Richard Wagner
Der Ring des Nibelungen
Ein Bühnenfestspiel
Aufzuführen in drei Tagen
Und einem Vorabend

[523] Vorabend
Das Rheingold

Schauplatz der Handlung

Vorspiel und Erste Szene
In der Tiefe des Rheines
Zweite Szene
Freie Gegend auf Bergeshöhen
Dritte Szene
Nibelheim
Vierte Szene
Freie Gegend auf Bergeshöhen

[523] Personen

    • Wotan
    • Donner
    • Froh
    • Loge, Götter

    • Fasolt
    • Fafner, Riesen

    • Alberich
    • Mime, Nibelungen

    • Fricka
    • Freia
    • Erda, Göttinnen

    • Woglinde
    • Wellgunde
    • Flosshilde, Rheintöchter

    • Nibelungen

    • [524]

Vorspiel und 1. Szene

Vorspiel und Erste Szene

In der Tiefe des Rheines


Grünliche Dämmerung, nach oben zu lichter, nach unten zu dunkler. Die Höhe ist von wogendem Gewässer erfüllt, das rastlos von rechts nach links zuströmt. Nach der Tiefe zu lösen sich die Fluten in einen immer feineren feuchten Nebel auf, so daß der Raum der Manneshöhe vom Boden auf gänzlich frei von Wasser zu sein scheint, welches wie in Wolkenzügen über den nächtlichen Grund dahinfließt. Überall ragen schroffe Felsenriffe aus der Tiefe auf und grenzen den Raum der Bühne ab; der ganze Boden ist in ein wildes Zackengewirr zerspalten, so daß er nirgends vollkommen eben ist und nach allen Seiten hin in dichtester Finsternis tiefere Schlüffte annehmen läßt.
Um ein Riff in der Mitte der Bühne, welches mit seiner schlanken Spitze bis in die dichtere, heller dämmernde Wasserflut hinaufragt, kreist in anmutig schwimmender Bewegung eine der Rheintöchter
Volles Wogen der Wassertiefe.

WOGLINDE
kreist um das mittlere Riff.
Weia! Waga!
Woge, du Welle,
walle zur Wiege!
wagala weia!
wallala weiala weia!
WELLGUNDES STIMME
von oben.
Woglinde, wachst du allein?
WOGLINDE.
Mit Wellgunde wär ich zu zwei.
WELLGUNDE
sie taucht aus der Flut zum Riff herab.
Laß sehn, wie du wachst!

Sie sucht Woglinde zu erhaschen.
WOGLINDE
entweicht ihr schwimmend.
Sicher vor dir!

Sie necken sich und suchen sich spielend zu fangen.
FLOSSHILDES STIMME VON OBEN.
Heiala weia!
Wildes Geschwister!
WELLGUNDE.
Floßhilde, schwimm!
Woglinde flieht:
hilf mir die Fließende fangen!
FLOSSHILDE
taucht herab und fährt zwischen die Spielenden.
Des Goldes Schlaf
hütet ihr schlecht!
[525] Besser bewacht
des Schlummernden Bett,
sonst büßt ihr beide das Spiel!

Mit muntrem Gekreisch fahren die beiden auseinander: Floßhilde sucht bald die eine, bald die andre zu erhaschen; sie entschlüpfen ihr und vereinigen sich endlich, um gemeinsam auf Floßhilde Jagd zu machen. So schnellen sie gleich Fischen von Riff zu Riff, scherzend und lachend. – Aus einer finstren Schlufft ist währenddem Alberich, an einem Riffe klimmend, dem Abgrund entstiegen. Er hält, noch vom Dunkel umgeben, an und schaut dem Spiele der Rheintöchter mit steigendem Wohlgefallen zu.
ALBERICH.
Hehe! ihr Nicker!
wie seid ihr niedlich,
neidliches Volk!
Aus Nibelheims Nacht
naht ich mich gern,
neigtet ihr euch zu mir.

Die Mädchen halten, sobald sie Alberichs Stimme hören, mit dem Spiele ein.
WOGLINDE.
Hei! wer ist dort?
FLOSSHILDE.
Es dämmert und ruft.
WELLGUNDE.
Lugt, wer uns belauscht!

Sie tauchen tiefer herab und erkennen den Nibelung.
WOGLINDE UND WELLGUNDE.
Pfui! der Garstige!
FLOSSHILDE
schnell auftauchend.
Hütet das Gold!
Vater warnte
vor solchem Feind.

Die beiden andern folgen ihr, und alle drei versammeln sich schnell um das mittlere Riff.
ALBERICH.
Ihr, da oben!
DIE DREI.
Was willst du dort unten?
ALBERICH.
Stör ich eu'r Spiel,
wenn staunend ich still hier steh?
Tauchet ihr nieder,
mit euch tollte
und neckte der Niblung sich gern.
WOGLINDE.
Mit uns will er spielen?
WELLGUNDE.
Ist ihm das Spott?
ALBERICH.
Wie scheint im Schimmer
ihr hell und schön
Wie gern umschlänge
[526] der Schlanken eine mein Arm,
schlüpfte hold sie herab!
FLOSSHILDE.
Nun lach ich der Furcht:
der Feind ist verliebt!

Sie lachen.
WELLGUNDE.
Der lüsterne Kauz!
WOGLINDE.
Laßt ihn uns kennen!

Sie läßt sich auf die Spitze des Riffes hinab, an dessen Fuße Alberich angelangt ist.
ALBERICH.
Die neigt sich herab.
WOGLINDE.
Nun nahe dich mir!

Alberich klettert mit koboldartiger Behendigkeit, doch wiederholt aufgehalten, der Spitze des Riffes
zu.
ALBERICH
hastig.
Garstig glatter
glitschriger Glimmer!
Wie gleit ich aus!
Mit Händen und Füßen
nicht fasse noch halt ich
das schlecke Geschlüpfer!
Feuchtes Naß
füllt mir die Nase –
verfluchtes Niesen!

Er ist in Woglindes Nähe angelangt.
WOGLINDE
lachend.
Prustend naht
meines Freiers Pracht!
ALBERICH.
Mein Friedel sei,
du fräuliches Kind!

Er sucht sie zu umfassen.
WOGLINDE
sich ihm entwindend.
Willst du mich frei'n,
so freie mich hier!

Sie taucht zu einem andern Riff auf.
ALBERICH
kratzt sich in den Kopf.
Oh weh! du entweichst?
Komm doch wieder!
Schwer ward mir,
was so leicht du erschwingst.
WOGLINDE
schwingt sich auf ein drittes Riff in größerer Tiefe.
Steig nur zu Grund:
da greifst du mich sicher.
ALBERICH
hastig hinabkletternd.
Wohl besser da unten!
WOGLINDE
schnellt sich rasch aufwärts nach einem höheren Riffe zur Seite.
Nun aber nach oben!
WELLGUNDE UND FLOSSHILDE
lachend.
Hahahahaha!
ALBERICH.
Wie fang ich im Sprung
[527] den spröden Fisch?
Warte, du Falsche!

Er will ihr eilig nachklettern.
WELLGUNDE
hat sich auf ein tieferes Riff auf der andern Seite gesenkt.
Heia, du Holder,
hörst du mich nicht?
ALBERICH
sich umwendend.
Rufst du nach mir?
WELLGUNDE.
Ich rate dir wohl:
zu mir wende dich,
Woglinde meide!
ALBERICH
indem er hastig über den Bodengrund zu Wellgunde hin klettert.
Viel schöner bist du
als jene Scheue,
die minder gleißend
und gar zu glatt. –
Nur tiefer tauche,
willst du mir taugen.
WELLGUNDE
noch etwas mehr sich herabsenkend.
Bin nun ich dir nah?
ALBERICH.
Noch nicht genug!
Die schlanken Arme
schlinge um mich,
daß ich den Nacken
dir neckend betaste,
mit schmeichelnder Brunst
an die schwellende Brust mich dir schmiege!
WELLGUNDE.
Bist du verliebt
und lüstern nach Minne,
laß sehn, du Schöner,
wie bist du zu schaun? –
Pfui! du haariger,
höck'riger Geck!
Schwarzes, schwieliges
Schwefelgezwerg!
Such dir ein Friedel,
dem du gefällst!
ALBERICH
sucht sie mit Gewalt zu halten.
Gefall ich dir nicht,
dich faß ich doch fest!
WELLGUNDE
schnell zum mittleren Riffe auftauchend.
Nur fest, sonst fließ ich dir fort!
WOGLINDE UND FLOSSHILDE
lachend.
Hahahahaha!
ALBERICH
Wellgunden erbost nachzankend.
Falsches Kind!
Kalter, grätiger Fisch!
[528] Schein ich nicht schön dir,
niedlich und neckisch,
glatt und glau –
hei! so buhle mit Aalen,
ist dir eklig mein Balg!
FLOSSHILDE.
Was zankst du, Alp?
Schon so verzagt?
Du freitest um zwei:
frügst du die dritte,
süßen Trost
schüfe die Traute dir!
ALBERICH.
Holder Sang
singt zu mir her! –
Wie gut, daß ihr
eine nicht seid:
von vielen gefall ich wohl einer,
bei einer kieste mich keine! –
Soll ich dir glauben,
so gleite herab!
FLOSSHILDE
taucht zu Alberich herab.
Wie törig seid ihr,
dumme Schwestern,
dünkt euch dieser nicht schön?
ALBERICH
hastig ihr nahend.
Für dumm und häßlich
darf ich sie halten,
seit ich dich Holdeste seh!
FLOSSHILDE.
O singe fort
so süß und fein, –
wie hehr verführt es mein Ohr!
ALBERICH
zutraulich sie berührend.
Mir zagt, zuckt
und zehrt sich das Herz,
lacht mir so zierliches Lob.
FLOSSHILDE
ihn sanft abwehrend.
Wie deine Anmut
mein Aug erfreut,
deines Lächelns Milde
den Mut mir labt!

Sie zieht ihn zärtlich an sich.

Seligster Mann!
ALBERICH.
Süßeste Maid!
FLOSSHILDE.
Wärst du mir hold!
ALBERICH.
Hielt ich dich immer.
FLOSSHILDE.
Deinen stechenden Blick,
deinen struppigen Bart,
o säh ich ihn, faßt ich ihn stets!
[529] Deines stachlichen Haares
strammes Gelock,
umflöss' es Floßhilde ewig!
Deine Krötengestalt,
deiner Stimme Gekrächz,
o dürft ich staunend und stumm
sie nur hören und sehn!
WOGLINDE UND WELLGUNDE
sind nahe herab getaucht, lachend.
Hahahahahaha!
ALBERICH
erschreckt auffahrend.
Lacht ihr Bösen mich aus?
FLOSSHILDE
sich plötzlich ihm entreißend.
Wie billig am Ende vom Lied!

Sie taucht mit den Schwestern schnell auf.
WOGLINDE UND WELLGUNDE
lachend.
Hahahahahaha!
ALBERICH
mit kreischender Stimme.
Wehe! Ach wehe!
O Schmerz! O Schmerz!
Die dritte, so traut,
betrog sie mich auch?
Ihr schmächlich schlaues,
liederlich schlechtes Gelichter!
Nährt ihr nur Trug
ihr treuloses Nickergezücht?
DIE DREI RHEINTÖCHTER.
Wallala! Wallala! Lalaleia, leialalei!
Heia! Heia! haha!
Schäme dich, Albe!
Schilt nicht dort unten!
Höre, was wir dich heißen!
Warum, du Banger,
bandest du nicht
das Mädchen, das du minnst?
Treu sind wir,
und ohne Trug
dem Freier, der uns fängt. –
Greife nur zu,
und grause dich nicht:
in der Flut entfliehn wir nicht leicht.
Wallala! Lalaleia! Leialalei!
Heia! Heia! Hahei!

Sie schwimmen auseinander, hierher und dorthin, bald tiefer, bald höher, um Alberich zur Jagd auf sie zu reizen.
ALBERICH.
Wie in den Gliedern
brünstige Glut
mir brennt und glüht!
[530] Wut und Minne,
wild und mächtig,
wühlt mir den Mut auf. –
Wie ihr auch lacht und lügt,
lüstern lechz ich nach euch,
und eine muß mir erliegen!

Er macht sich mit verzweifelter Anstrengung zur Jagd auf: mit grauenhafter Behändigkeit erklimmt er Riff für Riff, springt von einem zum andern, sucht bald dieses, bald jenes der Mädchen zu erhaschen,
die mit lustigem Gekreisch stets ihm ausweichen. – Er strauchelt, stürzt in den Abgrund und klettert dann hastig wieder in die Höhe zu neuer Jagd. Sie neigen sich etwas herab. Fast erreicht er sie, stürzt abermals zurück und versucht es nochmals. – Alberich hält endlich, vor Wut schäumend, atemlos an und streckt die geballte Faust nach den Mädchen hinauf.
ALBERICH.
Fing' eine diese Faust!

Er verbleibt in sprachloser Wut, den Blick aufwärts gerichtet, wo er dann plötzlich von dem folgenden Schauspiel angezogen und gefesselt wird. – Durch die Flut ist von oben her ein immer lichterer Schein gedrungen, der sich an einer hohen Stelle des mittelsten Riffes allmählich zu einem blendend hellstrahlenden Goldglanz entzündet; ein zauberisch goldenes Licht bricht von hier durch das Wasser.
WOGLINDE.
Lugt, Schwestern!
Die Weckerin lacht in den Grund.
WELLGUNDE.
Durch den grünen Schwall,
den wonnigen Schläfer sie grüßt.
FLOSSHILDE.
Jetzt küßt sie sein Auge,
daß er es öffne.
WELLGUNDE.
Schaut, er lächelt
in lichtem Schein.
WOGLINDE.
Durch die Fluten hin
fließt sein strahlender Stern!
DIE DREI RHEINTÖCHTER
zusammen das Riff anmutig umschwimmend.
Heiajaheia!
Heiajaheia!
Wallalallalala leiajahei!
Rheingold!
Rheingold!
Leuchtende Lust,
wie lachst du so hell und hehr!
Glühender Glanz
[531] entgleißet dir weihlich im Wag!
Heiajahei!
Heiajaheia!
Wache Freund,
wache froh!
Wonnige Spiele
spenden wir dir:
flimmert der Fluß,
flammet die Flut,
umfließen wir tauchend,
tanzend und singend,
im seligen Bade dein Bett!
Rheingold!
Rheingold!
Heiaja heia!
Heiaja heia!
Wallalalalala leiajahei!

Mit immer ausgelassenerer Lust umschwimmen die Mädchen das Riff. Die ganze Flut flimmert in hellem Goldglanze.
ALBERICH
dessen Augen, mächtig von dem Glanze angezogen, starr auf dem Golde haften.
Was ist's, ihr Glatten,
das dort so glänzt und gleißt?
DIE DREI MÄDCHEN.
Wo bist du Rauher denn heim,
daß vom Rheingold nicht du gehört?
WELLGUNDE.
Nicht weiß der Alp
von des Goldes Auge,
das wechselnd wacht und schläft?
WOGLINDE.
Von der Wassertiefe
wonnigem Stern,
der hehr die Wogen durchhellt?
DIE DREI MÄDCHEN.
Sieh, wie selig
im Glanze wir gleiten!
Willst du Banger,
in ihm dich baden,
so schwimm und schwelge mit uns!
Wallala lala leia la lei!
Wallala lalaleia jahei!
ALBERICH.
Eurem Taucherspiele
nur taugte das Gold?
Mir gält' es dann wenig!
WOGLINDE.
Des Goldes Schmuck
schmähte er nicht,
wüßte er all seine Wunder!
[532]
WELLGUNDE.
Der Welt Erbe
gewänne zu eigen,
wer aus dem Rheingold
schüfe den Ring,
der maßlose Macht ihm verlieh!
FLOSSHILDE.
Der Vater sagt es,
und uns befahl er
klug zu hüten
den klaren Hort,
daß kein Falscher der Flut ihn entführe:
drum schweigt, ihr schwatzendes Heer!
WELLGUNDE.
Du klügste Schwester,
verklagst du uns wohl?
Weißt du denn nicht,
wem nur allein
das Gold zu schmieden vergönnt?
WOGLINDE.
Nur wer der Minne
Macht versagt,
nur wer der Liebe
Lust verjagt,
nur der erzielt sich den Zauber,
zum Reif zu zwingen das Gold.
WELLGUNDE.
Wohl sicher sind wir
und sorgenfrei,
denn was nur lebt will lieben,
meiden will keiner die Minne.
WOGLINDE.
Am wenigsten er,
der lüsterne Alp;
vor Liebesgier
möcht er vergehn.
FLOSSHILDE.
Nicht furcht ich den,
wie ich ihn erfand:
seiner Minne Brunst
brannte fast mich.
WELLGUNDE.
Ein Schwefelbrand
in der Wogen Schwall,
vor Zorn der Liebe
zischt er laut!
DIE DREI MÄDCHEN.
Wallala! Wallaleia lala!
Lieblichster Albe!
Lachst du nicht auch?
In des Goldes Scheine
wie leuchtest du schön!
[533] O komm, Lieblicher, lache mit uns!
Heiajaheia! Heiajaheia!
Wallalalalala leiajahei!

Sie schwimmen lachend im Glänze auf und ab.
ALBERICH
die Augen starr auf das Gold gerichtet, hat dem Geplauder der Schwestern wohl gelauscht.
Der Welt Erbe
gewänn ich zu eigen durch dich?
Erzwäng ich nicht Liebe,
doch listig erzwäng ich mir Lust?

Furchtbar laut.

Spottet nur zu!
Der Niblung naht eurem Spiel!

Wütend springt er nach dem mittleren Riff hinüber und klettert nach dessen Spitze hinauf. – Die Mädchen fahren kreischend auseinander und tauchen nach verschiedenen Seiten hin auf.
DIE DREI RHEINTÖCHTER.
Heia! Heia! Heiajahei!
Rettet euch!
Es raset der Alp;
in den Wassern sprüht's,
wohin er springt –
die Minne macht ihn verrückt!

Lachend.

Hahahahahahaha!
ALBERICH
gelangt mit einem letzten Satze zur Spitze.
Bangt euch noch nicht? –
So buhlt nun im Finstern,
feuchtes Gezücht!

Er streckt die Hand nach dem Gold aus.

Das Licht lösch ich euch aus,
entreiße dem Riff das Gold,
schmiede den rächenden Ring; –
denn hör es die Flut:
so verfluch ich die Liebe!

Er reißt mit furchtbarer Gewalt das Gold aus dem Riffe und stürzt dann hastig in die Tiefe, wo er schnell verschwindet. Dichte Nacht bricht plötzlich überall herein. Die Mädchen tauchen jach dem Räuber in die Tiefe nach.
FLOSSHILDE.
Haltet den Räuber!
WELLGUNDE.
Rettet das Gold!
WOGLINDE UND WELLGUNDE.
Hilfe! Hilfe!
DIE DREI RHEINTÖCHTER.
Weh! Weh!

[534] Die Flut fällt mit ihnen nach der Tiefe hinab. Aus dem untersten Grunde hört man Alberichs gellendes Hohngelächter. In dichtester Finsternis verschwinden die Riffe, die ganze Bühne ist von der Höhe bis zur Tiefe von schwarzem Gewoge erfüllt, das eine Zeitlang immer nach abwärts zu sinken scheint. – Allmählich sind die Wogen in Gewölk übergegangen, welches, als eine immer heller dämmernde Beleuchtung dahintertritt, zu feinerem Nebel sich abklärt. Als der Nebel, in zarten Wölkchen, sich gänzlich in der Höhe verliert, wird,
im Tagesgrauen, eine freie Gegend auf Bergeshöhen sichtbar. – Wotan, und neben ihm Fricka, beide schlafend, liegen zur Seite auf blumigem Grunde

2. Szene

Zweite Szene

Freie Gegend auf Bergeshöhen


Der hervorbrechende Tag beleuchtet mit wachsendem Glanze eine Burg mit blinkenden Zinnen, die auf einem Felsgipfel im Hintergrunde steht, zwischen diesem und dem Vordergrunde ist ein tiefes Tal, durch das der Rhein fließt, anzunehmen. –
Wotan und Fricka schlafend. – Die Burg ist ganz sichtbar geworden. – Fricka erwacht: ihr Auge fällt auf die Burg

FRICKA
erschrocken.
Wotan, Gemahl! Erwache!
WOTAN
fortträumend.
Der Wonne seligen Saal
bewachen mir Tür und Tor:
Mannes Ehre,
ewige Macht,
ragen zu endlosem Ruhm!
FRICKA
rüttelt ihn.
Auf, aus der Träume
wonnigem Trug!
Erwache, Mann, und erwäge!
WOTAN
erwacht und erhebt sich ein wenig; sein Blick wird sogleich vom Anblick der Burg gefesselt.
Vollendet das ewige Werk!
Auf Berges Gipfel
die Götterburg;
prächtig prahlt
der prangende Bau!
Wie im Traum ich ihn trug,
wie mein Wille ihn wies,
[535] stark und schön
steht er zur Schau:
hehrer, herrlicher Bau!
FRICKA.
Nur Wonne schafft dir,
was mich erschreckt?
Dich freut die Burg,
mir bangt es um Freia!
Achtloser, laß dich erinnern
des ausbedungenen Lohns!
Die Burg ist fertig,
verfallen das Pfand:
vergaßest du, was du vergabst?
WOTAN.
Wohl dünkt mich's, was sie bedangen,
die dort die Burg mir gebaut;
durch Vertrag zähmt ich
ihr trotzig Gezücht,
daß sie die hehre
Halle mir schüfen;
die steht nun – Dank den Starken! –
um den Sold sorge dich nicht.
FRICKA.
O lachend frevelnder Leichtsinn!
Liebelosester Frohmut! –
Wußt' ich um euren Vertrag,
dem Truge hätt ich gewehrt;
doch mutig entferntet
ihr Männer die Frauen,
um taub und ruhig vor uns
allein mit den Riesen zu tagen:
so ohne Scham
verschenktet ihr Frechen
Freia, mein holdes Geschwister,
froh des Schächergewerbs! –
Was ist euch Harten
doch heilig und wert,
giert ihr Männer nach Macht!
WOTAN
ruhig.
Gleiche Gier
war Fricka wohl fremd,
als selbst um den Bau sie mich bat?
FRICKA.
Um des Gatten Treue besorgt
muß traurig ich wohl sinnen,
wie an mich er zu fesseln,
zieht's in die Ferne ihn fort:
herrliche Wohnung,
[536] wonniger Hausrat
sollten dich binden
zu säumender Rast.
Doch du bei dem Wohnbau sannst
auf Wehr und Wall allein:
Herrschaft und Macht
soll er dir mehren;
nur rastloser'n Sturm zu erregen,
erstand dir die ragende Burg.
WOTAN
lachend.
Wolltest du Frau
in der Feste mich fangen,
mir Gotte mußt du schon gönnen,
daß, in der Burg
gefangen, ich mir
von außen gewinne die Welt:
Wandel und Wechsel
liebt wer lebt;
das Spiel drum kann ich nicht sparen!
FRICKA.
Liebeloser
leidigster Mann!
Um der Macht und Herrschaft
müßigen Tand
verspielst du in lästerndem Spott
Liebe und Weibes Wert?
WOTAN.
Um dich zum Weib zu gewinnen,
mein eines Auge
setzt ich werbend daran:
wie törig tadelst du jetzt!
Ehr ich die Frauen
doch mehr als dich freut; –
und Freia, die gute,
geb ich nicht auf,
nie sann dies ernstlich mein Sinn.
FRICKA
mit ängstlicher Spannung in die Szene blickend.
So schirme sie jetzt:
in schutzloser Angst
läuft sie nach Hilfe dort her.
FREIA
tritt, wie in hastiger Flucht, auf.
Hilf mir, Schwester!
Schütze mich, Schwäher!
Vom Felsen drüben
drohte mir Fasolt,
mich Holde käm er zu holen.
[537]
WOTAN.
Laß ihn drohn! –
Sahst du nicht Loge?
FRICKA.
Daß am liebsten du immer
dem Listigen traust!
Viel Schlimmes schuf er uns schon,
doch stets bestrickt er dich wieder.
WOTAN.
Wo freier Mut frommt,
allein frag ich nach keinem.
Doch des Feindes Neid
zum Nutz sich fügen,
lehrt nur Schlauheit und List,
wie Loge verschlagen sie übt.
Der zum Vertrage mir riet,
versprach mir Freia zu lösen:
auf ihn verlaß ich mich nun.
FRICKA.
Und er läßt dich allein! –
Dort schreiten rasch
die Riesen heran:
Wo harrt dein schlauer Gehilf?
FREIA.
Wo harren meine Brüder,
daß Hilfe sie brächten,
da mein Schwäher die Schwache verschenkt?
Zu Hilfe, Donner!
Hieher, hieher!
Rette Freia, mein Froh!
FRICKA.
Die im bösen Bund dich verrieten,
sie Alle bergen sich nun!

Fasolt und Fafner, beide in riesiger Gestalt, mit starken Pfählen bewaffnet, treten auf.
FASOLT.
Sanft schloß
Schlaf dein Aug;
wir beide bauten
Schlummers bar die Burg.
Mächt'ger Müh
müde nie,
stauten starke
Stein' wir auf;
steiler Turm,
Tür und Tor,
deckt und schließt
im schlanken Schloß den Saal.

Auf die Burg deutend.

Dort steht's,
[538] was wir stemmten,
schimmernd hell
bescheint's der Tag:
zieh nun ein,
uns zahl den Lohn!
WOTAN.
Nennt, Leute, den Lohn;
was dünkt euch zu bedingen?
FASOLT.
Bedungen ist
was tauglich uns dünkt;
gemahnt es dich so matt?
Freia die holde,
Holda die freie –
vertragen ist's,
sie tragen wir heim.
WOTAN
schnell.
Seid ihr bei Trost
mit eurem Vertrag?
Denkt auf andren Dank:
Freia ist mir nicht feil!
FASOLT
steht, in höchster Bestürzung, eine Weile sprachlos.
Was sagst du? Ha!
Sinnst du Verrat?
Verrat am Vertrag?
Die dein Speer birgt,
sind sie dir Spiel,
des berat'nen Bundes Runen?
FAFNER.
Getreuster Bruder,
merkst du Tropf nun Betrug?
FASOLT.
Lichtsohn du,
leicht gefügter!
Hör und hüte dich;
Verträgen halte Treu'!
Was du bist,
bist du nur durch Verträge;
bedungen ist,
wohl bedacht deine Macht:
bist weiser du
als witzig wir sind,
bandest uns Freie
zum Frieden du:
all deinem Wissen fluch ich,
fliehe weit deinen Frieden,
weißt du nicht offen,
ehrlich und frei
[539] Verträgen zu wahren die Treu'! –
Ein dummer Riese
rät dir das:
du Weiser, wiss' es von ihm!
WOTAN.
Wie schlau für Ernst du achtest,
was wir zum Scherz nur beschlossen!
Die liebliche Göttin,
licht und leicht,
was taugt euch Tölpeln ihr Reiz?
FASOLT.
Höhnst du uns?
Ha, wie unrecht! –
Die ihr durch Schönheit herrscht,
schimmernd hehres Geschlecht,
wie törig strebt ihr
nach Türmen von Stein,
setzt um Burg und Saal
Weibes Wonne zum Pfand!
Wir Plumpen plagen uns
schwitzend mit schwieliger Hand –
ein Weib zu gewinnen,
das wonnig und mild
bei uns Armen wohne: –
verkehrt nennst du den Kauf?
FAFNER.
Schweig dein faules Schwatzen;
Gewinn werben wir nicht:
Freias Haft
hilft wenig;
doch viel gilt's,
den Göttern sie zu entreißen.

Leise.

Gold'ne Äpfel
wachsen in ihrem Garten,
sie allein
weiß die Äpfel zu pflegen;
der Frucht Genuß
frommt ihren Sippen
zu ewig nie
alternder Jugend:
siech und bleich
doch sinkt ihre Blüte,
alt und schwach
schwinden sie hin,
müssen Freia sie missen.

[540] Grob.

Ihrer Mitte drum sei sie entführt!
WOTAN.
Loge säumt zu lang!
FASOLT.
Schlicht gib nun Bescheid!
WOTAN.
Fordert andern Sold!
FASOLT.
Kein andrer: Freia allein!
FAFNER.
Du da! folge uns!

Fafner und Fasolt dringen auf Freia. – Froh und Donner kommen eilig.
FREIA
fliehend.
Helft! Helft vor den Harten!
FROH
Freia in seine Arme fassend.
Zu mir, Freia! –

Zu Fafner.

Meide sie, Frecher!
Froh schützt die Schöne.
DONNER
sich vor die beiden Riesen stellend.
Fasolt und Fafner, fühltet ihr schon
meines Hammers harten Schlag?
FAFNER.
Was soll das Droh'n?
FASOLT.
Was dringst du her?
Kampf kiesten wir nicht,
verlangen nur unsern Lohn.
DONNER.
Schon oft zahlt ich
Riesen den Zoll.
Kommt her, des Lohnes Last
wäg ich mit gutem Gewicht.

Er schwingt den Hammer.
WOTAN
seinen Speer zwischen den Streitenden ausstreckend.
Halt, du Wilder!
Nichts durch Gewalt!
Verträge schützt
meines Speeres Schaft: –
spar deines Hammers Heft!
FREIA.
Wehe! Wehe!
Wotan verläßt mich!
FRICKA.
Begreif ich dich noch,
grausamer Mann?
WOTAN
wendet sich ab und sieht Loge kommen.
Endlich Loge!
Eiltest du so,
den du geschlossen,
den schlimmen Handel zu schlichten?
LOGE
ist im Hintergrunde aus dem Tale heraufgestiegen.
Wie? Welchen Handel
[541] hätt ich geschlossen?
Wohl was mit den Riesen
dort im Rate du dangst? –
In Tiefen und Höhen
treibt mich mein Hang;
Haus und Herd
behagt mir nicht.
Donner und Froh,
die denken an Dach und Fach,
wollen sie frei'n,
ein Haus muß sie erfreu'n.
Ein stolzer Saal,
ein starkes Schloß,
danach stand Wotans Wunsch.
Haus und Hof,
Saal und Schloß,
die selige Burg,
sie steht nun fest gebaut.
Das Prachtgemäuer
prüft ich selbst,
ob alles fest,
forscht ich genau,
Fasolt und Fafner
fand ich bewährt:
kein Stein wankt im Gestemm.
Nicht müßig war ich,
wie mancher hier;
der lügt, wer lässig mich schilt.
WOTAN.
Arglistig
weichst du mir aus:
mich zu betrügen
hüte in Treuen dich wohl!
Von allen Göttern
dein einz'ger Freund,
nahm ich dich auf
in der übel trauenden Troß: –
Nun red' und rate klug!
Da einst die Bauer der Burg
zum Dank Freia bedangen, –
du weißt, nicht anders
willigt ich ein,
als weil auf Pflicht du gelobtest
zu lösen das hehre Pfand?
[542]
LOGE.
Mit höchster Sorge
drauf zu sinnen,
wie es zu lösen,
das – hab ich gelobt.
Doch, daß ich fände,
was nie sich fügt,
was nie gelingt –
wie ließ sich das wohl geloben?
FRICKA
zu Wotan.
Sieh, welch trugvollem
Schelm du getraut!
FROH
zu Loge.
Loge heißt du,
doch nenn ich dich Lüge!
DONNER.
Verfluchte Lohe,
dich lösch ich aus!
LOGE.
Ihre Schmach zu decken
schmähen mich Dumme!

Donner holt auf Loge aus.
WOTAN
dazwischen tretend.
In Frieden laßt mir den Freund!
Nicht kennt ihr Loges Kunst:
reicher wiegt
seines Rates Wert,
zahlt er zögernd ihn aus.
FAFNER.
Nichts gezögert!
Rasch gezahlt!
FASOLT.
Lang währt's mit dem Lohn!
WOTAN
wendet sich hart zu Loge, drängend.
Jetzt hör; Störrischer!
Halte Stich!
Wo schweifst du hin und her?
LOGE.
Immer ist Undank
Loges Lohn!
Für dich nur besorgt,
sah ich mich um,
durchstöbert im Sturm
alle Winkel der Welt:
Ersatz für Freia zu suchen,
wie er den Riesen wohl recht.
Umsonst sucht ich,
und sehe nun wohl:
in der Welten Ring
nichts ist so reich,
als Ersatz zu muten dem Mann
für Weibes Wonne und Wert!

[543] Alle geraten in Erstaunen und verschiedenartige Betroffenheit.

So weit Leben und Weben,
in Wasser, Erd und Luft,
viel frug ich,
forschte bei Allen,
wo Kraft nur sich rührt,
und Keime sich regen:
was wohl dem Manne
mächt'ger dünk'
als Weibes Wonne und Wert?
Doch so weit Leben und Weben,
verlacht nur ward
meine fragende List:
in Wasser, Erd und Luft
lassen will nichts
von Lieb und Weib. –

Gemischte Bewegung.

Nur Einen sah ich,
der sagte der Liebe ab;
um rotes Gold
entriet er des Weibes Gunst.
Des Rheines klare Kinder
klagten mir ihre Not:
der Nibelung,
Nachtalberich,
buhlte vergebens
um der Badenden Gunst;
das Rheingold da
raubte sich rächend der Dieb:
das dünkt ihm nun
das teuerste Gut,
hehrer als Weibes Huld.
Um den gleißenden Tand,
der Tiefe entwandt,
erklang mir der Töchter Klage:
an dich, Wotan,
wenden sie sich,
daß zu Recht du zögest den Räuber,

Mit wachsender Wärme.

das Gold dem Wasser
wieder gebest,
und ewig es bliebe ihr Eigen. –

[544] Hingebende Bewegung Aller.

Dir's zu melden
gelobt ich den Mädchen:
nun löste Loge sein Wort.
WOTAN.
Törig bist du,
wenn nicht gar tückisch!
Mich selbst siehst du in Not:
wie hülf' ich andern zum Heil?
FASOLT
der aufmerksam zugehört, zu Fafner.
Nicht gönn ich das Gold dem Alben;
viel Not schon schuf uns der Niblung,
doch schlau entschlüpfte unserm
Zwange immer der Zwerg.
FAFNER.
Neue Neidtat
sinnt uns der Niblung,
gibt das Gold ihm Macht. –
Du da, Loge!
Sag ohne Lug:
was Großes gilt denn das Gold,
daß dem Niblung es genügt?
LOGE.
Ein Tand ist's
in des Wassers Tiefe,
lachenden Kindern zur Lust;
doch, ward es zum runden
Reife geschmiedet,
hilft es zu höchster Macht,
gewinnt dem Manne die Welt.
WOTAN
sinnend.
Von des Rheines Gold
hört ich raunen:
Beute-Runen
berge sein roter Glanz;
Macht und Schätze
schüf ohne Maß ein Reif.
FRICKA
leise zu Loge.
Taugte wohl
des gold'nen Tandes
gleißend Geschmeid
auch Frauen zu schönem Schmuck?
LOGE.
Des Gatten Treu'
ertrotzte die Frau,
trüge sie hold
den hellen Schmuck,
den schimmernd Zwerge schmieden,
rührig im Zwange des Reifs.
[545]
FRICKA
schmeichelnd zu Wotan.
Gewänne mein Gatte
sich wohl das Gold?
WOTAN
wie in einem Zustande wachsender Bezauberung.
Des Reifes zu walten,
rätlich will es mich dünken. –
Doch wie, Loge,
lernt ich die Kunst?
Wie schüf ich mir das Geschmeid!
LOGE.
Ein Runen-Zauber
zwingt das Gold zum Reif;
keiner kennt ihn;
doch Einer übt ihn leicht,
der sel'ger Lieb entsagt.

Wotan wendet sich unmutig ab.

Das sparst du wohl;
zu spät auch kamst du;
Alberich zauderte nicht.
Zaglos gewann er
des Zaubers Macht:

Grell.

geraten ist ihm der Ring!
DONNER
zu Wotan.
Zwang uns Allen
schüfe der Zwerg,
würd ihm der Reif nicht entrissen.
WOTAN.
Den Ring muß ich haben!
FROH.
Leicht erringt
ohne Liebesfluch er sich jetzt.
LOGE
grell.
Spottleicht,
ohne Kunst, wie im Kinderspiel!
WOTAN.
So rate, wie?
LOGE.
Durch Raub!
Was ein Dieb stahl,
das stiehlst du dem Dieb:
ward leichter ein Eigen erlangt? –
Doch mit arger Wehr
wahrt sich Alberich;
klug und fein
mußt du verfahren,
ziehst den Räuber du zu Recht,
um des Rheines Töchtern
den roten Tand,

Mit Wärme.

[546] das Gold wieder zu geben;
denn darum flehen sie dich.
WOTAN.
Des Rheines Töchter?
Was taugt mir der Rat!
FRICKA.
Von dem Wassergezücht
mag ich nichts wissen;
schon manchen Mann
– mir zum Leid! –
verlockten sie buhlend im Bad.

Wotan steht stumm mit sich kämpfend, die übrigen Götter heften in schweigender Spannung die Blicke auf ihn. – Währenddem hat Fafner bei Seite mit Fasolt beraten.
FAFNER
zu Fasolt.
Glaub mir, mehr als Freia
frommt das gleißende Gold:
auch ew'ge Jugend erjagt,
wer durch Goldes Zauber sie zwingt. –

Fasolts Gebärde deutet an, daß er sich wider Willen überredet fühlt. – Fafner tritt mit Fasolt wieder an Wotan heran.

Hör, Wotan,
der Harrenden Wort!
Freia bleib euch in Frieden;
leicht'ren Lohn
fand ich zur Lösung:
uns rauhen Riesen genügt
des Niblungen rotes Gold.
WOTAN.
Seid ihr bei Sinn?
Was nicht ich besitze,
soll ich euch Schamlosen schenken?
FAFNER.
Schwer baute
dort sich die Burg:
leicht wird dir's
mit list'ger Gewalt,
(was im Neidspiel nie uns gelang,)
den Niblungen fest zu fah'n.
WOTAN.
Für euch müht' ich
mich um den Alben?
Für euch fing ich den Feind?
Unverschämt
und überbegehrlich
macht euch Dumme mein Dank!
FASOLT
ergreift plötzlich Freia und führt sie mit Fafner zur Seite.
Hieher, Maid!
In unsre Macht!
[547] Als Pfand folgst du uns jetzt,
bis wir Lösung empfah'n.
FREIA
schreiend.
Wehe! Wehe! Weh!
FAFNER.
Fort von hier
sei sie entführt!
Bis Abend – achtet's wohl! –
pflegen wir sie als Pfand;
wir kehren wieder;
doch kommen wir,
und bereit liegt nicht als Lösung
das Rheingold licht und rot –
FASOLT.
Zu End ist die Frist dann,
Freia verfallen:
für immer folge sie uns!
FREIA
schreiend.
Schwester! Brüder!
Rettet! Helft!

Freia wird von den hastig enteilenden Riesen fortgetragen.
FROH.
Auf, ihnen nach!
DONNER.
Breche denn Alles!

Sie blicken Wotan fragend an.
FREIA
aus der Ferne.
Rettet! Helft!
LOGE
den Riesen nachsehend.
Über Stock und Stein zu Tal
stapfen sie hin:
durch des Rheines Wasserfurt
waten die Riesen:
Fröhlich nicht
hängt Freia
den Rauhen über den Rücken! –
Heia! hei!
wie taumeln die Tölpel dahin!
Durch das Tal talpen sie hin,
wohl an Riesenheims Mark
erst halten sie Rast. –

Er wendet sich zu den Göttern.

Was sinnt nun Wotan so wild?
Den sel'gen Göttern wie geht's?

Ein fahler Nebel erfüllt mit wachsender Dichtheit die Bühne; in ihm erhalten die Götter ein zunehmend bleiches und ältliches Aussehen; alle stehen bang und erwartungsvoll auf Wotan blickend, der sinnend die Augen an den Boden heftet.

Trügt mich ein Nebel?
Neckt mich ein Traum?
Wie bang und bleich
[548] verblüht ihr so bald!
Euch erlischt der Wangen Licht;
der Blick eures Auges verblitzt! –
Frisch, mein Froh!
noch ist's ja früh! –
Deiner Hand, Donner,
entsinkt ja der Hammer! –
Was ist's mit Fricka?
Freut sie sich wenig
ob Wotans grämlichem Grau,
das schier zum Greisen ihn schafft?
FRICKA.
Wehe! Wehe!
Was ist geschehn?
DONNER.
Mir sinkt die Hand!
FROH.
Mir stockt das Herz!
LOGE.
Jetzt fand ich's! Hört, was euch fehlt!
Von Freias Frucht
genosset ihr heute noch nicht.
Die gold'nen Äpfel
in ihrem Garten,
sie machten euch tüchtig und jung,
aßt ihr sie jeden Tag.
Des Gartens Pflegerin
ist nun verpfändet;
an den Ästen darbt
und dorrt das Obst,
bald fällt faul es herab. –
Mich kümmert's minder;
an mir ja kargte
Freia von je
knausernd die köstliche Frucht:
denn halb so echt nur
bin ich wie, Selige, ihr!

Frei, doch lebhaft und grell.

Doch ihr setztet alles
auf das jüngende Obst:
das wußten die Riesen wohl;
auf euer Leben
legten sie's an:
nun sorgt, wie ihr das wahrt!
Ohne die Äpfel,
alt und grau,
greis und grämlich,
[549] welkend zum Spott aller Welt,
erstirbt der Götter Stamm.
FRICKA
bang.
Wotan, Gemahl!
Unsel'ger Mann!
Sieh, wie dein Leichtsinn
lachend uns Allen
Schimpf und Schmach erschuf!
WOTAN
mit plötzlichem Entschluß auffahrend.
Auf, Loge!
Hinab mit mir!
Nach Nibelheim fahren wir nieder:
gewinnen will ich das Gold!
LOGE.
Die Rheintöchter
riefen dich an:
so dürfen Erhörung sie hoffen?
WOTAN
heftig.
Schweige, Schwätzer!
Freia, die Gute,
Freia gilt es zu lösen!
LOGE.
Wie du befiehlst,
führ ich dich gern:
steil hinab
steigen wir denn durch den Rhein?
WOTAN.
Nicht durch den Rhein!
LOGE.
So schwingen wir uns
durch die Schwefelkluft:
dort schlüpfe mit mir hinein!

Er geht voran und verschwindet seitwärts in einer Kluft, aus
der sogleich ein schwefliger Dampf hervorquillt.
WOTAN.
Ihr Andern harrt
bis Abend hier:
verlor'ner Jugend
erjag ich erlösendes Gold!

Er steigt Loge nach in die Kluft hinab. Der aus ihr dringende Schwefeldampf verbreitet sich über die ganze Bühne und erfüllt diese schnell mit dickem Gewölk. Bereits sind die Zurückbleibenden unsichtbar.
DONNER.
Fahre wohl, Wotan!
FROH.
Glück auf! Glück auf!
FRICKA.
O kehre bald
zur bangenden Frau!

Der Schwefeldampf verdüstert sich zu ganz schwarzem Gewölk, welches von unten nach oben steigt; dann verwandelt sich dieses in festes, finstres Steingeklüft, das sich immer aufwärts bewegt, so daß es den Anschein hat, als sänke die Szene [550] immer tiefer in die Erde hinab. Von verschiedenen Seiten her dämmert aus der Ferne dunkelroter Schein auf:
wachsendes Geräusch wie von Schmiedenden wird überallher vernommen. – Das Getöse der Ambosse verliert sich. Eine unabsehbar weit sich dahinziehende unterirdische Kluft wird erkennbar, die sich nach allen Seiten hin in enge Schachten auszumünden scheint.

3. Szene

Dritte Szene

Nibelheim


Alberich zerrt den kreischenden Mime an den Ohren aus einer Seitenschlufft herbei.

ALBERICH.
Hehe! hehe!
hieher! hieher!
Tückischer Zwerg!
Tapfer gezwickt
sollst du mir sein,
schaffst du nicht fertig,
wie ich's bestellt,
zur Stund das feine Geschmeid!
MIME
heulend.
Ohe! Ohe!
Au! Au!
Laß mich nur los!
Fertig ist's,
wie du befahlst,
mit Fleiß und Schweiß
ist es gefügt: –
nimm nur die

Grell.

Nägel vom Ohr!
ALBERICH.
Was zögerst du dann,
und zeigst es nicht?
MIME.
Ich Armer zagte,
daß noch was fehle.
ALBERICH.
Was wär noch nicht fertig?
MIME
verlegen.
Hier – und da –
ALBERICH.
Was hier und da?
Her das Geschmeid!

Er will ihm wieder an das Ohr fahren: vor Schreck läßt Mime [551] ein metallnes Gewirke, das er krampfhaft in den Händen hielt, sich entfallen. Alberich hebt es hastig auf und prüft es genau

Schau, du Schelm!
Alles geschmiedet
und fertig gefügt –
wie ich's befahl.
So wollte der Tropf
schlau mich betrügen?
Für sich behalten
das hehre Geschmeid,
das meine List
ihn zu schmieden gelehrt?
Kenn ich dich, dummer Dieb?

Er setzt das Gewirk als Tarnhelm auf den Kopf.

Dem Haupt fügt sich der Helm:
ob sich der Zauber auch zeigt?

Sehr leise.

»Nacht und Nebel –
Niemand gleich!« –

Seine Gestalt verschwindet; statt ihrer gewahrt man eine Nebelsäule.

Siehst du mich, Bruder?
MIME
blickt sich verwundert um.
Wo bist du? Ich sehe dich nicht.
ALBERICH
unsichtbar.

So fühle mich doch,

du fauler Schuft!

Nimm das für dein Diebsgelüst!

MIME windet sich unter empfangenen Geißelhieben, deren Fall man vernimmt, ohne die Geißel selbst zu sehen

Ohe! Ohe!

Au! Au! Au!

ALBERICH
lachend, unsichtbar.
Hahahahahaha!
Hab Dank, du Dummer!
Dein Werk bewährt sich gut! –
Hoho! Hoho!
Niblungen all,
neigt euch nun Alberich!
Überall weilt er nun
euch zu bewachen;
Ruh und Rast
ist euch zerronnen;
ihm müßt ihr schaffen,
[552] wo nicht ihr ihn schaut,
wo ihr nicht ihn gewahrt,
seid seiner gewärtig!
Untertan seid ihr ihm immer!

Grell.

Hoho! Hoho!
hört ihn, er naht:
der Niblungen Herr!

Die Nebelsäule verschwindet dem Hintergrunde zu: man hört in immer weiterer Ferne die tobende Ankunft Alberichs. – Mime ist vor Schmerz zusammen gesunken. Wotan und Loge lassen sich aus einer Schlufft von oben herab.
LOGE.
Nibelheim hier.
Durch bleiche Nebel
was blitzen dort feurige Funken?
MIME
am Boden.
Au! Au! Au!
WOTAN.
Hier stöhnt es laut:
was liegt im Gestein?
LOGE
sich zu Mime neigend.
Was Wunder wimmerst du hier?
MIME.
Ohe! Ohe!
Au! Au!
LOGE.
Hei, Mime! Muntrer Zwerg!
Was zwingt und zwackt dich denn so?
MIME.
Laß mich in Frieden!
LOGE.
Das will ich freilich,
und mehr noch, hör!
Helfen will ich dir, Mime.

