3.

Freunde glaubt' ich im Vaterland nur einen,
Dich zu haben, o großes Herz. Der Jugend
Irrthum deutet die Welt zu schwer, und wenig
Wird, wer größer als sie, erkannt. O Alles,
Alles that sie, daß ich sie haßt', und dennoch
Mit verhülltem Gesicht und feuchten Augen
Von mir stoßend, was sie mir gab, begann ich
Die Verbannung; und mich nur, meiner Feinde
Grimm und hämischen Neid, nicht dich anklagend,
Heimath, pilgert' ich in ersehnte Lande,
Jung wie Konradin noch, wie er der Hoffnung
Und hochherzigen Muthes voll, im Kampfe
Mit dem Kinde der Nacht, dem stolzen Priester.
Mag anmaßender Geistesdruck und Blödsinn,
Mag, o Freunde, der Ghibelline siegen,
Laßt uns streiten! Der Lohn ist eine Krone!
So oft denk' ich auf meerumspültem Felsen,
So im Hause des Tasso, da dem Dichter
Vom Balkone herab des Golfes Anmuth
Und der Liebreiz der Berge sich entfaltet.
Lorbeerheiliges Haus, wo oft im Dufte
Fremder Sieg' und Triumphe sich zum eignen
Volksbegeisternden Lied mein Herz ermuthigt.
Freund, wohl weiß ich, den Hohenstaufen schmückte
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Schon im zwanzigsten Jahr die Königskrone;
Fünf der Lustern durchlebt' ich bald, und ruhmlos
Bin ich noch!
Und in tiefster Seele fühl' ich
Mich betrübt. O was that ich, euch zu preisen,
Im gewalt'gen Gesang die deutsche Vorwelt
Als ein Deutscher und Kampf und Herrschergenius,
Wahrheit, Kraft und des Völkerlebens Größe,
Hohe Menschen und Thaten zu verew'gen?
Denn im Tempel der Weltgeschichte, dünkt mir,
Ist der Dichter der Priester, und den Vorhang
Vor dem Heiligsten wahret seine Obhut.
Da, wenn oft mir die Scham die Stirne röthet,
Ruf' ich flehend Torquato's Genius, ruf' ich
Meinen Helden, und siehe, er naht mir langsam
Aus des Lorbeers Umschattungen, der Jüngling,
Friedrich's Sohn, der apul'sche König naht mir,
Schön und fröhlich, wie einst, da er Epirus'
Tochter, Helena, mit des Vaters Kraft und
Hohenstaufischem Arm als Braut umfangen,
Minnesänger und saracen'sche Mädchen
Einst den Dichter, den König, einst das junge
Liebenswürdigste Paar mit Jubel grüßten!
Aber groß und gebietrisch, wie das Erbland
Tausendjährigem Vorurtheil und Wahnwitz,
Und Roms heil'gen Tyrannen er entrissen,
Wie er einst mit dem Schwerdt der fränk'schen Räuber
Schaar durchbrach und ein Opfer frecher Habsucht
Ungeheuern auf Petri Stuhl und blindem
Aberglauben sein Heldenblut vergossen!
Da, o Freund, des Geschlechtes denk' ich nicht mehr,
Das mich neidet und haßt im Vaterlande
Und dreifältigen Haß und Stolz mir abdringt,
Und im höheren Geist nenn' ich mein Schwaben
[133]
Heimath mir, und vor Grieche nicht und Römer
Beug' ich mich, doch bei Manfred's Grab, o Deutscher,
Benevento's und Alba's blut'gem Schlachtfeld,
Wo ich stand und zum großen Werk mich weihte,
Sei's geschworen: Dem Kaiserhaus' mein Leben!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Waiblinger, Wilhelm. Gedichte. Oden und Elegien aus Rom, Neapel und Sicilien. Oden aus Neapel und Lieder aus Capri und Sorrent. Lieder aus Sorrent. 3. [Freunde glaubt' ich im Vaterland nur einen]. 3. [Freunde glaubt' ich im Vaterland nur einen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-8AA7-0