Die siebenundzwanzigste Fabel.
Vom Fuchs und Storchen.

Einsmals der fuchs wolt leben wol,
Bat den storchen zum abentmal,
Daß er wolt kommen und mit im eßen.
Als sie zu tisch waren geseßen,
Der fuchs bracht her ein mandelmus,
Das war gekocht mit zucker süß.
Dasselb er auf den tisch da goß;
Es war dünn, daß es gar zerfloß.
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Er sprach zum storchen: »Iß, lieber gast,
Desselben, das du vor dir hast.«
Der storch tet mit dem schnabel dappen,
Knut von der speise nichts erschnappen;
Der fuchs mit seiner zungen leckt,
Das mandelmuß im ser wol schmeckt.
Das tet den storchen ser verdrießen,
Daß er der speis nicht mocht genießen.
Er gieng hinweg und schemet sich,
Gedacht: das wil dir zalen ich
Mit cölnscher gwicht, wo ich bin bider!
Er lud zu gast den fuchsen wider.
Der storch was listig und auch klug:
Er satzt im vor ein gläsen krug,
Mit gebacken fischen wol gefüllt,
Und sprach zum fuchs: »Iß, welchs du wilt.«
Lang und eng war dasselbig glas:
Der storch die fisch bald ausher las,
Mit seinem schnabel kunts erreichen.
Der fuchs betrübt tet umbher schleichen;
Durchs glas die gbraten fisch wol sach:
Dest größer ward sein ungemach.
Sein schaden must mit hunger sehen:
Das solt dem fuchs nit sein geschehen.
Ein lachen bringt das ander lachen;
Mit scherz tut man mer scherzens machen;
Ein begangne list und büberei
Die bringt ein ander schalkheit bei.
Es get so zu bei menschen kind:
Schalk übern schalk sich stetes findt.
Schalkheit tut einem oft geschehen,
Von dem er sichs nicht het versehen,
Und ist schalkheit der schalkheit buß.
Der fuchs vom storchen leiden muß.
Doch was du wilt vom andern han,
Dem gleichen soltu im auch tun.
Denn mit der maß, wie du gemeßen,
Wird dein auch wider nicht vergeßen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Erster Theil. Das erste Buch. 27. Vom Fuchs und Storchen. 27. Vom Fuchs und Storchen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-906A-7