Er stellt ihn mühsam aufrecht.
MIME.
Wer hälfe mir!
Gehorchen muß ich
dem leiblichen Bruder,
der mich in Bande gelegt.
LOGE.
Dich, Mime, zu binden,
was gab ihm die Macht?
MIME.
Mir arger List
schuf sich Alberich
aus Rheines Gold
einen gelben Reif:
seinem starken Zauber
zittern wir staunend;
mit ihm zwingt er uns alle,
der Niblungen nächt'ges Heer. –
Sorglose Schmiede,
[553] schufen wir sonst wohl
Schmuck unsren Weibern,
wonnig Geschmeid,
niedlichen Niblungentand;
wir lachten lustig der Müh. –
Nun zwingt uns der Schlimme,
in Klüfte zu schlüpfen,
für ihn allein
uns immer zu müh'n.
Durch des Ringes Gold
errät seine Gier,
wo neuer Schimmer
in Schachten sich birgt:
da müssen wir spähen,
spüren und graben,
die Beute schmelzen,
und schmieden den Guß,
ohne Ruh und Rast
dem Herrn zu häufen den Hort.
LOGE.
Dich Trägen soeben
traf wohl sein Zorn?
MIME.
Mich Ärmsten, ach!
mich zwang er zum Ärgsten.
Ein Helmgeschmeid
hieß er mich schweißen;
genau befahl er,
wie es zu fügen.
Wohl merkt ich klug,
welch mächt'ge Kraft
zu eigen dem Werk,
das aus Erz ich wob;
für mich drum hüten
wollt ich den Helm;
durch seinen Zauber
Alberichs Zwang mich entziehn:
vielleicht – ja vielleicht
den Lästigen selbst überlisten,
in meine Gewalt ihn zu werfen;
den Ring ihm zu entreißen,
daß, wie ich Knecht jetzt dem Kühnen,

Grell.

mir Freien er selber dann frön'!
[554]
LOGE.
Warum, du Kluger,
glückte dir's nicht?
MIME.
Ach! der das Werk ich wirkte,
den Zauber, der ihm entzuckt,
den Zauber erriet ich nicht recht:
der das Werk mir riet
und mir's entriß,
der lehrte mich nun
– doch leider zu spät –,
welche List läg in dem Helm.
Meinem Blick entschwand er;
doch Schwielen dem Blinden
schlug unschaubar sein Arm.

Heulend und schluchzend.

Das schuf ich mir Dummer
schön zu Dank!

Er streicht sich den Rücken. Wotan und Loge lachen.
LOGE
zu Wotan.
Gesteh, nicht leicht
gelingt der Fang.
WOTAN.
Doch erliegt der Feind,
hilft deine List!
MIME
betrachtet die Götter aufmerksamer.
Mit eurem Gefrage,
wer seid denn ihr Fremde?
LOGE.
Freunde dir;
von ihrer Not
befrei'n wir der Niblungen Volk!
MIME
schrickt zusammen, da er Alberich sich wieder nahen hört.
Nehmt euch in acht.
Alberich naht.

Er rennt vor Angst hin und her.
WOTAN
ruhig sich auf einen Stein setzend.
Sein harren wir hier.

Alberich, der den Tarnhelm vom Haupte genommen und an den Gürtel gehängt hat, treibt mit geschwungener Geißel aus der unteren, tiefer gelegenen Schlucht aufwärts eine Schar Nibelungen vor sich her: diese sind mit goldenem und silbernem
Geschmeide beladen, das sie, unter Alberichs steter Nötigung, all auf einen Haufen speichern und so zu einem Horte häufen.
ALBERICH.
Hieher! Dorthin!
Hehe! Hoho!
Träges Heer!
[555] Dort zu Hauf
schichtet den Hort!
Du da, hinauf!
Willst du voran?
Schmähliches Volk!
Ab das Geschmeide!
Soll ich euch helfen?
Alles hieher!

Er gewahrt plötzlich Wotan und Loge.

He! wer ist dort?
Wer drang hier ein? –
Mime, zu mir!
Schäbiger Schuft!
Schwatzest du gar
mit dem schweifenden Paar?
Fort, du Fauler!
Willst du gleich schmieden und schaffen?

Er treibt Mime mit Geißelhieben in den Haufen der
Nibelungen hinein.

He! an die Arbeit!
Alle von hinnen!
Hurtig hinab!
Aus den neuen Schachten
schafft mir das Gold!
Euch grüßt die Geißel,
grabt ihr nicht rasch!
Daß keiner mir müßig,
bürge mir Mime,
sonst birgt er sich schwer
meiner Geißel Schwünge!
Daß ich überall weile,
wo keiner mich wähnt,
das weiß er, dünkt mich, genau! –
Zögert ihr noch?
Zaudert wohl gar? –

Er zieht seinen Ring vom Finger, küßt ihn und streckt ihn drohend aus.

Zittre und zage,
gezähmtes Heer!
Rasch gehorcht
des Ringes Herrn!

Unter Geheul und Gekreisch stieben die Nibelungen – unter [556] ihnen Mime – auseinander und schlüpfen
nach allen Seiten in die Schachten hinab.
ALBERICH
betrachtet lange und mißtrauisch Wotan und Loge.
Was wollt ihr hier?
WOTAN.
Von Nibelheims mächt'gem Land
vernahmen wir neue Mär;
mächt'ge Wunder
wirke hier Alberich;
daran uns zu weiden
trieb uns Gäste die Gier.
ALBERICH.
Nach Nibelheim
führt euch der Neid:
so kühne Gäste,
glaubt, kenn ich gut!
LOGE.
Kennst du mich gut,
kindischer Alp?
Nun sag, wer bin ich,
daß du so bellst?
Im kalten Loch,
da kauernd du lagst,
wer gab dir Licht
und wärmende Lohe,
wenn Loge nie dir gelacht?
Was hülf dir dein Schmieden,
heizt ich die Schmiede dir nicht?
Dir bin ich Vetter
und war dir Freund:
nicht fein drum dünkt mich dein Dank!
ALBERICH.
Den Lichtalben
lacht jetzt Loge,
der list'ge Schelm?
Bist du Falscher ihr Freund,
wie mir Freund du einst warst: –
haha! – mich freut's! –
Von ihnen fürcht ich dann nichts.
LOGE.
So denk ich, kannst du mir trau'n.
ALBERICH.
Deiner Untreu trau ich,
nicht deiner Treu!
Doch getrost trotz ich euch allen.
LOGE.
Hohen Mut
verleiht deine Macht;
grimmig groß
wuchs dir die Kraft!
[557]
ALBERICH.
Siehst du den Hort,
den mein Heer
dort mir gehäuft?
LOGE.
So neidlichen sah ich noch nie.
ALBERICH.
Das ist für heut,
ein kärglich Häufchen!
Kühn und mächtig
soll er künftig sich mehren.
WOTAN.
Zu was doch frommt dir der Hort,
da freudlos Nibelheim,
und nichts für Schätze hier feil?
ALBERICH.
Schätze zu schaffen,
und Schätze zu bergen
nützt mir Nibelheims Nacht.
Doch mit dem Hort,
in der Höhle gehäuft,
denk ich dann Wunder zu wirken:
die ganze Welt
gewinn ich mit ihm mir zu eigen!
WOTAN.
Wie beginnst du, Gütiger, das?
ALBERICH.
Die in linder Lüfte Weh'n
da oben ihr lebt,
lacht und liebt: –
mit gold'ner Faust
euch Göttliche fang ich mir Alle!
Wie ich der Liebe abgesagt,
Alles was lebt
soll ihr entsagen!
Mit Golde gekirrt,
nach Gold nur sollt ihr noch gieren!
Auf wonnigen Höh'n,
in seligem Weben
wiegt ihr euch;
den Schwarzalben
verachtet ihr ewigen Schwelger! –
Habt Acht! Habt Acht!
Denn dient ihr Männer
erst meiner Macht,
eure schmucken Frau'n,
die mein Frei'n verschmäht,
sie zwingt zur Lust sich der Zwerg,
lacht Liebe ihm nicht! –

Wild lachend.

[558] Hahahaha!
Habt ihr's gehört?
Habt Acht!
Habt Acht vor dem nächtlichen Heer,
entsteigt des Niblungen Hort
aus stummer Tiefe zu Tag!
WOTAN
auffahrend.
Vergeh, frevelnder Gauch!
ALBERICH.
Was sagt der?
LOGE
dazwischen tretend.
Sei doch bei Sinnen! –
Wen doch faßte nicht Wunder,
erfährt er Alberichs Werk?
Gelingt deiner herrlichen List,
was mit dem Horte du heischest:
den Mächtigsten muß ich dich rühmen,
denn Mond und Stern,
und die strahlende Sonne,
sie auch dürfen nicht anders,
dienen müssen sie dir. –
Doch – wichtig acht ich vor allem,
daß des Hortes Häufer,
der Niblungen Heer,
neidlos dir geneigt?
Einen Reif rührtest du kühn;
dem zagte zitternd dein Volk: –
doch, wenn im Schlaf
ein Dieb dich beschlich',
den Ring schlau dir entriß: –
wie wahrtest du Weiser dich dann?
ALBERICH.
Der Listigste dünkt sich Loge;
andre denkt er
immer sich dumm:
daß sein ich bedürfte
zu Rat und Dienst,
um harten Dank,
das hörte der Dieb jetzt gern!
Den hehlenden Helm
ersann ich mir selbst;
der sorglichste Schmied,
Mime mußt ihn mir schmieden:
schnell mich zu wandeln,
nach meinem Wunsch
die Gestalt mir zu tauschen,
taugt der Helm.
[559] Niemand sieht mich,
wenn er mich sucht;
doch überall bin ich,
geborgen dem Blick.
So ohne Sorge
bin ich selbst sicher vor dir,
du fromm sorgender Freund!
LOGE.
Vieles sah ich,
Seltsames fand ich,
doch solches Wunder
gewahrt ich nie.
Dem Werk ohne Gleichen
kann ich nicht glauben;
wäre dies eine möglich,
deine Macht währte dann ewig!
ALBERICH.
Meinst du, ich lüg
und prahle wie Loge?
LOGE.
Bis ich's geprüft,
bezweifl' ich, Zwerg, dein Wort.
ALBERICH.
Vor Klugheit bläht sich
zum Platzen der Blöde!
Nun plage dich Neid!
Bestimm, in welcher Gestalt
soll ich jach vor dir stehn?
LOGE.
In welcher du willst;
nur mach vor Staunen mich stumm!
ALBERICH
setzt den Helm auf.
»Riesenwurm
winde sich ringelnd!«

Sogleich verschwindet er. Statt seiner windet sich eine ungeheure Riesenschlange am Boden; sie bäumt sich und sperrt den aufgerissenen Rachen auf Wotan und Loge zu.
LOGE
stellt sich von Furcht ergriffen.
Ohe! Ohe!
Schreckliche Schlange,
verschlinge mich nicht!
Schone Logen das Leben!
WOTAN.
Hahaha! Hahaha!
Gut, Alberich!
Gut, du Arger!
Wie wuchs so rasch
zum riesigen Wurme der Zwerg!

Die Schlange verschwindet; statt ihrer erscheint sogleich Alberich wieder in seiner wirklichen Gestalt.
[560]
ALBERICH.
Hehe! Ihr Klugen!
Glaubt ihr mir nun?
LOGE
mit zitternder Stimme.
Mein Zittern mag dir's bezeugen!
Zur großen Schlange
schufst du dich schnell:
weil ich's gewahrt,
willig glaub ich dem Wunder.
Doch, wie du wuchsest,
kannst du auch winzig
und klein dich schaffen?
Das Klügste schien mir das,
Gefahren schlau zu entfliehn:
das aber dünkt mich zu schwer!
ALBERICH.
Zu schwer dir,
weil du zu dumm!
Wie klein soll ich sein?
LOGE.
Daß die feinste Klinze dich fasse,
wo bang die Kröte sich birgt.
ALBERICH.
Pah! Nichts leichter!
Luge du her!

Er setzt den Helm auf.

»Krumm und grau
krieche Kröte.«

Er verschwindet: die Götter gewahren im Gestein eine Kröte auf sich zukriechen.
LOGE
zu Wotan.
Dort, die Kröte!
Greife sie rasch!

Wotan setzt seinen Fuß auf die Kröte: Loge fährt ihr nach dem Kopfe und hält den Tarnhelm in der Hand.
ALBERICH.
Ohe! Verflucht!
Ich bin gefangen!
LOGE.
Halt ihn fest,
bis ich ihn band.

Alberich ist plötzlich in seiner wirklichen Gestalt sichtbar geworden, wie er sich unter Wotans Fuße windet. Loge bindet ihm mit einem Bastseil Hände und Füße.
LOGE.
Nun schnell hinauf:
dort ist er unser!

Den Geknebelten, der sich wütend zu wehren sucht, fassen Beide und schleppen ihn mit sich zu der Kluft, aus der sie herabkamen. Dort verschwinden sie, aufwärts steigend. – Die Szene verwandelt sich, nur in umgekehrter Weise, wie zuvor. Die Verwandlung führt wieder an den Schmieden vorbei. Fortdauernde Verwandlung nach oben.

[561]

4. Szene

Vierte Szene

Freie Gegend auf Bergeshöhen


Die Aussicht ist noch in fahle Nebel verhüllt wie am Schlusse der zweiten Szene. Wotan und Loge, den gebundenen Alberich mit sich führend, steigen aus der Kluft herauf.

LOGE.
Da, Vetter,
sitze du fest! –
Luge, Liebster,
dort liegt die Welt,
die du Lungrer gewinnen dir willst: –
welch Stellchen, sag
bestimmst du drin mir zum Stall?

Er schlägt tanzend ihm Schnippchen.
ALBERICH.
Schändlicher Schächer!
Du Schalk! Du Schelm!
Löse den Bast,
binde mich los;
den Frevel sonst büßest du Frecher!
WOTAN.
Gefangen bist du,
fest mir gefesselt,
wie du die Welt,
was lebt und webt,
in deiner Gewalt schon wähntest;
in Banden liegst du vor mir –
Du Banger kannst es nicht leugnen!
Zu ledigen dich,
bedarf's nun der Lösung.
ALBERICH.
O ich Tropf!
ich träumender Tor!
Wie dumm traut ich
dem diebischen Trug!
Furchtbare Rache
räche den Fehl!
LOGE.
Soll Rache dir frommen,
vor allem rate dich frei:
dem gebund'nen Manne
[562] büßt kein Freier den Frevel.
Drum sinnst du auf Rache,
rasch ohne Säumen
sorg um die Lösung zunächst!

Er zeigt ihm, Finger schnalzend, die Art der Lösung an.
ALBERICH.
So heischt, was ihr begehrt!
WOTAN.
Den Hort und dein helles Gold.
ALBERICH.
Gieriges Gaunergezücht!

Für sich.

Doch behalt ich mir nur den Ring,
des Hortes entrat ich dann leicht;
denn von neuem gewonnen
und wonnig genährt
ist er bald durch des Ringes Gebot: –
eine Witzigung wär's,
die weise mich macht,
zu teuer nicht zahl ich die Zucht,
laß für die Lehre ich den Tand. –
WOTAN.
Erlegst du den Hort?
ALBERICH.
Löst mir die Hand,
so ruf ich ihn her.

Loge löst ihm die Schlinge an der rechten Hand. Alberich rührt den Ring mit den Lippen und murmelt heimlich einen Befehl.

Wohlan, die Niblungen
rief ich mir nah.
Ihrem Herrn gehorchend
hör ich den Hort
aus der Tiefe sie führen zu Tag: –
nun löst mich vom lästigen Band!
WOTAN.
Nicht eh'r, bis alles gezahlt.

Die Nibelungen steigen aus der Kluft herauf, mit den Geschmeiden des Hortes beladen. Während des Folgenden schichten die Nibelungen den Hort auf.
ALBERICH.
O schändliche Schmach!
daß die scheuen Knechte
geknebelt selbst mich erschau'n! –

Zu den Nibelungen.

Dorthin geführt,
wie ich's befehl!
All zu Hauf
schichtet den Hort!
Helf ich euch Lahmen? –
[563] Hierher nicht gelugt! –
Rasch da! Rasch!
Dann rührt euch von hinnen,
daß ihr mir schafft!
Fort in die Schachten!
Weh euch, treff ich euch faul!
Auf den Fersen folg ich euch nach!

Er küßt seinen Ring und streckt ihn gebieterisch aus. Wie von einem Schlage getroffen drängen sich die Nibelungen scheu und ängstlich der Kluft zu, in der sie schnell hinabschlüpfen.

Gezahlt hab ich;
nun laß mich ziehn:
und das Helmgeschmeid,
das Loge dort hält,
das gebt mir nun gütlich zurück!
LOGE
den Tarnhelm auf den Hort werfend.
Zur Buße gehört die Beute.
ALBERICH.
Verfluchter Dieb! –
Doch nur Geduld!
Der den alten mir schuf,
schafft einen andern:
noch halt ich die Macht,
der Mime gehorcht.
Schlimm zwar ist's,
dem schlauen Feind
zu lassen die listige Wehr! –
Nun denn! Alberich
ließ euch Alles;
jetzt löst, ihr Bösen, das Band!
LOGE
zu Wotan.
Bist du befriedigt?
Laß ich ihn frei?
WOTAN.
Ein gold'ner Ring
ragt dir am Finger:
hörst du, Alp? –
der, acht ich, gehört mit zum Hort.
ALBERICH
entsetzt.
Der Ring?
WOTAN.
Zu deiner Lösung
mußt du ihn lassen.
ALBERICH
bebend.
Das Leben, doch nicht den Ring!
WOTAN
heftiger.
Den Reif verlang ich:
mit dem Leben mach was du willst.
ALBERICH.
Lös ich mir Leib und Leben,
den Ring auch muß ich mir lösen;
[564] Hand und Haupt,
Aug und Ohr
sind nicht mehr mein Eigen,
als hier dieser rote Ring!
WOTAN.
Dein Eigen nennst du den Ring?
Rasest du, schamloser Albe?
Nüchtern sag,
wem entnahmst du das Gold,
daraus du den schimmernden schufst?
War's dein Eigen,
was du Arger
der Wassertiefe entwandt?
Bei des Rheines Töchtern
hole dir Rat,
ob ihr Gold sie
zu eigen dir gaben,
das du zum Ring dir geraubt!
ALBERICH.
Schmähliche Tücke!
Schändlicher Trug! –
Wirfst du Schächer
die Schuld mir vor,
die du so wonnig erwünscht?
Wie gern raubtest
du selbst dem Rheine das Gold,
war nur so leicht
die Kunst, es zu schmieden, erlangt?
Wie glückt es nun
dir Gleißner zum Heil,
daß der Niblung ich
aus schmählicher Not,
in des Zornes Zwange,
den schrecklichen Zauber gewann,
des Werk nun lustig dir lacht?
Des Unseligen,
Angstversehrten
fluchfertige,
furchtbare Tat
zu fürstlichem Tand
soll sie fröhlich dir taugen,
zur Freude dir frommen mein Fluch? –
Hüte dich,
herrischer Gott! –
Frevelte ich,
[565] so frevelt ich frei an mir: –
doch an Allem, was war,
ist und wird,
frevelst, Ewiger du,
entreißest du frech mir den Ring!
WOTAN.
Her den Ring!
Kein Recht an ihm
schwörst du schwatzend dir zu.

Er ergreift Alberich und entzieht seinem Finger mit heftiger Gewalt den Ring.
ALBERICH
gräßlich aufschreiend.
Ha! – Zertrümmert! Zerknickt!
Der Traurigen traurigster Knecht!
WOTAN
den Ring betrachtend.
Nun halt ich, was mich erhebt,
Der Mächtigen mächtigsten Herrn.

Er steckt den Ring an.
LOGE
zu Wotan.
Ist er gelöst?
WOTAN.
Bind ihn los!
LOGE
löst Alberich vollends die Bande.
Schlüpfe denn heim!
Keine Schlinge hält dich:
frei fahre dahin!
ALBERICH
sich erhebend.
Bin ich nun frei?

Wütend lachend.

Wirklich frei?
So grüß euch denn
meiner Freiheit erster Gruß! –
Wie durch Fluch er mir geriet,
verflucht sei dieser Ring!
Gab sein Gold
mir Macht ohne Maß,
nun zeug' sein Zauber
Tod dem, der ihn trägt!
Kein Froher soll
seiner sich freun,
keinem Glücklichen lache
sein lichter Glanz!
Wer ihn besitzt,
den sehre die Sorge,
und wer ihn nicht hat,
den nage der Neid!
Jeder giere
nach seinem Gut,
doch keiner genieße
[566] mit Nutzen sein!
Ohne Wucher hüt ihn sein Herr;
doch den Würger zieh er ihm zu!
Dem Tode verfallen,
feßle den Feigen die Furcht:
so lang er lebt,
sterb er lechzend dahin,
des Ringes Herr
als des Ringes Knecht: –
bis in meiner Hand
den geraubten wieder ich halte! –
So segnet
in höchster Not
der Nibelung seinen Ring: –
behalt ihn nun,

Lachend.

hüte ihn wohl!

Grimmig.

Meinem Fluch fliehest du nicht!

Er verschwindet schnell in der Kluft. – Der dichte Nebelduft des Vordergrundes klärt sich allmählich auf.
LOGE.
Lauschtest du
seinem Liebesgruß?
WOTAN
in den Anblick des Ringes an seiner Hand versunken.
Gönn ihm die geifernde Lust!

Es wird immer heller.
LOGE
nach rechts in die Szene blickend.
Fasolt und Fafner
nahen von fern:
Freia führen sie her.

Aus dem sich immer mehr zerteilenden Nebel erscheinen Donner, Froh und Fricka und eilen dem Vordergrunde zu.
FROH.
Sie kehrten zurück!
DONNER.
Willkommen, Bruder! –
FRICKA
besorgt zu Wotan.
Bringst du gute Kunde?
LOGE
auf den Hort deutend.
Mit List und Gewalt
gelang das Werk:
dort liegt, was Freia löst.
DONNER.
Aus der Riesen Haft
naht dort die Holde.
FROH.
Wie liebliche Luft
wieder uns weht,
wonnig Gefühl
[567] die Sinne erfüllt!
Traurig ging es uns Allen,
getrennt für immer von ihr,
die leidlos ewiger Jugend
jubelnde Lust uns verleiht.

Der Vordergrund ist wieder ganz hell geworden; das Aussehen der Götter gewinnt durch das Licht wieder die erste Frische: über dem Hintergrunde haftet jedoch noch der Nebelschleier, so daß die ferne Burg unsichtbar bleibt. Fasolt und Fafner treten auf, Freia zwischen sich führend.
FRICKA
eilt freudig auf die Schwester zu.
Lieblichste Schwester,
süßeste Lust!
Bist du mir wieder gewonnen?
FASOLT
ihr wehrend.
Halt! Nicht sie berührt!
Noch gehört sie uns. –
Auf Riesenheims
ragender Mark
rasteten wir;
mit treuem Mut
des Vertrages Pfand
pflegten wir.
So sehr mich's reut,
zurück doch bring ich's,
erlegt uns Brüdern
die Lösung ihr.
WOTAN.
Bereit liegt die Lösung:
des Goldes Maß
sei nun gütlich gemessen.
FASOLT.
Das Weib zu missen,
wisse, gemutet mich weh:
soll aus dem Sinn sie mir schwinden,
des Geschmeides Hort
häufet denn so,
daß meinem Blick
die Blühende ganz er verdeck!
WOTAN.
So stellt das Maß
nach Freias Gestalt!

Freia wird von den beiden Riesen in die Mitte gestellt. Darauf stoßen sie ihre Pfähle zu Freias beiden Seiten so in den Boden, daß sie gleiche Höhe und Breite mit ihrer Gestalt messen.
FAFNER.
Gepflanzt sind die Pfähle
[568] nach Pfandes Maß;
gehäuft nun füll es der Hort!
WOTAN.
Eilt mit dem Werk:
widerlich ist mir's!
LOGE.
Hilf mir. Froh!
FROH.
Freias Schmach
eil ich zu enden.

Loge und Froh häufen hastig zwischen den Pfählen das Geschmeide.
FAFNER.
Nicht so leicht
und locker gefügt!

Mit roher Kraft drückt er die Geschmeide dicht zusammen.

Fest und dicht
füllt er das Maß!

Er beugt sich, um nach Lücken zu spähen.

Hier lug' ich noch durch:
verstopft mir die Lücken!
LOGE.
Zurück, du Grober!
FAFNER.
Hierher!
LOGE.
Greif mir nichts an!
FAFNER.
Hierher! Die Klinze verklemmt!
WOTAN
unmutig sich abwendend.
Tief in der Brust
brennt mir die Schmach!
FRICKA.
Sieh, wie in Scham
schmählich die Edle steht:
um Erlösung fleht
stumm der leidende Blick.
Böser Mann!
Der Minnigen botest du das!
FAFNER.
Noch mehr! Noch mehr hieher!
DONNER.
Kaum halt ich mich,
schäumende Wut
weckt mir der schamlose Wicht! –
Hieher, du Hund!
Willst du messen,
so miß dich selber mit mir!
FAFNER.
Ruhig, Donner!
Rolle, wo's taugt:
hier nützt dein Rasseln dir nichts.
DONNER
ausholend.
Nicht dich Schmähl'chen zu zerschmettern?
WOTAN.
Friede doch! –
Schon dünkt mich Freia verdeckt.
[569]
LOGE.
Der Hort ging auf.
FAFNER
mißt den Hort genau mit dem Blick und späht nach Lücken.
Noch schimmert mir Holdas Haar: –
dort das Gewirk
wirf auf den Hort!
LOGE.
Wie? Auch den Helm?
FAFNER.
Hurtig, her mit ihm!
WOTAN.
Laß ihn denn fahren!
LOGE
wirft auch den Tarnhelm auf den Hort.
So sind wir denn fertig!
Seid ihr zufrieden?
FASOLT.
Freia, die schöne,
schau ich nicht mehr: –
so ist sie gelöst?
Muß ich sie lassen?

Er tritt nahe hinzu und späht durch den Hort.

Weh! noch blitzt
ihr Blick zu mir her;
des Auges Stern
strahlt mich noch an;
durch eine Spalte
muß ich's erspähn. –

Außer sich.

Seh ich dies wonnige Auge,
von dem Weibe laß ich nicht ab!
FAFNER.
He! Euch rat ich,
verstopft mir die Ritze!
LOGE.
Nimmer-Satte!
Seht ihr denn nicht,
ganz schwand uns der Hort?
FAFNER.
Mitnichten, Freund!
An Wotans Finger
glänzt von Gold noch ein Ring:
den gebt, die Ritze zu füllen!
WOTAN.
Wie? diesen Ring?
LOGE.
Laßt euch raten!
Den Rheintöchtern
gehört dies Gold;
ihnen gibt Wotan es wieder.
WOTAN.
Was schwatzest du da?
Was schwer ich mir erbeutet,
ohne Bangen wahr ich's für mich!
LOGE.
Schlimm dann steht's
[570] um mein Versprechen,
das ich den Klagenden gab!
WOTAN.
Dein Versprechen bindet mich nicht:
als Beute bleibt mir der Reif.
FAFNER.
Doch hier zur Lösung
mußt du ihn legen.
WOTAN.
Fordert frech, was ihr wollt,
alles gewähr ich;
um alle Welt
doch nicht fahren laß ich den Ring!
FASOLT
zieht wütend Freia hinter dem Horte hervor.
Aus dann ist's!
Beim alten bleibt's;
nun folgt uns Freia für immer!
FREIA.
Hilfe! Hilfe!
FRICKA.
Harter Gott
Gib ihnen nach!
FROH.
Spare das Gold nicht!
DONNER.
Spende den Ring doch!
WOTAN.
Laßt mich in Ruh:
den Reif geb ich nicht!

Fafner hält den fortdrängenden Fasolt noch auf; Alle stehen bestürzt. Wotan wendet sich zürnend zur Seite. Die Bühne hat sich von neuem verfinstert. Aus
der Felskluft zur Seite bricht ein bläulicher Schein hervor: in ihm wird plötzlich Erda sichtbar, die bis zu halber Leibeshöhe aus der Tiefe aufsteigt; sie ist von edler Gestalt, weithin von schwarzem Haar umwallt.
ERDA
die Hand mahnend gegen Wotan ausstreckend.
Weiche, Wotan! Weiche!
Flieh des Ringes Fluch!
Rettungslos
dunklem Verderben
weiht dich sein Gewinn.
WOTAN.
Wer bist du, mahnendes Weib?
ERDA.
Wie alles war – weiß ich;
wie alles wird,
wie alles sein wird –
seh ich auch:
der ew'gen Welt
Urwala,
Erda mahnt deinen Mut. –
Drei der Töchter,
urerschaff'ne,
[571] gebar mein Schoß;
was ich sehe,
sagen dir nächtlich die Nornen.
Doch höchste Gefahr
führt mich heut
selbst zu dir her.
Höre! Höre! Höre
Alles, was ist, – endet!
Ein düst'rer Tag
dämmert den Göttern: –
dir rat ich, meide den Ring!

Erda versinkt langsam bis an die Brust, während der bläuliche Schein zu dunkeln beginnt.
WOTAN.
Geheimnis-hehr
halt mir dein Wort: –
weile, daß mehr ich wisse!
ERDA
im Versinken.
Ich warnte dich;
du weißt genug:
sinn in Sorg und Furcht!

Sie verschwindet gänzlich.
WOTAN.
Soll ich sorgen und fürchten, –
dich muß ich fassen,
alles erfahren!

Wotan will der Verschwindenden in die Kluft nach, um sie zu halten; Froh und Fricka werfen sich ihm
entgegen und halten ihn zurück.
FRICKA.
Was willst du, Wütender?
FROH.
Halt ein, Wotan!
Scheue die Edle,
achte ihr Wort!

Wotan starrt sinnend vor sich hin.
DONNER
sich entschlossen zu den Riesen wendend.
Hört, ihr Riesen!
Zurück, und harret!
Das Gold wird euch gegeben.
FREIA.
Darf ich es hoffen?
Dünkt euch Holda
wirklich der Lösung wert?

Alle blicken gespannt auf Wotan; dieser, nach tiefem Sinnen zu sich kommend, erfaßt seinen Speer und schwenkt ihn, wie zum Zeichen eines mutigen Entschlusses.
WOTAN.
Zu mir, Freia!
Du bist befreit.
[572] Wieder gekauft
kehr uns die Jugend zurück! –
Ihr Riesen, nehmt euren Ring!

Er wirft den Ring auf den Hort. – Die Riesen lassen Freia los: sie eilt freudig auf die Götter zu, die sie abwechselnd längere Zeit in höchster Freude liebkosen. – Fafner hat sogleich einen ungeheuren Sack ausgebreitet und macht sich über den Hort her, um ihn da hineinzuschichten.
FASOLT
zu Fafner.
Halt, du Gieriger!
Gönne mir auch was!
Redliche Teilung
taugt uns beiden.
FAFNER.
Mehr an der Maid als am Gold
lag dir verliebtem Geck!
Mit Müh zum Tausch
vermocht ich dich Toren;
ohne zu teilen
hättest du Freia gefreit:
teil ich den Hort,
billig behalt ich
die größte Hälfte für mich!
FASOLT.
Schändlicher du!
Mir diesen Schimpf? –

Zu den Göttern.

Euch ruf ich zu Richtern:
teilet nach Recht
uns redlich den Hort!

Wotan wendet sich verächtlich ab.
LOGE.
Den Hort laß ihn raffen;
halte du nur auf den Ring!
FASOLT
stürzt sich auf Fafner, der immerzu eingesackt hat.
Zurück! Du Frecher!
Mein ist der Ring;
mir blieb er für Freias Blick!

Er greift hastig nach dem Ring: sie ringen.
FAFNER.
Fort mit der Faust!
Der Ring ist mein!

Fasolt entreißt Fafner den Ring.
FASOLT.
Ich halt ihn, mir gehört er!
FAFNER
mit seinem Pfahle ausholend.
Halt ihn fest, daß er nicht fall!

Er streckt Fasolt mit einem Streiche zu Boden; dem
Sterbenden entreißt er dann hastig den Ring.

[573] Nun blinzle nach Freias Blick!
An den Reif rührst du nicht mehr!

Er steckt den Ring in den Sack und rafft dann gemächlich den Hort vollends ein. Alle Götter stehen entsetzt: feierliches Schweigen.
WOTAN
erschüttert.
Furchtbar nun
erfind ich des Fluches Kraft! –
LOGE.
Was gleicht, Wotan,
wohl deinem Glücke?
Viel erwarb dir
des Ringes Gewinn;
daß er nun dir genommen,
nützt dir noch mehr:
deine Feinde – sieh! –
fällen sich selbst –
um das Gold, das du vergabst.
WOTAN.
Wie doch Bangen mich bindet!
Sorg und Furcht
fesseln den Sinn –
wie sie zu enden,
lehre mich Erda: –
zu ihr muß ich hinab!
FRICKA
schmeichelnd sich an ihn schmiegend.
Wo weilst du, Wotan?
Winkt dir nicht hold
die hehre Burg,
die des Gebieters
gastlich bergend nun harrt?
WOTAN
düster.
Mit bösem Zoll
zahlt ich den Bau!
DONNER
auf den Hintergrund deutend, der noch in Nebel gehüllt ist.
Schwüles Gedünst
schwebt in der Luft; –
lästig ist mir
der trübe Druck!
Das bleiche Gewölk
samml' ich zu blitzendem Wetter;
das fegt den Himmel mir hell!

Donner besteigt einen hohen Felsstein am Talabhange und schwingt dort seinen Hammer; mit dem Folgenden ziehen die Nebel sich um ihn zusammen.

Heda! Heda! Hedo!
Zu mir, du Gedüft!
[574] Ihr Dünste zu mir!
Donner der Herr,
ruft euch zu Heer!

Er schwingt den Hammer.

Auf des Hammers Schwung
schwebet herbei!
Dunstig Gedämpf!
Schwebend Gedüft!
Donner, der Herr, ruft euch zu Heer!
Heda! Heda! Hedo!

Donner verschwindet völlig in einer immer finsterer sich ballenden Gewitterwolke. Man hört Donners Hammerschlag schwer auf den Felsstein fallen. Ein starker Blitz entfährt der Wolke; ein heftiger Donnerschlag folgt. Froh ist mit im Gewölk verschwunden.
DONNER
unsichtbar.
Bruder, hieher!
Weise der Brücke den Weg!

Plötzlich verzieht sich die Wolke; Donner und Froh werden sichtbar: von ihren Füßen aus zieht sich, mit blendendem Leuchten, eine Regenbogenbrücke über das Tal hinüber bis zur Burg, die jetzt im Glanze der Abendsonne strahlt. Fafner, der neben der Leiche seines Bruders endlich den ganzen Hort eingerafft, hat, den ungeheuren Sack auf dem Rücken, während Donners Gewitterzauber die Bühne verlassen.
FROH
der der Brücke mit der ausgestreckten Hand den Weg über das Tal angewiesen, zu den Göttern.
Zur Burg führt die Brücke.
leicht, doch fest eurem Fuß:
beschreitet kühn
ihren schrecklosen Pfad!

Wotan und die andern Götter sind sprachlos in den prächtigen Anblick verloren.
WOTAN.
Abendlich strahlt
der Sonne Auge;
in prächtiger Glut
prangt glänzend die Burg.
In des Morgens Scheine
mutig erschimmernd
lag sie herrenlos,
hehr verlockend vor mir. –
Von Morgen bis Abend,
in Müh' und Angst
nicht wonnig ward sie gewonnen!
[575] Es naht die Nacht –:
vor ihrem Neid
biete sie Bergung nun.

Wie von einem großen Gedanken ergriffen, sehr
entschlossen.

So grüß ich die Burg,
sicher vor Bang' und Grau'n! –

Er wendet sich feierlich zu Fricka.

Folge mir, Frau!
In Walhall wohne mit mir!
FRICKA.
Was deutet der Name?
Nie, dünkt mich, hört ich ihn nennen.
WOTAN.
Was mächtig der Furcht
mein Mut mir erfand,
wenn siegend es lebt,
leg es den Sinn dir dar.

Er faßt Fricka an der Hand und schreitet mit ihr langsam der Brücke zu; Froh, Freia und Donner folgen.
LOGE
im Vordergrunde verharrend und den Göttern nachblickend.
Ihrem Ende eilen sie zu,
die so stark im Bestehen sich wähnen. –
Fast schäm ich mich
mit ihnen zu schaffen;
zur leckenden Lohe
mich wieder zu wandeln,
spür ich lockende Lust:
sie aufzuzehren,
die einst mich gezähmt,
statt mit den Blinden
blöd zu vergehn,
und wären es göttlichste Götter! –
Nicht dumm dünkte mich das!
Bedenken will ich's: –
wer weiß, was ich tu'!

Er geht, um sich den Göttern in nachlässiger Haltung anzuschließen.
DIE DREI RHEINTÖCHTER
in der Tiefe des Tales, unsichtbar.
Rheingold! Rheingold!
Reines Gold!
Wie lauter und hell
leuchtetest hold du uns!
Um dich, du klares,
wir nun klagen:
gebt uns das Gold,
[576] gebt uns das Gold!
O gebt uns das reine zurück!
WOTAN
im Begriff, den Fuß auf die Brücke zu setzen, hält an und wendet sich um.
Welch Klagen dringt zu mir her?
LOGE
späht in das Tal hinab.
Des Rheines Kinder
beklagen des Goldes Raub.
WOTAN.
Verwünschte Nicker! –

Zu Loge.

Wehre ihrem Geneck!
LOGE
in das Tal hinabrufend.
Ihr da im Wasser!
Was weint ihr herauf?
Hört, was Wotan euch wünscht: –
glänzt nicht mehr
euch Mädchen das Gold,
in der Götter neuem Glanze
sonnt euch selig fortan!

Die Götter lachen und beschreiten mit dem Folgenden die Brücke.
DIE RHEINTÖCHTER.
Rheingold! Rheingold!
Reines Gold!
O leuchtete noch
in der Tiefe dein laut'rer Tand!
Traulich und treu
ist's nur in der Tiefe:
falsch und feig
ist, was dort oben sich freut!

Während die Götter auf der Brücke der Burg zuschreiten, fällt der Vorhang.
[577]

[578] [583]Erster Tag
Die Walküre

Schauplatz der Handlung

Erster Aufzug
Das Innere eines Wohnraumes
Zweiter Aufzug
Wildes Felsengebirge
Dritter Aufzug
Auf dem Gipfel eines Felsberges (des Walkürenfelsens)

[583]

Personen

    • Siegmund

    • Hunding

    • Wotan

    • Sieglinde

    • Brünnhilde

    • Fricka

    • Gerhilde
    • Ortlinde
    • Waltraute
    • Schwertleite
    • Helmwige
    • Siegrune
    • Grimgerde
    • Rossweisse, Walküren
    • [584]

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
SIEGMUND.
Wes Herd dies auch sei,
hier muß ich rasten!

Er sinkt zurück und bleibt regungslos ausgestreckt. – Sieglinde tritt aus der Türe des inneren Gemaches. Sie glaubte ihren Mann heimgekehrt; ihre ernste Miene zeigt sich dann [585] verwundert, als sie einen Fremden am Herde ausgestreckt sieht.
SIEGLINDE
noch im Hintergrunde.
Ein fremder Mann?
Ihn muß ich fragen.

Sie tritt näher.

Wer kam ins Haus,
und liegt dort am Herd?

Da Siegmund sich nicht regt, tritt sie noch etwas näher und betrachtet ihn.

Müde liegt er
von Weges Müh'n.
Schwanden die Sinne ihm?
wäre er siech?

Sie neigt sich zu ihm hinab und lauscht.

Noch schwillt ihm der Atem;
das Auge nur schloß er.
Mutig dünkt mich der Mann,
sank er müd auch hin.
SIEGMUND
fährt jäh mit dem Haupt in die Höhe.
Ein Quell!
Ein Quell!
SIEGLINDE.
Erquickung schaff ich.

Sie nimmt schnell ein Trinkhorn, geht damit aus dem Hause, kommt zurück und reicht das gefüllte Trinkhorn Siegmund.

Labung biet ich
dem lechzenden Gaumen:
Wasser, wie du gewollt!

Siegmund trinkt und reicht ihr das Horn zurück. Als er ihr mit dem Haupte Dank zuwinkt, haftet sein Blick mit steigender Teilnahme an ihren Mienen.
SIEGMUND.
Kühlende Labung
gab mir der Quell,
des Müden Last
machte er leicht:
erfrischt ist der Mut,
das Aug erfreut
des Sehens selige Lust.
Wer ist's, der so mir es labt?
SIEGLINDE.
Dies Haus und dies Weib
sind Hundings Eigen;
gastlich gönn er dir Rast:
harre bis heim er kehrt!
SIEGMUND.
Waffenlos bin ich:
[586] dem wunden Gast
wird dein Gatte nicht wehren.
SIEGLINDE
mit besorgter Hast.
Die Wunden weise mir schnell!
SIEGMUND
schüttelt sich und springt lebhaft vom Lager zum Sitz auf.
Gering sind sie,
der Rede nicht wert;
noch fügen des Leibes
Glieder sich fest.
Hätten halb so stark wie mein Arm
Schild und Speer mir gehalten,
nimmer floh ich dem Feind;
doch zerschellten mir Speer und Schild.
Der Feinde Meute
hetzte mich müd,
Gewitterbrunst
brach meinen Leib:
doch schneller als ich der Meute
schwand die Müdigkeit mir;
sank auf die Lider mir Nacht,
die Sonne lacht mir nun neu!
SIEGLINDE
geht nach dem Speicher, füllt ein Horn mit Met und reicht es Siegmund mit freundlicher Bewegtheit.
Des seimigen Metes
süßen Trank
mögst du mir nicht verschmähn.
SIEGMUND.
Schmecktest du mir ihn zu?

Sieglinde nippt am Horne und reicht es ihm wieder. Siegmund tut einen langen Zug, indem er den Blick
mit wachsender Wärme auf sie heftet. Er setzt so das Horn ab und läßt es langsam sinken, während der Ausdruck seiner Miene in starke Ergriffenheit übergeht. Er seufzt tief auf, und senkt den Blick düster zu Boden.
SIEGMUND
mit bebender Stimme.
Einen Unseligen labtest du: –
Unheil wende
der Wunsch von dir!

Er bricht auf.

Gerastet hab ich
und süß geruht:
weiter wend ich den Schritt.

Er geht nach hinten.
SIEGLINDE
lebhaft sich umwendend.
Wer verfolgt dich, daß du schon fliehst?
[587]
SIEGMUND
hat angehalten.
Mißwende folgt mir,
wohin ich fliehe;
Mißwende naht mir,
wo ich mich neige: –
dir Frau doch bleibe sie fern!
Fort wend ich Fuß und Blick!

Er schreitet schnell bis zur Tür und hebt den Riegel.
SIEGLINDE
in heftigem Selbstvergessen ihm nachrufend.
So bleibe hier!
Nicht bringst du Unheil dahin,
wo Unheil im Hause wohnt!

Siegmund bleibt tief erschüttert stehen: er forscht in Sieglindes Mienen; diese schlägt verschämt und traurig die Augen nieder.
SIEGMUND
kehrt zurück.
Wehwalt hieß ich mich selbst:
Hunding will ich erwarten.

Er lehnt sich an den Herd; sein Blick haftet mit ruhiger und entschlossener Teilnahme an Sieglinde: diese hebt langsam das Auge wieder zu ihm auf. Beide blicken sich in tiefem Schweigen mit dem Ausdruck großer Ergriffenheit in die Augen.
2. Szene
Zweite Szene
Sieglinde fährt plötzlich auf, lauscht und hört Hunding, der sein Roß außen zum Stall führt. Sie geht hastig zur Tür und öffnet. – Hunding, gewaffnet mit Schild und Speer, tritt ein und hält unter der Tür, als er Siegmund gewahrt. – Hunding wendet sich mit einem ernst fragenden Blick an Sieglinde.

SIEGLINDE
dem Blicke Hundings entgegnend.
Müd am Herd
fand ich den Mann:
Not führt ihn ins Haus.
HUNDING.
Du labtest ihn?
SIEGLINDE.
Den Gaumen letzt ich ihm;
gastlich sorgt ich sein!
SIEGMUND
der ruhig und fest Hunding beobachtet.
Dach und Trank
dank ich ihr:
willst du dein Weib drum schelten?
HUNDING.
Heilig ist mein Herd:
heilig sei dir mein Haus.

[588]
Er legt seine Waffen ab und übergibt sie Sieglinde. Zu Sieglinde.

Rüst uns Männern das Mahl!

Sieglinde hängt die Waffen an Ästen des Eschenstammes auf, dann holt sie Speise und Trank aus dem Speicher und rüstet auf dem Tische das Nachtmahl. – Unwillkürlich heftet sie wieder den Blick auf Siegmund.
HUNDING
mißt scharf und verwundert Siegmunds Züge, die er mit denen seiner Frau vergleicht; für sich.
Wie gleicht er dem Weibe!
Der gleißende Wurm
glänzt auch ihm aus dem Auge. –

Er birgt sein Befremden und wendet sich wie unbefangen zu Siegmund.

Weit her, traun!
kamst du des Wegs;
ein Roß nicht ritt,
der Rast hier fand:
welch schlimme Pfade
schufen dir Pein?
SIEGMUND.
Durch Wald und Wiese,
Heide und Hain,
jagte mich Sturm
und starke Not:
nicht kenn ich den Weg, den ich kam;
wohin ich irrte,
weiß ich noch minder:
Kunde gewänn ich des gern.
HUNDING
am Tische und Siegmund den Sitz bietend.
Des Dach dich deckt,
des Haus dich hegt,
Hunding heißt der Wirt.
Wendest von hier du
nach West den Schritt,
in Höfen reich
hausen dort Sippen,
die Hundings Ehre behüten:
gönnt mir Ehre mein Gast,
wird sein Name nun mir genannt.

Siegmund blickt nachdenklich vor sich hin. Sieglinde, die sich neben Hunding, Siegmund gegenüber, gesetzt, heftet ihr Auge mit auffallender Teilnahme und Spannung auf diesen.

Trägst du Sorge
[589] mir zu vertraun,
der Frau hier gib doch Kunde:
sieh, wie gierig sie dich frägt!
SIEGLINDE
unbefangen und teilnahmsvoll.
Gast, wer du bist, wüßt ich gern.
SIEGMUND
blickt auf, sieht ihr in das Auge und beginnt ernst.
Friedmund darf ich nicht heißen;
Frohwalt möcht ich wohl sein:
doch Wehwalt – muß ich mich nennen.
Wolfe, der war mein Vater;
zu zwei kam ich zur Welt,
eine Zwillingsschwester und ich.
Früh schwanden mir
Mutter und Maid;
die mich gebar,
und die mit mir sie barg,
kaum hab ich je sie gekannt. –
Wehrlich und stark war Wolfe:
der Feinde wuchsen ihm viel.
Zum Jagen zog
mit dem Jungen der Alte:
von Hetze und Harst
einst kehrten wir heim: –
da lag das Wolfsnest leer.
Zu Schutt gebrannt
der prangende Saal,
zum Stumpf der Eiche
blühender Stamm;
erschlagen der Mutter
mutiger Leib,
verschwunden in Gluten
der Schwester Spur.
Uns schuf die herbe Not
der Neidinge harte Schar.
Geächtet floh
der Alte mit mir;
lange Jahre
lebte der Junge
mit Wolfe im wilden Wald:
manche Jagd
ward auf sie gemacht;
doch mutig wehrte
das Wolfspaar sich.

[590] Zu Hunding gewendet.

Ein Wölfing kündet dir das,
den als »Wölfing« mancher wohl kennt.
HUNDING.
Wunder und wilde Märe
kündest du, kühner Gast.
Wehwalt, der Wölfing!
Mich dünkt, von dem wehrlichen Paar
vernahm ich dunkle Sage,
kannt ich auch Wolfe
und Wölfing nicht.
SIEGLINDE.
Doch weiter künde, Fremder:
wo weilt dein Vater jetzt?
SIEGMUND.
Ein starkes Jagen auf uns
stellten die Neidinge an:
der Jäger viele
fielen den Wölfen,
in Flucht durch den Wald
trieb sie das Wild:
wie Spreu zerstob uns der Feind.
Doch ward ich vom Vater versprengt;
seine Spur verlor ich,
je länger ich forschte:
eines Wolfes Fell nur
traf ich im Forst;
leer lag das vor mir,
den Vater fand ich nicht.
Aus dem Wald trieb es mich fort;
mich drängt es zu Männern und Frauen. –
Wie viel ich traf,
wo ich sie fand,
ob ich um Freund,
um Frauen warb,
immer doch war ich geächtet:
Unheil lag auf mir.
Was Rechtes je ich riet,
andern dünkte es arg;
was schlimm immer mir schien,
andre gaben ihm Gunst.
In Fehde fiel ich, wo ich mich fand,
Zorn traf mich,
wohin ich zog;
gehrt ich nach Wonne,
weckt ich nur Weh: –
[591] drum mußt ich mich Wehwalt nennen,
des Wehes waltet ich nur.

