Zu ehren meines lieben freinds Dieterich Haaken

Der menschen wohn ist falsch, betrüglich die verjähung,
als ob des glücks allmacht, der ewigkeit versehung
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und auch des himmels will (mit zwang der götter hand
verkürzend) ohn ihr schuld verhinderten den stand
der menschen und der welt. Das werk recht zu besehen,
so muß der mensch, daß er die ursach selbs, gestehen.
Dan ja ein jeder mensch, dem grösten könig gleich,
hat der anmutungen und der begirden reich,
die seine vernunft stets soll meistern, zu regieren,
und sie, was farb und schein sie auch in dem schild führen,
zu büßen ihren lust (als schmeichler) ihres theils
vergessen oft des reichs und ihres fürstenheils.
Da wil der menschen herz der schönheit sich ergeben,
dort ein krauslechtes haar kan seine seel verweben,
hie eines augs anblick, mehr dan ein scharfer blitz,
dort eine weiße hand beraubet ihn der witz;
ja, ein geschmöll, ein wort, ein seufz kan nach gefallen
der vernunft mayestet zu fuß ihm machen fallen.
Bald hochmut, hofnung, lust, freud, ehrgeiz, schimpf und schmach,
bald kleinmut, forcht, neid, haß, verdruß, leid, zorn und rach
verfinstern seinen tag, als ihres herrens meister
und feuren seine nacht als ungeheure geister,
so daß der arme mensch, torecht und ungerecht,
ein könig von geburt, wird seiner knechten knecht.
Und wie er auch sein lob vermeinet zu verblümen,
so hat doch billich er vollkommen nichts zu rühmen.
ein hagel, ein sturmwind, ein wogen in dem meer,
ein schuß, streich, stich, fall, thier, so leichtlich als ein heer,
ja des hofs überfluß, der stät und dörfer sünden
die nach lust wider uns bald einen vortheil finden,
dem ackerman die ernt, dem kaufman all sein gut,
dem hofman seinen pracht, dem kriegsman seinen mut,
dem bürger seine ruh und jedem noch das leben
beraubend, sollen uns und jedem die lehr geben,
daß wer von großem leid, von sorg, anfechtung, pein,
begehret, wa nicht frei, doch etwas los zu sein,
das beste mittel ist, sich zu dem kreuz zu biegen
und mit der armut sich verbindend zu vernügen.
Nu dises lieds inhalt, als welches ich von dir,
mein lieber Haak, empfieng, hab ich auch, nach gebühr,
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dir hiemit widerum gesungen und verehret,
wiewol du längst vil mehr gelernet und gelehret,
weil, aller Musen freind, durch ihre lieb und gunst
du für dich eigen hast die nicht gemeine kunst,
daß weder des hofs glanz, davon du lang gebeizet,
noch ehr, gewin und glück dich von dir abgereizet;
also, glückselig du, allzeit zu bleiben reich
bist stets geduldig, weis und (kürzlich) dir selbs gleich.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Weckherlin, Georg Rodolf. Gedichte. Gedichte. Zu ehren meines lieben freinds Dieterich Haaken. Zu ehren meines lieben freinds Dieterich Haaken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-943C-D