüren! –
Oh, Galathea, sei meine Braut;
Du hast keine Zeit zu verlieren.
An deinem letzten harmlosen Schrei
Möcht ich so gerne mich freuen.
Du findest ja auch deine Rechnung dabei,
Du wirst es gewiß nicht bereuen.
Galathea

Oh, Felix, ich habe, solang ich weiß,
Noch nie eine Rechnung gefunden;
Doch wird auch mir jetzt auf einmal so heiß,
Und meine Ruh ist verschwunden.
Auch spür ich ein Jucken, so sonderbar,
Wo, läßt sich genau nicht entscheiden.
Ich glaube, daß welche aus deinem Haar
In meinen Locken schon weiden.
Felix

Bleib endlich mit deinen Läusen fort!
Du willst mich gar nicht verstehen!
Dich freut es, mir jedes gefühlvolle Wort
Im Munde herum zu drehen.
Dir fehlen, scheint mir, am Schädel herum
Die allernötigsten Schrauben.
Oh, Mädchen, bist du denn wirklich so dumm,
Wie deinem Gesicht nach zu glauben?
Galathea

Ich bin nicht dümmer, als Gott mich schuf.
Ich danke dem Himmel deswegen.
Es ist nicht so einfach, mit dem Vesuv
Eine Unterhaltung zu pflegen.
[389]
Du sprichst so verworren, so unbestimmt;
Ich bin nicht klug draus geworden.
Man fürchtet, wenn man es wörtlich nimmt,
Du wolltest einen ermorden.
Felix

Oh, Galathea, spotte nicht mein,
Und sei mir nicht böse, du Süße,
Denn meine Gefühle sind ebenso rein
Wie deine zwei lieblichen Füße.
Ich suche mein Himmelreich und mein Glück,
Den Wahnfried all meiner Sorgen.
Nur fehlt mir dazu das nöt'ge Geschick;
Ich find es vielleicht erst morgen.
Galathea

Oh, Felix, wüßt ich, wohin nur gleich
Sich deine Blicke verkriechen!
Auch wirst du auf einmal so kreidebleich
Und fängst so stark an zu riechen.
Das ist doch ein seltsam entsetzlicher Brauch,
Dein Bild ist gänzlich verschwommen.
Hei-hei-hei-hei-heiratest du mich denn auch,
Wenn ich in die Wochen gekommen?
Felix

Galathea, jetzt wird mir die Welt zu eng.
Ich hab die Besinnung verloren.
Mir donnert dein Schneng-tege-tege-teng-teng-teng
Wie höllischer Spott in den Ohren.
Du selber trägst die Verantwortlichkeit
Für die Wirkungen deiner Partien.
Der Übelstand, welcher nach Abhilfe schreit,
Ist längst aufs höchste gediehen.
Galathea

Oh, Fe-, oh, Felix, oh, Felix, oh, Fe-,
Oh, Felix, ist dir auch behaglich?
Wenn ich deine zornigen Blicke seh,
Scheint mir dein Vergnügen sehr fraglich.
Nicht herrlicher denk ich es mir, wenn ich
Das ewige Leben erwerbe;
Doch deine Grimassen sind fürchterlich,
Du machst mich tot, ich sterbe.
[390]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Wedekind, Frank. Gedichte. Die vier Jahreszeiten. Frühling. Felix und Galathea. Zwiegespräch. Zwiegespräch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-953B-B