Er sieht zu Sieglinde auf und gewahrt ihren teilnehmenden Blick.
HUNDING.
Die so leidig Los dir beschied,
nicht liebte dich die Norn:
froh nicht grüßt dich der Mann,
dem fremd als Gast du nahst.
SIEGLINDE.
Feige nur fürchten den,
der waffenlos einsam fährt! –
Künde noch, Gast,
wie du im Kampf
zuletzt die Waffe verlorst?
SIEGMUND
immer lebhafter.
Ein trauriges Kind
rief mich zum Trutz:
vermählen wollte
der Magen Sippe
dem Mann ohne Minne die Maid.
Wider den Zwang
zog ich zum Schutz;
der Dränger Troß
traf ich im Kampf:
dem Sieger sank der Feind.
Erschlagen lagen die Brüder:
die Leichen umschlang da die Maid,
den Grimm verjagt ihr der Gram.
Mit wilder Tränen Flut
betroff sie weinend die Wal;
um des Mordes der eignen Brüder
klagte die unsel'ge Braut. –
Der Erschlagnen Sippen
stürmten daher;
übermächtig
ächzten nach Rache sie:
rings um die Stätte
ragten mir Feinde. –
Doch von der Wal
wich nicht die Maid;
mit Schild und Speer
schirmt ich sie lang,
bis Speer und Schild
im Harst mir zerhau'n.
Wund und waffenlos stand ich –
[592]
sterben sah ich die Maid:
mich hetzte das wütende Heer –
auf den Leichen lag sie tot.

Mit einem Blicke voll schmerzlichen Feuers auf Sieglinde.

Nun weißt du, fragende Frau,
warum ich Friedmund – nicht heiße!

Er steht auf und schreitet auf den Herd zu. Sieglinde blickt erbleichend und tief erschüttert zu Boden.
HUNDING
erhebt sich, mäßig und verhalten.
Ich weiß ein wildes Geschlecht,
nicht heilig ist ihm,
was andren hehr:
verhaßt ist es Allen und mir.
Zur Rache ward ich gerufen,
Sühne zu nehmen
für Sippenblut:
zu spät kam ich,
und kehre nun heim,
des flücht'gen Frevlers Spur
im eig'nen Haus zu erspähn. –

Er geht herab.

Mein Haus hütet,
Wölfing, dich heut:
für die Nacht nahm ich dich auf.
Mit starker Waffe
doch wehre dich morgen;
zum Kampfe kies ich den Tag:
für Tote zahlst du mir Zoll.

Sieglinde schreitet mit besorgter Gebärde zwischen die beiden Männer vor.

Fort aus dem Saal!
Säume hier nicht!
Den Nachttrunk rüste mir drin
und harre mein zur Ruh.

Sieglinde steht eine Weile unentschieden und sinnend. Sie wendet sich langsam und zögernden Schrittes nach dem Speicher. Dort hält sie wieder an und bleibt, in Sinnen verloren, mit halb abgewandtem Gesicht stehen. Mit ruhigem Entschluß öffnet sie den Schrein, füllt ein Trinkhorn und schüttet aus einer Büchse Würze hinein. Dann wendet sie das Auge auf Siegmund, um seinem Blicke zu begegnen, den dieser fortwährend auf sie heftet. Sie gewahrt Hundings Spähen und wendet sich sogleich zum Schlafgemach. Auf den Stufen[593] kehrt sie sich noch einmal um, heftet das Auge sehnsuchtsvoll auf Siegmund und deutet mit dem Blicke andauernd und mit sprechender Bestimmtheit auf eine Stelle am Eschenstamme. Hunding fährt auf
und treibt sie mit einer heftigen Gebärde zum Fortgehen an. Mit einem letzten Blick auf Siegmund geht sie in das Schlafgemach und schließt hinter sich die Tür. Hunding nimmt seine Waffen vom Stamme herab

Mit Waffen wehrt sich der Mann. –

Im Abgehen sich zu Siegmund wendend.

Dich Wölfing treffe ich morgen:
mein Wort hörtest du –
hüte dich wohl!

Er geht in das Gemach; man hört ihn von innen den Riegel schließen.
3. Szene
Dritte Szene
Siegmund allein. Es ist vollständig Nacht geworden; der Saal ist nur noch von einem schwachen Feuer im Herd erhellt. Siegmund läßt sich, nah beim Feuer, auf dem Lager nieder und brütet in großer innerer Aufregung eine Zeitlang schweigend vor sich hin.

SIEGMUND.
Ein Schwert verhieß mir der Vater:
ich fänd es in höchster Not. –
Waffenlos fiel ich
in Feindes Haus.
Seiner Rache Pfand
raste ich hier;
ein Weib sah ich,
wonnig und hehr:
entzückend Bangen
zehrt mein Herz.
Zu der mich nun Sehnsucht zieht,
die mit süßem Zauber mich sehrt,
im Zwange hält sie der Mann,
der mich Wehrlosen höhnt. –
Wälse! Wälse!
Wo ist dein Schwert?
Das starke Schwert,
das im Sturm ich schwänge,
[594] bricht mir hervor aus der Brust,
was wütend das Herz noch hegt?

Das Feuer bricht zusammen; es fällt aus der aufsprühenden Glut plötzlich ein greller Schein auf die Stelle des Eschenstammes, welche Sieglindes Blick bezeichnet hatte, und an der man jetzt deutlich einen Schwertgriff haften sieht.

Was gleißt dort hell
im Glimmerschein?
Welch ein Strahl bricht
aus der Esche Stamm?
Des Blinden Auge
leuchtet ein Blitz:
lustig lacht da der Blick. –
Wie der Schein so hehr
das Herz mir sengt!
Ist es der Blick
der blühenden Frau,
den dort haftend
sie hinter sich ließ,
als aus dem Saal sie schied?

Von hier an verlischt das Herdfeuer allmählich.

Nächtiges Dunkel
deckte mein Aug;
ihres Blickes Strahl
streifte mich da:
Wärme gewann ich und Tag.
Selig schien mir
der Sonne Licht;
den Scheitel umgliß mir
ihr wonniger Glanz –
bis hinter Bergen sie sank.

Ein neuer schwacher Aufschein des Feuers.

Noch einmal, da sie schied,
traf mich abends ihr Schein;
selbst der alten Esche Stamm
erglänzte in gold'ner Glut.
Da bleicht die Blüte,
das Licht verlischt –
nächt'ges Dunkel
deckt mir das Auge:
tief in des Busens Berge
glimmt nur noch lichtlose Glut.

Das Feuer ist gänzlich verloschen: volle Nacht. – Das Seitengemach [595] öffnet sich leise: Sieglinde, in weißem Gewande, tritt heraus und schreitet leise, doch rasch, auf den Herd zu.
SIEGLINDE.
Schläfst du, Gast?
SIEGMUND
freudig überrascht.
Wer schleicht daher?
SIEGLINDE
mit geheimnisvoller Hast.
Ich bin's: höre mich an!
In tiefem Schlaf liegt Hunding;
ich würzt ihm betäubenden Trank:
nütze die Nacht dir zum Heil!
SIEGMUND
hitzig unterbrechend.
Heil macht mich dein Nah'n!
SIEGLINDE.
Eine Waffe laß mich dir weisen:
o wenn du sie gewännst!
Den hehrsten Helden
dürft ich dich heißen:
dem Stärksten allein
ward sie bestimmt.
O merke wohl, was ich dir melde!
Der Männer Sippe
saß hier im Saal,
von Hunding zur Hochzeit geladen:
er freite ein Weib,
das ungefragt
Schächer ihm schenkten zur Frau.
Traurig saß ich
während sie tranken;
ein Fremder trat da herein:
ein Greis in grauem Gewand;
tief hing ihm der Hut,
der deckt ihm der Augen eines;
doch des andren Strahl,
Angst schuf es allen,
traf die Männer
sein mächtiges Dräu'n.
Mir allein
weckte das Auge
süß sehnenden Harm,
Tränen und Trost zugleich.
Auf mich blickt er,
und blitzte auf Jene,
als ein Schwert in Händen er schwang;
das stieß er nun
in der Esche Stamm,
bis zum Heft haftet es drin: –
[596] dem sollte der Stuhl geziemen,
der aus dem Stamm es zög.
Der Männer alle,
so kühn sie sich mühten,
die Wehr sich keiner gewann;
Gäste kamen,
und Gäste gingen,
die stärksten zogen am Stahl –
keinen Zoll entwich er dem Stamm:
dort haftet schweigend das Schwert. –
Da wußt ich, wer der war,
der mich Gramvolle gegrüßt;
ich weiß auch,
wem allein
im Stamm das Schwert er bestimmt.
O fänd ich ihn heut
und hier, den Freund;
käm er aus Fremden
zur ärmsten Frau!
Was je ich gelitten
in grimmigem Leid,
was je mich geschmerzt
in Schande und Schmach:
süßeste Rache
sühnte dann Alles!
Erjagt hätt ich
was je ich verlor,
was je ich beweint
wär mir gewonnen –
fänd ich den heiligen Freund,
umfing den Helden mein Arm!
SIEGMUND
mit Glut Sieglinde umfassend.
Dich selige Frau
hält nun der Freund,
dem Waffe und Weib bestimmt!
Heiß in der Brust
brennt mir der Eid,
der mich dir Edlen vermählt.
Was je ich ersehnt,
ersah ich in dir;
in dir fand ich,
was je mir gefehlt!
Littest du Schmach
und schmerzte mich Leid,
[597] war ich geächtet,
und warst du entehrt:
freudige Rache
lacht nun den Frohen!
Auf lach ich
in heiliger Lust –
halt ich dich Hehre umfangen,
fühl ich dein schlagendes Herz.

Die große Tür springt auf.
SIEGLINDE
fährt erschrocken zusammen und reißt sich los.
Ha, wer ging? Wer kam herein?

Die Tür bleibt geöffnet: außen herrliche Frühlingsnacht; der Vollmond leuchtet herein und wirft sein helles Licht auf das Paar, das so sich plötzlich in voller Deutlichkeit wahrnehmen kann.
SIEGMUND
in leiser Entzückung.
Keiner ging –
doch Einer kam:
siehe, der Lenz
lacht in den Saal!

Er zieht Sieglinde mit sanfter Gewalt zu sich auf das Lager, so daß sie neben ihm zu sitzen kommt. – Wachsende Helligkeit des Mondscheines.

Winterstürme wichen
dem Wonnemond, –
in mildem Lichte
leuchtet der Lenz; –
auf linden Lüften
leicht und lieblich,
Wunder webend
er sich wiegt.
Durch Wald und Auen
weht sein Atem,
weit geöffnet
lacht sein Aug: –
aus sel'ger Vöglein Sange
süß er tönt, –
holde Düfte
haucht er aus;
seinem warmen Blut entblühen
wonnige Blumen,
Keim und Sproß
entspringt seiner Kraft!
Mit zarter Waffen Zier
[598]
bezwingt er die Welt; –
Winter und Sturm wichen
der starken Wehr: –
wohl mußte den tapfern Streichen
die strenge Türe auch weichen,
die trotzig und starr
uns – trennte von ihm!
Zu seiner Schwester
schwang er sich her;
die Liebe lockte den Lenz:
in uns'rem Busen
barg sie sich tief;
nun lacht sie selig dem Licht.
Die bräutliche Schwester
befreite der Bruder;
zertrümmert liegt
was je sie getrennt:
jauchzend grüßt sich
das junge Paar,
vereint sind Liebe und Lenz!
SIEGLINDE.
Du bist der Lenz,
nach dem ich verlangte
in frostigen Winters Frist.
Dich grüßte mein Herz
mit heiligem Grau'n,
als dein Blick zuerst mir erblühte.
Fremdes nur sah ich von je,
freundlos war mir das Nahe;
als hätt ich nie es gekannt,
war, was immer mir kam.
Doch dich kannt ich
deutlich und klar;
als mein Auge dich sah,
warst du mein Eigen.
Was im Busen ich barg,
was ich bin,
hell wie der Tag
taucht es mir auf:
wie tönender Schall
schlug's an mein Ohr,
als in frostig öder Fremde
zuerst ich den Freund ersah.

[599] Sie hängt sich entzückt an seinen Hals und blickt ihm nahe ins Gesicht.
SIEGMUND
mit Hingerissenheit.
O süßeste Wonne,
seligstes Weib!
SIEGLINDE
dicht vor seinen Augen.
O laß in Nähe
zu dir mich neigen,
daß hell ich schaue
den hehren Schein,
der dir aus Aug
und Antlitz bricht,
und so süß die Sinne mir zwingt.
SIEGMUND.
Im Lenzesmond
leuchtest du hell,
hehr umwebt dich
das Wellenhaar: –
was mich berückt,
errat ich nun leicht –
denn wonnig weidet mein Blick.
SIEGLINDE
schlägt ihm die Locken von der Stirn zurück und betrachtet ihn staunend.
Wie dir die Stirn
so offen steht,
der Adern Geäst
in den Schläfen sich schlingt!
Mir zagt es vor der Wonne,
die mich entzückt! –
Ein Wunder will mich gemahnen: –
den heut zuerst ich erschaut,
mein Auge sah dich schon!
SIEGMUND.
Ein Minnetraum
gemahnt auch mich:
in heißem Sehnen
sah ich dich schon!
SIEGLINDE.
Im Bach erblickt ich
mein eigen Bild –
und jetzt gewahr ich es wieder:
wie einst dem Teich es enttaucht,
bietest mein Bild mir nun du!
SIEGMUND.
Du bist das Bild,
das ich in mir barg.
SIEGLINDE
den Blick schnell abwendend.
O still! Laß mich
der Stimme lauschen:
mich dünkt, ihren Klang
[600] hört ich als Kind –
doch nein! Ich hörte sie neulich

Aufgeregt.

als meiner Stimme Schall
mir widerhallte der Wald.
SIEGMUND.
O lieblichste Laute,
denen ich lausche!
SIEGLINDE
ihm wieder in die Augen spähend.
Deines Auges Glut
erglänzte mir schon:
so blickte der Greis
grüßend auf mich,
als der Traurigen Trost er gab.
An dem Blick
erkannt ihn sein Kind –
schon wollt ich beim Namen ihn nennen!
Wehwalt heißt du fürwahr?
SIEGMUND.
Nicht heiß ich so,
seit du mich liebst:
nun walt ich der hehrsten Wonnen!
SIEGLINDE.
Und Friedmund darfst du
froh dich nicht nennen?
SIEGMUND.
Heiße mich du,
wie du liebst, daß ich heiße:
den Namen nehm ich von dir!
SIEGLINDE.
Doch nanntest du Wolfe den Vater?
SIEGMUND.
Ein Wolf war er feigen Füchsen!
Doch dem so stolz
strahlte das Auge,
wie, Herrliche, hehr dir es strahlt,
der war Wälse genannt.
SIEGLINDE
außer sich.
War Wälse dein Vater,
und bist du ein Wälsung,
stieß er für dich
sein Schwert in den Stamm –
so laß mich dich heißen
wie ich dich liebe:
Siegmund –
so nenn ich dich!
SIEGMUND
springt auf und eilt auf den Stamm zu.
Siegmund heiß ich
und Siegmund bin ich!
Bezeug es dies Schwert,
[601] das zaglos ich halte
Wälse verhieß mir,
in höchster Not
fänd ich es einst: –
ich faß es nun!
Heiligster Minne
höchste Not,
sehnender Liebe
sehrende Not
brennt mir hell in der Brust,
drängt zu Tat und Tod:
Nothung! Nothung!
So nenn ich dich, Schwert –
Nothung! Nothung!
Neidlicher Stahl!
Zeig deiner Schärfe
schneidenden Zahn!
Heraus aus der Scheide zu mir!

Er zieht mit einem gewaltigen Zuck das Schwert aus dem Stamme und zeigt es der von Staunen und Entzücken erfaßten Sieglinde.

Siegmund, den Wälsung,
siehst du, Weib!
Als Brautgabe
bringt er dies Schwert.
So freit er sich
die seligste Frau,
dem Feindeshaus
entführt er dich so.
Fern von hier
folge mir nun –
fort in des Lenzes
lachendes Haus:
dort schützt dich Nothung, das Schwert,
wenn Siegmund dir liebend erlag!

Er hat sie umfaßt, um sie mit sich fortzuziehen.
SIEGLINDE
reißt sich in höchster Trunkenheit von ihm los und stellt sich ihm gegenüber.
Bist du Siegmund,
den ich hier sehe –
Sieglinde bin ich,
die dich ersehnt:
die eig'ne Schwester
gewannst du zu eins mit dem Schwert!

[602] Sie wirft sich ihm an die Brust.
SIEGMUND.
Braut und Schwester
bist du dem Bruder –
so blühe denn Wälsungen-Blut!

Er zieht sie mit wütender Glut an sich. – Der Vorhang fällt schnell.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Wotan, kriegerisch gewaffnet, mit dem Speer; vor ihm Brünnhilde, als Walküre, ebenfalls in voller Waffenrüstung.

WOTAN.
Nun zäume dein Roß,
reisige Maid:
bald entbrennt
brünstiger Streit!
Brünnhilde stürme zum Kampf:
dem Wälsung kiese sie Sieg!
Hunding wähle sich,
wem er gehört:
nach Walhall taugt er mir nicht.
Drum rüstig und rasch
reite zur Wal!
BRÜNNHILDE
jauchzend von Fels zu Fels die Höhe rechts hinauf springend.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Hojotoho! Hojotoho!
Hojotoho! Hojotoho!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiahaja! Hojotoho!

[603] Sie hält auf einer hohen Felsspitze an, blickt in die hintere Schlucht hinab und ruft zu Wotan zurück.

Dir rat ich, Vater,
rüste dich selbst;
harten Sturm
sollst du bestehn.
Fricka naht, deine Frau,
im Wagen mit dem Widdergespann.
Hei, wie die gold'ne
Geißel sie schwingt!
Die armen Tiere
ächzen vor Angst;
wild rasseln die Räder;
zornig fährt sie zum Zank.
In solchem Strauße
streit ich nicht gern,
lieb ich auch mutiger
Männer Schlacht;
drum sieh, wie den Sturm du bestehst:
ich Lustige laß dich im Stich!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Hojotoho! Hojotoho!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiajaha!

Brünnhilde verschwindet hinter der Gebirgshöhe zur Seite. – In einem mit zwei Widdern bespannten Wagen langt Fricka aus der Schlucht auf dem Felsjoche an: dort hält sie rasch an und steigt aus. Sie schreitet heftig in den Vordergrund auf Wotan zu.
WOTAN.
Der alte Sturm,
die alte Müh!
Doch Stand muß ich hier halten!
FRICKA
je näher sie kommt, mäßigt sie den Schritt und stellt sich mit Würde vor Wotan hin.
Wo in Bergen du dich birgst,
der Gattin Blick zu entgehn,
einsam hier
such ich dich auf,
daß Hilfe du mir verhießest.
[604]
WOTAN.
Was Fricka kümmert,
künde sie frei.
FRICKA.
Ich vernahm Hundings Not,
um Rache rief er mich an:
der Ehe Hüterin
hörte ihn,
verhieß streng
zu strafen die Tat
des frech frevelnden Paars,
das kühn den Gatten gekränkt.
WOTAN.
Was so Schlimmes
schuf das Paar,
das liebend einte der Lenz?
Der Minne Zauber
entzückte sie:
wer büßt mir der Minne Macht?
FRICKA.
Wie törig und taub du dich stellst,
als wüßtest fürwahr du nicht,
daß um der Ehe
heiligen Eid,
den hart verletzten, ich klage!
WOTAN.
Unheilig
acht ich den Eid,
der Unliebende eint;
und mir wahrlich
mute nicht zu,
daß mit Zwang ich halte,
was dir nicht haftet:
denn wo kühn Kräfte sich regen,
da rat ich offen zum Krieg.
FRICKA.
Achtest du rühmlich
der Ehe Bruch,
so prahle nun weiter
und preis es heilig,
daß Blutschande entblüht
dem Bund eines Zwillingspaars!
Mir schaudert das Herz,
es schwindelt mein Hirn: –
bräutlich umfing
die Schwester den Bruder!
[605] Wann ward es erlebt,
daß leiblich Geschwister sich liebten?
WOTAN.
Heut hast du's erlebt!
Erfahre so,
was von selbst sich fügt,
sei zuvor auch noch nie es geschehn.
Daß jene sich lieben,
leuchtet dir hell;
drum höre redlichen Rat:
soll süße Lust
deinen Segen dir lohnen,
so segne, lachend der Liebe,
Siegmunds und Sieglindes Bund.
FRICKA
in höchste Entrüstung ausbrechend.
So ist es denn aus
mit den ewigen Göttern,
seit du die wilden
Wälsungen zeugtest?
Heraus sagt ich's;
traf ich den Sinn?
Nichts gilt dir der Hehren
heilige Sippe!
Hin wirfst du Alles,
was einst du geachtet,
zerreißest die Bande,
die selbst du gebunden,
lösest lachend
des Himmels Haft!
Daß nach Lust und Laune nur walte
dies frevelnde Zwillingspaar,
deiner Untreue zuchtlose Frucht.
O was klag ich
um Ehe und Eid,
da zuerst du selbst sie versehrt.
Die treue Gattin
trogest du stets;
wo eine Tiefe,
wo eine Höhe,
dahin lugte
lüstern dein Blick,
wie des Wechsels Lust du gewännest,
und höhnend kränktest mein Herz.
Trauernden Sinnes
[606] mußt ich's ertragen,
zogst du zur Schlacht
mit den schlimmen Mädchen,
die wilder Minne
Bund dir gebar:
denn dein Weib noch scheutest du so,
daß der Walküren Schar,
und Brünnhilde selbst,
deines Wunsches Braut,
in Gehorsam der Herrin du gabst.
Doch jetzt, da dir neue
Namen gefielen,
als »Wälse« wölfisch
im Walde du schweiftest;
jetzt, da zu niedrigster
Schmach du dich neigtest,
gemeiner Menschen
ein Paar zu erzeugen:
jetzt dem Wurfe der Wölfin
wirfst du zu Füßen dein Weib! –
So führ es denn aus!
Fülle das Maß!
Die Betrog'ne laß auch zertreten!
WOTAN
ruhig.
Nichts lerntest du,
wollt ich dich lehren,
was nie du erkennen kannst,
eh nicht ertagte die Tat.
Stets Gewohntes
nur magst du verstehn:
doch was noch nie sich traf,
danach trachtet mein Sinn.
Eines höre:
Not tut ein Held,
der, ledig göttlichen Schutzes,
sich löse vom Göttergesetz.
So nur taugt er
zu wirken die Tat,
die, wie not sie den Göttern,
dem Gott doch zu wirken verwehrt.
FRICKA.
Mit tiefem Sinne
willst du mich täuschen:
was Hehres sollten
Helden je wirken,
[607] das ihren Göttern wäre verwehrt,
deren Gunst in ihnen nur wirkt?
WOTAN.
Ihres eig'nen Mutes
achtest du nicht?
FRICKA.
Wer hauchte den Menschen ihn ein?
Wer hellte den Blöden den Blick?
In deinem Schutz
scheinen sie stark;
durch deinen Stachel
streben sie auf:
du reizest sie einzig,
die so mir Ew'gen du rühmst.
Mit neuer List
willst du mich belügen,
durch neue Ränke
mir jetzt entrinnen;
doch diesen Wälsung
gewinnst du dir nicht,
in ihm treff ich nur dich,
denn durch dich trotzt er allein.
WOTAN.
In wildem Leiden
erwuchs er sich selbst:

Ergriffen.

mein Schutz schirmte ihn nie.
FRICKA.
So schütz auch heut ihn nicht!
Nimm ihm das Schwert,
das du ihm geschenkt.
WOTAN.
Das Schwert?
FRICKA.
Ja, das Schwert – das zauberstark
zuckende Schwert,
das du Gott dem Sohne gabst!
WOTAN
heftig.
Siegmund gewann es sich

Mit unterdrücktem Beben.

selbst in der Not.

Wotan drückt in seiner ganzen Haltung von hier an einen immer wachsenden unheimlichen tiefen Unmut aus.
FRICKA
heftig fortfahrend.
Du schufst ihm die Not,
wie das neidliche Schwert.
Willst du mich täuschen,
die Tag und Nacht
auf den Fersen dir folgt?
Für ihn stießest du
das Schwert in den Stamm;
[608] du verhießest ihm
die hehre Wehr:
willst du es leugnen,
daß nur deine List
ihn lockte, wo er es fänd?

Wotan fährt mit einer grimmigen Gebärde auf. – Fricka immer sicherer, da sie den Eindruck gewahrt, den sie auf Wotan hervorgebracht hat.

Mit Unfreien
streitet kein Edler;
den Frevler straft nur der Freie.
Wider deine Kraft
führt ich wohl Krieg:
doch Siegmund verfiel mir als Knecht.

Neue heftige Gebärde Wotans, dann Versinken in das Gefühl seiner Ohnmacht.

Der dir als Herren
hörig und eigen,
gehorchen soll ihm
dein ewig Gemahl?
Soll mich in Schmach
der Niedrigste schmähen,
dem Frechen zum Sporn,
dem Freien zum Spott?
Das kann mein Gatte nicht wollen,
die Göttin entweiht er nicht so.
WOTAN
finster.
Was verlangst du?
FRICKA.
Laß von dem Wälsung!
WOTAN
mit gedämpfter Stimme.
Er geh seines Wegs.
FRICKA.
Doch du schütze ihn nicht,
wenn zur Schlacht ihn der Rächer ruft!
WOTAN.
Ich schütze ihn nicht.
FRICKA.
Sieh mir ins Auge;
sinne nicht Trug:
die Walküre wend auch von ihm!
WOTAN.
Die Walküre walte frei.
FRICKA.
Nicht doch! Deinen Willen
vollbringt sie allein:
verbiete ihr Siegmunds Sieg!
WOTAN
in heftigen inneren Kampf ausbrechend.
Ich kann ihn nicht fällen,
er fand mein Schwert.
[609]
FRICKA.
Entzieh dem den Zauber,
zerknick es dem Knecht!
Schutzlos schau ihn der Feind!
BRÜNNHILDE
noch unsichtbar von der Höhe her.
Heiaha! Heiaha! Hojotoho!
FRICKA.
Dort kommt deine kühne Maid;
jauchzend jagt sie daher.
BRÜNNHILDE
wie oben.
Heiaha! Heiaha!
Heiohotojo! Hotojoha!
WOTAN
dumpf für sich.
Ich rief sie für Siegmund zu Roß!

Brünnhilde erscheint mit ihrem Roß auf dem Felsenpfade rechts. Als sie Fricka gewahrt, bricht sie schnell ab und geleitet ihr Roß still und langsam während des Folgenden den Felsweg herab: dort birgt sie es dann in einer Höhle.
FRICKA.
Deiner ew'gen Gattin
heilige Ehre
beschirme heut ihr Schild!
Von Menschen verlacht,
verlustig der Macht –
gingen wir Götter zugrund:
würde heut nicht hehr
und herrlich mein Recht
gerächt von der mutigen Maid.
Der Wälsung fällt meiner Ehre.
Empfah ich von Wotan den Eid?
WOTAN
in furchtbarem Unmut auf einen Felsensitz sich werfend.
Nimm den Eid!

Fricka schreitet dem Hintergrunde zu: dort begegnet sie Brünnhilde und hält einen Augenblick vor ihr an.
FRICKA.
Heervater harret dein:
laß ihn dir künden,
wie das Los er gekiest.

Sie fährt schnell davon. Brünnhilde tritt mit besorgter Miene verwundert vor Wotan, der, auf dem Felssitz zurückgelehnt, in finsteres Brüten versunken ist.
2. Szene
Zweite Szene
BRÜNNHILDE.
Schlimm, fürcht ich,
schloß der Streit,
lachte Fricka dem Lose.
Vater, was soll
[610] dein Kind erfahren?
Trübe scheinst du und traurig?
WOTAN
läßt den Arm machtlos sinken und den Kopf in den Nacken fallen.
In eig'ner Fessel
fing ich mich,
ich Unfreiester Aller!
BRÜNNHILDE.
So sah ich dich nie:
was nagt dir das Herz?
WOTAN
von hier an steigert sich Wotans Ausdruck und Gebärde bis zum furchtbarsten Ausbruch.
O heilige Schmach!
O schmählicher Harm!
Götternot!
Götternot!
Endloser Grimm!
Ewiger Gram!
Der Traurigste bin ich von Allen!
BRÜNNHILDE
wirft erschrocken Schild, Speer und Helm von sich und läßt sich mit besorgter Zutraulichkeit zu seinen Füßen nieder.
Vater! Vater!
Sage, was ist dir?
Was erschreckst du mit Sorge dein Kind!
Vertraue mir!
Ich bin dir treu:
Sieh, Brünnhilde bittet!

Sie legt traulich und ängstlich Haupt und Hände ihm auf Knie und Schoß.
WOTAN
blickt ihr lange in das Auge; dann streichelt er ihr mit unwillkürlicher Zärtlichkeit die Locken.
Wie aus tiefem Sinnen zu sich kommend, beginnt er endlich flüsternd.
Laß ich's verlauten,
lös ich dann nicht
meines Willens haltenden Haft?
BRÜNNHILDE
sehr leise.
Zu Wotans Willen sprichst du,
sagst du mir, was du willst;
wer bin ich,
wär ich dein Wille nicht?
WOTAN
sehr leise.
Was keinem in Worten ich künde,
unausgesprochen
bleib es denn ewig:
[611]
mit mir nur rat ich,
red ich zu dir.

Mit noch gedämpfterer, schauerlicher Stimme, während er Brünnhilde unverwandt in das Auge blickt.

Als junger Liebe
Lust mir verblich,
verlangte nach Macht mein Mut:
von jäher Wünsche
Wüten gejagt,
gewann ich mir die Welt;
unwissend trugvoll,
Untreue übt ich,
band durch Verträge,
was Unheil barg:
listig verlockte mich Loge,
der schweifend nun verschwand.
Von der Liebe doch
mocht ich nicht lassen,
in der Macht verlangt ich nach Minne.
Den Nacht gebar,
der bange Nibelung,
Alberich, brach ihren Bund:
er fluchte der Lieb,
und gewann durch den Fluch
des Rheines glänzendes Gold,
und mit ihm maßlose Macht.
Den Ring, den er schuf,
entriß ich ihm listig;
doch nicht dem Rhein
gab ich ihn zurück:
mit ihm bezahlt ich
Walhalls Zinnen,
der Burg, die Riesen mir bauten,
aus der ich der Welt nun gebot.
Die Alles weiß,
was einsten war,
Erda, die weihlich
weiseste Wala,
riet mir ab von dem Ring,
warnte vor ewigem Ende.
Von dem Ende wollt ich
mehr noch wissen;
doch schweigend entschwand mir das Weib. –
[612] Da verlor ich den leichten Mut,
zu wissen begehrt es den Gott:
in den Schoß der Welt
schwang ich mich hinab,
mit Liebeszauber
zwang ich die Wala,
stört ihres Wissens Stolz,
daß sie Rede nun mir stand.
Kunde empfing ich von ihr;
von mir doch barg sie ein Pfand:
der Welt weisestes Weib
gebar mir, Brünnhilde, dich.
Mit acht Schwestern
zog ich dich auf:
durch euch Walküren
wollt ich wenden,
was mir die Wala
zu fürchten schuf: –
ein schmähliches Ende der Ew'gen.
Daß stark zum Streit
uns fände der Feind,
hieß ich euch Helden mir schaffen:
die herrisch wir sonst
in Gesetzen hielten,
die Männer, denen
den Mut wir gewehrt,
die durch trüber Verträge
trügende Bande
zu blindem Gehorsam
wir uns gebunden, –
die solltet zu Sturm
und Streit ihr nun stacheln,
ihre Kraft reizen
zu rauhem Krieg,
daß kühner Kämpfer Scharen
ich sammle in Walhalls Saal!
BRÜNNHILDE.
Deinen Saal füllten wir weidlich;
viele schon führt ich dir zu.
Was macht dir nun Sorge,
da nie wir gesäumt?
WOTAN
wieder gedämpfter.
Ein Andres ist's:
achte es wohl,
wes mich die Wala gewarnt!
[613] Durch Alberichs Heer
droht uns das Ende:
mit neidischem Grimm
grollt mir der Niblung: –
doch scheu ich nun nicht
seine nächtigen Scharen,
meine Helden schüfen mir Sieg.
Nur wenn je den Ring
zurück er gewänne,
dann wäre Walhall verloren:
der der Liebe fluchte,
er allein
nützte neidisch
des Ringes Runen
zu aller Edlen
endloser Schmach;
der Helden Mut
entwendet er mir,
die Kühnen selber
zwäng er zum Kampf,
mit ihrer Kraft
bekriegte er mich.
Sorgend sann ich nun selbst,
den Ring dem Feind zu entreißen.
Der Riesen einer,
denen ich einst
mit verfluchtem Gold
den Fleiß vergalt:
Fafner hütet den Hort,
um den er den Bruder gefällt.
Ihm müßt ich den Reif entringen,
den selbst als Zoll ich ihm zahlte.
Doch mit dem ich vertrug,
ihn darf ich nicht treffen;
machtlos vor ihm
erläge mein Mut: –
das sind die Bande,
die mich binden:
der durch Verträge ich Herr,
den Verträgen bin ich nun Knecht.
Nur Einer könnte,
was ich nicht darf: –
ein Held, dem helfend
[614] nie ich mich neigte,
der fremd dem Gotte,
frei seiner Gunst,
unbewußt,
ohne Geheiß
aus eig'ner Not,
mit der eig'nen Wehr
schüfe die Tat,
die ich scheuen muß,
die nie mein Rat ihm riet,
wünscht sie auch einzig mein Wunsch!
Der, entgegen dem Gott,
für mich föchte,
den freundlichen Feind,
wie fände ich ihn?
Wie schüf ich den Freien,
den nie ich schirmte,
der im eig'nen Trotze
der trauteste mir?
Wie macht ich den Andren,
der nicht mehr ich,
und aus sich wirkte,
was ich nur will?
O göttliche Not!
Gräßliche Schmach!
Zum Ekel find ich
ewig nur mich
in Allem, was ich erwirke;
das Andre, das ich ersehne,
das Andre erseh ich nie:
denn selbst muß der Freie sich schaffen;
Knechte erknet ich mir nur.
BRÜNNHILDE.
Doch der Wälsung, Siegmund?
Wirkt er nicht selbst?
WOTAN.
Wild durchschweift ich
mit ihm die Wälder;
gegen der Götter Rat
reizte kühn ich ihn auf:
gegen der Götter Rache
schützt ihn nun einzig das Schwert,

Gedehnt und bitter.

das eines Gottes
Gunst ihm beschied.
[615] Wie wollt ich listig
selbst mich belügen?
So leicht ja entfrug mir
Fricka den Trug:
zu tiefster Scham
durchschaute sie mich!
Ihrem Willen muß ich gewähren.
BRÜNNHILDE.
So nimmst du von Siegmund den Sieg?
WOTAN.
Ich berührte Alberichs Ring, –
gierig hielt ich das Gold!
Der Fluch, den ich floh,
nicht flieht er nun mich: –
Was ich liebe, muß ich verlassen,
morden, wen je ich minne,
trügend verraten,
wer mir traut!

Wotans Gebärde geht aus dem Ausdruck des furchtbarsten Schmerzes zu dem der Verzweiflung über.

Fahre denn hin,
herrische Pracht,
göttlichen Prunkes
prahlende Schmach!
Zusammen breche,
was ich gebaut!
Auf geb ich mein Werk:
nur Eines will ich noch:
das Ende –
das Ende! –

Er hält sinnend ein.

Und für das Ende
sorgt Alberich;
jetzt versteh ich
den stummen Sinn
des wilden Wortes der Wala: –
»wenn der Liebe finstrer Feind
zürnend zeugt einen Sohn,
der Sel'gen Ende
säumt dann nicht.«
Vom Niblung jüngst
vernahm ich die Mär,
daß ein Weib der Zwerg bewältigt,
des Gunst Gold ihm erzwang:
des Hasses Frucht
[616] hegt eine Frau;
des Neides Kraft
kreißt ihr im Schoß:
das Wunder gelang
dem Liebelosen;
doch der in Lieb ich freite,
den Freien erlang ich mir nicht.

Mit bitterem Grimm sich aufrichtend.

So nimm meinen Segen,
Niblungensohn!
Was tief mich ekelt,
dir geb ich's zum Erbe,
der Gottheit nichtigen Glanz:
zernage ihn gierig dein Neid!
BRÜNNHILDE
erschrocken.
O sag, künde,
was soll nun dein Kind?
WOTAN
bitter.
Fromm streite für Fricka;
hüte ihr Eh' und Eid!

Trocken.

Was sie erkor,
das kiese auch ich:
was frommte mir eig'ner Wille?
Einen Freien kann ich nicht wollen: –
für Frickas Knechte
kämpfe nun du!
BRÜNNHILDE.
Weh! Nimm reuig
zurück das Wort!
Du liebst Siegmund:
dir zulieb,
ich weiß es, schütz ich den Wälsung.
WOTAN.
Fällen sollst du Siegmund,
für Hunding erfechten den Sieg!
Hüte dich wohl
und halte dich stark,
all deiner Kühnheit
entbiete im Kampf:
ein Siegschwert
schwingt Siegmund; –
schwerlich fällt er dir feig!
BRÜNNHILDE.
Den du zu lieben
stets mich gelehrt,
der in hehrer Tugend
dem Herzen dir teuer, –

[617] Sehr warm.

gegen ihn zwingt mich nimmer
dein zwiespältig Wort!
WOTAN.
Ha, Freche du!
Frevelst du mir?
Wer bist du, als meines Willens
blind wählende Kür?
Da mit dir ich tagte,
sank ich so tief,
daß zum Schimpf der eig'nen
Geschöpfe ich ward?
Kennst du, Kind, meinen Zorn?
Verzage dein Mut,
wenn je zermalmend
auf dich stürzte sein Strahl!
In meinem Busen
berg ich den Grimm,
der in Grau'n und Wust
wirft eine Welt,
die einst zur Lust mir gelacht: –
Wehe dem, den er trifft!
Trauer schüf ihm sein Trotz!
Drum rat ich dir,
reize mich nicht!
Besorge, was ich befahl:
Siegmund falle!
Dies sei der Walküre Werk!

Er stürmt fort und verschwindet schnell links im Gebirge.
BRÜNNHILDE
steht lange erschrocken und betäubt.
So sah ich Siegvater nie,
erzürnt ihn sonst wohl auch ein Zank.

Sie neigt sich betrübt und nimmt ihre Waffen auf, mit denen sie sich wieder rüstet.

Schwer wiegt mir
der Waffen Wucht!
Wenn nach Lust ich focht,
wie waren sie leicht!
Zu böser Schlacht
schleich ich heut so bang.

Sie sinnt vor sich hin und seufzt dann auf.

Weh! mein Wälsung!
Im höchsten Leid
muß dich treulos die Treue verlassen!

Sie wendet sich langsam dem Hintergrunde zu.
3. Szene
[618] Dritte Szene
Auf dem Bergjoche angelangt, gewahrt Brünnhilde, in die Schlucht hinabblickend, Siegmund und Sieglinde; sie betrachtet die Nahenden einen Augenblick, dann wendet sie sich in die Höhle zu ihrem Roß, so daß sie dem Zuschauer gänzlich verschwindet. – Siegmund und Sieglinde erscheinen auf dem Bergjoche. Sieglinde schreitet hastig voraus; Siegmund sucht sie aufzuhalten.

SIEGMUND.
Raste nun hier,
gönne dir Ruh!
SIEGLINDE.
Weiter! Weiter!
SIEGMUND
umfaßt sie mit sanfter Gewalt.
Nicht weiter nun!

Er schließt sie fest an sich.

Verweile, süßestes Weib!
Aus Wonne-Entzücken
zucktest du auf,
mit jäher Hast
jagtest du fort:
kaum folgt ich der wilden Flucht,
Durch Wald und Flur,
über Fels und Stein.
Sprachlos, schweigend
sprangst du dahin,
kein Ruf hielt dich zur Rast!

Sie starrt wild vor sich hin.

Ruhe nun aus:
rede zu mir!
Ende des Schweigens Angst!
Sieh, dein Bruder
hält seine Braut:
Siegmund ist dir Gesell!

Er hat sie unvermerkt nach dem Steinsitz geleitet.
SIEGLINDE
blickt Siegmund mit wachsendem Entzücken in die Augen; dann umschlingt sie leidenschaftlich seinen Hals und verweilt so; dann fährt sie mit jähem Schreck auf.
Hinweg! Hinweg!
Flieh die Entweihte!
Unheilig
umfängt dich ihr Arm,
entehrt, geschändet
schwand dieser Leib:
[619] flieh die Leiche,
lasse sie los!
Der Wind mag sie verweh'n,
die ehrlos dem Edlen sich gab!
Da er sie liebend umfing,
da seligste Lust sie fand,
da ganz sie minnte der Mann,
der ganz ihr Minne geweckt –
vor der süßesten Wonne
heiligster Weihe,
die ganz ihr Sinn
und Seele durchdrang –
Grauen und Schauder
ob gräßlichster Schande
mußte mit Schreck
die Schmähliche fassen,
die je dem Manne gehorcht,
der ohne Minne sie hielt! –
Laß die Verfluchte,
laß sie dich fliehn!
Verworfen bin ich,
der Würde bar:
dir reinstem Manne
muß ich entrinnen,
dir herrlichem darf ich
nimmer gehören!
Schande bring ich dem Bruder,
Schmach dem freienden Freund!
SIEGMUND.
Was je Schande dir schuf,
das büßt nun des Frevlers Blut!
Drum fliehe nicht weiter;
harre des Feindes:
hier soll er mir fallen!
Wenn Nothung ihm
das Herz zernagt,
Rache dann hast du erreicht!
SIEGLINDE
schrickt auf und lauscht.
Horch, die Hörner!
Hörst du den Ruf? –
Ringsher tönt
wütend Getös,
aus Wald und Gau
gellt es herauf.
Hunding erwachte
[620] aus hartem Schlaf.
Sippen und Hunde
ruft er zusammen:
mutig gehetzt
heult die Meute,
wild bellt sie zum Himmel
um der Ehe gebrochenen Eid!

Sie starrt wie wahnsinnig vor sich hin.

Wo bist du – Siegmund?
Seh ich dich noch?
Brünstig geliebter,
leuchtender Bruder!
Deines Auges Stern
laß noch einmal mir strahlen:
wehre dem Kuß
des verworf'nen Weibes nicht!

Sie hat sich ihm schluchzend an die Brust geworfen; dann schrickt sie ängstlich wieder auf.

Horch! O horch!
Das ist Hundings Horn!
Seine Meute naht
mit mächt'ger Wehr:
kein Schwert frommt
vor der Hunde Schwall,
wirf es fort, Siegmund!
Siegmund – wo bist du? –
Ha dort! Ich sehe dich!
Schrecklich Gesicht!
Rüden fletschen
die Zähne nach Fleisch;
sie achten nicht
deines edlen Blicks,
bei den Füßen packt dich
das feste Gebiß:
du fällst
in Stücken zerstaucht das Schwert: –
die Esche stürzt –
es bricht der Stamm!
Bruder! Mein Bruder!
Siegmund – ha! –

Sie sinkt ohnmächtig in Siegmunds Arme.
SIEGMUND.
Schwester! Geliebte!

Er lauscht ihrem Atem und überzeugt sich, daß sie noch lebt.[621] Er läßt sie an sich herabgleiten, so daß sie, als er sich selbst zum Sitze niederläßt, mit ihrem Haupt auf seinem Schoß zu ruhen kommt. In dieser Stellung verbleiben Beide bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes. – Langes Schweigen, während dessen Siegmund mit zärtlicher Sorge über Sieglinde sich hinneigt und mit einem langen Kusse ihr die Stirn küßt.
4. Szene
Vierte Szene
Brünnhilde, ihr Roß am Zaume geleitend, tritt aus der Höhle und schreitet langsam und feierlich nach vorne. Sie hält an und betrachtet Siegmund von fern. Sie schreitet wieder langsam vor. Sie hält in größerer Nähe an. Sie trägt Schild und Speer in der einen Hand, lehnt sich mit der andern an den Hals des Rosses und betrachtet so mit ernster Miene Siegmund.

BRÜNNHILDE.
Siegmund!
Sieh auf mich!
Ich bin's,
der bald du folgst.
SIEGMUND
richtet den Blick zu ihr auf.
Wer bist du, sag,
die so schön und ernst mir erscheint?
BRÜNNHILDE.
Nur Todgeweihten
taugt mein Anblick,
wer mich erschaut,
der scheidet vom Lebenslicht.
Auf der Walstatt allein
erschein ich Edlen,
wer mich gewahrt,
zur Wal kor ich ihn mir!
SIEGMUND
blickt ihr lange forschend und fest in das Auge, senkt dann sinnend das Haupt und wendet sich endlich mit Entschluß wieder zu ihr.
Der dir nun folgt,
wohin führst du den Helden?
BRÜNNHILDE.
Zu Walvater,
der dich gewählt,
führ ich dich:
nach Walhall folgst du mir.
SIEGMUND.
In Walhalls Saal
Walvater find ich allein?
[622]
BRÜNNHILDE.
Gefallner Helden
hehre Schar
umfängt dich hold
mit hoch-heiligem Gruß.
SIEGMUND.
Fänd ich in Walhall
Wälse, den eig'nen Vater?
BRÜNNHILDE.
Den Vater findet
der Wälsung dort.
SIEGMUND.
Grüßt mich in Walhall
froh eine Frau?
BRÜNNHILDE.
Wunschmädchen
walten dort hehr:
Wotans Tochter
reicht dir traulich den Trank!
SIEGMUND.
Hehr bist du,
und heilig gewahr ich
das Wotanskind;
doch Eines sag mir, du Ew'ge!
Begleitet den Bruder
die bräutliche Schwester?
Umfängt Siegmund
Sieglinde dort?
BRÜNNHILDE.
Erdenluft
muß sie noch atmen:
Sieglinde sieht
Siegmund dort nicht.
SIEGMUND
neigt sich sanft über Sieglinde, küßt sie leise auf die Stirn und wendet sich ruhig wieder zu Brünnhilde.
So grüße mir Walhall,
grüße mir Wotan!
Grüße mir Wälse
und alle Helden: –
grüß auch die holden
Wunschesmädchen –

Sehr bestimmt.

zu ihnen folg ich dir nicht!
BRÜNNHILDE.
Du sahest der Walküre
sehrenden Blick:
mit ihr mußt du nun ziehn!
SIEGMUND.
Wo Sieglinde lebt
in Lust und Leid,
da will Siegmund auch säumen;
noch machte dein Blick
[623] nicht mich erbleichen;
vom Bleiben zwingt er mich nie!
BRÜNNHILDE.
So lang du lebst,
zwäng dich wohl nichts:
doch zwingt dich Toren der Tod: –
ihn dir zu künden
kam ich her!
SIEGMUND.
Wo wäre der Feind,
dem heut ich fiel?
BRÜNNHILDE.
Hunding fällt dich im Streit.
SIEGMUND.
Mit Stärk'rem drohe,
als Hundings Streichen.
Lauerst du hier
lüstern auf Wal,
jenen kiese zum Fang:
ich denk ihn zu fällen im Kampf!
BRÜNNHILDE
den Kopf schüttelnd.
Dir, Wälsung –
höre mich wohl:
dir ward das Los gekiest.
SIEGMUND.
Kennst du dies Schwert? –
Der mir es schuf,
beschied mir Sieg:
deinem Drohen trotz ich mit ihm!
BRÜNNHILDE
sehr stark betont.
Der dir es schuf,
beschied dir jetzt Tod:
seine Tugend nimmt er dem Schwert!
SIEGMUND
heftig.
Schweig und schrecke
die Schlummernde nicht! –

Er beugt sich mit hervorbrechendem Schmerz zärtlich über Sieglinde.

