Die zwanzigste Fabel.
Von einem Schmied und seinem Son.

Zu Friburg, welchs im Brißgow leit,
Da saß ein schmied auf eine zeit,
Der het ein son, war eben groß,
Von achtzehen jaren umb die moß;
Bat sein vatter, daß ern wolt lon
Ein mal hinauf gen Basel gon.
Da het derselbig schmied ein pfert,
War wol bei zwenzig gülden wert;
Er sprach: »Nims mit, sihe, kansts verkaufen,
Zu fuß magst wider abher laufen.«
Er kam ins wirtshaus under dleut;
Sein pfert aus zu verkaufen beut.
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Da wards von etlichen beschritten,
Betrabt, besehn und auch beritten.
Zum schlaftrunk handeltens von sachen,
Wie sie den weinkauf wolten machen.
Als sie nun lang davon geredt,
Legt sich der jung gesell zu bet
Und schlief mit solchen gdanken ein,
Het wol gezecht vom rangen wein.
Des morgens tagts uns mechtig fru,
Macht sich auf, lief nach Friburg zu.
Sein mutter ward sein erst gewar,
Sprach zum man: »Unser son komt her,
Die gaßen frölich abher lauft,
Er hat freilich das ros verkauft!«
Der vatter fragt: »Wie stet die sach?«
Er sprach: »Ganz wol! in disem fach
(Klopft auf sein tasch) hie sein die gülden!
Ich weiß, habt mich nit zu beschulden;
Ir solts auch disen sommer heur
Selb nit verkauft haben so teur.«
Die hand bald in die taschen stack,
Da fand er nichts; gar ser erschrack,
Bedacht sich lang; zuletzt sprach er:
»Es ist nichts dran, sein lose mer.
Es hat mir heint zu nacht getreumt.«
Bald must er wider ungeseumt
Nach Basel laufen in der eil;
Das sein vorwar sechs großer meil:
Da fand ers, wie ers het geloßen.
Mit solchen lecherlichen boßen
Tut sich oft mancher selb betriegen,
Sein eigen danken leßt vorliegen,
Sein eigen dunkel gar verstellen.
Wir lesen von eim jungen gsellen,
Lebt in eim kloster etlich jar,
Der über dmaß ergeizig war;
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Mit gdanken ließ ims werden saur,
Wie er kem zu einr prelatur,
Dacht stets, wie er dieselb erschnapt,
Daß er würd prior oder apt.
Damit gab er dem teufel raum;
Der bracht im vor des nachts ein traum,
Wie er bald bischof werden solt.
Ward fro, dacht: wenn sichs schicken wolt,
Daß dir ein solcher traum einst glückt,
Du werst dazu nit ungeschickt!
Darnach der traum sich wider eigt,
Und ward daneben angezeigt
Zeit, stett, mit aller umbstend fein,
Wo er solt herr und bischof sein.
Des morgens frü kamen die mer,
Wie derselb bischof gstorben wer,
Davon im zweimal het getreumt.
Von stund er sich nit lenger seumt,
Zu solchen eren war nit treg,
Lief heimlich aus dem kloster weg.
Lag in eim wirtshaus über nacht,
Sein traum der teufel wider bracht:
Wo er denselben tag nit kem,
So wer ein ander, ders einnem.
Er macht sich auf zu mitternacht,
Mit fleiß zu diser sachen tracht.
Da het der wirt ein hübschen gaul,
Den sattelt er und war nit faul,
Gedacht: wenn sich mein sach wird fügen,
Wil ich im den zwifach vergnügen.
Der wirt erwacht; wie er das merkt,
Bald sich mit seinem gsinde sterkt,
Ergriff in, wie er im eilt nach.
Da kam er bald zu eren hoch:
Den bischof must am galgen büßen;
Da gab ern segen mit den füßen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. Fabeln. Esopus. Zweiter Theil. Das vierte Buch. 20. Von einem Schmied und seinem Son. 20. Von einem Schmied und seinem Son. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9053-A