Weh! Weh!
Süßestes Weib!
Du traurigste aller Getreuen!
Gegen dich wütet
in Waffen die Welt,
und ich, dem du einzig vertraut,
für den du ihr einzig getrotzt,
mit meinem Schutz
nicht soll ich dich schirmen,
die Kühne verraten im Kampf? –
Ha, Schande ihm,
der das Schwert mir schuf,
beschied er mir Schimpf für Sieg!
[624] Muß ich denn fallen,
nicht fahr ich nach Walhall:
Hella halte mich fest!

Er neigt sich tief zu Sieglinde.
BRÜNNHILDE
erschüttert.
So wenig achtest du
ewige Wonne?

Zögernd und zurückhaltend.

Alles wär dir
das arme Weib,
das müd und harmvoll
matt von dem Schoße dir hängt?
Nichts sonst hieltest du hehr?
SIEGMUND
bitter zu ihr aufblickend.
So jung und schön
erschimmerst du mir:
doch wie kalt und hart
erkennt dich mein Herz!
Kannst du nur höhnen,
so hebe dich fort,
du arge, fühllose Maid!
Doch mußt du dich weiden
an meinem Weh,
mein Leiden letze dich denn:
meine Not labe
dein neidvolles Herz –
nur von Walhalls spröden Wonnen
sprich du wahrlich mir nicht!
BRÜNNHILDE.
Ich sehe die Not,
die das Herz dir zernagt,
ich fühle des Helden
heiligen Harm!
Siegmund! Befiehl mir dein Weib:
mein Schutz umfange sie fest!
SIEGMUND.
Kein andrer als ich
soll die Reine lebend berühren;
verfiel ich dem Tod,
die Betäubte töt ich zuvor!
BRÜNNHILDE
mit wachsender Ergriffenheit.
Wälsung! Rasender!
Hör meinen Rat!
Befiehl mir dein Weib
um des Pfandes willen,
das wonnig von dir es empfing.
[625]
SIEGMUND
sein Schwert ziehend.
Dies Schwert,
das dem Treuen ein Trugvoller schuf, –
dies Schwert, –
das feig vor dem Feind mich verrät –,
frommt es nicht gegen den Feind,
so frommt es denn wider den Freund!

Er zückt das Schwert auf Sieglinde.

Zwei Leben
lachen dir hier:
nimm sie, Nothung,
neidischer Stahl,
nimm sie mit einem Streich!
BRÜNNHILDE
im heftigsten Sturme des Mitgefühls.
Halt ein: Wälsung!
Höre mein Wort!
Sieglinde lebe, –
und Siegmund lebe mit ihr! –
Beschlossen ist's:
das Schlachtlos wend ich:
dir, Siegmund,
schaff ich Segen und Sieg.

Man hört aus dem fernen Hintergrunde Hornrufe erschallen.

Hörst du den Ruf?
Nun rüste dich, Held!
Traue dem Schwert
und schwing es getrost:
treu hält dir die Wehr,
wie die Walküre treu dich schützt! –
Leb wohl, Siegmund!
Seligster Held!
Auf der Walstatt seh ich dich wieder!

Sie stürmt fort und verschwindet mit dem Rosse rechts in einer Seitenschlucht. Siegmund blickt ihr freudig und erhoben nach. Die Bühne hat sich allmählich verfinstert; schwere Gewitterwolken senken sich auf den Hintergrund herab und hüllen die Gebirgswände, die Schlucht und das erhöhte Bergjoch nach und nach gänzlich ein.
5. Szene
Fünfte Szene
SIEGMUND
neigt sich wieder über Sieglinde, dem Atem lauschend.
[626] Zauberfest
bezähmt ein Schlaf
der Holden Schmerz und Harm.
Da die Walküre zu mir trat,
schuf sie ihr den wonnigen Trost?
Sollte die grimmige Wal
nicht schrecken ein gramvolles Weib? –
Leblos scheint sie,
die dennoch lebt:
der Traurigen kost
ein lächelnder Traum. –

Neue Hornrufe.

So schlummre nun fort,
bis die Schlacht gekämpft
und Frieden dich erfreu!

Er legt sie sanft auf den Steinsitz und küßt ihr zum Abschied die Stirn. Er vernimmt Hundings Hornruf und bricht entschlossen auf.

Der dort mich ruft;
rüste sich nun;
was ihm gebührt,
biet ich ihm.

Er zieht das Schwert.

Nothung zahl ihm den Zoll!

Er eilt dem Hintergrunde zu und verschwindet; auf dem Joche angekommen, sogleich in finsterem Gewittergewölk, aus welchem alsbald Wetterleuchten aufblitzt.
SIEGLINDE
beginnt sich träumend unruhiger zu bewegen.
Kehrte der Vater nun heim!
Mit dem Knaben noch weilt er im Forst.
Mutter! Mutter!
Mir bangt der Mut;
nicht freund und friedlich
scheinen die Fremden!
Schwarze Dämpfe,
schwüles Gedünst –
feurige Lohe
leckt schon nach uns –
es brennt das Haus!
Zu Hilfe! Bruder!
Siegmund! Siegmund!

Sie springt auf. – Starker Blitz und Donner.

Siegmund! – Ha!

[627] Sie starrt in steigender Angst um sich her: fast die ganze Bühne ist in schwarze Gewitterwolken gehüllt. Der Hornruf Hundings ertönt in der Nähe.
HUNDINGS STIMME
im Hintergrunde vom Bergjoche her.
Wehwalt! Wehwalt!
Steh mir zum Streit,
sollen dich Hunde nicht halten!
SIEGMUNDS STIMME
von weiter hinten her aus der Schlucht.
Wo birgst du dich,
daß ich vorbei dir schoß?
Steh, daß ich dich stelle!
SIEGLINDE
in furchtbarer Angst lauschend.
Hunding! Siegmund!
Könnt ich sie sehen!
HUNDING.
Hieher, du frevelnder Freier!
Fricka fälle dich hier!
SIEGMUND
nun ebenfalls vom Joche her.
Noch wähnst du mich waffenlos,
feiger Wicht?
Drohst du mit Frauen,
so ficht nun selber,
sonst läßt dich Fricka im Stich.
Denn sieh: deines Hauses
heimischem Stamm
entzog ich zaglos das Schwert:
seine Schneide schmecke jetzt du!

Ein Blitz erhellt für einen Augenblick das Bergjoch, auf welchem jetzt Hunding und Siegmund kämpfend gewahrt werden.
SIEGLINDE
mit höchster Kraft.
Haltet ein, ihr Männer!
Mordet erst mich!

Sie stürzt auf das Bergjoch zu: ein von rechts her über den Kämpfern ausbrechender Schein blendet sie aber plötzlich so, daß sie wie erblindet zur Seite schwankt. In dem Lichtglanze erscheint Brünnhilde, über Siegmund schwebend und diesen mit dem Schilde deckend.
BRÜNNHILDE.
Triff ihn, Siegmund!
Traue dem Schwert!

Als Siegmund soeben zu einem tödlichen Streiche auf Hunding ausholt, bricht von links her ein glühend rötlicher Schein durch das Gewölk aus, in welchem Wotan erscheint, über Hunding stehend und seinen Speer Siegmund quer entgegenhaltend.
[628]
WOTAN.
Zurück vor dem Speer!
In Stücken das Schwert!

Brünnhilde weicht erschrocken vor Wotan mit dem Schilde zurück: Siegmunds Schwert zerspringt an dem vorgehaltenen Speere. Dem Unbewehrten stößt Hunding seinen Speer in die Brust. Siegmund stürzt tot zu Boden. – Sieglinde, die seinen Todesseufzer gehört, sinkt mit einem Schrei wie leblos zusammen. – Mit Siegmunds Fall ist zugleich von beiden Seiten der glänzende Schein verschwunden; dichte Finsternis ruht im Gewölk bis nach vorn: in ihm wird undeutlich Brünnhilde sichtbar, wie sie in jäher Hast sich Sieglinden zuwendet.
BRÜNNHILDE.
Zu Roß! Daß ich dich rette!

Sie hebt Sieglinde schnell zu sich auf ihr der Seitenschlucht nahe stehendes Roß und verschwindet sogleich mit ihr. – Alsbald zerteilt sich das Gewölk in der Mitte, so daß man deutlich Hunding gewahrt, der soeben seinen Speer dem gefallenen Siegmund aus der Brust gezogen. – Wotan, von Gewölk umgeben, steht dahinter auf einem Felsen an seinen Speer gelehnt und schmerzlich auf Siegmunds Leiche blickend.
WOTAN
zu Hunding.
Geh hin, Knecht!
Knie vor Fricka!
Meld ihr, daß Wotans Speer
gerächt, was Spott ihr schuf. –
Geh! – Geh!

Vor seinem verächtlichen Handwink sinkt Hunding tot zu Boden. – Wotan plötzlich in furchtbarer Wut auffahrend.

Doch Brünnhilde!
Weh der Verbrecherin!
Furchtbar sei
die Freche gestraft,
erreicht mein Roß ihre Flucht!

Er verschwindet mit Blitz und Donner. – Der Vorhang fällt schnell.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
GERHILDE
zu höchst gelagert, dem Hintergrunde zurufend, von wo ein starkes Gewölk herzieht.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
Helmwige! Hier!
Hierher mit dem Roß!
HELMWIGES STIMME
im Hintergrunde.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!

In dem Gewölk bricht Blitzesglanz aus; eine Walküre zu Roß wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel hängt ein erschlagener Krieger. Die Erscheinung zieht, immer näher, am Felsensaume von links nach rechts vorbei.

GERHILDE, WALTRAUTE UND SCHWERTLEITE der Ankommenden entgegenrufend.
Heiaha! Heiaha!

Die Wolke mit der Erscheinung ist rechts hinter dem Tann verschwunden.
ORTLINDE
in den Tann hineinrufend.
Zu Ortlindes Stute
stell deinen Hengst:
mit meiner Grauen
grast gern dein Brauner.
WALTRAUTE
hineinrufend.
Wer hängt dir im Sattel?
HELMWIGE
aus dem Tann auftretend.
Sintolt, der Hegeling!
[630]
SCHWERTLEITE.
Führ deinen Braunen
fort von der Grauen:
Ortlindes Mähre
trägt Wittig, den Irming!
GERHILDE
ist etwas näher herabgestiegen.
Als Feinde nur sah ich
Sintolt und Wittig!
ORTLINDE
springt auf.
Heiaha! Heiaha! Die Stute
stößt mir der Hengst!

Sie läuft in den Tann. – Gerhilde, Helmwige und Schwertleite lachen laut auf.
GERHILDE.
Der Recken Zwist
entzweit noch die Rosse!
HELMWIGE
in den Tann zurückrufend.
Ruhig, Brauner!
Brich nicht den Frieden!
WALTRAUTE
auf der Höhe, wo sie für Gerhilde die Wacht übernommen, nach rechts in den Hintergrund rufend.
Hojoho! Hojoho!
Siegrune hier!
Wo säumst du so lang?

Sie lauscht nach rechts.
SIEGRUNES STIMME
von der rechten Seite des Hintergrundes her.
Arbeit gab's. –
Sind die Andren schon da?
SCHWERTLEITE UND WALTRAUTE
nach rechts in den Hintergrund rufend.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
GERHILDE.
Heiaha!

Ihre Gebärden sowie ein heller Glanz hinter dem Tann zeigen an, daß soeben Siegrune dort angelangt ist. Aus der Tiefe hört man zwei Stimmen zugleich.
GRIMGERDE UND ROSSWEISSE
links im Hintergrunde.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!
WALTRAUTE.
Grimgerd' und Roßweiße!
SCHWERTLEITE.
Sie reiten zu zwei!

In dem blitzerglänzenden Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Roßweiße und Grimgerde, ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. – Helmwige, Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten und winken vom Felsensaume den Ankommenden zu.

HELMWIGE, ORTLINDE UND SIEGRUNE.
Gegrüßt! Ihr Reisige!
Roßweiß' und Grimgerde!
[631]
ROSSWEISSE UND GRIMGERDES STIMMEN.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha!

Die Erscheinung verschwindet hinter dem Tann.
DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN.
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha!
GERHILDE
in den Tann rufend.
In Wald mit den Rossen
zu Rast und Weid!
ORTLINDE
ebenfalls in den Tann rufend.
Führet die Mähren
fern voneinander,
bis unsrer Helden
Haß sich gelegt!

Die Walküren lachen.
HELMWIGE
während die anderen lachen.
Der Helden Grimm
büßt schon die Graue!

Die Walküren lachen.
ROSSWEISSE UND GRIMGERDE
aus dem Tann tretend.
Hojotoho! Hojotoho!
DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN.
Willkommen! Willkommen!
Willkommen!
SCHWERTLEITE.
Wart ihr Kühnen zu zweit?
GRIMGERDE.
Getrennt ritten wir,
und trafen uns heut.
ROSSWEISSE.
Sind wir alle versammelt,
so säumt nicht lange:
nach Walhall brechen wir auf,
Wotan zu bringen die Wal.
HELMWIGE.
Acht sind wir erst:
Eine noch fehlt.
GERHILDE.
Bei dem braunen Wälsung
weilt wohl noch Brünnhild'.
WALTRAUTE.
Auf sie noch harren müssen wir hier;
Walvater gäb uns
grimmigen Gruß,
säh ohne sie er uns nahn!
SIEGRUNE
auf der Felswarte, von wo sie hinausspäht.
Hojotoho! Hojotoho!

In den Hintergrund rufend.

Hieher! Hieher!

Zu den anderen.

In brünstigem Ritt
jagt Brünnhilde her.
[632]
DIE ACHT WALKÜREN
alle oben auf der Warte.
Hojotoho! Hojotoho!
Brünnhilde! hei!

Sie spähen mit wachsender Verwunderung.
WALTRAUTE.
Nach dem Tann lenkt sie
das taumelnde Roß.
GRIMGERDE.
Wie schnaubt Grane
vom schnellen Ritt!
ROSSWEISSE.
So jach sah ich nie
Walküren jagen!
ORTHILDE.
Was hält sie im Sattel?
HELMWIGE.
Das ist kein Held!
SIEGRUNE.
Eine Frau führt sie.
GERHILDE.
Wie fand sie die Frau?
SCHWERTLEITE.
Mit keinem Gruß
grüßt sie die Schwestern!
WALTRAUTE
hinabrufend.
Heiaha! Brünnhilde,
hörst du uns nicht?
ORTLINDE.
Helft der Schwester
vom Roß sich schwingen!
HELMWIGE, GERHILDE, SIEGRUNE, ROSSWEISSE.
Hojotoho! Hojotoho!
ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE.
Heiaha!
Heiaha!

Gerhilde und Helmwige stürzen in den Tann. – Siegrune und Roßweiße laufen ihnen nach.
WALTRAUTE
in den Tann blickend.
Zu Grunde stürzt
Grane, der Starke!
GRIMGERDE.
Aus dem Sattel hebt sie
hastig das Weib.
ORTLINDE, WALTRAUTE, GRIMGERDE UND SCHWERTLEITE.
Schwester! Schwester!
Was ist geschehn?

Alle Walküren kehren auf die Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend und geleitend.
BRÜNNHILDE
atemlos.
Schützt mich, und helft in höchster Not!
DIE ACHT WALKÜREN.
Wo rittest du her
in rasender Hast?
So flieht nur, wer auf der Flucht!
BRÜNNHILDE.
Zum erstenmal flieh ich,
und bin verfolgt:
Heervater hetzt mir nach.
[633]
DIE ACHT WALKÜREN
heftig erschreckend.
Bist du von Sinnen?
Sprich! Sage uns!
Verfolgt dich Heervater?
Fliehst du vor ihm?
BRÜNNHILDE
wendet sich ängstlich, um zu spähen, und kehrt wieder zurück.
O Schwestern, späht
von des Felsens Spitze!
Schaut nach Norden,
ob Walvater naht.

Ortlinde und Waltraute springen auf die Felsspitze zur Warte.

Schnell! Seht ihr ihn schon?
ORTLINDE.
Gewittersturm
naht von Norden.
WALTRAUTE.
Starkes Gewölk
staut sich dort auf!
DIE WEITEREN SECHS WALKÜREN.
Heervater reitet
sein heiliges Roß!
BRÜNNHILDE.
Der wilde Jäger,
der wütend mich jagt:
er naht, er naht von Norden!
Schützt mich, Schwestern!
Rettet dies Weib!
SECHS WALKÜREN
ohne Ortlinde und Waltraute.
Was ist mit dem Weibe?
BRÜNNHILDE.
Hört mich in Eile:
Sieglinde ist es,
Siegmunds Schwester und Braut: –
gegen die Wälsungen
wütet Wotan in Grimm;
dem Bruder sollte
Brünnhilde heut
entziehen den Sieg:
doch Siegmund schützt ich
mit meinem Schild,
trotzend dem Gott; –
der traf ihn da selbst mit dem Speer:
Siegmund fiel;
doch ich floh
fern mit der Frau;
sie zu retten,
eilt ich zu euch –
ob mich Bange auch

[634] Kleinmütig.

ihr berget vor dem strafenden Streich!
SECHS WALKÜREN
ohne Ortlinde und Waltraute.
Betörte Schwester,
was tatest du?
Wehe! Brünnhilde! Wehe!
Brach ungehorsam
Brünnhilde
Heervaters heilig Gebot?
WALTRAUTE
von der Warte.
Nächtig zieht es
von Norden herab.
ORTLINDE
ebenso.
Wütend steuert
hierher der Sturm.
ROSSWEISSE, GRIMGERDE, SCHWERTLEITE.
Wild wiehert Walvaters Roß!
HELMWIGE, GERHILDE UND SIEGRUNE.
Schrecklich schnaubt es daher.
BRÜNNHILDE.
Wehe der Armen,
wenn Wotan sie trifft:
den Wälsungen allen
droht er Verderben! –
Wer leiht mir von euch
das leichteste Roß,
das flink die Frau ihm entführ?
SIEGRUNE.
Auch uns rätst du
rasenden Trotz?
BRÜNNHILDE.
Roßweiße, Schwester,
leih mir deinen Renner!
ROSSWEISSE.
Vor Walvater floh
der fliegende nie.
BRÜNNHILDE.
Helwige, höre!
HELMWIGE.
Dem Vater gehorch ich.
BRÜNNHILDE.
Grimgerde! Gerhilde!
Gönnt mir eu'r Roß!
Schwertleite! Siegrune!
Seht meine Angst!
O seid mir treu,
wie traut ich euch war:
rettet dies traurige Weib!
SIEGLINDE
die bisher finster und kalt vor sich hingestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft – wie zum Schutze – umfaßt, mit einer abwehrenden Gebärde auf.
Nicht sehre dich Sorge um mich:
[635] einzig taugt mir der Tod. –
Wer hieß dich Maid
dem Harst mich entführen?
Im Sturm dort hätt ich
den Streich empfahn
von derselben Waffe,
der Siegmund fiel:
das Ende fand ich
vereint mit ihm!
Fern von Siegmund –
Siegmund, von dir! –
O deckte mich Tod,
daß ich's denke!
Soll um die Flucht
dir Maid ich nicht fluchen,
so erhöre heilig mein Flehen: –
stoße dein Schwert mir ins Herz!
BRÜNNHILDE.
Lebe, o Weib,
um der Liebe willen!
Rette das Pfand,
das von ihm du empfingst:

Stark und drängend.

ein Wälsung wächst dir im Schoß!
SIEGLINDE
erschrickt zunächst heftig; sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf.
Rette mich, Kühne!
Rette mein Kind!
Schirmt mich, ihr Mädchen,
mit mächtigstem Schutz!

Immer finsteres Gewitter steigt im Hintergrunde auf.
WALTRAUTE
auf der Warte.
Der Sturm kommt heran!
ORTLINDE
ebenso.
Flieh, wer ihn fürchtet!
DIE SECHS ANDEREN WALKÜREN.
Fort mit dem Weibe,
droht ihm Gefahr!
Der Walküren keine
wag ihren Schutz!
SIEGLINDE
auf den Knien vor Brünnhilde.
Rette mich, Maid!
Rette die Mutter!
BRÜNNHILDE
mit lebhaftem Entschluß hebt Sieglinde auf.
So fliehe denn eilig –
und fliehe allein!
Ich bleibe zurück,
biete mich Wotans Rache:
an mir zögre ich
[636] den Zürnenden hier,
während du seinem Rasen entrinnst.
SIEGLINDE.
Wohin soll ich mich wenden?
BRÜNNHILDE.
Wer von euch Schwestern
schweifte nach Osten?
SIEGRUNE.
Nach Osten weithin
dehnt sich ein Wald:
der Niblungen Hort
entführte Fafner dorthin.
SCHWERTLEITE.
Wurmes Gestalt
schuf sich der Wilde;
in einer Höhle
hütet er Alberichs Reif!
GRIMGERDE.
Nicht geheu'r ist's dort
für ein hilflos Weib.
BRÜNNHILDE.
Und doch vor Wotans Wut
schützt sie sicher der Wald:
ihn scheut der Mächt'ge
und meidet den Ort.
WALTRAUTE
auf der Warte.
Furchtbar fährt
dort Wotan zum Fels!
SECHS WALKÜREN.
Brünnhilde, hör
seines Nahens Gebraus!
BRÜNNHILDE
drängend.
Fort denn eile,
nach Osten gewandt!
Mutigen Trotzes
ertrag alle Müh'n. –
Hunger und Durst,
Dorn und Gestein;
lache, ob Not,
ob Leiden dich nagt! –
Denn Eines wiss'
und wahr es immer: –
den hehrsten Helden der Welt
hegst du, o Weib,
im schirmenden Schoß!

Sie zieht die Stücken von Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor und überreicht sie Sieglinde.

Verwahr ihm die starken
Schwertesstücken;
seines Vaters Walstatt
entführt ich sie glücklich.
[637] Der neu gefügt
das Schwert einst schwingt,
den Namen nehm er von mir:
Siegfried erfreu sich des Siegs!
SIEGLINDE
in größter Rührung.
O hehrstes Wunder!
Herrlichste Maid!
Dir Treuen dank ich
heiligen Trost!
Für ihn, den wir liebten,
rett ich das Liebste:
meines Dankes Lohn
lache dir einst!
Lebe wohl!
Dich segnet Sieglindes Weh!

Sie eilt rechts im Vordergrunde von dannen. – Die Felshöhe ist von schwarzen Gewitterwolken umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher, wachsender Feuerschein rechts daselbst.
WOTANS STIMME.
Steh, Brünnhild'!

Brünnhilde, nachdem sie eine Weile Sieglinde nachgesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann und kommt angstvoll wieder vor.
ORTLINDE UND WALTRAUTE
von der Warte herabsteigend.
Den Fels erreichten
Roß und Reiter!
ALLE ACHT WALKÜREN.
Weh, Brünnhild!
Rache entbrennt!
BRÜNNHILDE.
Ach Schwestern helft,
mir schwankt das Herz!
Sein Zorn zerschellt mich,
wenn euer Schutz ihn nicht zähmt.
DIE WALKÜREN
flüchten ängstlich nach der Felsenspitze hinauf; Brünnhilde läßt sich von ihnen nachziehen.
Hieher, Verlorne!
Laß dich nicht sehn,
schmiege dich an uns,
und schweige dem Ruf!

Sie verbergen Brünnhilde unter sich und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist.

Weh!
Wütend schwingt sich
[638] Wotan vom Roß!
Hierher rast
sein rächender Schritt!
2. Szene
Zweite Szene
Wotan tritt in höchster zorniger Aufgeregtheit aus dem Tann auf und schreitet vor der Gruppe der Walküren auf der Höhe, nach Brünnhilde spähend, heftig einher.

WOTAN.
Wo ist Brünnhild',
wo die Verbrecherin?
Wagt ihr, die Böse
vor mir zu bergen?
DIE ACHT WALKÜREN.
Schrecklich ertost dein Toben!
Was taten, Vater, die Töchter,
daß sie dich reizten
zu rasender Wut?
WOTAN.
Wollt ihr mich höhnen?
Hütet euch, Freche!
Ich weiß: Brünnhilde
bergt ihr vor mir.
Weichet von ihr,
der ewig Verworfnen,
wie ihren Wert
von sich sie warf.
ROSSWEISSE.
Zu uns floh die Verfolgte.
ALLE ACHT WALKÜREN.
Unsern Schutz flehte sie an!
Mit Furcht und Zagen
faßt sie dein Zorn:
für die bange Schwester
bitten wir nun,
daß den ersten Zorn du bezähmst.
Laß dich erweichen für sie,
zähme deinen Zorn!
WOTAN.
Weichherziges
Weibergezücht!
So matten Mut
gewannt ihr von mir?
Erzog ich euch kühn,
zum Kampfe zu ziehn,
schuf ich die Herzen
[639] euch hart und scharf,
daß ihr Wilden nun weint und greint,
wenn mein Grimm eine Treulose straft?
So wißt denn, Winselnde,
was die verbrach,
um die euch Zagen
die Zähre entbrennt:
Keine wie sie
kannte mein innerstes Sinnen;
keine wie sie
wußte den Quell meines Willens!
Sie selbst war
meines Wunsches schaffender Schoß. –
Und so nun brach sie
den seligen Bund,
daß treulos sie
meinem Willen getrotzt,
mein herrschend Gebot
offen verhöhnt,
gegen mich die Waffe gewandt,
die mein Wunsch allein ihr schuf! –
Hörst du's, Brünnhilde?
Du, der ich Brünne,
Helm und Wehr,
Wonne und Huld,
Namen und Leben verlieh?
Hörst du mich Klage erheben,
und birgst dich bang dem Kläger,
daß feig du der Straf entflöhst?
BRÜNNHILDE
tritt aus der Schar der Walküren hervor, schreitet demütig, doch festen Schrittes von der Felsenspitze herab und tritt so in geringer Entfernung vor Wotan.
Hier bin ich, Vater!
Gebiete die Strafe!
WOTAN.
Nicht straf ich dich erst,
deine Strafe schufst du dir selbst.
Durch meinen Willen
warst du allein:
gegen mich doch hast du gewollt;
führtest du aus:
gegen mich doch hast du befohlen;
Wunschmaid
warst du mir:
[640] gegen mich doch hast du gewünscht;
Schildmaid
warst du mir:
gegen mich doch hobst du den Schild;
Loskieserin
warst du mir:
gegen mich doch kiestest du Lose;
Heldenreizerin
warst du mir:
gegen mich doch reiztest du Helden!
Was sonst du warst,
sagte dir Wotan.
Was jetzt du bist,
das sage dir selbst:
Wunschmaid bist du nicht mehr,
Walküre bist du gewesen: –
nun sei fortan,
was so du noch bist!
BRÜNNHILDE
heftig erschreckend.
Du verstößt mich?
Versteh ich den Sinn?
WOTAN.
Nicht send ich dich mehr aus Walhall;
nicht weis' ich dir mehr
Helden zur Wal,
nicht führst du mehr Sieger
in meinen Saal:
bei der Götter trautem Mahle
das Trinkhorn nicht reichst
du traulich mir mehr;
nicht kos' ich dir mehr
den kindischen Mund;
von göttlicher Schar
bist du geschieden,
ausgestoßen
aus der Ewigen Stamm:
gebrochen ist unser Bund,
aus meinem Angesicht bist du verbannt!
DIE WALKÜREN
verlassen in aufgeregter Bewegung ihre Stellung, indem sie sich etwas tiefer herabziehen.
Wehe! Weh!
Schwester, ach Schwester
BRÜNNHILDE.
Nimmst du mir Alles,
was einst du gabst?
WOTAN.
Der dich zwingt, wird dir's entziehn!
[641] Hieher auf den Berg
banne ich dich;
in wehrlosen Schlaf
schließe ich dich:
der Mann dann fange die Maid,
der am Wege sie findet und weckt!
DIE ACHT WALKÜREN
kommen in höchster Aufregung von der Felsenhöhe ganz herab und umgeben in ängstlichen Gruppen Brünnhilde, welche halb kniend vor Wotan liegt.
Halt ein! O Vater!
Soll die Maid verblühn
und verbleichen dem Mann?
Du schrecklicher Gott!
Wende von ihr
die schreiende Schmach!
Wie die Schwester träf uns selber der Schimpf!
WOTAN.
Hörtet ihr nicht,
was ich verhängt?
Aus eurer Schar
ist die treulose Schwester geschieden;
mit euch zu Roß
durch die Lüfte nicht reitet sie länger;
die magdliche Blume
verblüht der Maid;
ein Gatte gewinnt
ihre weibliche Gunst –
dem herrischen Manne
gehorcht sie fortan,
am Herde sitzt sie und spinnt,
aller Spottenden Ziel und Spiel!

Brünnhilde sinkt mit einem Schrei zu Boden; die Walküren weichen entsetzt mit heftigem Geräusch von ihrer Seite.

Schreckt euch ihr Los?
So flieht die Verlor'ne!
Weichet von ihr
und haltet euch fern!
Wer von euch wagte
bei ihr zu weilen,
wer mir zum Trotz
zu der Traurigen hielt,
die Törin teilte ihr Los:
das künd ich der Kühnen an!
Fort jetzt von hier;
[642] meidet den Felsen!
Hurtig jagt mir von hinnen,
sonst erharrt Jammer euch hier!
DIE WALKÜREN.
Weh! Weh!

Sie fahren unter wildem Schrei auseinander und stürzen in hastiger Flucht in den Tann. Schwarzes Gewölk lagert sich dicht am Felsenrande: man hört wildes Geräusch im Tann. Ein greller Blitzesglanz bricht in dem Gewölk aus; in ihm erblickt man die Walküren mit verhängtem Zügel, in eine Schar zusammengedrängt, wild davonjagen. Bald legt sich der Sturm; die Gewitterwolken verziehn sich allmählich. In der folgenden Szene bricht, bei endlich ruhigem Wetter, Abenddämmerung ein, der am Schlusse Nacht folgt.
3. Szene
Dritte Szene
Wotan und Brünnhilde, die noch zu seinen Füßen hingestreckt liegt, sind allein zurückgeblieben. – Langes feierliches Schweigen: unveränderte Stellung.

BRÜNNHILDE
beginnt das Haupt langsam ein wenig zu erheben.
Schüchtern beginnend und steigernd.
War es so schmählich,
was ich verbrach,
daß mein Verbrechen so schmählich du bestrafst?
War es so niedrig,
was ich dir tat,
daß du so tief mir Erniedrigung schaffst?
War es so ehrlos,
was ich beging,
daß mein Vergehn nun die Ehre mir raubt?

Sie erhebt sich allmählich bis zur knienden Stellung.

O sag, Vater!
Sieh mir ins Auge:
schweige den Zorn,
zähme die Wut,
und deute mir hell
die dunkle Schuld,
die mit starrem Trotze dich zwingt,
zu verstoßen dein trautestes Kind.
WOTAN
in unveränderter Stellung, ernst und düster.
Frag deine Tat;
[643] sie deutet dir deine Schuld!
BRÜNNHILDE.
Deinen Befehl
führte ich aus.
WOTAN.
Befahl ich dir,
für den Wälsung zu fechten?
BRÜNNHILDE.
So hießest du mich
als Herrscher der Wal!
WOTAN.
Doch meine Weisung
nahm ich wieder zurück!
BRÜNNHILDE.
Als Fricka den eig'nen
Sinn dir entfremdet:
da ihrem Sinn du dich fügtest,
warst du selber dir Feind.
WOTAN
leise und bitter.
Daß du mich verstanden, wähnt ich,
und strafte den wissenden Trotz:
doch feig und dumm
dachtest du mich!
So hätt ich Verrat nicht zu rächen;
zu gering wärst du meinem Grimm!
BRÜNNHILDE.
Nicht weise bin ich,
doch wußt ich das Eine,
daß den Wälsung du liebtest.
Ich wußte den Zwiespalt,
der dich zwang,
dies Eine ganz zu vergessen.
Das Andre mußtest
einzig du sehn,
was zu schaun so herb
schmerzte dein Herz: –
daß Siegmund Schutz du versagtest.
WOTAN.
Du wußtest es so,
und wagtest dennoch den Schutz?
BRÜNNHILDE
leise beginnend.
Weil für dich im Auge
das Eine ich hielt,
dem im Zwange des Andren
schmerzlich entzweit,
ratlos den Rücken du wandtest!
Die im Kampfe Wotan
den Rücken bewacht,
die sah nun Das nur,
was du nicht sahst: –
Siegmund mußt ich sehn.
[644] Tod kündend
trat ich vor ihn,
gewahrte sein Auge,
hörte sein Wort; –
ich vernahm des Helden
heilige Not;
tönend erklang mir
des Tapfersten Klage:
freiester Liebe
furchtbares Leid,
traurigsten Mutes
mächtigster Trotz!
Meinem Ohr erscholl,
mein Aug erschaute,
was tief im Busen das Herz
zu heil'gem Beben mir traf.
Scheu und staunend
stand ich in Scham.
Ihm nur zu dienen
konnt ich noch denken:
Sieg oder Tod
mit Siegmund zu teilen:
dies nur erkannt' ich
zu kiesen als Los!
Der diese Liebe
mir ins Herz gehaucht,
dem Willen, der
dem Wälsung mich gesellt,
ihm innig vertraut –
trotzt ich deinem Gebot.
WOTAN.
So tatest du,
was so gern zu tun ich begehrt;
doch was nicht zu tun,
die Not zwiefach mich zwang!
So leicht wähntest du
Wonne des Herzens erworben,
wo brennend Weh
in das Herz mir brach,
wo gräßliche Not
den Grimm mir schuf,
einer Welt zu Liebe
der Liebe Quell
im gequälten Herzen zu hemmen?
[645] Wo gegen mich selber
ich sehrend mich wandte,
aus Ohnmachtschmerzen
schäumend ich aufschoß,
wütender Sehnsucht
sengender Wunsch
den schrecklichen Willen mir schuf,
in den Trümmern der eig'nen Welt
meine ew'ge Trauer zu enden: –
da labte süß
dich selige Lust;
wonniger Rührung
üppigen Rausch
enttrankst du lachend
der Liebe Trank,
als mir göttlicher Not
nagende Galle gemischt?

Trocken und kurz.

Deinen leichten Sinn
laß dich denn leiten:
von mir sagtest du dich los.
Dich muß ich meiden;
gemeinsam mit dir
nicht darf ich Rat mehr raunen;
getrennt nicht dürfen
traut wir mehr schaffen;
so weit Leben und Luft,
darf der Gott dir nicht mehr begegnen!
BRÜNNHILDE
einfach.
Wohl taugte dir nicht
die tör'ge Maid,
die staunend im Rate,
nicht dich verstand,
wie mein eig'ner Rat
nur das Eine mir riet:
zu lieben, was du geliebt.
Muß ich denn scheiden,
und scheu dich meiden,
mußt du spalten,
was einst sich umspannt,
die eig'ne Hälfte
fern von dir halten, –
daß sonst sie ganz dir gehörte,
du Gott, vergiß das nicht!
[646] Dein ewig Teil
nicht wirst du entehren,
Schande nicht wollen,
die sich beschimpft!
Dich selbst ließest du sinken,
sähst du dem Spott mich zum Spiel!
WOTAN.
Du folgtest selig
der Liebe Macht:
folge nun dem,
den du lieben mußt!
BRÜNNHILDE.
Soll ich aus Walhall scheiden,
nicht mehr mit dir schaffen und walten,
dem herrischen Manne
gehorchen fortan:
dem feigen Prahler
gib mich nicht preis; –
nicht wertlos sei er,
der mich gewinnt!
WOTAN.
Von Walvater schiedest du –
nicht wählen darf er für dich.
BRÜNNHILDE
leise mit vertraulicher Heimlichkeit.
Du zeugtest ein edles Geschlecht:
kein Zager kann je ihm entschlagen:
der weihlichste Held – ich weiß es –
entblüht dem Wälsungenstamm.
WOTAN.
Schweig von dem Wälsungenstamm!
Von dir geschieden,
schied ich von ihm;
vernichten mußt ihn der Neid!
BRÜNNHILDE.
Die von dir sich riß,
rettete ihn.

Heimlich.

Sieglinde hegt
die heiligste Frucht;
in Schmerz und Leid,
wie kein Weib je sie litten,
wird sie gebären,
was bang sie birgt.
WOTAN.
Nie suche bei mir
Schutz für die Frau,
noch für ihres Leibes Frucht!
BRÜNNHILDE
heimlich.
Sie wahret das Schwert,
das du Siegmund schufest.
[647]
WOTAN
heftig.
Und das ich ihm in Stücken schlug!
Nicht streb, o Maid,
den Mut mir zu stören;
erwarte dein Los,
wie sich's dir wirft;
nicht kiesen kann ich es dir!
Doch fort muß ich jetzt,
fern mich verziehn;
zu viel schon zögert' ich hier:
von der Abwendigen
wend ich mich ab,
nicht wissen darf ich,
was sie sich wünscht;
die Strafe nur
muß vollstreckt ich sehn!
BRÜNNHILDE.
Was hast du erdacht,
daß ich erdulde?
WOTAN.
In festen Schlaf
verschließ ich dich:
wer so die Wehrlose weckt,
dem ward erwacht sie zum Weib!
BRÜNNHILDE.
Soll fesselnder Schlaf
fest mich binden,
dem feigsten Manne
zur leichten Beute:
dies Eine mußt du erhören,
was heil'ge Angst zu dir fleht;
die Schlafende schütze
mit scheuchendem Schrecken,
daß nur ein furchtlos
freiester Held
hier auf dem Felsen
einst mich fänd!
WOTAN.
Zuviel begehrst du,
zuviel der Gunst!
BRÜNNHILDE
Wotan zu Füßen stürzend.
Dies Eine mußt du erhören!
Zerknicke dein Kind,
das dein Knie umfaßt;
zertritt die Traute,
zertrümm're die Maid,
ihres Leibes Spur
zerstöre dein Speer:
[648] doch gib, Grausamer, nicht
der gräßlichsten Schmach sie preis!

Mit wilder Begeisterung.

Auf dein Gebot
entbrenne ein Feuer;
den Felsen umglühe
lodernde Glut;

Begeistert.

es leck ihre Zung,
es fresse ihr Zahn
den Zagen, der frech sich wagte
dem freislichen Felsen zu nahn!
WOTAN
überwältigt und tief ergriffen, wendet sich lebhaft gegen Brünnhilde, erhebt sie von den Knien und blickt ihr gerührt in das Auge.
Leb wohl, du kühnes,
herrliches Kind!
Du meines Herzens
heiligster Stolz!
Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!

Sehr leidenschaftlich.

Muß ich dich meiden,
und darf nicht minnig
mein Gruß dich mehr grüßen;
sollst du nun nicht mehr
neben mir reiten,
noch Met beim Mahl mir reichen;
muß ich verlieren
dich, die ich liebe,
du lachende Lust meines Auges! –
Ein bräutliches Feuer
soll dir nun brennen,
wie nie einer Braut es gebrannt!
Flammende Glut
umglühe den Fels;
mit zehrenden Schrecken
scheuch es den Zagen,
der Feige fliehe
Brünnhildes Fels!
Denn Einer nur freie die Braut,
der freier als ich, der Gott!

Brünnhilde sinkt gerührt und begeistert an Wotans Brust; er hält sie lange umfangen. Sie schlägt das Haupt wieder zurück [649] und blickt, immer noch ihn umfassend, feierlich ergriffen Wotan ins Auge.

Der Augen leuchtendes Paar,
das oft ich lächelnd gekost,
wenn Kampfeslust
ein Kuß dir lohnte,
wenn kindisch lallend
der Helden Lob
von holden Lippen dir floß;
dieser Augen strahlendes Paar,
das oft im Sturm mir geglänzt,
wenn Hoffnungsehnen
das Herz mir sengte,
nach Weltenwonne
mein Wunsch verlangte
aus wild webendem Bangen:
zum letzten Mal
letz es mich heut
mit des Lebewohles
letztem Kuß!
Dem glücklichern Manne
glänze sein Stern:
dem unseligen Ew'gen
muß es scheidend sich schließen.

Er faßt ihr Haupt in beide Hände.

Denn so kehrt
der Gott sich dir ab,
so küßt er die Gottheit von dir!

Er küßt sie lange auf beide Augen. Sie sinkt mit geschlossenen Augen, sanft ermattend, in seinen Armen zurück. Er geleitet sie zart auf einen niedrigen Mooshügel zu liegen, über den sich eine
breitästige Tanne ausstreckt. Er betrachtet sie und schließt ihr den Helm: sein Auge weilt dann auf der Gestalt der Schlafenden, die er nun mit dem großen Stahlschilde der Walküre ganz zudeckt. Langsam kehrt er sich ab; mit einem schmerzlichen Blicke wendet er sich noch einmal um. Dann schreitet er mit feierlichem Entschluß in die Mitte der Bühne und kehrt die Spitze seines Speeres gegen einen mächtigen Felsstein.

Loge, hör!
Lausche hieher!
Wie zuerst ich dich fand
als feurige Glut,
[650] wie dann einst du mir schwandest
als schweifende Lohe;
wie ich dich band,
bann ich dich heut!
Herauf, wabernde Lohe!
Umlodre mir feurig den Fels!

Er stößt mit dem Folgenden dreimal mit dem Speer auf den Stein.

Loge! Loge! Hierher!

Dem Stein entfährt ein Feuerstrahl, der zur allmählich immer helleren Flammenglut anschwillt. Lichte Flackerlohe bricht aus. Lichte Brunst umgibt
Wotan mit wildem Flackern. Er weist mit dem Speere gebieterisch dem Feuermeer den Umkreis des Felsenrandes zur Strömung an; alsbald zieht es sich nach dem Hintergrund, wo es nun fortwährend den Bergsaum umlodert.

Wer meines Speeres
Spitze fürchtet,
durchschreite das Feuer nie!

Er streckt den Speer wie zum Banne aus. Dann blickt er schmerzlich auf Brünnhilde zurück, wendet sich langsam zum Gehen und blickt noch einmal zurück, ehe er durch das Feuer verschwindet.
[651]

[652] [659]Zweiter Tag
Siegfried

Schauplatz der Handlung

Erster Aufzug
Wald
Zweiter Aufzug
Tiefer Wald
Dritter Aufzug
Wilde Gegend am Fuße eines Felsenberges, dann auf dem Walkürenfelsen

[659]

Personen

    • Siegfried

    • Mime

    • Der Wandrer

    • Alberich

    • Fafner

    • Erda

    • Brünnhilde

    • Stimme des Waldvogels
    • [660]

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
MIME
sitzt am Amboß und hämmert eifrig an einem Schwerte; endlich hält er unmutig ein.
Zwangvolle Plage!
Müh ohne Zweck!
Das beste Schwert,
das je ich geschweißt,
in der Riesen Fäusten
hielte es fest:
doch dem ich's geschmiedet,
der schmähliche Knabe,
er knickt und schmeißt es entzwei,
als schüf ich Kindergeschmeid! –

Er wirft das Schwert unmutig auf den Amboß, stemmt die Arme ein und blickt sinnend zu Boden.

Es gibt ein Schwert,
das er nicht zerschwänge; –
Nothungs Trümmern
zertrotzt er mir nicht:
könnt ich die starken
Stücken schweißen,
die meine Kunst
nicht zu kitten weiß!
Könnt ich's dem Kühnen schmieden,
meiner Schmach erlangt ich da Lohn! –

Er sinkt tiefer zurück, das Haupt nachdenklich neigend.

Fafner, der wilde Wurm, –
[661] lagert im finstren Wald;
mit des furchtbaren Leibes Wucht
der Niblungen Hort
hütet er dort.
Siegfrieds kindischer Kraft
erläge wohl Fafners Leib:
des Niblungen Ring
erränge ich mir; –
ein Schwert nur taugt zu der Tat,
nur Nothung nützt meinem Neid,
wenn Siegfried sehrend ihn schwingt. –
Und ich kann's nicht schweißen,
Nothung das Schwert!

Er hat das Schwert wieder zurecht gelegt und hämmert in höchstem Unmute daran weiter.

Zwangvolle Plage!
Müh ohne Zweck!
Das beste Schwert,
das je ich geschweißt,
nie taugt es je
zu der einzigen Tat: –
ich tappre und hämmre nur,
weil der Knabe es heischt;
er knickt und schmeißt es entzwei,
und schmählt doch, schmied ich ihm nicht!

Er läßt den Hammer fallen.
SIEGFRIED
mit jähem Ungestüm aus dem Walde auftretend, treibt einen großen Bären, den er mit einem Bastseile gezäumt, mit lustigem Übermute gegen Mime an.
Hoiho! Hoiho! –
Hau ein! Hau ein!
Friß ihn! Friß ihn,
den Fratzenschmied!

Lachend.

Hahahahahahahahahah ...!

Mime entsinkt vor Schreck das Schwert; er flüchtet hinter den Herd. Siegfried treibt ihm den Bären überall nach.
MIME.
Fort mit dem Tier!
Was taugt mir der Bär?
SIEGFRIED.
Zu zwei komm ich,
dich besser zu zwicken.
Brauner, frag nach dem Schwert!
MIME.
He! Laß das Wild!
[662] Dort liegt die Waffe;
fertig fegt ich sie heut.
SIEGFRIED.
So fährst du heute noch heil.

Er löst dem Bären den Zaum und gibt ihm damit einen Schlag auf den Rücken.

Lauf, Brauner!
Dich brauch ich nicht mehr.

Der Bär läuft in den Wald zurück. Mime kommt hinter dem Herde hervor.
MIME.
Wohl leid ich's gern,
erlegst du Bären;
was bringst du lebend
die braunen heim?
SIEGFRIED.
Nach bess'rem Gesellen sucht ich,
als daheim mir einer sitzt;
im tiefen Walde mein Horn
ließ ich hallend da ertönen:
ob sich froh mir gesellte
ein guter Freund? –
Das frug ich mit dem Getön'.
Aus dem Busche kam ein Bär,
der hörte mir brummend zu;
er gefiel mir besser als du, –
doch bess're fänd' ich wohl noch!
Mit dem zähen Baste
zäumt ich ihn da,
dich Schelm nach dem Schwerte zu fragen.

Er springt auf und geht auf den Amboß zu.
MIME
nimmt das Schwert auf, um es Siegfried zu reichen.
Ich schuf die Waffe scharf,
ihrer Schneide wirst du dich freu'n?

Er hält das Schwert ängstlich in der Hand fest, das Siegfried ihm heftig entwindet.
SIEGFRIED.
Was frommt seine helle Schneide,
ist der Stahl nicht hart und fest?

Das Schwert prüfend.

Hei! was ist das
für müß'ger Tand!
Den schwachen Stift
nennst du ein Schwert?

Er zerschlägt es auf dem Amboß.

Da hast du die Stücken,
schändlicher Stümper!
[663] Hätt ich am Schädel
dir sie zerschlagen! –
Soll mich der Prahler
länger noch prellen?
Schwatzt mir von Riesen
und rüstigen Kämpfen,
von kühnen Taten
und tüchtiger Wehr;
will Waffen mir schmieden,
Schwerte schaffen;
rühmt seine Kunst,
als könnt er was rechts:
nehm ich zur Hand nun,
was er gehämmert,
mit einem Griff
zergreif ich den Quark!
Wär mir nicht schier
zu schäbig der Wicht,
ich zerschmiedet ihn selbst
mit seinem Geschmeid,
den alten albernen Alp: –
des Ärgers dann hätt ich ein End!

Siegfried wirft sich wütend auf eine Steinbank. Mime ist ihm immer vorsichtig ausgewichen.
MIME.
Nun tobst du wieder wie toll!
Dein Undank, traun, ist arg!
Mach ich dem bösen Buben
nicht alles gleich zu best,
was ich ihm Gutes schuf,
vergißt er gar zu schnell.
Willst du denn nie gedenken,
was ich dich lehrt vom Danke:
dem sollst du willig gehorchen,
der je sich wohl dir erwies.

Siegfried wendet sich ab, mit dem Gesicht nach der Wand.

Das willst du wieder nicht hören!

Er steht verlegen; dann geht er in die Küche am Herd.

Doch speisen magst du wohl?
Vom Spieße bring ich den Braten:
versuchtest du gern den Sud?
Für dich sott ich ihn gar.

Er reicht Siegfried Speisen hin; dieser, ohne sich umzuwenden, schmeißt ihm Topf und Braten aus der Hand.
[664]
SIEGFRIED.
Braten briet ich mir selbst:
Deinen Sudel sauf allein!
MIME
mit kläglich kreischender Stimme.
Das ist nun der Liebe
schlimmer Lohn!
Das der Sorgen
schmählicher Sold!
Als zullendes Kind
zog ich dich auf,
wärmte mit Kleidern
den kleinen Wurm:
Speise und Trank
trug ich dir zu,
hütete dich
wie die eig'ne Haut.
Und wie du erwuchsest,
wartet ich dein,
dein Lager schuf ich,
daß leicht du schliefst.
Dir schmiedet' ich Tand
und ein tönend Horn;
dich zu erfreun,
müht ich mich froh:
mit klugem Rate
riet ich dir klug,
mit lichtem Wissen
lehrt ich dich Witz.
Sitz ich daheim
in Fleiß und Schweiß,
nach Herzenlust
jagst du umher.
Für dich nur in Plage,
in Pein nur für dich,
verzehr ich mich alter
armer Zwerg!

Schluchzend.

Und aller Lasten
ist das nun mein Lohn,
daß der hastige Knabe
mich quält

Schluchzend.

und haßt!

Siegfried hat sich wieder umgewendet und ruhig in Mimes [665] Blick geforscht. Mime begegnet Siegfrieds Blick und sucht ihn scheu zu bergen.
SIEGFRIED.
Vieles lehrtest du, Mime,
und manches lernt ich von dir,
doch was du am liebsten mich lehrtest,
zu lernen gelang mir's nie: –
wie ich dich leiden könnt!
Trägst du mir Trank
und Speise herbei, –
der Ekel speist mich allein.
Schaffst du ein leichtes
Lager zum Schlaf, –
der Schlummer wird mir da schwer.
Willst du mich weisen
witzig zu sein, –
gern bleib ich taub und dumm.
Seh ich dir erst
mit den Augen zu,
zu übel erkenn ich,
was alles du tust!
Seh ich dich stehn,
gangeln und gehn,
knicken und nicken,
mit den Augen zwicken –
beim Genick möcht ich
den Nicker packen,
den Garaus geben
dem garst'gen Zwicker! –
So lernt ich, Mime, dich leiden. –
Bist du nun weise,
so hilf mir wissen
worüber umsonst ich sann: –
in den Wald lauf ich,
dich zu verlassen; –
wie kommt das, kehr ich zurück?
Alle Tiere sind
mir teurer als du,
Baum und Vogel,
die Fische im Bach,
lieber mag ich sie
leiden als dich: –
wie kommt das nun, kehr ich zurück?
Bist du klug, so tu mir's kund.
[666]
MIME
sucht sich ihm traulich zu nähern.
Mein Kind, das lehrt dich kennen,
wie lieb ich am Herzen dir lieg.
SIEGFRIED.
Ich kann dich ja nicht leiden: –
vergiß das nicht so leicht!
MIME
fährt zurück und setzt sich weiter abseits, Siegfried gegenüber.
Des ist deine Wildheit schuld,
die du Böser bänd'gen sollst! –
Jammernd verlangen Junge
nach ihrer Alten Nest:
Liebe ist das Verlangen; –
so lechzest du auch nach mir,
so liebst du auch deinen Mime –,
so mußt du ihn lieben!
Was dem Vöglein ist der Vogel,
wenn er im Nest es hegt –
eh das flügge mag fliegen,
das ist dir kind'schem Sproß
der kundig sorgende Mime, –
das muß er dir sein!
SIEGFRIED.
Ei, Mime! bist du so witzig,
so laß mich eines noch wissen. –
Es sangen die Vöglein
so selig im Lenz,
das eine lockte das andre; –
du sagtest selbst,
da ich's wissen wollt, –
das wären Männchen und Weibchen:
sie kosten so lieblich,
und ließen sich nicht,
sie bauten ein Nest,
und brüteten drin;
da flatterte junges Geflügel auf,
und beide pflegten der Brut.
So ruhten im Busch
auch Rehe gepaart,
selbst wilde Füchse und Wölfe;
Nahrung brachte
zum Neste das Männchen;
das Weibchen säugte die Welpen: –
da lernt ich wohl
was Liebe sei,
[667] der Mutter entwandt' ich
die Welpen nie.
Wo hast du nun, Mime,
dein minniges Weibchen,
daß ich es Mutter nenne?
MIME
ärgerlich.
Was ist dir Tor?
Ach, bist du dumm!
Bist doch weder Vogel noch Fuchs?
SIEGFRIED.
Das zullende Kind
zogest du auf,
wärmtest mit Kleidern
den kleinen Wurm: –
wie kam dir aber
der kindische Wurm?
Du machtest wohl gar
ohne Mutter mich?
MIME.
Glauben sollst du,
was ich dir sage:
ich bin dir Vater
und Mutter zugleich.
SIEGFRIED.
Das lügst du, garstiger Gauch!
Wie die Jungen den Alten gleichen,
das hab ich mir glücklich ersehn.
Nun kam ich zum klaren Bach:
da erspäht ich die Bäum'
und Tier im Spiegel;
Sonn und Wolken,
wie sie nur sind,
im Glitzer erschienen sie gleich.
Da sah ich denn auch
mein eigen Bild: –
ganz anders als du
dünkt ich mir da;
so glich wohl der Kröte
der glänzende Fisch,
doch kroch nie der Fisch aus der Kröte!
MIME.
Greulichen Unsinn
kramst du da aus!
SIEGFRIED.
Siehst du! Nun fällt
auch selbst mir ein,
was zuvor umsonst ich besann:
wenn zum Wald ich laufe,
[668] dich zu verlassen,
wie das kommt, kehr ich doch heim?
Von dir erst muß ich erfahren,
wer Vater und Mutter mir sei!

Er springt auf Mime los und faßt ihn bei der Kehle.
MIME
weicht ihm aus.
Was Vater! Was Mutter!
Müßige Frage!
SIEGFRIED.
So muß ich dich fassen,
um was zu wissen;
gutwillig
erfahr ich doch nichts!
So mußt ich Alles
ab dir trotzen:
kaum das Reden
hätt ich erraten,
entwandt ich's mit Gewalt
nicht dem Schuft! –
Heraus damit,
räudiger Kerl!
Wer ist mir Vater und Mutter?
MIME.
Ans Leben gehst du mir schier!
Nun laß! Was zu wissen dich geizt,
erfahr es, ganz wie ich's weiß.
O undankbares,
arges Kind,
jetzt hör, wofür du mich hassest!
Nicht bin ich Vater
noch Vetter dir,
und dennoch verdankst du mir dich;
ganz fremd bist du mir,
dem einzigen Freund;
aus Erbarmen allein
barg ich dich hier:
nun hab ich lieblichen Lohn!
Was verhofft ich Tor mir auch Dank! –
Einst lag wimmernd ein Weib
da draußen im wilden Wald;
zur Höhle half ich ihr her,
am warmen Herd sie zu hüten.
Ein Kind trug sie im Schoße,
traurig gebar sie's hier;
sie wand sich hin und her, –
ich half so gut ich könnt': –
[669] groß war die Not! Sie starb: –
doch Siegfried, der genas.
SIEGFRIED.
So starb meine Mutter an mir?
MIME.
Meinem Schutz übergab sie dich;
ich schenkt ihn gern dem Kind.
Was hat sich Mime gemüht,
was gab sich der gute für Not!
»Als zullendes Kind
zog ich dich auf« –
SIEGFRIED.
Mich dünkt, des gedachtest du schon!
Jetzt sag, woher heiß ich »Siegfried«?
MIME.
So hieß mich die Mutter:
möcht ich dich heißen;
als »Siegfried« würdest
du stark und schön.
»Ich wärmte mit Kleidern
den kleinen Wurm« –
SIEGFRIED.
Nun melde, wie hieß meine Mutter?
MIME.
Das weiß ich wahrlich kaum! –
»Speise und Trank
trug ich dir zu« –
SIEGFRIED.
Den Namen sollst du mir nennen!
MIME.
Entfiel er mir wohl? Doch halt!
Sieglinde mochte die heißen,
die dich in Sorge mir gab: –
»ich hütete dich
wie die eig'ne Haut« –
SIEGFRIED
immer drängender.
Dann frag ich, wie hieß mein Vater?
MIME.
Den hab ich nie gesehn!
SIEGFRIED.
Doch die Mutter nannte den Namen?
MIME.
Erschlagen sei er, –
das sagte sie nur: –
dich Vaterlosen
befahl sie mir da.
»Und wie du erwuchsest,
wartet' ich dein',
dein Lager schuf ich,
daß leicht du schliefst.«
SIEGFRIED.
Still mit dem alten
Starenlied!
Soll ich der Kunde glauben,
[670] hast du mir nichts gelogen,
so laß mich Zeichen sehn!
MIME.
Was soll dir's noch bezeugen?
SIEGFRIED.
Dir glaub ich nicht mit dem Ohr,
dir glaub ich nur mit dem Aug:
welch Zeichen zeugt für dich?
MIME
holt nach einigem Besinnen die zwei Stücken eines zerschlagenen Schwertes herbei.
Das gab mir deine Mutter;
für Mühe, Kost und Pflege
ließ sie's als schwachen Lohn:
sieh her, ein zerbrochnes Schwert;
dein Vater, sagte sie, führt es,
als im letzten Kampf er erlag.
SIEGFRIED
begeistert.
Und diese Stücken
sollst du mir schmieden:
dann schwing ich mein rechtes Schwert!
Auf! Eile dich, Mime!
Mühe dich rasch!
Kannst du was Rechts,
nun zeig deine Kunst:
täusche mich nicht
mit schlechtem Tand!
Den Trümmern allein
trau ich was zu!
Find ich dich faul,
fügst du ihn schlecht,
flickst du mit Flausen
den festen Stahl:
dir Feigem fahr ich zu Leib;
das Fegen lernst du von mir!
Denn heute noch, schwör ich,
will ich das Schwert,
die Waffe gewinn ich noch heut!
MIME
ängstlich.
Was willst du noch heut mit dem Schwert?
SIEGFRIED.
Aus dem Wald fort
in die Welt ziehn,
nimmer kehr ich zurück!
Wie ich froh bin,
daß ich frei ward,
nichts mich bindet und zwingt!
Mein Vater bist du nicht,
in der Ferne bin ich heim;
dein Herd ist nicht mein Haus,
[671] meine Decke nicht dein Dach:
wie der Fisch froh
in der Flut schwimmt,
wie der Fink frei
sich davon schwingt,
flieg ich von hier,
flute davon,
wie der Wind übern Wald
weh ich dahin, –:
dich, Mime, nie wieder zu sehn!

Er läuft in den Wald.
MIME.
Halte! Halte! Halte! Wohin?
He! Siegfried!
Siegfried! He!

Er sieht dem Fortstürmenden eine Weile staunend nach; dann kehrt er in die Schmiede zurück und setzt sich hinter den Amboß.

Da stürmt er hin!
Nun sitz ich da; –
zur alten Not
hab ich die neue: –
vernagelt bin ich nun ganz!
Wie helf ich mir jetzt?
Wie halt ich ihn fest?
Wie führ ich den Huien
zu Fafners Nest?
Wie füg ich die Stücken
des tückischen Stahls?
Keines Ofens Glut
glüht mir die echten;
keines Zwergen Hammer
zwingt mir die harten!

Grell.

Des Niblungen Neid,
Not und Schweiß,
nietet mir Nothung nicht,
schweißt mir das Schwert nicht zu ganz!
2. Szene
[672] Zweite Szene
Der Wanderer (Wotan) tritt aus dem Wald an das hintere Tor der Höhle. Er trägt einen dunkelblauen langen Mantel; einen Speer führt er als Stab. Auf dem Haupt hat er einen breiten runden Hut mit herabhängender Krempe.

DER WANDERER.
Heil dir, weiser Schmied!
Dem wegmüden Gast
gönne hold
des Hauses Herd!
MIME
erschrocken auffahrend.
Wer ist's, der im wilden
Walde mich sucht?
Wer verfolgt mich im öden Forst?
WANDRER
sehr langsam, immer nur um einen Schritt, sich nähernd.
»Wandrer« heißt mich die Welt;
weit wandert ich schon:
auf der Erde Rücken
rührt ich mich viel!
MIME.
So rühre dich fort
und raste nicht hier, –
nennt dich »Wandrer« die Welt!
WANDRER.
Gastlich ruht ich bei Guten,
Gaben gönnten Viele mir,
denn Unheil fürchtet,
wer unhold ist.
MIME.
Unheil wohnte
immer bei mir;
willst du dem Armen es mehren?
WANDRER
langsam immer näher schreitend.
Viel erforscht ich,
erkannte viel;
wicht'ges konnt ich
manchem künden,
manchem wehren,
was ihn mühte,
nagende Herzensnot.
MIME.
Spürtest du klug,
und erspähtest du viel,
hier brauch ich nicht Spürer noch Späher.
Einsam will ich
und einzeln sein:
Lungerern laß ich den Lauf.
[673]
WANDRER
wieder etwas näher tretend.
Mancher wähnte
weise zu sein;
nur was ihm not tat
wußte er nicht:
was ihm frommte,
ließ ich erfragen:
lohnend lehrt ihn mein Wort.
MIME
immer ängstlicher, da er den Wanderer näher sieht.
Müß'ges Wissen
wahren Manche;
ich weiß mir grade genug:

Wanderer vollends bis an den Herd vorschreitend.

mir genügt mein Witz;
ich will nicht mehr!
Dir Weisem weis ich den Weg!
WANDRER
am Herd sich setzend.
Hier sitz ich am Herd,
und setze mein Haupt
der Wissens-Wette zum Pfand. –
Mein Kopf ist dein,
du hast ihn erkiest,
erfrägst du dir nicht,
was dir frommt,
lös ich's mit Lehren nicht ein.
MIME
der zuletzt den Wanderer mit offenem Munde angestarrt hat, schrickt jetzt zusammen.
Kleinmütig für sich.
Wie werd ich den Lauernden los? –
Verfänglich muß ich ihn fragen. –

Er ermannt sich wie zur Strenge.

Dein Haupt pfänd ich
für den Herd:
nun sorg es sinnig zu lösen!
Drei der Fragen
stell ich mir frei.
WANDRER.
Dreimal muß ich's treffen. –
MIME
sammelt sich zum Nachdenken.
Du rührtest dich viel
auf der Erde Rücken,
die Welt durchwandertest weit; –
nun sage mir schlau:
welches Geschlecht
tagt in der Erde Tiefe?
[674]
WANDRER.
In der Erde Tiefe
tagen die Nibelungen;
Nibelheim ist ihr Land;
Schwarzalben sind sie;
Schwarz-Alberich
hütet' als Herrscher sie einst.
Eines Zauberringes
zwingende Kraft
zähmt' ihm das fleißige Volk;
reicher Schätze
schimmernden Hort
häuften sie ihm:
der sollte die Welt ihm gewinnen. –
Zum zweiten, was frägst du, Zwerg?
MIME
versinkt in immer tieferes Nachsinnen.
Viel, Wanderer,
weißt du mir
aus der Erde Nabelnest.
Nun sage mir schlicht:
welches Geschlecht
wohnt auf der Erde Rücken?
WANDRER.
Auf der Erde Rücken
wuchtet der Riesen Geschlecht:
Riesenheim ist ihr Land.
Fasolt und Fafner,
der Rauhen Fürsten,
neideten Nibelungs Macht;
den gewaltigen Hort
gewannen sie sich,
errangen mit ihm den Ring,
Um den entbrannte
den Brüdern Streit:
der Fasolt fällte,
als wilder Wurm
hütet nun Fafner den Hort.
Die dritte Frage nun droht.
MIME
ganz entrückt und nachsinnend.
Viel, Wanderer,
weißt du mir
von der Erde rauhem Rücken.
Nun sage mir wahr,
welches Geschlecht
wohnt auf wolkigen Höhn?
[675]
WANDRER.
Auf wolkigen Höhn
wohnen die Götter:
Walhall heißt ihr Saal.
Lichtalben sind sie;
Licht-Alberich,
Wotan, waltet der Schar.
Aus der Weltesche
weihlichstem Aste
schuf er sich einen Schaft:
dorrt der Stamm,
nie verdirbt doch der Speer;
mit seiner Spitze
sperrt Wotan die Welt.
Heil'ger Verträge
Treue-Runen
schnitt in den Schaft er ein.
Den Haft der Welt
hält in der Hand,
wer den Speer führt,
den Wotans Faust umspannt:
ihm neigte sich
der Niblungen Heer;
der Riesen Gezücht
zähmte sein Rat:
ewig gehorchen sie alle
des Speeres starkem Herrn.

Er stößt wie unwillkürlich mit dem Speer auf den Boden, wovon Mime heftig erschrickt.

Nun rede, weiser Zwerg!
Wußt ich der Fragen Rat?
Behalte mein Haupt ich frei?
MIME
nachdem er den Wanderer mit dem Speer aufmerksam beobachtet hat, gerät nun in große Angst, sucht verwirrt nach Gerätschaften und blickt scheu zur Seite.
Fragen und Haupt
hast du gelöst:
nun, Wandrer, geh deines Wegs!
WANDRER.
Was zu wissen dir frommt,
solltest du fragen:
Kunde verbürgte mein Kopf.
Daß du nun nicht weißt,
was dir frommt,
des faß ich jetzt deines als Pfand. –
[676] Gastlich nicht
galt mir dein Gruß;
mein Haupt gab ich
in deine Hand,
um mich des Herdes zu freun.
Nach Wettens Pflicht
pfänd ich nun dich,
lösest du drei
der Fragen nicht leicht.
Drum frische dir, Mime, den Mut!
MIME
sehr schüchtern und zögernd, endlich in furchtsamer Ergebung sich fassend.
Lang schon mied ich
mein Heimatland,
lang schon schied ich
aus der Mutter Schoß:

Verstohlen zum Wandrer ein wenig aufblickend.

mir leuchtete Wotans Auge,
zur Höhle lugt er herein:
vor ihm magert
mein Mutterwitz.
Doch frommt mir nun weise zu sein, –
Wandrer, frage denn zu!
Vielleicht glückt mir's – gezwungen –
zu lösen des Zwergen Haupt. –
WANDRER
wieder gemächlicher sich niederlassend.
Nun ehrlicher Zwerg!
Sag mir zum ersten!
Welches ist das Geschlecht,
dem Wotan schlimm sich zeigte,

Sehr leise, doch vernehmbar.

und das doch das liebste ihm lebt?
MIME
sich ermunternd.
Wenig hört ich
von Heldensippen;
der Frage doch mach ich mich frei. –
Die Wälsungen sind
das Wunschgeschlecht,
das Wotan zeugte,
und zärtlich liebte,
zeigt er auch Ungunst ihm.
Siegmund und Sieglind'
stammten von Wälse,
ein wild verzweifeltes
[677] Zwillingspaar:
Siegfried zeugten sie selbst,
den stärksten Wälsungensproß. –
Behalt ich, Wandrer,
zum ersten mein Haupt?
WANDRER
gemütlich.
Wie doch genau
das Geschlecht du mir nennst!
Schlau eracht ich dich Argen. –
Der ersten Frage
wardst du frei;
zum Zweiten nun sag mir, Zwerg!
Ein weiser Niblung
wahret Siegfried;
Fafnern soll er ihm fällen,
daß den Ring er erränge,
des Hortes Herrscher zu sein.
Welches Schwert
muß Siegfried nun schwingen,
taug' es zu Fafners Tod?
MIME
seine gegenwärtige Lage immer mehr vergessend, reibt sich vergnügt die Hände.
Nothung heißt
ein neidliches Schwert;
in einer Esche Stamm
stieß es Wotan:
dem sollt es geziemen,
der aus dem Stamm es zög.
Der stärksten Helden
keiner bestand's;
Siegmund der kühne
konnt's allein:
fechtend führt er's im Streit,
bis an Wotans Speer es zersprang.
Nun verwahrt die Stücken
ein weiser Schmied;
denn er weiß, daß allein
mit dem Wotans-Schwert
ein kühnes, dummes Kind,
Siegfried, den Wurm versehrt.
Behalt ich Zwerg
auch zweitens mein Haupt?
WANDRER
lachend.
Haha, haha, hahahaha!
Der Witzigste bist du
[678] unter den Weisen,
wer käm dir an Klugheit gleich?
Doch bist du so klug,
den kindischen Helden
für Zwergenzwecke zu nützen, –
mit der dritten Frage
droh ich nun.
Sag mir, du weiser
Waffenschmied:
wer wird aus den starken Stücken
Nothung, das Schwert, wohl schweißen?
MIME
fährt im höchsten Schrecken auf.
Die Stücken! Das Schwert!

Kreischend.

O weh, mir schwindelt!
Was fang ich an?
Was fällt mir ein?
Verfluchter Stahl!
Daß ich dich gestohlen!
Er hat mich vernagelt
in Pein und Not!
Mir bleibt er hart,
ich kann ihn nicht hämmern;
Niet und Löte
läßt mich im Stich!

Er wirft wie sinnlos sein Gerät durcheinander und bricht in helle Verzweiflung aus.

Der weiseste Schmied
weiß sich nicht Rat!
Wer schweißt nun das Schwert,
schaff ich es nicht?
Das Wunder, wie soll ich's wissen!
WANDRER
ist ruhig vom Herd aufgestanden.
Dreimal solltest du fragen,
dreimal stand ich dir frei: –
nach eitlen Fernen
forschtest du;
doch was zunächst dir sich fand,
was dir nützt, fiel dir nicht ein;
nun ich's errate,
wirst du verrückt:
gewonnen hab ich
das witzige Haupt! –
[679] Jetzt, Fafners kühner Bezwinger,
hör, verfallner Zwerg!
»Nur wer das Fürchten
nie erfuhr,
schmiedet Nothung neu.«

Mime starrt ihn groß an; er wendet sich zum Fortgang.

Dein weises Haupt
wahre von heut –
verfallen laß ich es dem,
der das Fürchten nicht gelernt.

Er wendet sich lächelnd ab und verschwindet schnell im Walde. Mime ist wie vernichtet auf den Schemel zurückgesunken.
3. Szene
Dritte Szene
MIME
stiert, grad vor sich aus, in den sonnig beleuchteten Wald hinein und gerät zunehmend in heftiges Zittern.
Verfluchtes Licht!
Was flammt dort die Luft?
Was flackert und lackert –
was flimmert und schwirrt, –
was schwebt dort und webt,
und wabert umher?
Dort glimmert's und glitzt's
in der Sonne Glut?
Was säuselt und summt,
und saust nun gar?
Es brummt und braust, –
und prasselt hieher!
Dort bricht's durch den Wald,
will auf mich zu!

Er bäumt sich vor Entsetzen auf.

Ein gräßlicher Rachen
reißt sich mir auf:
der Wurm will mich fangen! –
Fafner! Fafner!

Er sinkt schreiend hinter dem Amboß zusammen.
SIEGFRIED
bricht aus dem Waldgesträuch hervor und ruft noch hinter der Szene, während man seine Bewegung an dem zerkrachenden Gezweige des Gesträuches gewahrt.
[680] Heda! Du Fauler!
Bist du nun fertig?

Er tritt in die Höhle herein.

Schnell, wie steht's mit dem Schwert?

Er hält verwundert an.

Wo steckt der Schmied?
Stahl er sich fort? –
Hehe! Mime, du Memme!
Wo bist du? Wo birgst du dich?
MIME
mit schwacher Stimme hinter dem Amboß.
Bist du es, Kind?
Kommst du allein?
SIEGFRIED
lachend.
Hinter dem Amboß?
Sag, was schufest du dort?
Schärftest du mir das Schwert?
MIME
höchst verstört und zerstreut hervorkommend.
Das Schwert? Das Schwert?
Wie möcht ich's schweißen?

Halb für sich.

»Nur wer das Fürchten
nie erfuhr,
schmiedet Nothung neu.« –
Zu weise ward ich
für solches Werk.
SIEGFRIED
heftig.
Wirst du mir reden?
Soll ich dir raten?
MIME
wie zuvor.
Wo nähm ich redlichen Rat?
Mein weises Haupt
hab ich verwettet:

Vor sich hin starrend.

verfallen, verlor ich's an den,
der das Fürchten nicht gelernt! –
SIEGFRIED
ungestüm.
Sind mir das Flausen?
Willst du mir flieh'n?
MIME.
Wohl floh ich dem,
der's Fürchten kennt!
Doch das ließ ich dem Kinde zu lehren;
ich Dummer vergaß,
was einzig gut.
Liebe zu mir
sollt er lernen;
das gelang nun leider faul! –
Wie bring ich das Fürchten ihm bei?
[681]
SIEGFRIED.
He! Muß ich helfen?
Was fegtest du heut?
MIME.
Um dich nur besorgt,
versank ich in Sinnen,
wie ich dich wichtiges wiese.
SIEGFRIED
lachend.
Bis unter den Sitz
warst du versunken:
Was wichtiges fandest du da?
MIME
sich immer mehr fassend.
Das Fürchten lernt ich für dich,
daß ich's dich Dummen lehre.
SIEGFRIED
mit ruhiger Verwunderung.
Was ist's mit dem Fürchten?
MIME.
Erfuhrst du's noch nie,
und willst aus dem Wald
doch fort in die Welt?
Was frommte das festeste Schwert,
blieb dir das Fürchten fern.
SIEGFRIED
ungeduldig.
Faulen Rat
erfindest du wohl.
MIME
immer zutraulicher Siegfried näher tretend.
Deiner Mutter Rat
redet aus mir,
was ich gelobte,
muß ich nun lösen:
in die listige Welt
dich nicht zu entlassen,
eh du nicht das Fürchten gelernt. –
SIEGFRIED
heftig.
Ist's eine Kunst,
was kenn ich sie nicht?
Heraus! Was ist's mit dem Fürchten?
MIME.
Fühltest du nie
im finstren Wald,
bei Dämmerschein
am dunklen Ort,
wenn fern es säuselt,
summst und saust,
wildes Brummen
näher braust:
wirres Flackern
um dich flimmert, –
schwellend Schwirren
zu Leib dir schwebt: –

[682]
Zitternd.

fühltest du dann nicht grieselnd
Grausen die Glieder dir fahren?

Bebend.

Glühender Schauer
schüttelt die Glieder,
in der Brust, bebend und bang,
berstet hämmernd das Herz?
Fühltest du das noch nicht,
das Fürchten blieb dir noch fremd. –
SIEGFRIED
nachsinnend.
Sonderlich seltsam
muß das sein!
Hart und fest,
fühl ich, steht mir das Herz.
Das Grieseln und Grausen,
Das Glühen und Schauern,
Hitzen und Schwindeln,
Hämmern und Beben:
gern begehr ich das Bangen,
sehnend verlangt mich der Lust! –
Doch wie bringst du,
Mime, mir's bei?
Wie wärst du Memme mir Meister?
MIME.
Folge mir nur,
ich führe dich wohl:
sinnend fand ich es aus.
Ich weiß einen schlimmen Wurm,
der würgt und schlang schon viel:
Fafner lehrt dich das Fürchten,
folgst du mir zu seinem Nest.
SIEGFRIED.
Wo liegt er im Nest?
MIME.
Neidhöhle
wird es genannt:
im Ost, am Ende des Walds.
SIEGFRIED.
Dann wär's nicht weit von der Welt?
MIME.
Bei Neidhöhle liegt sie ganz nah.
SIEGFRIED.
Dahin denn sollst du mich führen:
lernt ich das Fürchten,
dann fort in die Welt!
Drum schnell! Schaffe das Schwert:
in der Welt will ich es schwingen.
MIME.
Das Schwert? O Not!
SIEGFRIED.
Rasch in die Schmiede!
[683] Weis', was du schufst!
MIME.
Verfluchter Stahl!
Zu flicken versteh ich ihn nicht:
den zähen Zauber
bezwingt keines Zwergen Kraft.
Wer das Fürchten nicht kennt,
der fänd wohl eher die Kunst.
SIEGFRIED.
Feine Finten
weiß mir der Faule;
daß er ein Stümper,
soll er gestehn:
nun lügt er sich listig heraus!
Her mit den Stücken,
fort mit dem Stümper!

Auf den Herd zuschreitend.

Des Vaters Stahl
fügt sich wohl mir:
ich selbst schweiße das Schwert.

Er macht sich, Mimes Gerät durcheinander werfend, mit Ungestüm an die Arbeit.
MIME.
Hättest du fleißig
die Kunst gepflegt,
Jetzt käm dir's wahrlich zu gut:
doch lässig warst du
stets in der Lehr,
was willst du rechtes nun rüsten?
SIEGFRIED.
Was der Meister nicht kann,
vermocht es der Knabe,
hätt er ihm immer gehorcht?

Er dreht ihm eine Nase.

Jetzt mach dich fort;
misch dich nicht drein,
sonst fällst du mir mit ins Feuer!

Er hat eine große Menge Kohlen auf den Herd aufgehäuft und unterhält in einem fort die Glut, während er die Schwertstücke in den Schraubstock einspannt und sie zu Spänen zerfeilt.
MIME
der sich etwas abseits niedergesetzt hat und Siegfried bei der Arbeit zusieht.
Was machst du denn da?
Nimm doch die Löte;
den Brei braut ich schon längst.
SIEGFRIED.
Fort mit dem Brei,
[684] ich brauch ihn nicht;
mit Bappe back ich kein Schwert!
MIME.
Du zerfeilst die Feile, –
zerreibst die Raspel!
Wie willst du den Stahl zerstampfen?
SIEGFRIED.
Zersponnen muß ich
in Späne ihn sehn:
was entzwei ist, zwing ich mir so.

Er feilt mit großem Eifer fort.
MIME
für sich.
Hier hilft kein Kluger,
das seh ich klar;
hier hilft dem Dummen
die Dummheit allein. –
Wie er sich rührt,
und mächtig regt!
Ihm schwindet der Stahl,
doch wird ihm nicht schwül! –

Siegfried hat das Herdfeuer zur hellsten Glut angefacht.

Nun ward ich so alt
wie Höhl und Wald,
und hab nicht so was gesehn! –

Während Siegfried mit ungestümem Eifer fortfährt, die Schwertstücken zu zerfeilen, setzt sich Mime noch mehr bei Seite.

Mit dem Schwert gelingt's;
das lern ich wohl:
furchtlos fegt er's zu ganz.
Der Wandrer wußt es gut. –
Wie berg ich nun
mein banges Haupt?
Dem kühnen Knaben verfiel's,
lehrt ihn nicht Fafner die Furcht!

Mit wachsender Unruhe aufspringend und sich bewegend.

Doch weh mir Armen!
Wie würgt er den Wurm,
erführ er das Fürchten von ihm?
Wie erräng ich mir den Ring?
Verfluchte Klemme!
Da klebt ich fest,
fänd ich nicht klugen Rat,
wie den Furchtlosen selbst ich bezwäng. –
SIEGFRIED
hat nun die Stücken zerfeilt und in einem Schmelztiegel gefangen, den er jetzt in die Herdglut stellt.
[685] He, Mime! Geschwind!
Wie heißt das Schwert,
das ich in Späne zersponnen?
MIME
fährt zusammen und wendet sich zu Siegfried.
Nothung nennt sich
das neidliche Schwert:
deine Mutter gab mir die Mär.
SIEGFRIED
nährt unter dem folgenden Gesange die Glut mit dem Blasebalg.
Nothung! Nothung!
Neidliches Schwert!
Was mußtest du zerspringen? –
Zu Spreu nun schuf ich
die scharfe Pracht,
im Tiegel brat ich die Späne. –
Hoho! Hoho!
Hahei! Hahei! Hoho!
Blase, Balg!
Blase die Glut!
Wild im Walde
wuchs ein Baum,
den hab ich im Forst gefällt:
die braune Esche
brannt ich zur Kohl,
auf dem Herd nun liegt sie gehäuft.
Hoho! Hoho!
Hahei! Hahei! Hoho!
Blase, Balg!
Blase die Glut!
Des Baumes Kohle,
wie brennt sie kühn;
wie glüht sie hell und hehr!
In springenden Funken
sprühet sie auf:
hahei, hoho, hahei!
zerschmilzt mir des Stahles Spreu.
Hoho! Hoho!
Hahei! Hahei! Hoho!
Blase, Balg!
Blase die Gut!
MIME
immer für sich, entfernt sitzend.
Er schmiedet das Schwert,
und Fafner fällt er:
das seh ich nun deutlich voraus.
[686] Hort und Ring
erringt er im Harst: –
wie erwerb ich mir den Gewinn?
Mit Witz und List
gewinn ich beides,
und berge heil mein Haupt.
SIEGFRIED
nochmals am Blasebalg.
Hoho! Hoho!
Hoho! Hahei! Hahei!
MIME
im Vordergrunde, für sich.
Rang er sich müd mit dem Wurm,
von der Müh erlab ihn ein Trunk:
aus würz'gen Säften,
die ich gesammelt,
brau ich den Trank für ihn;
wenig Tropfen nur
braucht er zu trinken,
sinnlos sinkt er in Schlaf.
Mit der eig'nen Waffe,
die er sich gewonnen,
räum ich ihn leicht aus dem Weg,
erlange mir Ring und Hort.

Er reibt sich vergnügt die Hände.

Hei, weiser Wandrer!
Dünkt ich dich dumm?
Wie gefällt dir nun
mein feiner Witz?
Fand ich mir wohl
Rat und Ruh?
SIEGFRIED.
Nothung! Nothung!
Neidliches Schwert!
Nun schmolz deines Stahles Spreu!
Im eig'nen Schweiße
schwimmst du nun.

Er gießt den glühenden Inhalt des Tiegels in eine Stangenform und hält diese in die Höhe.

Bald schwing' ich dich als mein Schwert!

Er stößt die gefüllte Stangenform in den Wassereimer. Dampf und lautes Gezisch der Kühlung erfolgen

In das Wasser floß
ein Feuerfluß:
grimmiger Zorn
zischt ihm da auf!
Wie sehrend er floß,
[687] in des Wassers Flut
fließt er nicht mehr.
Starr ward er und steif,
herrisch der harte Stahl:
heißes Blut doch
fließt ihm bald.

Er stößt den Stahl in die Herdglut und zieht die Blasebälge wieder mächtig an.

Nun schwitze noch einmal,
daß ich dich schweiße!
Nothung, neidliches Schwert!

Mime ist vergnügt aufgesprungen; er holt verschiedene Gefäße hervor, schüttet aus ihnen Gewürz und Kräuter in einen Kochtopf und sucht diesen auf dem Herde anzubringen. Siegfried beobachtet während der Arbeit Mime, welcher vom andren Ende des Herdes her seinen Topf sorgsam
an die Glut stellt.

Was schafft der Tölpel
dort mit dem Topf?
Brenn ich hier Stahl,
braust du dort Sudel?
MIME.
Zu Schanden kam ein Schmied;
den Lehrer sein Knabe lehrt:
mit der Kunst nun ist's beim Alten aus,
als Koch dient er dem Kind.
Brennt es das Eisen zu Brei,
aus Eiern braut
der Alte ihm Sud.

Er fährt fort zu kochen.
SIEGFRIED.
Mime, der Künstler,
lernt jetzt kochen;
das Schmieden schmeckt ihm nicht mehr.
Seine Schwerter alle
hab ich zerschmissen:
was er kocht, ich kost es ihm nicht!

Unter dem Folgenden zieht Siegfried die Stangenform aus der Glut, zerschlägt sie und legt den glühenden Stahl auf dem Amboß zurecht.

Das Fürchten zu lernen
will er mich führen,
ein Ferner soll es mich lehren:
was am besten er kann,
[688] mir bringt er's nicht bei:
als Stümper besteht er in allem!

Während des Schmiedens.

Hoho! Hoho! Hahei!
Schmiede, mein Hammer,
ein hartes Schwert!
Hoho! Hahei!
Hoho! Hahei!
Einst färbte Blut
dein falbes Blau,
sein rotes Rieseln
rötete dich;
kalt lachtest du da,
das warme lecktest du kühl!
Heiaho! Haha!
Haheiaha!
Nun hat die Glut
dich rot geglüht;
deine weiche Härte
dem Hammer weicht:
zornig sprühst du mir Funken,
daß ich dich Spröden gezähmt.
Heiaho! Heiaho!
Heiahohohohoho!
Hahei! Hahei! Hahei!
MIME
bei Seite.
Er schafft sich ein scharfes Schwert,
Fafner zu fällen,
der Zwerge Feind;
ich braut ein Truggetränk,
Siegfried zu fangen,
dem Fafner fiel.
Gelingen muß mir die List;
lachen muß mir der Lohn! –

Er beschäftigt sich während des Folgenden damit, den Inhalt des Topfes in eine Flasche zu gießen.
SIEGFRIED.
Hoho! Hoho! Hoho!
Hahei!
Schmiede, mein Hammer,
ein hartes Schwert!
Hoho! Hahei!
Hoho! Hahei!
Der frohen Funken
wie freu ich mich;
[689] es ziert den Kühnen
des Zornes Kraft.
Lustig lachst du mich an,
stellst du auch grimm dich und gram!
Heiaho, haha,
haheiaha! –
Durch Glut und Hammer
glückt es mir;
mit starken Schlägen
streckt ich dich:
nun schwinde die rote Scham,
werde kalt und hart, wie du kannst.
Heiaho! Heiaho!
Heiahohohohoho!
Heiah!

Er schwingt den Stahl und stößt ihn in den Wassereimer. Er lacht bei dem Gezisch laut auf. Während Siegfried die geschmiedete Schwertklinge in dem Griffheft befestigt, treibt sich Mime mit der Flasche im Vordergrund umher.
MIME.
Den der Bruder schuf,
den schimmernden Reif,
in den er gezaubert
zwingende Kraft,
das helle Gold,
das zum Herrscher macht,
ihn hab ich gewonnen,
ich walte sein!

Er trippelt, während Siegfried mit dem kleinen Hammer arbeitet, feilt und schleift, mit zunehmender Vergnügtheit lebhaft umher.

Alberich selbst,
der einst mich band,
zur Zwergenfrone
zwing ich ihn nun;
als Niblungenfürst
fahr ich darnieder,
gehorchen soll mir
alles Heer.
Der verachtete Zwerg,
wie wird er geehrt!
Zu dem Horte hin drängt sich
Gott und Held.

Mit immer lebhafteren Gebärden.

[690] Vor meinem Nicken
neigt sich die Welt;
vor meinem Zorne
zittert sie hin!
Dann wahrlich müht sich
Mime nicht mehr: –
ihm schaffen Andre
den ewigen Schatz.
Mime, der kühne,
Mime ist König,
Fürst der Alben,
Walter des Alls!
Hei! Mime, wie glückte dir das!
Wer hätte wohl das gedacht!
SIEGFRIED
glättet mit den letzten Schlägen die Nieten des Griffheftes und faßt das Schwert nun.
Nothung! Nothung!
Neidliches Schwert!
Jetzt haftest du wieder im Heft.
Warst du entzwei,
ich zwang dich zu ganz;
kein Schlag soll nun dich mehr zerschlagen.
Dem sterbenden Vater
zersprang der Stahl;
der lebende Sohn
schuf ihn neu:
nun lacht ihm sein heller Schein,
seine Schärfe schneidet ihm hart.

Das Schwert vor sich schwingend.

Nothung! Nothung!
Neidliches Schwert!
Zum Leben weckt ich dich wieder.
Tot lagst du
in Trümmern dort,
jetzt leuchtest du trotzig und hehr.
Zeige den Schächern
nun deinen Schein!
Schlage den Falschen,
fälle den Schelm!
Schau, Mime, du Schmied: –

Er holt mit dem Schwerte aus.

So schneidet Siegfrieds Schwert!

Er schlägt auf den Amboß, welchen er, von oben bis unten, in [691] zwei Stücken zerspaltet, so daß er unter großem Gepolter aus einander fällt. Mime, welcher in höchster Verzückung sich auf einen Schemel geschwungen hatte, fällt vor Schreck sitzlings zu Boden. Siegfried hält jauchzend das Schwert in die Höhe.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
ALBERICH
an der Felswand gelagert, düster brütend.
In Wald und Nacht
vor Neidhöhl halt ich Wacht:
es lauscht mein Ohr,
mühvoll lugt mein Aug. –
Banger Tag,
bebst du schon auf?
Dämmerst du dort,
durch das Dunkel auf?

Aus dem Walde von rechts her erhebt sich Sturmwind; ein bläulicher Glanz leuchtet von eben daher.

Welcher Glanz glitzert dort auf? –
Näher schimmert
ein heller Schein: –
es rennt wie ein leuchtendes Roß,
bricht durch den Wald
brausend daher? –
Naht schon des Wurmes Würger?
Ist's schon, der Fafner fällt? –

[692] Der Sturmwind legt sich wieder. Der Glanz verlischt.

Das Licht erlischt, –
der Glanz barg sich dem Blick:
Nacht ist's wieder. –

Der Wanderer tritt aus dem Walde auf und hält Alberich gegenüber an.

Wer naht dort schimmernd im Schatten?
WANDRER.
Zur Neidhöhle
fuhr ich bei Nacht:
wen gewahr ich im Dunkel dort?

Wie aus einem plötzlich zerreißenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt.
ALBERICH
erkennt den Wanderer, fährt zuerst erschrocken zurück, bricht aber sogleich in höchste Wut gegen ihn aus.
Du selbst läßt dich hier sehn?
Was willst du hier?
Fort, aus dem Weg!
Von dannen, schamloser Dieb!
WANDRER
ruhig.
Schwarzalberich,
schweifst du hier?
Hütest du Fafners Haus?
ALBERICH.
Jagst du auf neue
Neidtat umher?
Weile nicht hier,
weiche von hinnen!
Genug des Truges
tränkte die Stätte mit Not;
drum, du Frecher,
laß sie jetzt frei!
WANDRER.
Zu schauen kam ich,
nicht zu schaffen:
wer wehrte mir Wandrers Fahrt?
ALBERICH.
Du Rat wütender Ränke!
War ich dir zulieb
doch noch dumm wie damals,
als du mich Blöden bandest:
wie leicht geriet es,
den Ring mir nochmals zu rauben? –
Hab Acht! Deine Kunst
kenne ich wohl; –
doch wo du schwach bist,
blieb mir auch nicht verschwiegen: –
mit meinen Schätzen
[693] zahltest du Schulden,
mein Ring zahlte
der Riesen Müh',
die deine Burg dir gebaut.
Was mit den Trotz'gen
einst zu vertragen,
des Runen wahrt noch heut
deines Speeres herrischer Schaft:
nicht du darfst,
was als Zoll du gezahlt,
den Riesen wieder entreißen;
du selbst zerspelltest
deines Speeres Schaft;
in deiner Hand
der herrische Stab,
der starke, zerstiebte wie Spreu!
WANDRER.
Durch Vertrages Treue-Runen
band er dich
Bösen mir nicht:
dich beugt er mir durch seine Kraft:
zum Krieg drum wahr ich ihn wohl.
ALBERICH.
Wie stark du dräust
in trotziger Stärke,
und wie dir's im Busen doch bangt! –
Verfallen dem Tod
durch meinen Fluch
ist des Hortes Hüter: –
wer wird ihn beerben?
Wird der neidliche Hort
dem Niblungen wieder gehören?
Das sehrt dich mit ew'ger Sorge!
Denn, faß ich ihn wieder
einst in der Faust,
anders als dumme Riesen
üb ich des Ringes Kraft: –
dann zittre der Helden
ewiger Hüter!
Walhalls Höhen
stürm ich mit Hellas Heer:
der Welt walte dann ich. –
WANDRER
ruhig.
Deinen Sinn kenn ich wohl,
doch sorgt er mich nicht.
[694] Des Ringes waltet,
wer ihn gewinnt.
ALBERICH.
Wie dunkel sprichst du,
was ich deutlich weiß! –
An Heldensöhne
hält sich dein Trotz,

Höhnisch.

die traut deinem Blute entblüht.
Pflegtest du wohl eines Knaben,
der klug die Frucht dir pflücke,

Immer heftiger.

die du nicht brechen darfst?
WANDRER.
Mit mir nicht,
hadre mit Mime;

Leicht.

dein Bruder bringt dir Gefahr:
einen Knaben führt er daher,
der Fafner ihm fällen soll.
Nichts weiß der von mir,
der Niblung nützt ihn für sich.
Drum sag ich dir, Gesell:
tue frei wie dir's frommt!

Alberich macht eine Gebärde heftiger Neugierde.

Höre mich wohl,
sei auf der Hut!
Nicht kennt der Knabe den Ring;
doch Mime kundet ihn aus.
ALBERICH
heftig.
Deine Hand hieltest du vom Hort?
WANDRER.
Wen ich liebe,
laß ich für sich gewähren:
er steh oder fall,
sein Herr ist er;
Helden nur können mir frommen.
ALBERICH.
Mit Mime räng ich
allein um den Ring?
WANDRER.
Außer dir begehrt er
einzig das Gold.
ALBERICH.
Und dennoch gewann ich ihn nicht?
WANDRER
ruhig näher tretend.
Ein Helde naht,
den Hort zu befrein;
zwei Niblungen geizen das Gold;
Fafner fällt,
der den Ring bewacht: –
[695] wer ihn rafft, hat ihn gewonnen. –
Willst du noch mehr?
Dort liegt der Wurm: –

Er wendet sich nach der Höhle.

warnst du ihn vor dem Tod,
willig wohl ließ er den Tand; –
ich selber weck ihn dir auf.

Er stellt sich auf die Anhöhe vor der Höhle und ruft hinein.

Fafner! Fafner!
Erwache, Wurm!
ALBERICH
mit gespanntem Erstaunen, für sich.
Was beginnt der Wilde?
Gönnt er mir's wirklich?
FAFNERS STIMME
durch ein starkes Sprachrohr.
Wer stört mir den Schlaf?
WANDRER
der Höhle zugewandt.
Gekommen ist einer,
Not dir zu künden;
er lohnt dir's mit dem Leben,
lohnst du das Leben ihm
mit dem Horte, den du hütest.

Er beugt sein Ohr lauschend der Höhle zu.
FAFNER.
Was will er?
ALBERICH
ist zum Wandrer getreten und ruft in die Höhle.
Wache, Fafner!
Wache, du Wurm!
Ein starker Heide naht:
dich Heil'gen will er bestehn. –
FAFNER.
Mich hungert sein!
WANDRER.
Kühn ist des Kindes Kraft,
scharf schneidet sein Schwert.
ALBERICH.
Den goldnen Reif
geizt er allein:
laß mir den Ring zum Lohn,
so wend ich den Streit;
du wahrest den Hort,
und ruhig lebst du lang! –
FAFNER.
Ich lieg und besitz:
laßt mich,

Gähnend.

schlafen!
WANDRER
lacht laut auf und wendet sich dann wieder zu Alberich.
Nun, Alberich! Das schlug fehl.
Doch schilt mich nicht mehr Schelm!
[696] Dies Eine, rat ich,
achte noch wohl! –

Vertraulich zu ihm tretend.

Alles ist nach seiner Art:
an ihr wirst du nichts ändern. –
Ich laß dir die Stätte,
stelle dich fest:
versuch's mit Mime, dem Bruder;
der Art ja versiehst du dich besser.

Zum Abgang gewendet.

Was anders ist, –
das lerne nun auch!

Er verschwindet schnell im Walde. Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell.
ALBERICH
blickt dem davonjagenden Wanderer nach.
Da reitet er hin
auf lichtem Roß,
mich läßt er in Sorg und Spott.
Doch lacht nur zu,
ihr leichtsinniges,
lustgieriges
Göttergelichter!
Euch seh ich
noch Alle vergehn!
So lang das Gold
am Lichte glänzt,
hält ein Wissender Wacht: –
trügen wird euch sein Trotz!

Er schlüpft zur Seite in das Geklüft. – Die Bühne bleibt leer. – Morgendämmerung.
2. Szene
Zweite Szene
Bei anbrechendem Tage treten Siegfried und Mime auf. Siegfried trägt das Schwert in einem Gehenke von Bastseil. Mime erspäht genau die Stätte; er forscht endlich dem Hintergrunde zu, welcher, während die Anhöhe im mittleren Vordergrunde später immer heller von der Sonne beleuchtet wird, in finstrem Schatten bleibt; dann bedeutet er Siegfried.

MIME.
Wir sind zur Stelle;
bleib hier stehn.
[697]
SIEGFRIED
setzt sich unter der Linde nieder und schaut sich um.
Hier soll ich das Fürchten lernen?
Fern hast du mich geleitet;
eine volle Nacht im Walde
selbander wanderten wir.
Nun sollst du, Mime,
mich meiden!
Lern ich hier nicht,
was ich lernen soll,
allein zieh ich dann weiter:
dich endlich werd ich da los!
MIME
setzt sich ihm gegenüber, so daß er die Höhle immer noch im Auge behält.
Glaube, Liebster,
lernst du heut und hier
das Fürchten nicht,
an andrem Ort,
zu andrer Zeit,
schwerlich erfährst du's je. –
Siehst du dort
den dunklen Höhlenschlund?
Darin wohnt
ein greulich wilder Wurm:
unmaßen grimmig
ist er und groß,
ein schrecklicher Rachen
reißt sich ihm auf;
mit Haut und Haar,
auf einen Happ,
verschlingt der Schlimme dich wohl.
SIEGFRIED
immer unter der Linde sitzend.
Gut ist's, den Schlund ihm zu schließen:
drum biet ich mich nicht dem Gebiß.
MIME.
Giftig gießt sich
ein Geifer ihm aus:
wen mit des Speichels
Schweiß er bespeit,
dem schwinden wohl Fleisch und Gebein.
SIEGFRIED.
Daß des Geifers Gift mich nicht sehre,
weich ich zur Seite dem Wurm.
MIME.
Ein Schlangenschweif
schlägt sich ihm auf:
wen er damit umschlingt
[698] und fest umschließt,
dem brechen die Glieder wie Glas!
SIEGFRIED.
Vor des Schweifes Schwang mich zu wahren,
halt ich den Argen im Aug. –
Doch heiße mich das:
hat der Wurm ein Herz?
MIME.
Ein grimmiges hartes Herz.
SIEGFRIED.
Das sitzt ihm doch,
wo es jedem schlägt,
trag es Mann oder Tier?
MIME.
Gewiß, Knabe,
da führt's auch der Wurm.
Jetzt kommt dir das Fürchten wohl an?
SIEGFRIED
der bisher nachlässig ausgestreckt, erhebt sich rasch zum Sitz.
Nothung stoß ich
dem Stolzen ins Herz!
Soll das etwa Fürchten heißen?
He! Du Alter!
Ist das Alles,
was deine List
mich lehren kann?
Fahr deines Wegs dann weiter:
das Fürchten lern ich hier nicht.
MIME.
Wart es nur ab!
Was ich dir sage,
dünke dich tauber Schall:
ihn selber mußt du
hören und sehn,
die Sinne vergehn dir dann schon.
Wenn dein Blick verschwimmt,
der Boden dir schwankt,
im Busen bang
dein Herz erbebt: –

Sehr freundlich.

dann dankst du mir, der dich führte,
gedenkst, wie Mime dich liebt.
SIEGFRIED.
Du sollst mich nicht lieben!
Sagt ich's dir nicht?
Fort aus den Augen mir!
Laß mich allein,
sonst halt ich's hier länger nicht aus,
fängst du von Liebe gar an!
Das eklige Nicken
[699] und Augenzwicken,
wann endlich soll ich's
nicht mehr sehn,

Ungeduldig.

wann werd ich den Albernen los?
MIME.
Ich laß dich schon.
Am Quell dort lagr' ich mich;
steh du nur hier:
steigt dann die Sonne zur Höh,
merk auf den Wurm:
aus der Höhle wälzt er sich her,
hier vorbei
biegt er dann,
am Brunnen sich zu tränken.
SIEGFRIED
lachend.
Mime, weilst du am Quell,
dahin laß ich den Wurm wohl gehn:
Nothung stoß ich
ihm erst in die Nieren,
wenn er dich selbst dort
mit weg gesoffen. –
Darum hör meinen Rat,
raste nicht dort am Quell;
kehre dich weg
so weit du kannst,
und komm nie mehr zu mir! –
MIME.
Nach freislichen Streit
dich zu erfrischen,
wirst du mir wohl nicht wehren?

Siegfried wehrt ihn heftig ab.

Rufe mich auch,
darbst du des Rates. –

Siegfried wiederholt die Gebärde mit Ungestüm.

Oder, wenn dir das Fürchten gefällt?

Siegfried erhebt sich und treibt Mime mit wütender Gebärde zum Forgehen. – Mime im Abgehen für sich.

Fafner und Siegfried,
Siegfried und Fafner –:
oh! – brächten Beide sich um!

Er verschwindet rechts im Walde.
SIEGFRIED
streckt sich behaglich unter der Linde aus und blickt dem davongehenden Mime nach.
Daß der mein Vater nicht ist,
wie fühl ich mich drob so froh!
[700] Nun erst gefällt mir
der frische Wald;
nun erst lacht mir
der lustige Tag,
da der Garstige von mir schied,
und ich gar nicht ihn wiederseh!

Er verfällt in schweigendes Sinnen.

Wie sah mein Vater wohl aus? –
Ha! gewiß, wie ich selbst!
Denn wär wo von Mime ein Sohn,
müßt er nicht ganz
Mime gleichen?
Grade so garstig,
griesig und grau,
klein und krumm,
höckrig und hinkend,
mit hängenden Ohren,
triefigen Augen ...
Fort mit dem Alp! –
Ich mag ihn nicht mehr sehn!

Er lehnt sich tiefer zurück und blickt durch den Baumwipfel auf. Tiefe Stille. – Waldweben.

Aber – wie sah
meine Mutter wohl aus? –
Das kann ich
nun gar nicht mir denken! –
Der Rehhindin gleich
glänzten gewiß
ihr hell schimmernde Augen?
Nur noch viel schöner!
Da bang sie mich geboren,
warum aber starb sie da?
Sterben die Menschenmütter
an ihren Söhnen
alle dahin? –
Traurig wäre das, traun!
Ach, möcht ich Sohn
meine Mutter sehen! –
Meine Mutter – –
ein Menschenweib!

Er seufzt leise und streckt sich immer tiefer zurück. – Große Stille. – Wachsendes Waldweben. – Siegfrieds Aufmerksamkeit wird endlich durch den Gesang der Waldvögel gefesselt. [701] Er lauscht mit wachsender Teilnahme einem Waldvogel in den Zweigen über ihm.

Du holdes Vöglein,
dich hört ich noch nie:
bist du im Wald hier daheim?
Verstünd ich sein süßes Stammeln!
Gewiß sagt es mir was, –
vielleicht – von der lieben Mutter?
Ein zankender Zwerg
hat mir erzählt,
der Vöglein Stammeln
gut zu verstehn,
dazu könnte man kommen.
Wie das wohl möglich wär? –
Hei! – ich versuch's,
sing ihm nach;
auf dem Rohr tön ich ihm ähnlich:
entrat ich der Worte,
achte der Weise,
sing ich so seine Sprache,
versteh ich wohl auch, was es spricht.

Er springt an den nahen Quell, schneidet mit dem Schwerte ein Rohr ab und schnitzt sich hastig eine Pfeife daraus. Während dem lauscht er wieder.

Er schweigt, und lauscht: –
so schwatz ich denn los!

Er bläst auf dem Rohr. Er setzt ab, schnitzt wieder und bessert. Er bläst wieder. Er schüttelt mit dem Kopfe und bessert wieder. Er versucht. Er wird ärgerlich, drückt das Rohr mit der Hand und versucht wieder. Er setzt lächelnd ganz ab.

Das tönt nicht recht;
auf dem Rohre taugt
die wonnige Weise mir nicht.
Vöglein, mich dünkt,
ich bleibe dumm;
von dir lernt sich's nicht leicht.

Er hört den Vogel wieder und blickt zu ihm auf.

Nun schäm ich mich gar
vor dem schelmischen Lauscher;
er lugt, und kann nichts erlauschen. –
Hei da! So höre
nun auf mein Horn.

Er schwingt das Rohr und wirft es weit fort.

[702] Auf dem dummen Rohre
gerät mir nichts.
Einer Waldweise,
wie ich sie kann,
der lustigen sollst du nun lauschen:
nach lieben Gesellen
lockt ich mit ihr:
nichts Bess'res kam noch
als Wolf und Bär.
Nun laß mich sehn,
wen jetzt sie mir lockt,
ob das mir ein lieber Gesell?

Er nimmt das silberne Hifthorn und bläst darauf. Bei den lang gehaltenen Tönen blickt Siegfried immer erwartungsvoll auf den Vogel. Lustig, und immer schneller und schmetternder. Im Hintergrund regt es sich. – Fafner, in der Gestalt eines ungeheuren eidechsenartigen Schlangenwurmes, hat sich in der Höhle von seinem Lager erhoben; er bricht durch das Gesträuch und wälzt sich aus der Tiefe nach der höheren Stelle vor, so daß er mit dem Vorderleibe bereits auf ihr angelangt ist, als er jetzt einen starken gähnenden Laut ausstößt. – Siegfried sieht sich um und heftet den Blick verwundert auf Fafner.

Haha! Da hätte mein Lied
mir was Liebes erblasen!
Du wärst mir ein saubrer Gesell!
FAFNER
hat beim Anblick Siegfrieds auf der Höhe angehalten und verweilt nun daselbst.
Was ist da?
SIEGFRIED.
Ei, bist du ein Tier,
das zum Sprechen taugt,
wohl ließ sich von dir was lernen?
Hier kennt Einer
das Fürchten nicht:
kann er's von dir erfahren?
FAFNER.
Hast du Übermut?
SIEGFRIED.
Mut oder Übermut, –
was weiß ich!
Doch dir fahr ich zu Leibe,
lehrst du das Fürchten mich nicht.
FAFNER
stößt einen lachenden Laut aus.
Trinken wollt ich,
nun treff ich auch Fraß!

Er öffnet den Rachen und zeigt die Zähne.
SIEGFRIED.
Eine zierliche Fresse
[703] zeigst du mir da,
lachende Zähne
im Leckermaul!
Gut wär es, den Schlund dir zu schließen;
dein Rachen reckt sich zu weit.
FAFNER.
Zu tauben Reden
taugt er schlecht:
dich zu verschlingen
frommt der Schlund. –
SIEGFRIED.
Hoho! Du grausam,
grimmiger Kerl!
Von dir verdaut sein,
dünkt mich übel.
Rätlich und fromm doch scheint's,
du verrecktest hier ohne Frist.
FAFNER
brüllend.
Pruh! Komm,
prahlendes Kind!
SIEGFRIED.
Hab Acht, Brüller!
Der Prahler naht!

Er zieht sein Schwert, springt Fafner an und bleibt herausfordernd stehen. Fafner wälzt sich weiter auf die Höhe herauf und speit aus den Rüstern auf Siegfried. – Siegfried weicht dem Geifer aus, springt näher zu und stellt sich zur Seite. Fafner sucht ihn mit dem Schweife zu erreichen. Siegfried, welchen Fafner fast erreicht hat, springt mit einem Satze über diesen hinweg und verwundet ihn in dem Schweife. Fafner brüllt, zieht den Schweif heftig zurück und bäumt den Vorderleib, um mit dessen voller Wucht sich auf Siegfried zu werfen; so bietet er diesem die Brust dar; Siegfried erspäht schnell die Stelle des Herzens und stößt sein Schwert bis an das Heft hinein. Fafner bäumt sich vor Schmerz noch höher und sinkt, als Siegfried das Schwert losgelassen und zur Seite gesprungen ist, auf die Wunde zusammen.

Da lieg, neidischer Kerl!
Nothung trägst du im Herzen!
FAFNER
mit schwächerer Stimme.
Wer bist du, kühner Knabe,
der das Herz mir traf?
Wer reizte des Kindes Mut
zu der mordlichen Tat?
Dein Hirn brütete nicht,
was du vollbracht.
[704]
SIEGFRIED.
Viel weiß ich noch nicht,
noch nicht auch, wer ich bin: –
mit dir mordlich zu ringen
reiztest du selbst meinen Mut.
FAFNER.
Du helläugiger Knabe,
unkund deiner selbst,
wen du gemordet,
meld ich dir.
Der Riesen ragend Geschlecht,
Fasolt und Fafner,
die Brüder – fielen nun Beide.
Um verfluchtes Gold,
von Göttern vergabt,
traf ich Fasolt zu Tod:
der nun als Wurm
den Hort bewachte,
Fafner, den letzten Riesen –
fällte ein rosiger Held. –
Blicke nun hell,
blühender Knabe!
Der dich Blinden reizte zur Tat,
berät jetzt des Blühenden Tod. –
Merk, wie's endet!

Ersterbend.

Acht auf mich!
SIEGFRIED.
Woher ich stamme,
rate mir noch;
weise ja scheinst du
Wilder im Sterben:
rat es nach meinem Namen, –
Siegfried bin ich genannt.
FAFNER
tief seufzend.
Siegfried! ...

Er hebt sich und stirbt.
SIEGFRIED.
Zur Kunde taugt kein Toter.
So leite mich denn
mein lebendes Schwert!

Fafner hat sich im Sterben gewälzt. Siegfried zieht ihm jetzt das Schwert aus der Brust; dabei wird
seine Hand vom Blute benetzt: er fährt heftig mit der Hand auf.

Wie Feuer brennt das Blut! –

Er führt unwillkürlich die Finger zum Munde, um das Blut von ihnen abzusaugen. Wie er sinnend vor sich hinblickt, wird [705] seine Aufmerksamkeit immer mehr von dem Gesange der Waldvögel angezogen

Ist mir doch fast,
als sprächen die Vöglein zu mir?
Nützte mir das
des Blutes Genuß?
Das seltne Vöglein hier,
horch! was singt es mir?
STIMME EINES WALDVOGELS
aus den Zweigen der Linde über Siegfried.
Hei! Siegfried gehört
nun der Niblungen Hort!
O, fänd in der Höhle
den Hort er jetzt!
Wollt er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt ihm zu wonniger Tat:
doch wollt er den Ring sich erraten,
der macht ihn zum Walter der Welt!
SIEGFRIED
hat mit verhaltenem Atem und verzückter Miene gelauscht.
Leise und gerührt.
Dank, liebes Vöglein,
für deinen Rat!
Gern folg ich dem Ruf!

Er wendet sich nach hinten und steigt in die Höhle hinab, wo er alsbald gänzlich verschwindet.
3. Szene
Dritte Szene
Mime schleicht heran, scheu umherblickend, um sich von Fafners Tod zu überzeugen. Gleichzeitig kommt von der anderen Seite Alberich aus dem Geklüft; er beobachtet Mime, stürzt auf ihn zu und vertritt ihm den Weg, als dieser der Höhle sich zuwendet.

ALBERICH.
Wohin schleichst du
eilig und schlau,
schlimmer Gesell?
MIME.
Verfluchter Bruder,
dich braucht ich hier!
Was bringt dich her?
ALBERICH.
Geizt es dich, Schelm,
nach meinem Gold?
Verlangst du mein Gut?
MIME.
Fort von der Stelle!
[706] Die Statte ist mein:
was stöberst du hier?
ALBERICH.
Stör ich dich wohl
im stillen Geschäft,
wenn du hier stiehlst?
MIME.
Was ich erschwang
mit schwerer Müh,
soll mir nicht schwinden.
ALBERICH.
Hast du dem Rhein
das Gold zum Ringe geraubt?
Erzeugtest du gar
den zähen Zauber im Reif?
MIME.
Wer schuf den Tarnhelm,
der die Gestalten tauscht?
Der sein bedurfte,
erdachtest du ihn wohl?
ALBERICH.
Was hättest du Stümper
je wohl zu stampfen verstanden?
Der Zauberring
zwang mir den Zwerg erst zur Kunst.
MIME.
Wo hast du den Ring?
Dir Zagem entrissen ihn Riesen.
Was du verlorst,
meine List erlangt es für mich.
ALBERICH.
Mit des Knaben Tat
will der Knicker nun knausern?
Dir gehört sie gar nicht,
der Helle ist selbst ihr Herr.
MIME.
Ich zog ihn auf;
für die Zucht zahlt er mir nun:
für Müh und Last
erlauert ich lang meinen Lohn.
ALBERICH.
Für des Knaben Zucht
will der knickrige,
schäbige Wicht
keck und kühn
wohl gar König nun sein?
Dem räudigsten Hund
wäre der Ring
gerat'ner als dir,
nimmer erringst
du Rüpel den Herrscherreif!
MIME
kratzt sich den Kopf.
Behalt ihn denn,
[707] und hüt ihn wohl,
den hellen Reif;
sei du Herr,
doch mich heiße auch Bruder!
Um meines Tarnhelms
lustigen Tand
tausch ich ihn dir;
uns Beiden taugt's,
teilen die Beute wir so.

Er reibt sich zutraulich die Hände.
ALBERICH
mit Hohnlachen.
Teilen mit dir?
Und den Tarnhelm gar?
Wie schlau du bist!
Sicher schlief ich
niemals vor deinen Schlingen!
MIME
außer sich.
Selbst nicht tauschen?
Auch nicht teilen?
Leer soll ich gehn?
Ganz ohne Lohn?

Kreischend.

Gar nichts willst du mir lassen?
ALBERICH.
Nichts von Allem!
Nicht einen Nagel
sollst du mir nehmen.
MIME
in höchster Wut.
Weder Ring noch Tarnhelm
soll dir denn taugen,
nicht teil ich nun mehr!
Gegen dich doch ruf ich
Siegfried zu Rat
und des Recken Schwert;
der rasche Held,
der richte, Brüderchen, dich!

Siegfried erscheint im Hintergrund.
ALBERICH.
Kehre dich um!
Aus der Höhle kommt er daher.
MIME
sich umblickend.
Kindischen Tand
erkor er gewiß.
ALBERICH.
Den Tarnhelm hält er.
MIME.
Doch auch den Ring.
ALBERICH.
Verflucht! Den Ring?
MIME
hämisch lachend.
Laß ihn den Ring dir doch geben!
Ich will ihn mir schon gewinnen.

Mime schlüpft mit den letzten Worten in den Wald zurück.
[708]
ALBERICH.
Und doch seinem Herrn
soll er allein noch gehören.

Er verschwindet im Geklüft. – Siegfried ist, mit Tarnhelm und Ring, während des Letzteren langsam und nachsinnend aus der Höhle vorgeschritten: er betrachtet gedankenvoll seine Beute und hält auf der Höhe des Mittelgrundes wieder an.
SIEGFRIED.
Was ihr mir nützt,
weiß ich nicht;
doch nahm ich euch
aus des Horts gehäuftem Gold,
weil guter Rat mir es riet.
So taugt eure Zier
als des Tages Zeuge,
es mahne der Tand,
daß ich kämpfend Fafner erlegt,
doch das Fürchten noch nicht erlernt.

Er steckt den Tarnhelm sich in den Gürtel und den Reif an den Finger. – Stillschweigen. – Siegfried achtet unwillkürlich wieder des Vogels.
STIMME DES WALDVOGELS.
Hei! Siegfried gehört
nun der Helm und der Ring.
O! traute er Mime
dem treulosen nicht!
Hörte Siegfried nur scharf
auf des Schelmen Heuchlergered!
Wie sein Herz es meint,
kann er Mime verstehn:
so nützt ihm des Bluts Genuß.

Siegfrieds Miene und Gebärde drücken aus, daß er den Sinn des Vogelsanges wohl vernommen. Er sieht Mime sich nähern und verbleibt, ohne sich zu rühren, auf sein Schwert gestützt, beobachtend und in sich geschlossen, in seiner Stellung auf der Anhöhe bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes.

MIME schleicht heran und beobachtet vom Vordergrund aus Siegfried
Er sinnt, und erwägt
der Beute Wert: –
weilte wohl hier
ein weiser Wandrer,
schweifte umher,
[709] beschwatzte das Kind
mit list'ger Runen Rat?
Zwiefach schlau
sei nun der Zwerg;
die listigste Schlinge
leg ich jetzt aus,
daß ich mit traulichem
Truggerede
betöre das trotzige Kind.

Er tritt näher an Siegfried heran und bewillkommnet diesen mit schmeichelnden Gebärden.

Willkommen, Siegfried!
Sag, du Kühner,
hast du das Fürchten gelernt?
SIEGFRIED.
Den Lehrer fand ich noch nicht.
MIME.
Doch den Schlangenwurm,
du hast ihn erschlagen?
Das war doch ein schlimmer Gesell?
SIEGFRIED.
So grimm und tückisch er war,
sein Tod grämt dich doch schier,
da viel üblere Schächer
unerschlagen noch leben.
Der mich ihn morden hieß,
den haß ich mehr als den Wurm!
MIME
sehr freundlich.
Nur sachte! Nicht lange
siehst du mich mehr:
zum ew'gen Schlaf

Süßlich.

schließ ich dir die Augen bald.
Wozu ich dich brauchte,

Wie belobend.

hast du vollbracht;
jetzt will ich nur noch
die Beute dir abgewinnen;
mich dünkt, das soll mir gelingen,
zu betören bist du ja leicht.
SIEGFRIED.
So sinnst du auf meinen Schaden?
MIME
verwundert.
Wie sagt ich denn das? –

Zärtlich fortfahrend.

Siegfried! Hör doch, mein Söhnchen!
Dich und deine Art
haßt ich immer von Herzen;

Zärtlich.

[710] aus Liebe erzog ich
dich Lästigen nicht:
dem Horte in Fafners Hut,
dem Golde galt meine Müh.

Als verspräche er ihm hübsche Sachen.

Gibst du mir das
gutwillig nun nicht,

Als wäre er bereit, sein Leben für ihn zu lassen.

Siegfried, mein Sohn,
das siehst du wohl selbst,

Mit freundlichem Scherz.

dein Leben mußt du mir lassen.
SIEGFRIED.
Daß du mich hassest,
hör ich gern:
doch auch mein Leben muß ich dir lassen?
MIME
ärgerlich.
Das sagt ich doch nicht?
Du verstehst mich ja falsch!

Er sucht sein Fläschchen hervor.

Sieh, du bist müde
von harter Müh.
Brünstig wohl brennt dir der Leib,
dich zu erquicken
mit queckem Trank
säumt' ich Sorgender nicht:
als dein Schwert du dir branntest,
braut' ich den Sud;
trinkst du nun den,
gewinn ich dein trautes Schwert
und mit ihm Helm und Hort. –

Kichernd.

Hihihihihihi!
SIEGFRIED.
So willst du mein Schwert,
und was ich erschwungen,
Ring und Beute mir rauben?
MIME
heftig.
Was du doch falsch mich verstehst!
Stamml' ich, fasl' ich wohl gar?
Die größte Mühe
geb ich mir doch,
mein heimliches Sinnen
heuchelnd zu bergen,
und du dummer Bube
deutest Alles doch falsch!
Öffne die Ohren!
[711] Und vernimm, genau!
Höre, was Mime meint. –

Wieder sehr freundlich, mit ersichtlicher Mühe.

Hier nimm, und trinke dir Labung;
mein Trank labte dich oft:
tatst du auch unwirsch,
stelltest dich arg,
was ich dir bot –
erbost auch – nahmst du doch immer.
SIEGFRIED.
Einen guten Trank
hätt ich gern:
wie hast du diesen gebraut?
MIME
lustig scherzend, als schildere er ihm einen angenehm berauschten Zustand, den ihm der Saft bereiten solle.
Hei! So trink nur,
trau meiner Kunst!
In Nacht und Nebel
sinken die Sinne dir bald;
ohne Wach und Wissen
stracks streckst du die Glieder.
Liegst du nun da,
leicht könnt ich
die Beute nehmen und bergen:
doch erwachtest du je,
nirgends wär ich
sicher vor dir,
hätt ich selbst auch den Ring.
Drum mit dem Schwert,
das so scharf du schufst,

Mit einer Gebärde ausgelassener Lustigkeit.

hau ich dem Kind
den Kopf erst ab:
dann hab ich mir Ruh, und auch den Ring!

Kichernd.

Hihihihihihi!
SIEGFRIED.
Im Schlafe willst du mich morden?
MIME
wütend ärgerlich.
Was möcht ich? Sagt ich denn das? –

Er bemüht sich, den zärtlichsten Ton anzunehmen.

Ich will dem Kind

Mit zärtlichster Deutlichkeit.

nur den Kopf abhau'n!

Mit dem Ausdruck herzlicher Besorgtheit für Siegfrieds Gesundheit.

[712] Denn haßte ich dich
auch nicht so sehr
und hätt ich des Schimpfs
und der schändlichen Mühe
auch nicht so viel zu rächen,

Sanft.

aus dem Wege dich zu räumen
darf ich doch nicht rasten:

Wieder scherzend.

wie käm ich sonst anders zur Beute,
da Alberich auch nach ihr lugt?

Er gießt den Saft in das Trinkhorn und führt dieses Siegfried mit aufdringlicher Gebärde zu.

Nun, mein Wälsung!
Wolfssohn du!
Sauf und würg dich zu Tod!
Nie tust du mehr 'nen Schluck! Hihihihihi!

Siegfried holt mit dem Schwert aus.
SIEGFRIED.
Schmeck du mein Schwert,
ekliger Schwätzer!

Er führt wie in einer Anwandlung heftigen Ekels einen jähen Streich nach Mime; dieser stürzt sogleich tot zu Boden.
ALBERICHS STIMME
hohnlachend aus dem Geklüfte.
Hahahahahahahahahahahahaha!
SIEGFRIED
hängt, auf den am Boden Liegenden blickend, ruhig sein Schwert wieder ein.
Neides Zoll
zahlt Nothung:
dazu durft ich ihn schmieden.

Er rafft Mimes Leichnam auf, trägt ihn auf die Anhöhe vor den Eingang der Höhle und wirft ihn dort hinab.

In der Höhle hier
lieg auf dem Hort!
Mit zäher List
erzieltest du ihn;
jetzt magst du des wonnigen walten!
Einen guten Wächter
geb ich dir auch,
daß er vor Dieben dich deckt.

Er wälzt mit großer Anstrengung den Leichnam des Wurmes vor den Eingang der Höhle, so daß er diesen ganz damit verstopft.

[713] Da lieg auch du,
dunkler Wurm!
den gleißenden Hort
hüte zugleich
mit dem beuterührigen Feind:
so fandet Beide ihr nun Ruh!

Er blickt eine Weile sinnend in die Höhle hinab und wendet sich dann langsam, wie ermüdet, in den Vordergrund. Er führt sich die Hand über die Stirn.

Heiß ward mir –
von der harten Last.
Brausend jagt
mein brünst'ges Blut!
Die Hand brennt mir am Haupt. –
Hoch steht schon die Sonne;
aus lichtem Blau
blickt ihr Aug
auf den Scheitel steil mir herab. –
Linde Kühlung
erkies ich unter der Linde.

Er streckt sich unter der Linde aus und blickt wieder durch die Zweige hinauf.

Noch einmal, liebes Vöglein, –
da wir so lang
lästig gestört, –
lauscht ich gerne deinem Sange:
auf dem Zweige seh ich
wohlig dich wiegen;
zwitschernd umschwirren
dich Brüder und Schwestern,
umschweben dich lustig und lieb. –
Doch ich bin so allein,
hab nicht Brüder noch Schwestern:
meine Mutter schwand, –
mein Vater fiel:
nie sah sie der Sohn.
Mein einz'ger Gesell
war ein garstiger Zwerg;

Warm.

Güte zwang
uns nie zu Liebe:
listige Schlingen
[714] warf mir der Schlaue;
nun mußt ich ihn gar erschlagen!

Er blickt schmerzlich bewegt wieder nach den Zweigen auf.

Freundliches Vöglein,
dich frage ich nun.
Gönntest du mir
wohl ein gut Gesell?
Willst du mir das Rechte raten?
Ich lockte so oft,
und erlost es mir nie.
Du, mein Trauter,
träfst es wohl besser;
so recht ja rietest du schon.

Immer leiser.

Nun sing! Ich lausche dem Gesang.
STIMME DES WALDVOGELS.
Hei! Siegfried erschlug
nun den schlimmen Zwerg!
Jetzt wüßt ich ihm noch
das herrlichste Weib:
auf hohem Felsen sie schläft,
Feuer umbrennt ihren Saal:
durchschritt er die Brunst,
weckt er die Braut,
Brünnhilde wäre dann sein!
SIEGFRIED
fährt mit Heftigkeit vom Sitze auf.
O holder Sang!
Süßester Hauch!
Wie brennt sein Sinn
mir sehrend die Brust!
Wie zückt er heftig
zündend mein Herz?
Was jagt mir so jach
durch Herz und Sinne?
Sag es mir, süßer Freund!

Er lauscht.
STIMME DES WALDVOGELS.
Lustig im Leid
sing ich von Liebe.
Wonnig aus Weh'
web ich mein Lied:
nur Sehnende kennen den Sinn.
SIEGFRIED.
Fort jagt mich's
jauchzend von hinnen,
fort aus dem Wald auf den Fels'.
[715] Noch einmal sage mir,
holder Sänger:
werd ich das Feuer durchbrechen?
Kann ich erwecken die Braut? –

Siegfried lauscht nochmals.
STIMME DES WALDVOGELS.
Die Braut gewinnt,
Brünnhild erweckt
ein Feiger nie:
nur wer das Fürchten nicht kennt.
SIEGFRIED
aufjauchzend.
Der dumme Knab,
der das Fürchten nicht kennt,
mein Vöglein, der bin ja ich!
Noch heute gab ich
vergebens mir Müh,
das Fürchten von Fafner zu lernen:
nun brenn ich vor Lust,
es von Brünnhild' zu wissen!
Wie find ich zum Felsen den Weg?

Der Vogel flattert auf, kreist über Siegfried und fliegt ihm zögernd voran.
SIEGFRIED.
So wird mir der Weg gewiesen:
wohin du flatterst,
folg ich dir nach!

Er läuft dem Vogel, welcher ihn neckend eine Zeit lang unstet nach verschiedenen Richtungen hinleitet, nach und folgt ihm endlich, als dieser mit einer bestimmten Wendung nach dem Hintergrunde davonfliegt.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Wilde Gegend am Fuße eines Felsenberges,
welcher nach links hin steil aufsteigt. – Nacht, Sturm und Wetter. Blitz und heftiger Donner, welcher letztere dann schweigt, wärend Blitze noch längere Zeit die Wolken durchkreuzen. – Der Wanderer tritt auf. Er schreitet entschlossen auf ein gruftähnliches Höhlentor in einem Felsen des Vordergrundes zu und nimmt dort, auf seinen Speer gestützt, eine [716] Stellung ein, während er das Folgende dem Eingang der Höhle zu ruft

Wache, Wala!

Wala! Erwach! –

Aus langem Schlaf

weck ich dich Schlummernde auf.

Ich rufe dich auf:

herauf, herauf!

Aus nebliger Gruft,

aus nächtigem Grunde herauf!

Erda! Erda!

Ewiges Weib!

Aus heimischer Tiefe

tauche zur Höh!

Dein Wecklied sing ich,

daß du erwachest;

aus sinnendem Schlafe

weck ich dich auf!

Allwissende!

Urweltweise!

Erda! Erda!

Ewiges Weib!

Wache, erwache,

du Wala! Erwache!


Die Höhlengruft erdämmert. Bläulicher Lichtschein: von ihm beleuchtet steigt Erda sehr allmählich aus der Tiefe auf. Sie erscheint wie von Reif bedeckt; Haar und Gewand werfen einen glitzernden Schimmer von sich.

ERDA.
Stark ruft das Lied;
kräftig reizt der Zauber.
Ich bin erwacht
aus wissendem Schlaf:
wer scheucht den Schlummer mir?
WANDRER.
Der Weckrufer bin ich,
und Weisen üb ich,
daß weithin wache,
was fester Schlaf verschließt.
Die Welt durchzog ich,
wanderte viel,
Kunde zu werben,
urweisen Rat zu gewinnen.
[717] Kundiger gibt es
keine als dich;
bekannt ist dir,
was die Tiefe birgt,
was Berg und Tal,
Luft und Wasser durchwebt:
wo Wesen sind,
wehet dein Atem;
wo Hirne sinnen,
haftet dein Sinn:
Alles, sagt man,
sei dir bekannt.
Daß ich nun Kunde gewänne,
weck ich dich aus dem Schlaf!
ERDA.
Mein Schlaf ist Träumen,
mein Träumen Sinnen,
mein Sinnen Walten des Wissens.
Doch, wenn ich schlafe,
wachen Nornen:
sie weben das Seil
und spinnen fromm, was ich weiß:
was frägst du nicht die Nornen?
WANDRER.
Im Zwange der Welt
weben die Nornen,
sie können Nichts wenden noch wandeln.
Doch deiner Weisheit
dankt ich den Rat wohl,
wie zu hemmen ein rollendes Rad?
ERDA.
Männertaten
umdämmern mir den Mut;
mich Wissende selbst
bezwang ein Waltender einst.
Ein Wunschmädchen
gebar ich Wotan:
der Helden Wal
hieß für sich er sie küren.
Kühn ist sie,
und weise auch:
was weckst du mich,
und frägst um Kunde
nicht Erdas und Wotans Kind?
WANDRER.
Die Walküre meinst du,
Brünnhild', die Maid?
[718] Sie trotzte dem Stürmebezwinger,
wo er am stärksten selbst sich bezwang:
was den Lenker der Schlacht
zu tun verlangte,
doch dem er wehrte
– zuwider sich selbst –,
allzuvertraut
wagte die Trotzige
das für sich zu vollbringen, –
Brünnhild' in brennender Schlacht.
Streitvater
strafte die Maid:
in ihr Auge drückte er Schlaf;
auf dem Felsen schläft sie fest:
erwachen wird
die Weihliche nur,
um einen Mann zu minnen als Weib. –
Frommten mir Fragen an sie? –
ERDA.
Wirr wird mir,
seit ich erwacht:
wild und kraus
kreist die Welt! –
Die Walküre,
der Wala Kind,
büßt in Banden des Schlafs,
als die wissende Mutter schlief?
Der den Trotz lehrte,
straft den Trotz?
Der die Tat entzündet,
zürnt um die Tat?
Der die Rechte wahrt,
der die Eide hütet,
wehret dem Recht,
herrscht durch Meineid? –
Laß mich wieder hinab! –
Schlaf verschließe mein Wissen!
WANDRER.
Dich Mutter laß ich nicht ziehn,
da des Zaubers mächtig ich bin. –
Urwissend
stachest du einst
der Sorge Stachel
in Wotans wagendes Herz:
mit Furcht vor schmachvoll
[719] feindlichem Ende
füllt ihn dein Wissen,
daß Bangen band seinen Mut.
Bist du der Welt
weisestes Weib,
sage mir nun:
wie besiegt die Sorge der Gott?
ERDA.
Du bist nicht,
was du dich nennst!
Was kamst du, störrischer Wilder,
zu stören der Wala Schlaf?
WANDRER.
Du bist nicht,
was du dich wähnst!
Urmütter-Weisheit
geht zu Ende:
dein Wissen verweht
vor meinem Willen. –
Weißt du, was Wotan will?

Langes Schweigen.

Dir Urweisen
ruf ich's ins Ohr,
daß sorglos ewig du nun schläfst!
Um der Götter Ende
grämt mich die Angst nicht,
seit mein Wunsch es will.
Was in des Zwiespalts wildem Schmerze
verzweifelnd einst ich beschloß,
froh und freudig
führe frei ich nun aus.
Weiht ich in wütendem Ekel
des Niblungen Neid schon die Welt;
dem herrlichsten Wälsung
weis ich mein Erbe nun an.
Der von mir erkoren,
doch nie mich gekannt,
ein kühnester Knabe,
bar meines Rates,
errang den Niblungenring.
Liebesfroh,
ledig des Neides
erlahmt an dem Edlen
Alberichs Fluch:
denn fremd bleibt ihm die Furcht.
[720] Die du mir gebarst,
Brünnhild'
weckt sich hold der Held:
wachend wirkt
dein wissendes Kind
erlösende Weltentat.
Drum schlafe nun du,
schließe dein Auge,
träumend erschau' mein Ende!
Was Jene auch wirken,
dem ewig Jungen
weicht in Wonne der Gott.
Hinab denn, Erda!
Urmütterfurcht!
Ursorge!
Hinab! Hinab,
zu ew'gem Schlaf!

Nachdem Erda bereits die Augen geschlossen hat und allmählich tiefer versunken ist, verschwindet sie
jetzt gänzlich; auch die Höhle ist jetzt wiederum durchaus verfinstert. Monddämmerung erhellt die Bühne; der Sturm hat ganz aufgehört.
2. Szene
Zweite Szene
Der Wanderer ist dicht an die Höhle getreten und lehnt sich dann mit dem Rücken an sie, das Gesicht der Szene zugewandt.

WANDRER.
Dort seh ich Siegfried nahn. –

Er verbleibt in seiner Stellung an der Höhle. Siegfrieds Waldvogel flattert dem Vordergrunde zu. Plötzlich hält der Vogel in seiner Richtung ein, flattert ängstlich hin und her und verschwindet hastig dem Hintergrunde zu.
SIEGFRIED
tritt auf und hält an.
Mein Vöglein schwebte mir fort.
Mit flatterndem Flug
und süßem Sang
wies es mich wonnig des Wegs:
nun schwand es fern mir davon! –
Am besten find ich mir
selbst nun den Berg:
[721] wohin mein Führer mich wies,
dahin wandr ich jetzt fort –

Er schreitet nach hinten.
WANDRER
immer in seiner Stellung verbleibend.
Wohin, Knabe,
heißt dich dein Weg?
SIEGFRIED
hält an und wendet sich um.
Da redet's ja?
Wohl rät das mir den Weg. –

Er tritt dem Wandrer näher.

Einen Felsen such ich,
von Feuer ist der umwabert:
dort schläft ein Weib,
das ich wecken will.
WANDRER.
Wer sagt es dir,
den Fels zu suchen?
Wer nach der Frau dich zu sehnen?
SIEGFRIED.
Mich wies ein singend Waldvöglein,
das gab mir gute Kunde.
WANDRER.
Ein Vöglein schwatzt wohl manches,
kein Mensch doch kann's verstehn:
wie mochtest du Sinn
dem Sang entnehmen?
SIEGFRIED.
Das wirkte das Blut
eines wilden Wurms,
der mir vor Neidhöhl erblaßte:
kaum netzt es zündend die Zunge mir,
da verstand ich der Vöglein Gestimm.
WANDRER.
Erschlugst den Riesen du,
wer reizte dich,
den starken Wurm zu bestehn?
SIEGFRIED.
Mich führte Mime,
ein falscher Zwerg;
das Fürchten wollt er mich lehren:
zum Schwertstreich aber,
der ihn erstach,
reizte der Wurm mich selbst:
seinen Rachen riß er mir auf.
WANDRER.
Wer schuf das Schwert
so scharf und hart,
daß der stärkste Feind ihm fiel?
SIEGFRIED.
Das schweißt ich mir selbst,
da's der Schmied nicht konnte:
schwertlos noch wär ich wohl sonst.
[722]
WANDRER.
Doch, wer schuf
die starken Stücken,
daraus das Schwert du dir geschweißt?
SIEGFRIED.
Was weiß ich davon?
Ich weiß allein,
daß die Stücken mir nichts nützten,
schuf ich das Schwert mir nicht neu.
WANDRER
bricht in ein freudig gemütliches Lachen aus.
Das mein ich wohl auch!

Er betrachtet Siegfried wohlgefällig.
SIEGFRIED
verwundert.
Was lachst du mich aus?
Alter Frager!
Hör einmal auf,
laß mich nicht länger hier schwatzen.
Kannst du den Weg
mir weisen, so rede:
vermagst du's nicht,
so halte dein Maul!
WANDRER.
Geduld, du Knabe!
Dünk ich dich alt,
so sollst du Achtung mir bieten.
SIEGFRIED.
Das wär nicht übel!
So lang ich lebe,
stand mir ein Alter
stets im Wege,
den hab ich nun fort gefegt.
Stemmst du dort länger
steif dich mir entgegen,
sieh dich vor, sag ich,

Mit der entsprechenden Gebärde.

daß du wie Mime nicht fährst!

Er tritt noch näher an den Wanderer hinan.

Wie siehst du denn aus?
Was hast du gar
für 'nen großen Hut?
Warum hängt er dir so ins Gesicht?
WANDRER
immer ohne seine Stellung zu verlassen.
Das ist so Wandrers Weise,
wenn dem Wind entgegen er geht.
SIEGFRIED
immer näher ihn betrachtend.
Doch darunter fehlt
dir ein Auge?
Das schlug dir Einer
gewiß schon aus,
[723] dem du zu trotzig
den Weg vertratst?
Mach dich jetzt fort,
sonst könntest du leicht
das andre auch noch verlieren.
WANDRER
sehr ruhig.
Ich seh, mein Sohn,
wo du nichts weißt,
da weißt du dir leicht zu helfen. –
Mit dem Auge,
das als andres mir fehlt,
erblickst du selber das eine,
das mir zum Sehen verblieb.
SIEGFRIED
der sinnend zugehört hat, bricht jetzt unwillkürlich in ein helles Lachen aus.
Hahahaha!
Zum Lachen bist du mir lustig. –
doch hör, nun schwatz ich nicht länger:
geschwind zeig mir den Weg, –
deines Weges ziehe dann du;
zu nichts andrem
acht ich dich nütz:
drum sprich, sonst spreng ich dich fort!
WANDRER
weich.
Kenntest du mich,
kühner Sproß, –
den Schimpf spartest du mir.
Dir so vertraut,
trifft mich schmerzlich dein Dräuen.
Liebt ich von je
deine lichte Art,
Grauen auch zeugt ihr
mein zürnender Grimm.
Dem ich so hold bin,
Allzuhehrer!
Heut nicht wecke mir Neid:
er vernichtete dich und mich!
SIEGFRIED.
Bleibst du mir stumm,
störrischer Wicht?
Weich von der Stelle,
denn dorthin – ich weiß –
führt es zur schlafenden Frau:
so wies es mein Vöglein,
das hier erst flüchtig entfloh.

Es wird schnell wieder ganz finster.
WANDRER
in Zorn ausbrechend und in gebieterischer Stellung.
[724] Es floh dir zu seinem Heil!
Den Herrn der Raben
erriet es hier:
weh ihm, holen sie's ein! –
Den Weg, den es zeigte,
sollst du nicht ziehn!
SIEGFRIED
tritt mit Verwunderung in trotziger Stellung zurück.
Hoho! Du Verbieter!
Wer bist du denn,
daß du mir wehren willst?
WANDRER.
Fürchte des Felsens Hüter!
Verschlossen hält
meine Macht die schlafende Maid:
wer sie erweckte,
wer sie gewänne,
machtlos macht er mich ewig.
Ein Feuermeer
umflutet die Frau:
glühende Lohe
umleckt den Fels:
wer die Braut begehrt,
dem brennt entgegen die Brunst. –

Er winkt mit dem Speer nach der Felsenhöhe.

Blick nach der Höh!
Erlugst du das Licht?
Es wächst der Schein,
es schwillt die Glut;
sengende Wolken,
wabernde Lohe
wälzen sich brennend
und prasselnd herab:
ein Lichtmeer
umleuchtet dein Haupt;

Mit wachsender Helle zeigt sich von der Höhe des Felsens her ein wabernder Feuerschein.

bald frißt und zehrt dich
zündendes Feuer.
Zurück denn, rasendes Kind!
SIEGFRIED.
Zurück, du Prahler, mit dir!
Dort, wo die Brünste brennen,
zu Brünnhilde muß ich dahin!

Er schreitet weiter. Der Wanderer stellt sich ihm entgegen.
[725]
WANDRER.
Fürchtest das Feuer du nicht,
so sperre mein Speer dir den Weg! –
Noch hält meine Hand
der Herrschaft Haft:
das Schwert, das du schwingst,
zerschlug einst dieser Schaft:
noch einmal denn
zerspring es am ew'gen Speer!

Er streckt den Speer vor.
SIEGFRIED
das Schwert ziehend.
Meines Vaters Feind,
find ich dich hier?
Herrlich zur Rache
geriet mir das!
Schwing deinen Speer:
in Stücken spalt ihn mein Schwert!

Er haut dem Wanderer mit einem Schlage den Speer in zwei Stücken: ein Blitzstrahl fährt daraus nach der Felsenhöhe zu, wo von nun an der bisher mattere Schein in immer helleren Feuerflammen zu lodern beginnt. Starker Donner, der schnell sich abschwächt, begleitet den Schlag. Die Speerstücken rollen zu des Wanderers Füßen. Er rafft sie ruhig auf.
WANDRER.
Zieh hin! Ich kann dich nicht halten! –

Er verschwindet plötzlich in völliger Finsternis.
SIEGFRIED.
Mit zerfocht'ner Waffe
floh mir der Feige?

Die wachsende Helle der immer tiefer sich senkenden Feuerwolken trifft Siegfrieds Blick.

Ha! Wonnige Glut!
Leuchtender Glanz!
Strahlend nun offen
steht mir die Straße.
Im Feuer mich baden!
Im Feuer zu finden die Braut!
Hoho! Hahei!
Jetzt lock ich ein liebes Gesell!

Siegfried setzt sein Horn an und stürzt sich in das wogende Feuer, welches sich, von der Höhe herabdringend, nun auch über den Vordergrund ausbreitet. Siegfried, den man bald nicht mehr erblickt, scheint sich nach der Höhe zu entfernen. Hellstes Leuchten der Flammen. Danach beginnt die Glut zu erbleichen und löst sich allmählich in ein immer feineres, wie durch die Morgenröte beleuchtetes Gewölk auf. [726] Das immer zarter gewordene Gewölk hat sich in einen feinen Nebelschleier von rosiger Färbung aufgelöst und zerteilt sich nun in der Weise, daß der Duft sich gänzlich nach oben verzieht und dort endlich nur noch den heitren blauen Tageshimmel erblicken läßt, während am Saume der nun sichtbar werdenden Felsenhöhe (ganz die gleiche Szene wie im 3. Akte der »Walküre«) ein morgenrötlicher Nebelschleier haften bleibt, welcher zugleich an die in der Tiefe noch lodernde Zauberlohe erinnert. – Die Anordnung der Szene ist durchaus dieselbe wie am Schlusse der »Walküre«: im Vordergrunde, unter der breitästigen Tanne, liegt Brünnhilde in vollständiger glänzender Panzerrüstung, mit dem
Helm auf dem Haupte, den langen Schild über sich gedeckt, in tiefem Schlafe.
SIEGFRIED
gelangt von außen her auf den felsigen Saum der Höhe und zeigt sich dort zuerst nur mit dem Oberleib: so blickt er lange staunend um sich.
Selige Öde
auf wonniger Höh!

Er steigt vollends ganz herauf und betrachtet, auf einem Felsensteine des hinteren Abhanges stehend, mit Verwunderung die Szene. Er blickt zur Seite in den Tann und schreitet etwas vor.

Was ruht dort schlummernd
im schattigen Tann?
Ein Roß ist's,
rastend in tiefem Schlaf. –

Langsam näher kommend, hält er verwundert an, als er noch aus einiger Entfernung Brünnhildes Gestalt wahrnimmt.

Was strahlt mir dort entgegen?
Welch glänzendes Stahlgeschmeid?
Blendet mir noch
die Lohe den Blick?
Helle Waffen? –
Heb ich sie auf? –

Er hebt den Schild ab und erblickt Brünnhildes Gestalt, während ihr Gesicht jedoch zum großen Teil vom Helm verdeckt ist.

Ha! – in Waffen ein Mann? –
Wie mahnt mich wonnig sein Bild! –
[727] Das hehre Haupt
drückt wohl der Helm? –
Leichter würd ihm,
löst ich den Schmuck?

Vorsichtig löst er den Helm und hebt ihn der Schlafenden ab: langes lockiges Haar bricht hervor. Siegfried erschrickt.

Ach! wie schön!

Er bleibt im Anblick versunken.

Schimmernde Wolken
säumen in Wellen
den hellen Himmels-See,
leuchtender Sonne
lachendes Bild
strahlt durch das Wogengewölk.

Er neigt sich tiefer zu der Schlafenden hinab.

Von schwellendem Atem
schwingt sich die Brust: –
brech ich die engende Brünne?

Er versucht die Brünne zu lösen.

Komm, mein Schwert
Schneide das Eisen!

Siegfried zieht sein Schwert, durchschneidet mit zarter Vorsicht die Panzerringe zu beiden Seiten der Rüstung und hebt dann die Brünne und die Schienen ab, so daß nun Brünnhilde in einem weichen weiblichen Gewande vor ihm liegt. Er fährt erschreckt und staunend auf.

Das ist kein Mann! –

Er starrt in höchster Aufgeregtheit auf die Schlafende hin.

Brennender Zauber
zückt mir ins Herz;
feurige Angst
faßt meine Augen:
mir schwankt und schwindelt der Sinn.

Er gerät in höchste Beklemmung.

Wen ruf ich zum Heil,
daß er mir helfe?
Mutter! Mutter!
Gedenke mein!

Er sinkt, wie ohnmächtig, an Brünnhildes Busen. – Langes Schweigen. – Er fährt seufzend auf.

Wie weck ich die Maid,
daß sie ihr Auge mir öffne? –
Das Auge mir öffnen?
[728] Blende mich auch noch der Blick?
Wagt es mein Trotz?
Ertrüg ich das Licht?
Mir schwebt und schwankt,
und schwirrt es umher!
Sehrendes Sehnen
zehrt meine Sinne;
am zagenden Herzen
zittert die Hand! –
Wie ist mir Feigem?
Ist dies das Fürchten?
O Mutter! Mutter!
Dein mutiges Kind!
Im Schlafe liegt eine Frau, –
die hat ihn das Fürchten gelehrt.
Wie end ich die Furcht?
Wie faß ich Mut? –
Daß ich selbst erwache,
muß die Maid ich erwecken. –

Indem er sich der Schlafenden von neuem nähert, wird er wieder von zarteren Empfindungen an ihren
Anblick gefesselt. Er neigt sich tiefer hinab.

Süß erbebt mir
ihr blühender Mund. –
Wie mild erzitternd
mich Zagen er reizt!
Ach! dieses Atems
wonnig warmes Gedüft!

Wie in Verzweiflung.

Erwache! Erwache!
Heiliges Weib!

Er starrt auf sie hin.

Sie hört mich nicht. –

Gedehnt, mit gepreßtem, drängendem Ausdruck.

So saug ich mir Leben
aus süßesten Lippen, –
sollt ich auch sterbend vergehn!

Er sinkt, wie ersterbend, auf die Schlafende und heftet, mit geschlossenen Augen, seine Lippen auf ihren Mund. – Brünnhilde schlägt die Augen auf. – Siegfried fährt auf und bleibt vor ihr stehen. Brünnhilde richtet sich langsam zum Sitzen auf. Sie begrüßt mit feierlichen Gebärden der erhobenen Arme [729] ihre Rückkehr zur Wahrnehmung der Erde
und des Himmels
BRÜNNHILDE.
Heil dir, Sonne!
Heil dir, Licht!
Heil dir, leuchtender Tag! –
Lang war mein Schlaf;
ich bin erwacht:
wer ist der Held,
der mich erweckt?
SIEGFRIED
von ihrem Blick und ihrer Stimme feierlich ergriffen, steht wie festgebannt.
Durch das Feuer drang ich,
das den Fels umbrann:
ich erbrach dir den festen Helm:
Siegfried bin ich,
der dich erweckt.
BRÜNNHILDE
hoch aufgerichtet sitzend.
Heil euch, Götter!
Heil dir, Welt!
Heil dir, prangende Erde!
Zu End ist nun mein Schlaf;
erwacht, seh ich:
Siegfried ist es,
der mich erweckt.
SIEGFRIED
in erhabenste Entzückung ausbrechend.
O Heil der Mutter,
die mich gebar!
Heil der Erde,
die mich genährt!
Daß ich das Aug' erschaut,
das jetzt mir Seligem lacht!
BRÜNNHILDE.
O Heil der Mutter,
die dich gebar!
Heil der Erde,
die dich genährt!
Nur dein Blick durfte mich schaun,
erwachen durft ich nur dir!

Beide bleiben voll strahlenden Entzückens in ihren gegenseitigen Anblick verloren.

O Siegfried! Siegfried!
Seliger Held,
du Wecker des Lebens,
siegendes Licht!
[730] O wüßtest du, Lust der Welt,
wie ich dich je geliebt!
Du warst mein Sinnen,
mein Sorgen du,
Dich Zarten nährt ich,
noch eh du gezeugt,
noch eh du geboren,
barg dich mein Schild.
So lang lieb ich dich, Siegfried!
SIEGFRIED
leise und schüchtern.
So starb nicht meine Mutter?
Schlief die minnige nur?
BRÜNNHILDE
lächelt, freundlich die Hand nach ihm ausstreckend.
Du wonniges Kind!
Deine Mutter kehrt dir nicht wieder.
Du selbst bin ich,
wenn du mich Selige liebst.
Was du nicht weißt,
weiß ich für dich;
doch – wissend bin ich
nur, weil ich dich liebe!
O Siegfried! Siegfried!
Siegendes Licht!
Dich liebt ich immer,
denn mir allein
erdünkte Wotans Gedanke:
der Gedanke, den ich nie
nennen durfte,
den ich nicht dachte,
sondern nur fühlte;
für den ich focht,
kämpfte und stritt,
für den ich trotzte
dem, der ihn dachte;
für den ich büßte,
Strafe mich band,
weil ich nicht ihn dachte,
und nur empfand, –
denn, – der Gedanke –
dürftest du's lösen! –
mir war er nur Liebe zu dir!
SIEGFRIED.
Wie Wunder tönt,
was wonnig du singst, –
doch dunkel dünkt mich der Sinn.
[731] Deines Auges Leuchten
seh ich licht;
deines Atems Wehen
fühl ich warm,
deiner Stimme Singen
hör ich süß: –
doch was du singend mir sagst,
staunend versteh ich's nicht.
Nicht kann ich das Ferne
sinnig erfassen,
wenn alle Sinne
dich nur sehen und fühlen! –
Mit banger Furcht
fesselst du mich:
du Einz'ge hast
ihre Angst mich gelehrt;
den du gebunden
in mächtigen Banden,
birg meinen Mut mir nicht mehr!

Er verweilt, in großer Aufregung den sehnsuchtsvollen Blick auf sie heftend.
BRÜNNHILDE
wendet sanft das Haupt zur Seite und richtet ihren Blick nach dem Tann.
Dort seh ich Grane,
mein selig Roß:
wie weidet er munter,
der mit mir schlief!
Mit mir hat ihn Siegfried erweckt.
SIEGFRIED
in der vorigen Stellung verbleibend.
Auf wonnigem Munde
weidet mein Auge;
in brünstigem Durst
doch brennen die Lippen,
daß der Augen Weide sie labe! –
BRÜNNHILDE
deutet ihm mit der Hand nach ihren Waffen, die sie gewahrt.
Dort seh ich den Schild,
der Helden schirmte.
Dort seh ich den Helm,
der das Haupt mir barg:
er schirmt, er birgt mich nicht mehr. –
SIEGFRIED
feurig.
Eine selige Maid
versehrte mein Herz;
[732] Wunden dem Haupte
schlug mir ein Weib:
ich kam ohne Schild und Helm!
BRÜNNHILDE
mit gesteigerter Wehmut.
Ich sehe der Brünne
prangenden Stahl:
ein scharfes Schwert
schnitt sie entzwei,
von dem maidlichen Leibe
löst es die Wehr!
Ich bin ohne Schutz und Schirm,
ohne Trutz ein trauriges Weib!
SIEGFRIED
feurig.
Durch brennendes Feuer
fuhr ich zu dir,
nicht Brünne noch Panzer
barg meinen Leib:
nun brach die Lohe
mir in die Brust;
es braust mein Blut
in blühender Brunst;
ein zehrendes Feuer
ist mir entzündet:
die Glut, die Brünnhilds
Felsen umbrann,
die brennt mir nun in der Brust!
O Weib! Jetzt lösche den Brand!
Schweige die schäumende Wut!

Er hat sie heftig umfaßt. Brünnhilde springt auf, wehrt ihm mit höchster Kraft der Angst und entflieht nach der anderen Seite.
BRÜNNHILDE.
Kein Gott nahte mir je!
Der Jungfrau neigten
scheu sich die Helden:
heilig schied sie aus Walhall. –
Wehe! Wehe!
Wehe der Schmach,
der schmählichen Not!
Verwundet hat mich,
der mich erweckt!
Er erbrach mir Brünne und Helm:
Brünnhilde bin ich nicht mehr.
SIEGFRIED.
Noch bist du mir
die träumende Maid;
[733] Brünnhildes Schlaf
brach ich noch nicht. –
Erwache, sei mir ein Weib!
BRÜNNHILDE
in Betäubung.
Mir schwirren die Sinne, –
mein Wissen schweigt:
soll mir die Weisheit schwinden?
SIEGFRIED.
Sangst du mir nicht,
dein Wissen sei
das Leuchten der Liebe zu mir?
BRÜNNHILDE
vor sich hinstarrend.
Trauriges Dunkel
trübt mir den Blick.
Mein Auge dämmert,
mein Licht verlischt:
Nacht wird's um mich.
Aus Nebel und Grau'n
windet sich wütend
ein Angstgewirr:
Schrecken schreitet,
und bäumt sich empor! –

Sie birgt heftig die Augen mit den Händen.
SIEGFRIED
indem er ihr sanft die Hände von den Augen löst.
Nacht umfängt
gebund'ne Augen.
Mit den Fesseln schwindet
das finstre Grau'n.
Tauch aus dem Dunkel und sieh:
sonnenhell leuchtet der Tag!
BRÜNNHILDE
in höchster Ergriffenheit.
Sonnenhell
leuchtet der Tag meiner Schmach! –
O Siegfried! Siegfried!
Sieh meine Angst!

Ihre Miene verrät, daß ihr ein anmutiges Bild vor die Seele tritt, von welchem ab sie den Blick mit Sanftmut wieder auf Siegfried richtet.

Ewig war ich,
ewig bin ich,
ewig in süß
sehnender Wonne,
doch ewig zu deinem Heil.
O Siegfried, Herrlicher!
Hort der Welt!
Leben der Erde,
lachender Held!
[734] Laß, ach laß,
lasse von mir!
Nahe mir nicht
mit der wütenden Nähe,
zwinge mich nicht
mit dem brechenden Zwang,
zertrümm're die Traute dir nicht! –
Sahst du dein Bild
im klaren Bach?
Hat es dich Frohen erfreut?
Rührtest zur Woge
das Wasser du auf,
zerflösse die klare
Fläche des Bachs, –
dein Bild sähst du nicht mehr,
nur der Welle schwankend Gewog! –
So berühre mich nicht,
trübe mich nicht! –
Ewig licht,
lachst du selig dann
aus mir dir entgegen,
froh und heiter, ein Held.
O Siegfried!
Leuchtender Sproß!
Liebe dich,
und lasse von mir:
vernichte dein Eigen nicht!
SIEGFRIED.
Dich lieb ich:
o liebtest mich du!
Nicht hab ich mehr mich:
Oh! hätte ich dich!
Ein herrlich Gewässer
wogt vor mir:
mit allen Sinnen
seh ich nur sie,
die wonnig wogende Welle.
Brach sie mein Bild,
so brenn ich nun selbst,
sengende Glut
in der Flut zu kühlen:
ich selbst, wie ich bin,
spring in den Bach:
oh, daß seine Wogen
[735] mich selig verschlängen,
mein Sehnen schwänd in der Flut!
Erwache, Brünnhilde,
wache, du Maid!
Lache und lebe,
süßeste Lust!
Sei mein! Sei mein! Sei mein!
BRÜNNHILDE
sehr innig.
Oh, Siegfried! Dein
war ich von je!
SIEGFRIED
feurig.
Warst du's von je,
so sei es jetzt!
BRÜNNHILDE.
Dein werd ich
ewig sein!
SIEGFRIED.
Was du sein wirst,
sei es mir heut! –
Faßt dich mein Arm,
umschling ich dich fest,
schlägt meine Brust
brünstig die deine,
zünden die Blicke,
zehren die Atem sich,
Aug in Auge,
Mund an Mund!
Dann bist du mir,
was bang du mir warst und wirst:
dann brach sich die brennende Sorge,
ob jetzt Brünnhilde mein?
BRÜNNHILDE.
Ob jetzt ich dein?
Göttliche Ruhe
rast mir in Wogen,
keuschestes Licht
lodert in Gluten:
himmlisches Wissen
stürmt mir dahin,
Jauchzen der Liebe
jagt es davon!
Ob jetzt ich dein? –
Siegfried! Siegfried!
Siehst du mich nicht?
Wie mein Blick dich verzehrt, –
erblindest du nicht?
Wie mein Arm dich preßt, –
entbrennst du mir nicht?
[736] Wie in Strömen mein Blut
entgegen dir stürmt,
das wilde Feuer,
fühlst du es nicht?
Fürchtest du, Siegfried,
fürchtest du nicht
das wild wütende Weib?

Sie umfaßt ihn heftig.
SIEGFRIED
in freudigem Schreck.
Ha!
Wie des Blutes Ströme sich zünden,
wie der Blicke Strahlen sich zehren;
wie die Arme brünstig sich pressen, –
kehrt mir zurück
mein kühner Mut;
und das Fürchten, ach!
das ich nie gelernt,
das Fürchten, das du
mich kaum gelehrt: –
das Fürchten, mich dünkt,
ich Dummer vergaß es nun ganz.

Er hat bei den letzten Worten Brünnhilde unwillkürlich losgelassen.
BRÜNNHILDE
freudig wild auflachend.
Oh! Kindischer Held!
Oh, herrlicher Knabe!
Du hehrster Taten
törichter Hort!
Lachend muß ich dich lieben,
lachend will ich erblinden,
lachend laß uns verderben,
lachend zugrunde gehn!
Fahr hin, Walhalls
leuchtende Welt!
Zerfall in Staub
deine stolze Burg!
Leb wohl, prangende
Götterpracht!
End in Wonne,
du ewig Geschlecht!
Zerreißt, ihr Nornen
das Runenseil!
Götterdämmrung,
dunkle herauf!
[737] Nacht der Vernichtung,
neble herein! –
Mir strahlt zur Stunde
Siegfrieds Stern:
er ist mir ewig,
ist mir immer,
Erb und Eigen,
Ein und All:
leuchtende Liebe,
lachender Tod!
SIEGFRIED.
Lachend erwachst
du Wonnige mir!
Bünnhilde lebt,
Brünnhilde lacht!
Heil dem Tage,
der uns umleuchtet!
Heil der Sonne,
die uns bescheint!
Heil dem Licht,
das der Nacht enttaucht!
Heil der Welt,
der Brünnhilde lebt!
Sie wacht, sie lebt,
sie lacht mir entgegen:
prangend strahlt
mir Brünnhildes Stern!
Sie ist mir ewig,
ist mir immer,
Erb und Eigen,
Ein und All!
Leuchtende Liebe,
lachender Tod!

Brünnhilde stürzt sich in Siegfrieds Arme.
[738]

[739] [751]Dritter Tag
Götterdämmerung

Schauplatz der Handlung

Vorspiel
Auf dem Walkürenfelsen
Erster Aufzug
Gunthers Hofhalle am Rhein. – Der Walkürenfelsen
Zweiter Aufzug
Vor Gunthers Halle
Dritter Aufzug
Waldige Gegend am Rhein. – Gunthers Halle

[751]

Personen

    • Siegfried

    • Gunther

    • Hagen

    • Alberich

    • Brünnhilde

    • Gutrune

    • Waltraute

    • Die drei Nornen

    • Die drei Rheintöchter

    • Mannen

    • Frauen
    • [752]

Vorspiel

Die Szene ist dieselbe wie am Schlusse des zweiten Tages, auf dem Walkürenfelsen.

Nacht. Aus der Tiefe des Hintergrundes leuchtet Feuerschein. – Die drei Nornen, hohe Frauengestalten in langen dunklen und schleierartigen Faltengewändern. Die erste (älteste) lagert im Vordergrund rechts unter der breitästigen Tanne; die zweite (jüngere) ist an einer Steinbank vor dem Felsengemach hingestreckt; die dritte (jüngste) sitzt in der Mitte des Hintergrundes auf einem Felssteine des Höhensaumes. Düsteres Schweigen und Bewegungslosigkeit.

DIE ERSTE NORN.
Welch Licht leuchtet dort?
DIE ZWEITE NORN.
Dämmert der Tag schon auf?
DIE DRITTE NORN.
Loges Heer
lodert feurig um den Fels.
Noch ist's Nacht.
Was spinnen und singen wir nicht?
DIE ZWEITE NORN
zu der ersten.
Wollen wir spinnen und singen,
woran spannst du das Seil?
DIE ERSTE NORN
während sie ein goldenes Seil von sich löst und mit dem einen Ende es an einen Ast der Tanne knüpft.
So gut und schlimm es geh,
schling ich das Seil und singe. –
An der Weltesche
wob ich einst,
da groß und stark
dem Stamm entgrünte
weihlicher Äste Wald.
Im kühlen Schatten
rauscht ein Quell:
Weisheit raunend
rann sein Gewell –
da sang ich heil'gen Sinn.
Ein kühner Gott
trat zum Trunk an den Quell;
seiner Augen eines
zahlt er als ewigen Zoll.
[753] Von der Weltesche
brach da Wotan einen Ast;
eines Speeres Schaft
entschnitt der Starke dem Stamm.
In langer Zeiten Lauf
zehrte die Wunde den Wald;
falb fielen die Blätter,
dürr darbte der Baum;
traurig versiegte
des Quelles Trank –
trüben Sinnes
ward mein Gesang.
Doch web ich heut
an der Weltesche nicht mehr,
muß mir die Tanne
taugen, zu fesseln das Seil, –
singe, Schwester,
dir werf ich's zu:
weißt du wie das wird?
DIE ZWEITE NORN
windet das ihr zugeworfene Seil um einen hervorspringenden Felsstein am Eingang des Gemaches.
Treu berat'ner
Verträge Runen
schnitt Wotan
in des Speeres Schaft:
den hielt er als Haft der Welt.
Ein kühner Held
zerhieb im Kampfe den Speer;
in Trümmer sprang
der Verträge heiliger Haft.
Da hieß Wotan
Walhalls Helden,
der Weltesche
welkes Geäst
mit dem Stamm in Stücke zu fällen:
die Esche sank;
ewig versiegte der Quell.
Feßle ich heut
an dem scharfen Fels das Seil,
singe, Schwester,
dir werf ich's zu:
weißt du wie das wird?
DIE DRITTE NORN
das Seil empfangend und dessen Ende hinter [754] sich werfend.
Es ragt die Burg,
von Riesen gebaut:
mit der Götter und Helden
heiliger Sippe
sitzt dort Wotan im Saal.
Gehau'ner Scheite
hohe Schicht
ragt zu Hauf
rings um die Halle:
die Weltesche war dies einst! –
Brennt das Holz
heilig brünstig und hell,
sengt die Glut
sehrend den glänzenden Saal,
der ewigen Götter Ende
dämmert ewig da auf. –
Wisset ihr noch?
So windet von neuem das Seil;
von Norden wieder
werf ich's dir nach.

Sie wirft das Seil der zweiten Norn zu; diese schwingt es der ersten hin, welche das Seil vom Zweige löst und es an einen anderen Ast wieder anknüpft.

Spinne, Schwester, und singe!
DIE ERSTE NORN
bei ihrer Beschäftigung nach hinten blickend.
Dämmert der Tag?
Oder leuchtet die Lohe?
Getrübt trügt sich mein Blick;
nicht hell eracht ich
das heilig Alte,
da Loge einst
brannte in lichter Glut.
Weißt du, was aus ihm ward?
DIE ZWEITE NORN
das zugeworfene Seil wieder um den Stein windend.
Durch des Speeres Zauber
zähmte ihn Wotan;
Räte raunt er dem Gott:
an des Schaftes Runen,
frei sich zu raten,
nagte zehrend sein Zahn:
da mit des Speeres
zwingender Spitze
[755] bannte ihn Wotan,
Brünnhildes Fels zu umbrennen. –

Sie wirft das Seil der dritten Norn zu: diese wirft es wieder hinter sich.

Weißt du was aus ihm wird?
DIE DRITTE NORN.
Des zerschlag'nen Speeres
stechende Splitter
taucht einst Wotan
dem Brünstigen tief in die Brust:
zehrender Brand
zündet da auf;
den wirft der Gott
in der Weltesche
zu Hauf geschichtete Scheite. –

Sie wirft das Seil zurück; die zweite Norn windet es auf und wirft es der ersten wieder zu.

Wollt ihr wissen
wann das wird?
Schwinget, Schwestern, das Seil! –
DIE ZWEITE NORN
das Seil von Neuem anknüpfend.
Die Nacht weicht;
nichts mehr gewahr ich:
des Seiles Fäden
find ich nicht mehr;
verflochten ist das Geflecht.
Ein wüstes Gesicht
wirrt mir wütend den Sinn: –
das Rheingold
raubte Alberich einst:
weißt du was aus ihm ward?
DIE ZWEITE NORN
windet mit mühevoller Hast das Seil um den zackigen Stein des Gemaches.
Des Steines Schärfe
schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr
der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb:
aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.

Das Seil der dritten Norn zuwerfend.

Weißt du, was daraus wird?
[756]
DIE DRITTE NORN
das zugeworfene Seil hastig fassend.
Zu locker das Seil, –
mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden
neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt! –

Sie zieht gewaltsam das Seil an; dieses reißt.

Es riß! –
DIE ZWEITE NORN.
Es riß!
DIE ERSTE NORN.
Es riß!

Erschreckt fahren die Nornen auf und treten nach der Mitte der Bühne zusammen: Sie fassen die Stücken des zerrissenen Seiles und binden damit ihre Leiber aneinander.
DIE DREI NORNEN.
Zu End ewiges Wissen!
Der Welt melden
Weise nichts mehr. –
DIE DRITTE NORN.
Hinab!
DIE ZWEITE NORN.
Zur Mutter!
DIE ERSTE NORN.
Hinab!

Sie verschwinden Tagesgrauen. – Wachsende Morgenröte, immer schwächeres Leuchten des Feuerscheines aus der Tiefe. – Sonnenaufgang. Voller Tag. – Siegfried und Brünnhilde treten aus dem Steingemache auf. Er ist in vollen Waffen, sie führt ihr Roß am Zaume.
BRÜNNHILDE.
Zu neuen Taten,
teurer Helde,
wie liebt ich dich,
ließ ich dich nicht?
Ein einzig Sorgen
läßt mich säumen,
daß dir zu wenig
mein Wert gewann.
Was Götter mich wiesen,
gab ich dir:
heiliger Runen
reichen Hort;
doch meiner Stärke
magdlichen Stamm
nahm mir der Held,
dem ich nun mich neige.
Des Wissens bar,
doch des Wunsches voll:
[757] an Liebe reich,
doch ledig der Kraft,
mögst du die Arme
nicht verachten,
die dir nur gönnen,
nicht geben mehr kann!
SIEGFRIED.
Mehr gabst du Wunderfrau,
als ich zu wahren weiß.
Nicht zürne, wenn dein Lehren
mich unbelehret ließ!
Ein Wissen doch wahr ich wohl –

Feurig.

daß mir Brünnhilde lebt;
eine Lehre lernt ich leicht –
Brünnhildes zu gedenken!
BRÜNNHILDE.
Willst du mir Minne schenken,
gedenke deiner nur,
gedenke deiner Taten:
gedenk des wilden Feuers,
das furchtlos du durchschrittest,
da den Fels es rings umbrann!
SIEGFRIED.
Brünnhilde zu gewinnen!
BRÜNNHILDE.
Gedenk der beschildeten Frau,
die in tiefem Schlaf du fandest,
der den festen Helm du erbrachst!
SIEGFRIED.
Brünnhilde zu erwecken!
BRÜNNHILDE.
Gedenk der Eide,
die uns einen;
gedenk der Treue,
die wir tragen;
gedenk der Liebe,
der wir leben:
Brünnhilde brennt dann ewig
heilig dir in der Brust.

Sie umarmt Siegfried.
SIEGFRIED.
Laß ich, Liebste, dich hier
in der Lohe heiliger Hut,

Er hat den Ring Alberichs von seinem Finger gezogen und reicht ihn jetzt Brünnhilde dar.

zum Tausche deiner Runen
reich ich dir diesen Ring.
Was der Taten je ich schuf,
des Tugend schließt er ein.
[758] Ich erschlug einen wilden Wurm,
der grimmig lang ihn bewacht:
nun wahre du seine Kraft
als Weihegruß meiner Treu!
BRÜNNHILDE
voll Entzücken den Ring sich ansteckend.
Ihn geiz ich als einziges Gut!
Für den Ring nimm nun auch mein Roß!
Ging sein Lauf mit mir
einst kühn durch die Lüfte, –
mit mir
verlor es die mächt'ge Art;
über Wolken hin
auf blitzenden Wettern
nicht mehr
schwingt es sich mutig des Wegs;
doch wohin du ihn führst,
sei es durchs Feuer,
grauenlos folgt dir Grane:
denn dir, o Helde,
soll es gehorchen.
Du hüt ihn wohl;
er hört dein Wort:
O, bringe Grane
oft Brünnhildes Gruß!
SIEGFRIED.
Durch deine Tugend allein
soll so ich Taten noch wirken?
Meine Kämpfe kiesest du,
meine Siege kehren zu dir:
auf deines Rosses Rücken,
in deines Schildes Schirm, –
nicht Siegfried acht ich mich mehr,
ich bin nur Brünnhildes Arm.
BRÜNNHILDE.
O wäre Brünnhild' deine Seele!
SIEGFRIED.
Durch sie entbrennt mir der Mut.
BRÜNNHILDE.
So wärst du Siegfried und Brünnhild'?
SIEGFRIED
zart.
Wo ich bin, bergen sich Beide.
BRÜNNHILDE
lebhaft.
So verödet mein Felsensaal?
SIEGFRIED.
Vereint faßt er uns Zwei!
BRÜNNHILDE
in großer Ergriffenheit.
Oh! heilige Götter!
Hehre Geschlechter!
Weidet eu'r Aug
an dem weihvollen Paar!
Getrennt – wer will es scheiden?
[759] Geschieden – trennt es sich nie!
SIEGFRIED.
Heil dir, Brünnhilde,
prangender Stern!
Heil, strahlende Liebe!
BRÜNNHILDE.
Heil dir, Siegfried,
siegendes Licht!
Heil, strahlendes Leben!
BEIDE.
Heil! Heil! Heil! Heil!

Siegfried geleitet das Roß schnell dem Felsenabhange zu, wohin ihm Brünnhilde folgt. Siegfried ist mit dem Rosse hinter dem Felsenvorsprung abwärts verschwunden, so daß der Zuschauer ihn nicht mehr sieht; Brünnhilde steht so plötzlich allein am Abhang und blickt Siegfried in die Tiefe nach. – Brünnhilds Gebärde zeigt, daß jetzt Siegfried ihrem Blicke entschwindet. – Man hört Siegfrieds Horn aus der Tiefe. Brünnhilde lauscht. Sie tritt weiter auf den Abhang hinaus. Jetzt erblickt sie Siegfried nochmals in der Tiefe: sie winkt ihm mit entzückter Gebärde zu. Aus ihrem freudigen Lächeln deutet sich der Anblick des lustig davon ziehenden Helden. Der Vorhang fällt schnell.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Die Halle der Gibichungen am Rhein.

Diese offen. Den Hintergrund selbst nimmt ein freier Uferraum bis zum Flusse hin ein; felsige Anhöhen umgrenzen das Ufer. – Gunther und Gutrune auf dem Hochsitze zur Seite, vor welchem ein Tisch mit Trinkgeräte steht; davor sitzt Hagen.

GUNTHER.
Nun hör, Hagen;
sage mir, Held:
sitz ich herrlich am Rhein,
Gunther zu Gibichs Ruhm?
HAGEN.
Dich echt genannten
acht ich zu neiden;
die beid uns Brüder gebar,
Frau Grimhild ließ mich's begreifen.
[760]
GUNTHER.
Dich neide ich;
nicht neide mich du.
Erbt ich Erstlings Art,
Weisheit ward dir allein:
Halbbrüder Zwist
bezwang sich nie besser.
Deinem Rat nur red ich Lob,
frag ich dich nach meinem Ruhm.
HAGEN.
So schelt ich den Rat,
da schlecht noch dein Ruhm;
denn hohe Güter weiß ich,
die der Gibichung noch nicht gewann.
GUNTHER.
Verschwiegst du sie,
so schelt auch ich.
HAGEN.
In sommerlich reifer Stärke
seh ich Gibichs Stamm,
dich, Gunther, unbeweibt, –
dich, Gutrun', ohne Mann.

Gunther und Gutrune sind in schweigendes Sinnen verloren.
GUNTHER.
Wen rätst du nun zu frein,
daß unsrem Ruhm es frommt?
HAGEN.
Ein Weib weiß ich,
das herrlichste der Welt;
auf Felsen hoch ihr Sitz;
ein Feuer umbrennt ihren Saal:
nur, wer durch das Feuer bricht,
darf Brünnhildes Freier sein.
GUNTHER.
Vermag das mein Mut zu bestehn?
HAGEN.
Einem Stärk'ren noch ist's nur bestimmt.
GUNTHER.
Wer ist der streitlichste Mann?
HAGEN.
Siegfried, der Wälsungen Sproß,
der ist der stärkste Held. –
Ein Zwillingspaar,
von Liebe bezwungen,
Siegmund und Sieglinde
zeugten den echtesten Sohn.
Der im Walde mächtig erwuchs, –
den wünscht ich Gutrun' zum Mann.
GUTRUNE
schüchtern beginnend.
Welche Tat schuf er so tapfer,
daß als herrlichster Held er genannt?
HAGEN.
Vor Neidhöhle
den Niblungenhort
bewachte ein riesiger Wurm:
[761] Siegfried schloß ihm
den freislichen Schlund,
erschlug ihn mit siegendem Schwert.
Solch ungeheurer Tat
enttagte des Helden Ruhm.
GUNTHER
im Nachsinnen.
Vom Niblungenhort vernahm ich:
er birgt den neidlichsten Schatz?
HAGEN.
Wer wohl ihn zu nützen wüßt,
dem neigte sich wahrlich die Welt.
GUNTHER.
Und Siegfried – hat ihn erkämpft?
HAGEN.
Knecht sind die Niblungen ihm.
GUNTHER.
Und Brünnhild' gewänne nur er?
HAGEN.
Keinem andren wiche die Brunst.
GUNTHER
erhebt sich unwillig vom Sitz.
Was weckst du Zweifel und Zwist?
Was ich nicht zwingen soll,
darnach zu verlangen
machst du mir Lust?

Er schreitet bewegt in der Halle auf und ab. Hagen, ohne seinen Sitz zu verlassen, hält Gunther, als dieser wieder in seine Nähe kommt, durch einen geheimnisvollen Wink fest.
HAGEN.
Brächte Siegfried
die Braut dir heim,
wär dann nicht Brünnhilde dein?
GUNTHER
wendet sich wieder zweifelnd und unmutig ab.
Was zwänge den frohen Mann
für mich die Braut zu frein?
HAGEN
wie vorher.
Ihn zwänge bald deine Bitte –
bänd ihn Gutrun' zuvor.
GUTRUNE.
Du Spötter, böser Hagen!
Wie sollt ich Siegfried binden?
Ist er der herrlichste
Held der Welt,
der Erde holdeste Frauen
friedeten längst ihn schon.
HAGEN
sich vertraulich zu Gutrune hinneigend.
Gedenk des Trankes im Schrein;

Heimlicher.

vertraue mir, der ihn gewann:
den Helden, des du verlangst,
bindet er liebend an dich.

Gunther ist wieder an den Tisch getreten und hört, auf ihn gelehnt, jetzt aufmerksam zu.

[762] Träte nun Siegfried ein,
genöß er des würzigen Tranks –
daß vor dir ein Weib er ersah,
daß je ein Weib ihm genaht,
vergessen müßt er des ganz.
Nun redet:
wie dünkt euch Hagens Rat?
GUNTHER
lebhaft auffahrend.
Gepriesen sei Grimhild',
die uns den Bruder gab!
GUTRUNE.
Möcht ich Siegfried je ersehn!
GUNTHER.
Wie fänden ihn wir auf?

Ein Horn klingt aus dem Hintergrund von links her. Hagen lauscht.
HAGEN.
Jagt er auf Taten
wonnig umher,
zum engen Tann
wird ihm die Welt:
wohl stürmt er in rastloser Jagd
auch zu Gibichs Strand an den Rhein.
GUNTHER.
Willkommen hieß ich ihn gern.

Horn näher, aber immer noch fern. Beide lauschen. Hagen eilt nach dem Ufer.

Vom Rhein her tönt das Horn.
HAGEN
späht den Fluß hinab und ruft zurück.
In einem Nachen Held und Roß! –
Der bläst so munter das Horn!

Gunther bleibt auf halbem Wege lauschend zurück.

Ein gemächlicher Schlag –
wie von müßiger Hand,
treibt jach den Kahn
wider den Strom:
so rüstiger Kraft
in des Ruders Schwung
rühmt sich nur der,
der den Wurm erschlug.
Siegfried ist es, sicher kein Andrer!
GUNTHER.
Jagt er vorbei?
HAGEN
ruft durch die hohlen Hände nach dem Flusse zu.
Hoiho! Wohin,
du heit'rer Held?
SIEGFRIEDS STIMME
aus der Ferne.
Zu Gibichs starkem Sohne.
HAGEN.
Zu seiner Halle entbiet ich dich. –

[763] Siegfried erscheint im Kahn am Ufer.

Hieher! Hier lege an!
2. Szene
Zweite Szene
Siegfried legt mit dem Kahn an. – Hagen schließt den Kahn mit der Kette am Ufer fest. Siegfried springt mit dem Rosse auf den Strand.

HAGEN.
Heil! Heil Siegfried, teurer Held!

Gunther ist zu Hagen an das Ufer getreten. Gutrune blickt, vom Hochsitz aus, in staunender Bewunderung auf Siegfried. – Gunther will freundlichen Gruß bieten. Alle sind in gegenseitiger stummer Betrachtung gefesselt.
SIEGFRIED
auf sein Roß gelehnt, bleibt ruhig am Kahne stehen.
Wer ist Gibichs Sohn?
GUNTHER.
Gunther, ich, den du suchst.
SIEGFRIED.
Dich hört ich rühmen
weit am Rhein:
nun ficht mit mir, –
oder sei mein Freund!
GUNTHER.
Laß den Kampf!
Sei willkommen!
SIEGFRIED
sieht sich ruhig um.
Wo berg ich mein Roß?
HAGEN.
Ich biet ihm Rast.
SIEGFRIED
zu Hagen gewendet.
Du riefst mich Siegfried:
sahst du mich schon?
HAGEN.
Ich kannte dich nur
an deiner Kraft.
SIEGFRIED
indem er an Hagen das Roß übergibt.
Wohl hüte mir Grane:
du hieltest nie
von edlerer Zucht
am Zaume ein Roß.

Hagen führt das Roß. Während Siegfried ihm gedankenvoll nachblickt, entfernt sich auch Gutrune, durch einen Wink Hagens bedeutet, von Siegfried unbemerkt, nach links durch eine Tür in ihr Gemach. Gunther schreitet mit Siegfried, den er dazu einlädt, in die Halle vor.
GUNTHER.
Begrüße froh, o Held,
die Halle meines Vaters:
wohin du schreitest,
[764] was du ersiehst,
das achte nun dein Eigen;
dein ist mein Erbe,
Land und Leut:
hilf, mein Leib, meinem Eide!
Mich selbst geb ich zum Mann. –
SIEGFRIED.
Nicht Land noch Leute biete ich,
noch Vaters Haus und Hof:
einzig erbt ich
den eig'nen Leib –
lebend zehrt ich den auf.
Nur ein Schwert hab ich,
selbst geschmiedet:
hilf, mein Schwert, meinem Eide! –
Das biet ich mit mir zum Bund.
HAGEN
der zurückgekommen ist und jetzt hinter Siegfried steht.
Doch des Niblungenhortes
nennt die Märe dich Herrn?
SIEGFRIED
sich zu Hagen umwendend.
Des Schatzes vergaß ich fast;
so schätz ich sein müß'ges Gut!
In einer Höhle ließ ich's liegen,
wo ein Wurm es einst bewacht.
HAGEN.
Und nichts entnahmst du ihm?
SIEGFRIED.
Dies Gewirk, unkund seiner Kraft.
HAGEN.
Den Tarnhelm kenn ich,
der Niblungen künstliches Werk:
er taugt, bedeckt er dein Haupt,
dir zu tauschen jede Gestalt;
verlangt dich's an fernsten Ort,
er entführt flugs dich dahin. –
Sonst nichts entnahmst du dem Hort?
SIEGFRIED.
Einen Ring.
HAGEN.
Den hütest du wohl?
SIEGFRIED
zart.
Den hütet ein hehres Weib.
HAGEN
für sich.
Brünnhild'! –
GUNTHER.
Nicht, Siegfried, sollst du mir tauschen.
Tand gäb ich für dein Geschmeid,
nähmst all mein Gut du dafür:
ohn Entgelt dien ich dir gern.

Hagen ist zu Gutrunes Türe gegangen und öffnet sie jetzt. Gutrune tritt heraus; sie trägt ein gefülltes Trinkhorn und nähert sich damit Siegfried.
[765]
GUTRUNE.
Willkommen, Gast,
in Gibichs Haus!
Seine Tochter reicht dir den Trank.
SIEGFRIED
neigt sich ihr freundlich und ergreift das Horn.
– Er hält es gedankenvoll vor sich hin. Leise, doch sehr bestimmt.
Vergäß ich Alles,
was du mir gabst,
von einer Lehre
laß ich doch nie:
den ersten Trunk
zu treuer Minne,
Brünnhilde, bring ich dir!

Er setzt das Trinkhorn an und trinkt in einem langen Zuge. Er reicht das Horn an Gutrune zurück, welche, verschämt und verwirrt, die Augen vor ihm niederschlägt. Siegfried heftet den Blick mit schnell entbrannter Leidenschaft auf sie.

Die so mit dem Blitz
den Blick du mir sengst,
was senkst du dein Auge vor mir?

Gutrune schlägt errötend das Auge zu ihm auf. – Heftig.

Ha, schönstes Weib!
Schließe den Blick;
das Herz in der Brust
brennt mir sein Strahl,
zu feurigen Strömen fühl ich
ihn zehrend zünden mein Blut! –

Mit bebender Stimme.

Gunther, wie heißt deine Schwester?
GUNTHER.
Gutrune.
SIEGFRIED
leise.
Sind's gute Runen,
die ihrem Aug' ich entrate?

Er faßt Gutrune feurig bei der Hand.

Deinem Bruder bot ich mich zum Mann:
der Stolze schlug mich aus;
trügst du wie er mir Übermut,
böt ich mich dir zum Bund?

Gutrune trifft unwillkürlich auf Hagens Blick; sie neigt demütig das Haupt, und mit einer Gebärde, als fühle sie sich seiner nicht wert, verläßt sie wankenden Schrittes wieder die Halle. Siegfried, von Hagen und Gunther aufmerksam beobachtet, blickt wie festgezaubert Gutrune nach; ohne sich umzuwenden.

Hast du, Gunther, ein Weib?
[766]
GUNTHER.
Nicht freit ich noch,
und einer Frau
soll ich mich schwerlich freun:
auf Eine setzt ich den Sinn,
die kein Rat mir je gewinnt.
SIEGFRIED
wendet sich lebhaft zu Gunther.
Was wär dir versagt,
steh ich zu dir?
GUNTHER.
Auf Felsen hoch ihr Sitz –
SIEGFRIED
mit verwunderungsvoller Hast einfallend.
– auf Felsen hoch ihr Sitz?
GUNTHER.
ein Feuer umbrennt den Saal –
SIEGFRIED.
– ein Feuer umbrennt den Saal?
GUNTHER.
Nur wer durch das Feuer bricht –
SIEGFRIED
mit der heftigsten Anstrengung, um eine Erinnerung festzuhalten.
Nur wer durch das Feuer bricht? –
GUNTHER.
– darf Brünnhildes Freier sein.

Siegfried verrät durch eine Gebärde, daß bei der Nennung von Brünnhildes Namen die Erinnerung
ihm vollends gänzlich schwindet.

Nun darf ich den Fels nicht erklimmen,
das Feuer verglimmt mir nie!
SIEGFRIED
kommt aus einem traumartigen Zustande zu sich und wendet sich mit übermütiger Lebhaftigkeit zu Gunther.
Ich fürchte kein Feuer,
für dich frei ich die Frau:
denn dein Mann bin ich,
und mein Mut ist dein, –
gewinn ich mir Gutrun' zum Weib.
GUNTHER.
Gutrune gönn ich dir gerne.
SIEGFRIED.
Brünnhilde bring ich dir!
GUNTHER.
Wie willst du sie täuschen?
SIEGFRIED.
Durch des Tarnhelms Trug
tausch ich mir deine Gestalt.
GUNTHER.
So stelle Eide zum Schwur!
SIEGFRIED.
Blutbrüderschaft
schwöre ein Eid!

Hagen füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein; dieses
hält er dann Siegfried und Gunther hin, welche sich mit ihren Schwertern die Arme ritzen und diese kurze Zeit über die Öffnung des Trinkhornes halten. Beide legen zwei ihrer Finger auf das Horn, welches Hagen fortwährend in ihrer Mitte hält.

[767] Blühenden Lebens
labendes Blut
träufelt ich in den Trank.
GUNTHER.
Bruder-brünstig
mutig gemischt
blüh im Trank unser Blut!
BEIDE.
Treue trink ich dem Freund!
Froh und frei
entblühe dem Bund
Blutbrüderschaft heut.
GUNTHER.
Bricht ein Bruder den Bund:
SIEGFRIED.
Trügt den Treuen der Freund:
BEIDE.
Was in Tropfen heut
hold wir tranken,
in Strahlen ström' es dahin, –
fromme Sühne dem Freund!
GUNTHER
trinkt und reicht das Horn Siegfried.
So biet ich den Bund!
SIEGFRIED.
So –

Er trinkt und hält das geleerte Trinkhorn Hagen hin.

trink ich dir Treu.

Hagen zerschlägt mit seinem Schwerte das Horn in zwei Stücken. Gunther und Siegfried reichen sich die Hände. Siegfried betrachtet Hagen, welcher während des Schwures hinter ihm gestanden.

Was nahmst du am Eide nicht teil?
HAGEN.
Mein Blut verdürb euch den Trank;
nicht fließt mir's echt
und edel wie euch:
störrisch und kalt
stockt's in mir,
nicht will's die Wange mir röten.
Drum bleib ich fern
vom feurigen Bund.
GUNTHER
zu Siegfried.
Laß den unfrohen Mann!
SIEGFRIED
hängt sich den Schild wieder über.
Frisch auf die Fahrt!
Dort liegt mein Schiff: –
schnell führt es zum Felsen.

Er tritt näher zu Gunther und bedeutet diesen.

Eine Nacht am Ufer
harrst du im Nachen;
die Frau fährst du dann heim.

[768] Er wendet sich zum Fortgehen und winkt Gunther, ihm zu folgen.
GUNTHER.
Rastest du nicht zuvor?
SIEGFRIED.
Um die Rückkehr ist's mir jach.

Er geht zum Ufer, um das Schiff los zu binden.
GUNTHER.
Du, Hagen! Bewache die Halle!

Er folgt Siegfried zum Ufer. – Während Siegfried und Gunther, nachdem sie ihre Waffen darin niedergelegt, im Schiff das Segel aufstecken und alles zur Abfahrt bereitmachen, nimmt Hagen seinen Speer und Schild. Gutrune erscheint an der Tür ihres Gemaches, als soeben Siegfried das Schiff abstößt, welches sogleich der Mitte des Stromes zutreibt.
GUTRUNE.
Wohin eilen die Schnellen?
HAGEN
während er sich gemächlich mit Schild und Speer vor der Halle niedersetzt.
Zu Schiff – Brünnhild' zu frei'n.
GUTRUNE.
Siegfried?
HAGEN.
Sieh, wie's ihn treibt,
zum Weib dich zu gewinnen.
GUTRUNE.
Siegfried – mein!

Sie geht lebhaft erregt in ihr Gemach zurück.–Siegfried hat das Ruder erfaßt und treibt jetzt mit dessen Schlägen den Nachen stromabwärts, so daß dieser bald gänzlich außer Gesicht kommt.
HAGEN
sitzt, mit dem Rücken an den Pfosten der Halle gelehnt, bewegungslos.
Hier sitz ich zur Wacht,
wahre den Hof,
wehre die Halle dem Feind, –
Gibichs Sohne
wehet der Wind,
auf Werben fährt er dahin. –
Ihm führt das Steuer
ein starker Held,
Gefahr ihm will er bestehn:
die eig'ne Braut
ihm bringt er zum Rhein;
mir aber bringt er den Ring! –
Ihr freien Söhne,
frohe Gesellen,
segelt nur lustig dahin: –
dünkt er euch niedrig,
[769] ihr dient ihm doch,
des Niblungen Sohn.

Ein Teppich, welcher dem Vordergrunde zu die Halle einfaßte, schlägt zusammen und schließt die Bühne vor dem Zuschauer ab.
3. Szene
Dritte Szene
Der Vorhang wird wieder aufgezogen. –
Die Felsenhöhe, wie im Vorspiel. –

Brünnhilde sitzt am Eingang des Steingemaches, in stummem Sinnen Siegfrieds Ring betrachtend. Von wonnigen Erinnerungen ergriffen, bedeckt sie den Ring mit ihren Küssen. Ferner Donner läßt sich vernehmen; sie blickt auf und lauscht. – Sie wendet sich wieder zu dem Ringe. Ein feuriger Blitz. Brünnhilde lauscht von neuem und späht nach der Ferne, von woher eine finstere Gewitterwolke dem Felsensaume zuzieht.

BRÜNNHILDE.
Altgewohntes Geräusch
raunt meinem Ohr die Ferne.
Ein Luftroß jagt
im Laufe daher;
auf der Wolke fährt es
wetternd zum Fels –
Wer fand mich Einsame auf?
WALTRAUTES STIMME
aus der Ferne.
Brünnhilde! Schwester!
Schläfst oder wachst du?
BRÜNNHILDE
fährt vom Sitze auf.
Waltrautes Ruf,
so wonnig mir kund! –

In die Szene rufend.

Kommst du Schwester?
Schwingst dich kühn zu mir her?

Sie eilt nach dem Felsrande.

Dort im Tann –
– dir noch vertraut –
steige vom Roß
und stell den Renner zur Rast!

Sie stürmt in den Tann, von wo ein starkes Geräusch, gleich einem Gewitterschlage, sich vernehmen läßt. Brünnhilde [770] kommt in heftiger Bewegung mit Waltraute zurück; sie bleibt freudig erregt, ohne Waltrautes ängstliche Scheu zu beachten.

Kommst du zu mir?
Bist du so kühn,
magst ohne Grauen
Brünnhild bieten den Gruß?
WALTRAUTE.
Einzig dir nur
galt meine Eil.
BRÜNNHILDE
in höchster freudiger Aufgeregtheit.
So wagtest du, Brünnhild' zulieb,
Walvaters Bann zu brechen? –
Oder wie – o sag! –
wär wider mich
Wotans Sinn erweicht? –
Als dem Gott entgegen
Siegmund ich schützte,
fehlend – ich weiß es –
erfüllt ich doch seinen Wunsch.
Daß sein Zorn sich verzogen,
weiß ich auch.
Denn verschloß er mich gleich in Schlaf,
fesselt' er mich auf dem Fels,
wies er dem Mann mich zur Magd,
der am Weg mich fänd und erweckt –
meiner bangen Bitte
doch gab er Gunst:
mit zehrendem Feuer
umzog er den Fels,
dem Zagen zu wehren den Weg.
So zur Seligsten
schuf mich die Strafe:
der herrlichste Held
gewann mich zum Weib!
In seiner Liebe
leucht und lach ich heut auf!

Sie umarmt Waltraute unter stürmischen Freudenbezeigungen, welche diese mit scheuer Ungeduld abzuwehren sucht.

Lockte dich Schwester mein Los?
An meiner Wonne
willst du dich weiden,
teilen, was mich betraf?
WALTRAUTE
heftig.
Teilen den Taumel,
der dich Törin erfaßt? –
[771] Ein Andres bewog mich in Angst,
zu brechen Wotans Gebot.

Brünnhilde gewahrt hier erst mit Befremdung die wild aufgeregte Stimmung Waltrautes.
BRÜNNHILDE.
Angst und Furcht
fesseln dich Arme?
So verzieh der Strenge noch nicht?
Du zagst vor des Strafenden Zorn?
WALTRAUTE
düster.
Dürft ich ihn fürchten,
meiner Angst fänd ich ein End!
BRÜNNHILDE.
Staunend versteh ich dich nicht.
WALTRAUTE.
Wehre der Wallung,
achtsam höre mich an!
Nach Walhall wieder
treibt mich die Angst,
die von Walhall hierher mich trieb.
BRÜNNHILDE
erschreckt.
Was ist's mit den ewigen Göttern?
WALTRAUTE.
Höre mit Sinn, was ich dir sage!
Seit er von dir geschieden,
zur Schlacht nicht mehr
schickte uns Wotan:
irr und ratlos
ritten wir ängstlich zu Heer;
Walhalls mutige Helden
mied Walvater.
Einsam zu Roß,
ohne Ruh noch Rast,
durchschweift er als Wandrer die Welt. –
Jüngst kehrte er heim;
in der Hand hielt er
seines Speeres Splitter, –
die hatte ein Held ihm geschlagen,
Mit stummem Wink
Walhalls Edle
wies er zum Forst,
die Weltesche zu fällen.
Des Stammes Scheite
hieß er sie schichten
zu ragendem Hauf
rings um der Seligen Saal.
Der Götter Rat
ließ er berufen;
den Hochsitz nahm
[772] heilig er ein:
ihm zu Seiten
hieß er die Bangen sich setzen,
in Ring und Reih
die Hall erfüllen die Helden. –
So sitzt er,
sagt kein Wort,
auf hehrem Sitze
stumm und ernst,
des Speeres Splitter
fest in der Faust;
Holdas Äpfel
rührt er nicht an.
Staunen und Bangen
binden starr die Götter.
Seine Raben beide
sandt er auf Reise;
kehrten die einst
mit guter Kunde zurück, –
dann noch einmal,
– zum letzten Mal! –
lächelte ewig der Gott.
Seine Knie umwindend
liegen wir Walküren, –
blind bleibt er
den flehenden Blicken:
uns alle verzehrt
Zagen und endlose Angst.
An seine Brust
preßt ich mich weinend;

Zögernd.

da brach sich sein Blick,
er gedachte, Brünnhilde, dein.
Tief seufzt er auf, –
schloß das Auge, –
und wie im Traume
raunt er das Wort:
»Des tiefen Rheines Töchtern
gäbe den Ring sie wieder zurück, –
von des Fluches Last
erlöst wär Gott und die Welt!« –
Da sann ich nach: –
von seiner Seite,
[773] durch stumme Reihen
stahl ich mich fort;
in heimlicher Hast
bestieg ich mein Roß,
und ritt im Sturme zu dir.
Dich, o Schwester,
beschwör ich nun:
was du vermagst,
vollend es dein Mut;
ende der Ewigen Qual!

Sie hat sich vor Brünnhilde niedergeworfen.
BRÜNNHILDE
ruhig.
Welch banger Träume Mären
meldest du Traurige mir!
Der Götter heiligem
Himmelsnebel
bin ich Törin enttaucht;
nicht faß ich, was ich erfahre.
Wirr und wüst
scheint mir dein Sinn:
in deinem Aug,
so übermüde,
glänzt flackernde Glut.
Mit blasser Wange,
du bleiche Schwester,
was willst du Wilde von mir?
WALTRAUTE
heftig.
An deiner Hand, der Ring –
er ist's; hör meinen Rat:
für Wotan wirf ihn von dir!
BRÜNNHILDE.
Den Ring – von mir?
WALTRAUTE.
Den Rheintöchtern gib ihn zurück!
BRÜNNHILDE.
Den Rheintöchtern – ich – den Ring?
Siegfrieds Liebespfand?
Bist du von Sinnen?
WALTRAUTE.
Hör mich, hör meine Angst!
Der Welt Unheil
haftet sicher an ihm.
Wirf ihn von dir,
fort in die Welle,
Walhalls Elend zu enden,
den verfluchten wirf in die Flut!
BRÜNNHILDE.
Ha! weißt du, was er mir ist?
Wie kannst du's fassen,
fühllose Maid! –
[774] Mehr als Walhalls Wonne,
mehr als der Ewigen Ruhm
ist mir der Ring:
ein Blick auf sein helles Gold,
ein Blitz aus dem hehren Glanz
gilt mir werter,
als aller Götter
ewig währendes Glück.
Denn selig aus ihm
leuchtet mir Siegfrieds Liebe, –
Siegfrieds Liebe! –
O, ließ sich die Wonne dir sagen! –
Sie wahrt mir den Reif. –
Geh hin zu der Götter
heiligem Rat!
Von meinem Ringe
raune ihnen zu:
Die Liebe ließe ich nie,
mir nähmen nie sie die Liebe,
stürzt auch in Trümmern
Walhalls strahlende Pracht!
WALTRAUTE.
Dies deine Treue?
So in Trauer
entlässest du lieblos die Schwester?
BRÜNNHILDE.
Schwinge dich fort,
fliehe zu Roß!
Den Reif entführst du mir nie!
WALTRAUTE.
Wehe! Wehe!
Weh dir, Schwester!
Walhalls Göttern weh!

Sie stürzt fort. – Bald erhebt sich unter Sturm eine Gewitterwolke aus dem Tann.
BRÜNNHILDE
während sie der davonziehenden hell erleuchteten Gewitterwolke, die sich bald gänzlich in der Ferne verliert, nachblickt.
Blitzend Gewölk,
vom Wind getragen,
stürme dahin:
zu mir nie steure mehr her!

Es ist Abend geworden. Aus der Tiefe leuchtet der Feuerschein allmählich heller auf. Brünnhilde blickt ruhig in die Landschaft hinaus.

[775] Abendlich, Dämmern
deckt den Himmel;
heller leuchtet
die hütende Lohe herauf.

Der Feuerschein nähert sich aus der Tiefe. Immer glühendere Flammenzungen lecken über den Felsensaum auf.

Was leckt so wütend
die lodernde Welle zum Wall?
Zur Felsenspitze
wälzt sich der feurige Schwall.

Man hört aus der Tiefe Siegfrieds Hornruf nahen. Brünnhilde fährt entzückt auf.

Siegfried!
Siegfried zurück!
Seinen Ruf sendet er her!
Auf! Auf! Ihm entgegen!
In meines Gottes Arm!

Sie eilt in höchstem Entzücken dem Felsrande zu. Feuerflammen schlagen herauf: aus ihnen springt Siegfried auf einen hoch ragenden Felsenstein empor, worauf die Flammen sogleich wieder zurückweichen und abermals nur aus der Tiefe heraufleuchten. Siegfried, auf dem Haupte den Tarnhelm, der ihm bis zur Hälfte das Gesicht verdeckt und nur die Augen frei läßt, erscheint in Gunthers Gestalt.

Verrat! –

Brünnhilde weicht voll Entsetzen zurück, flieht bis in den Vordergrund und heftet von da aus, in sprachlosem Erstaunen, ihren Blick auf Siegfried.

Wer drang zu mir?

Siegfried, im Hintergrunde auf dem Steine verweilend, betrachtet Brünnhilde, regungslos auf seinen Schild gelehnt. Langes Schweigen.
SIEGFRIED
mit verstellter (rauherer) Stimme.
Brünnhild! Ein Freier kam, –
den dein Feuer nicht geschreckt.
Dich werb ich nun zum Weib:
Du folge willig mir!
BRÜNNHILDE
heftig zitternd.
Wer ist der Mann,
der das vermochte,
was dem Stärksten nur bestimmt?
SIEGFRIED
unverändert wie zuvor.
Ein Held, der dich zähmt,
bezwingt Gewalt dich nur.
BRÜNNHILDE
von Grausen erfaßt.
Ein Unhold schwang sich
[776] auf jenen Stein!
Ein Aar kam geflogen,
mich zu zerfleischen! –
Wer bist du, Schrecklicher!

Langes Schweigen.

Stammst du von Menschen?
Kommst du von Hellas
nächtlichem Heer?
SIEGFRIED
wie zuvor, mit etwas bebender Stimme beginnend, alsbald aber wieder sicherer fortfahrend.
Ein Gibichung bin ich, –
und Gunther heißt der Held,
dem, Frau, du folgen sollst!
BRÜNNHILDE
in Verzweiflung ausbrechend.
Wotan! Ergrimmter,
grausamer Gott!
Weh! Nun erseh ich!
der Strafe Sinn!
Zu Hohn und Jammer
jagst du mich hin!
SIEGFRIED
springt vom Steine herab und tritt näher heran.
Die Nacht bricht an:
in deinem Gemach
mußt du dich mir vermählen!
BRÜNNHILDE
indem sie den Finger, an welchem sie Siegfrieds Ring trägt, drohend ausstreckt.
Bleib fern! Fürchte dies Zeichen!
Zur Schande zwingst du mich nicht,
so lang der Ring mich beschützt.
SIEGFRIED.
Mannesrecht gebe er Gunther:
durch den Ring sei ihm vermählt!
BRÜNNHILDE.
Zurück, du Räuber!
Frevelnder Dieb!
Erfreche dich nicht mir zu nah'n!
Stärker als Stahl
macht mich der Ring:
nie raubst du ihn mir!
SIEGFRIED.
Von dir ihn zu lösen,
lehrst du mich nun.

Er dringt auf sie ein. Sie ringen miteinander. Brünnhilde windet sich los, flieht und wendet sich um, wie zur Wehr. Siegfried greift sie von neuem an. Sie flieht; er erreicht sie. Beide ringen mit einander. Er faßt sie bei der Hand und entzieht [777] ihrem Finger den Ring. Brünnhilde schreit heftig auf. Als sie, wie zerbrochen, in seinen Armen niedersinkt, streift ihr Blick bewußtlos die Augen Siegfrieds. – Siegfried läßt die Machtlose auf die Steinbank vor dem Felsengemache niedergleiten.

Jetzt bist du mein.
Brünnhilde, Gunthers Braut, –
gönne mir nun dein Gemach!
BRÜNNHILDE
starrt ohnmächtig vor sich hin, matt.
Was könntest du wehren,
elendes Weib!

Siegfried treibt sie mit einer gebietenden Gebärde an. Zitternd und wankenden Schrittes geht sie in das Gemach. – Siegfried zieht sein Schwert.
SIEGFRIED
mit seiner natürlichen Stimme.
Nun, Nothung, zeuge du,
daß ich in Züchten warb.
Die Treue wahrend dem Bruder,
trenne mich von seiner Braut!

Er folgt Brünnhilde nach.

2. Akt

1. Szene
[778]
Erste Szene
ALBERICH
leise.
Schläfst du, Hagen, mein Sohn? –
Du schläfst und hörst mich nicht,
den Ruh und Schlaf verriet?
HAGEN
leise, ohne sich zu rühren, so daß er immerfort zu schlafen scheint, obwohl er die Augen starr offen hat.
Ich höre dich, schlimmer Albe:
was hast du meinem Schlaf zu sagen?
ALBERICH.
Gemahnt sei der Macht,
der du gebietest,
bist du so mutig,
wie die Mutter dich mir gebar!
HAGEN
immer wie zuvor.
Gab mir die Mutter Mut,
nicht mag ich dir doch danken,
daß deiner List sie erlag: –
frühalt – fahl und bleich,
haß ich die Frohen,
freue mich nie! –
ALBERICH
wie zuvor.
Hagen, mein Sohn!
Hasse die Frohen!
Mich Lustfreien,
Leidbelasteten,
liebst du so wie du sollst.
Bist du kräftig,
kühn und klug,
die wir bekämpfen
mit nächtigem Krieg,
schon gibt ihnen Not unser Neid.
Der einst den Ring mir entriß,
Wotan, der wütende Räuber, –
vom eig'nen Geschlechte
ward er geschlagen:
an den Wälsung verlor er
Macht und Gewalt;
mit der Götter ganzer Sippe
in Angst ersieht er sein Ende.
Nicht ihn fürcht ich mehr:
fallen muß er mit Allen! –
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
HAGEN
bleibt unverändert wie zuvor.
Der Ewigen Macht, –
wer erbte sie?
ALBERICH.
Ich – und du!
[779] Wir erben die Welt, –
trüg ich mich nicht
in deiner Treu,
teilst du meinen Gram und Grimm.
Wotans Speer
zerspellte der Wälsung,
der Fafner, den Wurm,
im Kampfe gefällt,
und kindisch den Reif sich errang;
jede Gewalt
hat er gewonnen:
Walhall und Nibelheim
neigen sich ihm.

Immer heimlich.

An dem furchtlosen Helden
erlahmt selbst mein Fluch;
denn nicht kennt er
des Ringes Wert,
zu nichts nützt er
die neidliche Macht.
Lachend, in liebender Brunst,
brennt er lebend dahin.
Ihn zu verderben,
taugt uns nun einzig! –
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
HAGEN
wie zuvor.
Zu seinem Verderben
dient er mir schon.
ALBERICH.
Den gold'nen Ring,
den Reif – gilt's zu erringen!
Ein weises Weib
lebt dem Wälsung zulieb:
riet es ihm je,
des Rheines Töchtern, –
die in Wassers Tiefen
einst mich betört, –
zurückzugeben den Ring:
verloren ging mir das Gold, –
keine List erlangte es je.
Drum, ohne Zögern
ziel auf den Reif!
Dich Zaglosen
zeugt ich mir ja,
[780] daß wider Helden
hart du mir hieltest.
Zwar – stark nicht genug,
den Wurm zu bestehn,
was allein dem Wälsung bestimmt, –
zu zähem Haß doch
erzog ich Hagen;
der soll mich nun rächen,
den Ring gewinnen,
dem Wälsung und Wotan zum Hohn! –
Schwörst du mir's, Hagen, mein Sohn?

Von hier an bedeckt ein immer finsterer werdender Schatten wieder Alberich. Zugleich beginnt das
erste Tagesgrauen.
HAGEN
immer wie zuvor.
Den Ring soll ich haben; –
harre in Ruh!
ALBERICH.
Schwörst du mir's, Hagen, mein Held?
HAGEN.
Mir selbst schwör' ich's; –
schweige die Sorge!

Wie mit dem Folgenden Alberichs Gestalt immer mehr dem Blicke entschwindet, wird auch seine Stimme immer unvernehmbarer.
ALBERICH.
Sei treu, Hagen, mein Sohn!
Trauter Helde – sei treu!
Sei treu! – Treu! –

Alberich ist gänzlich verschwunden. Hagen, der unverändert in seiner Stellung verblieben, blickt regungslos und starren Auges nach dem Rhein hin, auf welchem sich die Morgendämmerung ausbreitet.
2. Szene
Zweite Szene
Der Rhein färbt sich vom immer stärker erglühenden Morgenrot. – Hagen macht eine zuckende Bewegung. – Siegfried tritt plötzlich, dicht am Ufer, hinter einem Busche hervor.

SIEGFRIED.
Hoiho! Hagen!
Müder Mann!
Siehst du mich kommen?

Siegfried ist in seiner eigenen Gestalt; nur den Tarnhelm hat er noch auf dem Haupte; diesen zieht er jetzt ab und hängt ihn, während er hervorschreitet, in den Gürtel.
HAGEN
erhebt sich gemächlich.
Hei! Siegfried!
[781] Geschwinder Helde!
Wo brausest du her?
SIEGFRIED.
Vom Brünnhildenstein:
dort sog ich den Atem ein,
mit dem ich dich rief, –
so schnell war meine Fahrt.
Langsamer folgt mir ein Paar;
zu Schiff gelangt das her!
HAGEN.
So zwangst du Brünnhild?
SIEGFRIED.
Wacht Gutrune?
HAGEN
in die Halle rufend.
Hoiho! Gutrune!
Komm heraus!
Siegfried ist da:
was säumst du drin?
SIEGFRIED
sich zur Halle wendend.
Euch beiden meld ich,
wie ich Brünnhild band.

Gutrune tritt ihm aus der Halle entgegen.

Heiß mich willkommen,
Gibichskind!
Ein guter Bote bin ich dir.
GUTRUNE.
Freia grüße dich
zu aller Frauen Ehre!
SIEGFRIED.
Frei und hold
sei nun mir Frohem!
Zum Weib gewann ich dich heut.
GUTRUNE.
So folgt Brünnhild meinem Bruder?
SIEGFRIED.
Leicht ward die Frau ihm gefreit.
GUTRUNE.
Sengte das Feuer ihn nicht?
SIEGFRIED.
Ihn hätt es auch nicht versehrt;
doch ich durchschritt es für ihn, –
da dich ich wollt' erwerben.
GUTRUNE.
Doch dich hat es verschont?
SIEGFRIED.
Mich freute die schwelende Brunst.
GUTRUNE.
Hielt Brünnhild dich für Gunther?
SIEGFRIED.
Ihm glich ich auf ein Haar:
der Tarnhelm wirkte das,
wie Hagen tüchtig es wies.
HAGEN.
Dir gab ich guten Rat.
GUTRUNE.
So zwangst du das kühne Weib?
SIEGFRIED.
Sie wich – Gunthers Kraft.
GUTRUNE.
Und – vermählte sie sich dir?
SIEGFRIED.
Ihrem Mann gehorchte Brünnhild
eine volle bräutliche Nacht.
[782]
GUTRUNE.
Als ihr Mann doch galtest du?
SIEGFRIED.
Bei Gutrune weilte Siegfried.
GUTRUNE.
Doch zur Seite war ihm Brünnhild?
SIEGFRIED
auf sein Schwert deutend.
Zwischen Ost und West der Nord:
so nah – war Brünnhild ihm fern.
GUTRUNE.
Wie empfing Gunther sie nun von dir?
SIEGFRIED.
Durch des Feuers verlöschende Lohe.
im Frühnebel vom Felsen
folgte sie mir zu Tal;
dem Strande nah,
flugs die Stelle
tauschte Gunther mit mir:
durch des Geschmeides Tugend
wünscht ich mich schnell hierher.
Ein starker Wind nun treibt
die Trauten den Rhein herauf.
Drum rüstet jetzt den Empfang!
GUTRUNE.
Siegfried! Mächtigster Mann! –
Wie faßt mich Furcht vor dir!
HAGEN
vom Ufer her rufend.
In der Ferne seh ich ein Segel!
SIEGFRIED.
So sagt dem Boten Dank!
GUTRUNE.
Lasset uns sie hold empfangen,
daß heiter sie gern hier weile! –
Du, Hagen, minnig
rufe die Männer
nach Gibichs Hof zur Hochzeit!
Frohe Frauen
ruf ich zum Fest,
der Freudigen folgen sie gern.

Nach der Halle zuschreitend, wendet sie sich wieder um.

Rastest du, schlimmer Held?
SIEGFRIED.
Dir zu helfen – ruh ich aus.

Er reicht ihr die Hand und geht mit ihr in die Halle. – Hagen hat einen Felsstein in der Höhe des Hintergrundes erstiegen: dort setzt er jetzt sein Stierhorn zum Blasen an.
3. Szene
Dritte Szene
HAGEN.
Hoiho! Hoihohoho!
Ihr Gibichs Mannen,
machet euch auf!
[783] Wehe! Wehe!
Waffen! Waffen!
Waffen durch's Land!
Gute Waffen!
Starke Waffen!
Scharf zum Streit!
Not ist da!
Not! Wehe! Wehe!
Hoiho! Hoihohoho!

Hagen bleibt immer in seiner Stellung auf der Anhöhe. – Auf den verschiedenen Höhenpfaden stürmen in Hast und Eile gewaffnete Mannen herbei, erst einzelne, dann immer mehrere zusammen, welche sich dann auf dem Uferraum vor der Halle anhäufen.
DIE MANNEN.
Was tost das Horn?
Was ruft es zu Heer?
Wir kommen mit Wehr.
Wir kommen mit Waffen.
Hagen! Hagen!
Hoiho! Hoiho!
Welche Not ist da?
Welcher Feind ist nah?
Wer gibt uns Streit?
Ist Gunther in Not?
Wir kommen mit Waffen.
Mit scharfer Wehr.
Hoiho! Ho! Hagen!
HAGEN
immer von der Anhöhe herab.
Rüstet euch wohl,
und rastet nicht!
Gunther sollt ihr empfahn:
ein Weib hat der gefreit.
DIE MANNEN.
Drohet ihm Not?
Drängt ihn der Feind?
HAGEN.
Ein freisliches Weib
führet er heim.
DIE MANNEN.
Ihm folgen der Magen
feindliche Mannen?
HAGEN.
Einsam fährt er,
keiner folgt.
DIE MANNEN.
So bestand er die Not?
So bestand er den Kampf?
Sag es an!
[784]
HAGEN.
Der Wurmtöter
wehrte der Not:
Siegfried der Held,
der schuf ihm Heil!
EIN MANNE.
Was soll ihm das Heer nun noch helfen?
NEUN WEITERE.
Was hilft ihm nun das Heer?
HAGEN.
Starke Stiere
sollt ihr schlachten;
am Weihstein fließe
Wotan ihr Blut!
EIN MANNE.
Was, Hagen, was heißest du uns dann?
ACHT MANNEN.
Was heißest du uns dann?
VIER WEITERE.
Was soll es dann?
ALLE.
Was heißest du uns dann?
HAGEN.
Einen Eber fällen
sollt ihr für Froh,
einen stammigen Bock
stechen für Donner;
Schafe aber
schlachtet für Fricka,
daß gute Ehe sie gebe!

Die Mannen in immer mehr ausbrechender Heiterkeit.
ZWEI MANNEN.
Schlugen wir Tiere,
was schaffen wir dann?
WEITERE ZEHN MANNEN.
Schlugen wir Tiere.
was schaffen wir dann?
HAGEN.
Das Trinkhorn nehmt,
von trauten Frau'n
mit Met und Wein
wonnig gefüllt!
ALLE MANNEN.
Das Trinkhorn zur Hand,
wie halten wir es dann?
HAGEN.
Rüstig gezecht,
bis der Rausch euch zähmt:
Alles den Göttern zu Ehren,
daß gute Ehe sie geben!
DIE MANNEN
brechen in ein schallendes Gelächter aus.
Groß Glück und Heil
lacht nun dem Rhein,
da Hagen der Grimme
so lustig mag sein!
Der Hagedorn
sticht nun nicht mehr;
[785] zum Hochzeitsrufer
ward er bestellt.
HAGEN
der immer sehr ernst verblieben, ist zu den Mannen herabgestiegen und steht unter ihnen.
Nun, laßt das Lachen,
mut'ge Mannen!
Empfah't Gunthers Braut:
Brünnhilde naht dort mit ihm.

Er deutet die Mannen nach dem Rhein hin: diese eilen zum Teil auf die Anhöhe, während Andere sich am Ufer aufstellen, um die Ankommenden zu erblicken. Näher zu einigen Mannen tretend.

Hold seid der Herrin,
helfet ihr treu:
traf sie ein Leid,
rasch seid zur Rache!

Er wendet sich langsam zur Seite in den Hintergrund. Während des Folgenden kommt der Nachen mit Gunther und Brünnhilde auf dem Rheine an.
EIN MANNE
auf der Höhe.
Heil!
EINIGE.
Heil!
ANDERE.
Heil!

Diejenigen, welche von der Höhe ausgeblickt hatten, kommen zum Ufer herab.
ALLE.
Willkommen! Willkommen!

Einige Mannen springen in das Wasser und ziehen den Kahn an das Land. Alles drängt sich immer dichter an das Ufer.

Willkommen, Gunther!
Heil! Heil!
4. Szene
Vierte Szene
Gunther steigt mit Brünnhilde aus dem Kahne: die Mannen reihen sich ehrerbietig zu ihrem Empfange. Während des Folgenden geleitet Gunther Brünnhilde feierlich an der Hand.

DIE MANNEN.
Heil dir, Gunther!
Heil dir, und deiner Braut!
Heil sei Gunther dir
und deiner Braut!
Willkommen!

Sie schlagen die Waffen tosend zusammen.
[786]
GUNTHER
Brünnhilde, welche bleich und gesenkten Blickes ihm folgt, den Mannen vorstellend.
Brünnhild, die hehrste Frau,
bring ich euch her zum Rhein.
Ein edleres Weib
ward nie gewonnen.
Der Gibichungen Geschlecht,
gaben die Götter ihm Gunst,
zum höchsten Ruhm,
rag es nun auf!
DIE MANNEN
schlagen feierlich an ihre Waffen.
Heil dir,
glücklicher Gibichung!

Gunther geleitet Brünnhilde, welche nie aufblickt, zur Halle, aus welcher jetzt Siegfried und Gutrune, von Frauen begleitet, heraustreten.
GUNTHER
hält vor der Halle an.
Gegrüßt sei, teurer Held;
gegrüßt, holde Schwester!
Dich seh ich froh ihm zur Seite,
der dich zum Weib gewann.
Zwei sel'ge Paare
seh ich hier prangen:

Er führt Brünnhilde näher heran.

Brünnhild und Gunther,
Gutrun und Siegfried! –

Brünnhilde schlägt erschreckt die Augen auf und erblickt Siegfried: wie in Erstarrung bleibt ihr Blick auf ihn gerichtet. Gunther, welcher Brünnhildes heftig zuckende Hand losgelassen hat, sowie alle Übrigen zeigen starre Betroffenheit über Brünnhildes Benehmen.
EINIGE MANNEN.
Was ist ihr? Ist sie entrückt?

Brünnhilde beginnt zu zittern.
SIEGFRIED
geht einige Schritte auf Brünnhilde zu.
Was müht Brünnhildens Blick?
BRÜNNHILDE
kaum ihrer mächtig.
Siegfried ... hier? Gutrune ...?
SIEGFRIED.
Gunthers milde Schwester,
mir vermählt,
wie Gunther du.
BRÜNNHILDE
furchtbar heftig.
Ich ...? Gunther ...? Du lügst! –

Sie schwankt und droht umzusinken; Siegfried stützt sie.

Mir schwindet das Licht ...

Sie blickt in seinen Armen matt zu ihm auf.

Siegfried ... kennt mich nicht?
[787]
SIEGFRIED.
Gunther, deinem Weib ist übel! –

Gunther tritt hinzu.

Erwache, Frau!
Hier steht dein Gatte.
BRÜNNHILDE
erblickt am ausgestreckten Finger Siegfrieds den Ring und schrickt mit furchtbarer Heftigkeit auf.
Ha! ...Der Ring ...
an seiner Hand! –
Er ...? Siegfried ...?
EINIGE MANNEN.
Was ist? Was ist?
HAGEN
aus dem Hintergrund unter die Mannen tretend.
Jetzt merket klug,
was die Frau euch klagt!
BRÜNNHILDE
sucht sich zu ermannen indem sie die schrecklichste Aufregung gewaltsam zurückhält.
Einen Ring sah ich
an deiner Hand ...;
nicht dir gehört er,
ihn entriß mir –

Auf Gunther deutend.

dieser Mann.
Wie mochtest von ihm
den Ring du empfah'n?
SIEGFRIED
betrachtet aufmerksam den Ring an seinem Finger.
Den Ring empfing ich
nicht von ihm.
BRÜNNHILDE
zu Gunther.
Nahmst du von mir den Ring,
durch den ich dir vermählt,
so melde ihm dein Recht,
ford're zurück das Pfand!
GUNTHER
in großer Verwirrung.
Den Ring? ... Ich gab ihm keinen:
doch – kennst du ihn auch gut?
BRÜNNHILDE.
Wo bärgest du den Ring,
den du von mir erbeutet?

Gunther schweigt in höchster Betroffenheit. Brünnhilde fährt wütend auf.

Ha! – Dieser war es,
der mir den Ring entriß:
Siegfried, der trugvolle Dieb!

Alles blickt erwartungsvoll auf Siegfried, welcher über der Betrachtung des Ringes in fernes Sinnen verloren ist.
[788]
SIEGFRIED.
Von keinem Weib
kam mir der Reif, –
noch war's ein Weib,
dem ich ihn abgewann:
genau erkenn ich
des Kampfes Lohn,
den vor Neidhöhl einst ich bestand,
als den starken Wurm ich erschlug.
HAGEN
zwischen sie tretend.
Brünnhild, kühne Frau!
kennst du genau den Ring?
Ist's der, den du Gunther gabst,
so ist er sein, –
und Siegfried gewann ihn durch Trug,
den der Treulose büßen sollt!
BRÜNNHILDE
in furchtbarstem Schmerze aufschreiend.
Betrug! Betrug!

Mit diesen wiederholten Versuchen scheint sie den versagenden Atem bewältigen zu wollen.

Schändlichster Betrug!
Verrat! Verrat!
Wie noch nie er gerächt!
GUTRUNE.
Verrat? An wem?
MANNEN.
Verrat? Verrat?
FRAUEN.
Verrat? An wem?
BRÜNNHILDE.
Heil'ge Götter,
himmlische Lenker!
Rauntet ihr dies
in eurem Rat?
Lehrt ihr mich Leiden,
wie keiner sie litt?
Schuft ihr mir Schmach,
wie nie sie geschmerzt?
Ratet nun Rache,
wie nie sie gerast!
Zündet mir Zorn,
wie noch nie er gezähmt!
Heißet Brünnhild,
ihr Herz zu zerbrechen,
den zu zertrümmern,
der sie betrog!
GUNTHER.
Brünnhild, Gemahlin!
Mäß'ge dich!
BRÜNNHILDE.
Weich' fern, Verräter!
[789] Selbst verrat'ner!
Wisset denn Alle: –
nicht ihm, –
dem Manne dort
bin ich vermählt.
FRAUEN.
Siegfried? Gutruns Gemahl?
MANNEN.
Gutruns Gemahl?
BRÜNNHILDE.
Er zwang mir Lust
und Liebe ab.
SIEGFRIED.
Achtest du so
der eig'nen Ehre?
Die Zunge, die sie lästert,
muß ich der Lüge sie zeihen?
Hört, ob ich Treue brach! –
Blut-Brüderschaft
hab ich Gunther geschworen.
Nothung, das werte Schwert,
wahrte der Treue Eid:
mich trennte seine Schärfe
von diesem traur'gen Weib. –
BRÜNNHILDE.
Du listiger Held,
sieh wie du lügst,
wie auf dein Schwert
du schlecht dich berufst!
Wohl kenn ich seine Schärfe,
doch kenn auch die Scheide,
darin so wonnig
ruht an der Wand
Nothung, der treue Freund,
als die Traute sein Herr sich gewann.

Die Mannen und Frauen treten in lebhafter Entrüstung zusammen.
DIE MANNEN.
Wie? Brach er die Treue?
Trübte er Gunthers Ehre?
FRAUEN.
Brach er die Treue?
GUNTHER
zu Siegfried.
Geschändet wär ich,
schmählich bewahrt,
gäbst du die Rede
nicht ihr zurück!
GUTRUNE.
Treulos, Siegfried,
sannest du Trug?
Bezeuge, daß Jene
falsch dich zeiht!
[790]
DIE MANNEN.
Reinige dich,
bist du im Recht!
Schweige die Klage!
Schwöre den Eid!
SIEGFRIED.
Schweig ich die Klage,
schwör ich den Eid,
wer von euch wagt
seine Waffe daran?
HAGEN.
Meines Speeres Spitze
wag ich daran:
sie wahr in Ehren den Eid!

Die Mannen schließen einen Ring um Siegfried und Hagen. Hagen hält den Speer hin; Siegfried legt zwei Finger seiner rechten Hand auf die Speerspitze.
SIEGFRIED.
Helle Wehr,
heilige Waffe:
hilf meinem ewigen Eide!
Bei des Speeres Spitze
sprech ich den Eid: –
Spitze, achte des Spruchs!
Wo Scharfes mich schneidet,
schneide du mich;
wo der Tod mich soll treffen,
treffe du mich:
klagte das Weib dort wahr,
brach ich dem Bruder den Eid.
BRÜNNHILDE
tritt wütend in den Ring, reißt Siegfrieds Hand vom Speere hinweg und faßt dafür mit der ihrigen die Spitze.
Helle Wehr!
Heilige Waffe!
Hilf meinem ewigen Eide!
Bei des Speeres Spitze
sprech ich den Eid: –
Spitze, achte des Spruchs!
Ich weihe deine Wucht,
daß sie ihn werfe!
Deine Schärfe segne ich,
daß sie ihn schneide!
Denn, brach seine Eide er all,
schwur Meineid jetzt dieser Mann.
DIE MANNEN
im höchsten Aufruhr.
Hilf, Donner!
Tose dein Wetter,
zu schweigen die wütende Schmach!
[791]
SIEGFRIED.
Gunther! Wehr deinem Weibe,
das schamlos Schande dir lügt. –
Gönnt ihr Weil und Ruh,
der wilden Felsenfrau,
daß ihre freche Wut sich lege,
die eines Unholds
arge List
wider uns Alle erregt! –
Ihr Mannen, kehret euch ab,
laßt das Weibergekeif!
Als Zage weichen wir gern,
gilt es mit Zungen den Streit.

Er tritt dicht zu Gunther.

Glaub, mehr zürnt es mich als dich,
daß schlecht ich sie getäuscht;
der Tarnhelm, dünkt mich fast,
hat halb mich nur gehehlt.
Doch Frauengroll
friedet sich bald;
daß ich dir es gewann,
dankt dir gewiß noch das Weib! –

Er wendet sich wieder zu den Mannen.

Munter, ihr Mannen!
Folgt mir zum Mahl!

Zu den Frauen.

Froh zur Hochzeit
helfet, ihr Frauen!
Wonnige Lust
lache nun auf!
In Hof und Hain,
heiter vor Allen,
sollt ihr heute mich sehn.
Wen die Minne freut,
meinem frohen Mute
tu es der Glückliche gleich!

Siegfried schlingt, in ausgelassenem Übermut, seinen Arm um Gutrune und zieht sie mit sich in die Halle fort: die Mannen und Frauen, von seinem
Beispiele hingerissen, folgen ihm nach. – Die Bühne ist leer geworden. Nur Brünnhilde, Gunther und Hagen bleiben zurück. – Gunther hat sich, in tiefer Scham und furchtbarer Verstimmung, mit verhülltem Gesichte abseits niedergesetzt. Brünnhilde, im Vordergrunde stehend, [792] blickt Siegfried und Gutrune noch eine Zeitlang schmerzlich nach und senkt dann das Haupt.
5. Szene
Fünfte Szene
BRÜNNHILDE
in starrem Nachsinnen befangen.
Welches Unholds List
liegt hier verhohlen?
Welches Zaubers Rat
regte dies auf? –
Wo ist nun mein Wissen
gegen dies Wirrsal?
Wo sind meine Runen
gegen dies Rätsel? –
Ach, Jammer! Jammer!
Weh, ach Wehe!
All mein Wissen
wies ich ihm zu! –

Immer gesteigert.

In seiner Macht
hält er die Magd, –
in seinen Banden
hält er die Beute,
die, jammernd ob ihrer Schmach,
jauchzend der Reiche verschenkt!
Wer bietet mir nun das Schwert,
mit dem ich die Bande zerschnitt'?
HAGEN
dicht an Brünnhilde herantretend.
Vertraue mir, betrog'ne Frau!
Wer dich verriet,
das räche ich. –
BRÜNNHILDE
matt sich umblickend.
An wem?
HAGEN.
An Siegfried, der dich betrog.
BRÜNNHILDE.
An Siegfried? ... du?

Bitter lächelnd.

Ein einz'ger Blick
seines blitzenden Auges, –
das selbst durch die Lügengestalt
leuchtend strahlte zu mir, –
deinen besten Mut
machte er bangen.
[793]
HAGEN.
Doch meinem Speere
spart ihn sein Meineid?
BRÜNNHILDE.
Eid – und Meineid –,
müßige Acht!
Nach Stärk'rem späh,
deinen Speer zu waffnen,
willst du den Stärksten bestehn!
HAGEN.
Wohl kenn ich Siegfrieds
siegende Kraft,
wie schwer im Kampf er zu fällen;
drum raune nun du
mir guten Rat,
wie doch der Recke mir wich?
BRÜNNHILDE.
O, Undank! Schändlichster Lohn!
Nicht eine Kunst
war mir bekannt,
die zum Heil nicht half seinem Leib:
unwissend zähmt ihn
mein Zauberspiel, –
das ihn vor Wunden nun gewahrt.
HAGEN.
So kann keine Wehr ihm schaden?
BRÜNNHILDE.
Im Kampfe nicht! Doch –
träfst du im Rücken ihn. –
Niemals – das wußt ich –
wich er dem Feind,
nie reicht er fliehend ihm den Rücken:
an ihm drum spart ich den Segen.
HAGEN.
Und dort trifft ihn mein Speer! –

Er wendet sich rasch von Brünnhilde ab zu Gunther.

Auf, Gunther!
Edler Gibichung!
Hier steht dein starkes Weib:
was hängst du dort in Harm?
GUNTHER
leidenschaftlich auffahrend.
O Schmach!
O Schande!
Wehe mir,
dem jammervollsten Manne!
HAGEN.
In Schande liegst du,
leugn' ich das?
BRÜNNHILDE
zu Gunther.
O feiger Mann!
Falscher Genoss'!
Hinter dem Helden
hehltest du dich,
[794] daß Preise des Ruhmes
er dir erränge!
Tief wohl sank
das teure Geschlecht,
das solche Zagen gezeugt.
GUNTHER
außer sich.
Betrüger ich – und betrogen!
Verräter ich – und verraten!
Zermalmt mir das Mark!
Zerbrecht mir die Brust! –
Hilf, Hagen!
Hilf meiner Ehre!
Hilf deiner Mutter,
die mich auch ja gebar!
HAGEN.
Dir hilft kein Hirn,
dir hilft keine Hand;
dir hilft nur – Siegfrieds Tod!
GUNTHER
von Grausen erfaßt.
Siegfrieds Tod! ...
HAGEN.
Nur der sühnt deine Schmach!
GUNTHER
vor sich hinstarrend.
Blutbrüderschaft
schwuren wir uns!
HAGEN.
Des Bundes Bruch
sühne nun Blut!
GUNTHER.
Brach er den Bund?
HAGEN.
Da er dich verriet.
GUNTHER.
Verriet er mich?
BRÜNNHILDE
heftig.
Dich verriet er,
und mich verrietet ihr Alle!
Wär ich gerecht,
alles Blut der Welt
büßte mir nicht eure Schuld!
Doch des Einen Tod
taugt mir für Alle: –
Siegfried falle
zur Sühne für sich und euch!
HAGEN
zu Gunther gewendet.
Er falle

Heimlich.

dir zum Heil!
Ungeheure Macht wird dir,
gewinnst von ihm du den Ring,
den der Tod ihm wohl nur entreißt.
GUNTHER
leise.
Brünnhildes Ring?
HAGEN.
Des Nibelungen Reif!
GUNTHER
schwer seufzend.
So wär es Siegfrieds Ende!
[795]
HAGEN.
Uns Allen frommt sein Tod.
GUNTHER.
Doch – Gutrune, ach! –
der ich ihn gönnte!
Straften den Gatten wir so,
wie bestünden wir vor ihr?
BRÜNNHILDE
wütend auffahrend.
Was riet mir mein Wissen?
Was wiesen mich Runen?
Im hilflosen Elend
achtet mir's hell:
Gutrune heißt der Zauber,
der den Gatten mir entzückt!
Angst treffe sie!
HAGEN
zu Gunther.
Muß sein Tod sie betrüben,
verhehlt sei ihr die Tat.
Auf muntres Jagen
ziehen wir morgen;
der Edle braust uns voran: –
ein Eber bracht ihn da um.
GUNTHER UND BRÜNNHILDE.
So soll es sein!
Siegfried falle!
Sühn er die Schmach,
die er mir schuf!
Des Eides Treue
hat er getrogen:
mit seinem Blut
büß er die Schuld!
Allrauner,
rächender Gott!
Schwurwissender
Eideshort!
Wotan!
Wende dich her!
Weise die schrecklich
heilige Schar,
hieher zu horchen
dem Racheschwur!
HAGEN.
Sterb er dahin,
der strahlende Held!
Mein ist der Hort,
mir muß er gehören.
Drum sei der Reif
ihm entrissen!
[796] Albenvater,
gefallner Fürst!
Nachthüter!
Niblungenherr!
Alberich!
Achte auf mich!
Weise von neuem
der Niblungen Schar,
dir zu gehorchen,
des Reifes Herrn!

Als Gunther mit Brünnhilde heftig der Halle sich zuwendet, tritt ihnen der von dort herausschreitende Brautzug entgegen. Knaben und Mädchen,
Blumenstäbe schwingend, springen lustig voraus. Siegfried wird auf einem Schilde, Gutrune auf einem Sessel von den Männern getragen. – Auf der Anhöhe des Hintergrundes führen Knechte und Mägde, auf verschiedenen Bergpfaden, Opfergeräte und Opfertiere zu den Weihsteinen herbei und schmücken diese mit Blumen. Siegfried und die Männer blasen auf ihren Hörnern den Hochzeitsruf. Die Frauen fordern Brünnhilde auf, an Gutrunes Seite sie zu geleiten. – Brünnhilde blickt starr zu Gutrune auf, welche ihr mit freundlichem Lächeln zuwinkt. Als Brünnhilde heftig zurücktreten will, tritt Hagen rasch dazwischen und drängt sie an Gunther, der jetzt von Neuem ihre Hand erfaßt, worauf er selbst von den Männern sich auf einen Schild erheben läßt. Während der Zug, kaum unterbrochen, schnell der Höhe zu sich wieder in Bewegung setzt, fällt der Vorhang.

3. Akt

1. Szene
Vorspiel und Erste Szene
Wildes Wald- und Felsental am Rheine, welcher im Hintergrunde an einem steilen Abhange vorbeifließt. – Die drei Rheintöchter (Woglinde, Wellgunde und Floßhilde) tauchen aus der Flut auf und schwimmen, wie im Reigentanze, im Kreise umher.

DIE DREI RHEINTÖCHTER
im Schwimmen müßig einhaltend.
[797] Frau Sonne
sendet lichte Strahlen;
Nacht liegt in der Tiefe:
einst war sie hell,
da heil und hehr
des Vaters Gold noch in ihr glänzte.
Rheingold,
klares Gold,
wie hell du einsten strahltest,
hehrer Stern der Tiefe!

Sie schließen wieder den Schwimmreigen.

Weialala leia,
wallala leialala!

Ferner Hornruf. Sie lauschen. Sie schlagen jauchzend das Wasser.

Frau Sonne,
sende uns den Helden,
der das Gold uns wiedergebe!
Ließ er es uns,
dein lichtes Auge
neideten dann wir nicht länger!
Rheingold!
Klares Gold,
wie froh du dann strahltest,
freier Stern der Tiefe!

Man hört Siegfrieds Horn von der Höhe her.
WOGLINDE.
Ich höre sein Horn.
WELLGUNDE.
Der Helde naht.
FLOSSHILDE.
Laßt uns beraten!

Sie tauchen alle Drei schnell unter. Siegfried erscheint auf dem Abhange in vollen Waffen.
SIEGFRIED.
Ein Albe führte mich irr,
daß ich die Fährte verlor. –
He, Schelm! In welchem Berge
bargst du so schnell mir das Wild?
DIE DREI RHEINTÖCHTER
tauchen wieder auf und schwimmen im Reigen.
Siegfried!
FLOSSHILDE.
Was schiltst du so in den Grund?
WELLGUNDE.
Welchem Alben bist du gram?
WOGLINDE.
Hat dich ein Nicker geneckt?
ALLE DREI.
Sag es, Siegfried, sag es uns.
SIEGFRIED
sie lächelnd betrachtend.
Entzücktet ihr zu euch
[798] den zottigen Gesellen,
der mir verschwand?
Ist's euer Friedel,
euch lustigen Frauen
laß ich ihn gern!

Die Mädchen lachen.
WOGLINDE.
Siegfried, was gibst du uns,
wenn wir das Wild dir gönnen?
SIEGFRIED.
Noch bin ich beutelos;
so bittet, was ihr begehrt!
WELLGUNDE.
Ein gold'ner Ring
glänzt dir am Finger: –
DIE DREI MÄDCHEN.
Den gib uns!
SIEGFRIED.
Einen Riesenwurm
erschlug ich um den Reif, –
für eines schlechten Bären Tatzen
böt ich ihn nun zum Tausch?
WOGLINDE.
Bist du so karg?
WELLGUNDE.
So geizig beim Kauf?
FLOSSHILDE.
Freigebig
solltest Frauen du sein.
SIEGFRIED.
Verzehrt ich an euch mein Gut,
des zürnte mir wohl mein Weib.
FLOSSHILDE.
Sie ist wohl schlimm?
WELLGUNDE.
Sie schlägt dich wohl?
WOGLINDE.
Ihre Hand fühlt schon der Held!

Sie lachen unmäßig.
SIEGFRIED.
Nun lacht nur lustig zu!
In Harm laß ich euch doch:
denn giert ihr nach dem Ring,
euch Neckern geb ich ihn nie!

Die Rheintöchter haben sich wieder zum Reigen gefaßt.
FLOSSHILDE.
So schön!
WELLGUNDE.
So stark!
WOGLINDE.
So gehrenswert!
DIE DREI.
Wie schade, daß er geizig ist!

Sie lachen und tauchen unter.
SIEGFRIED
steigt tiefer in den Grund hinab.
Was leid ich doch
das karge Lob?
Laß ich so mich schmähn?
Kämen sie wieder
zum Wasserrand,
den Ring könnten sie haben. –

[799]
Laut rufend.

He! Hehe! Ihr munt'ren
Wasserminnen!
Kommt rasch! Ich schenk euch den Ring!

Er hat den Ring vom Finger gezogen und hält ihn in die Höhe. – Die Rheintöchter tauchen wieder auf. Sie zeigen sich ernst und feierlich.
FLOSSHILDE.
Behalt ihn, Held,
und wahr ihn wohl,
bis du das Unheil errätst,
WOGLINDE UND WELLGUNDE.
das in dem Ring du hegst,
ALLE DREI.
Froh fühlst du dich dann
befrei'n wir dich von dem Fluch.
SIEGFRIED
steckt gelassen den Ring wieder an seinen Finger.
So singet, was ihr wißt.
DIE RHEINTÖCHTER.
Siegfried! Siegfried! Siegfried!
Schlimmes wissen wir dir.
WELLGUNDE.
Zu deinem Unheil
wahrst du den Ring!
ALLE DREI.
Aus des Rheines Gold
ist der Ring geglüht:
WELLGUNDE.
der ihn listig geschmiedet,
WOGLINDE.
und schmählich verlor,
ALLE DREI.
der verfluchte ihn,
in fernster Zeit,
zu zeugen den Tod
dem, der ihn trüg.
FLOSSHILDE.
Wie den Wurm du fälltest,
WELLGUNDE UND FLOSSHILDE.
so fällst auch du,
ALLE DREI.
und heute noch:
so heißen wir's dir,
tauschest den Ring du uns nicht;
WELLGUNDE UND FLOSSHILDE.
im tiefen Rhein ihn zu bergen:
ALLE DREI.
Nur seine Flut
sühnet den Fluch!
SIEGFRIED.
Ihr listigen Frauen,
laßt das sein!
Traut ich kaum eurem Schmeicheln,
euer Drohen schreckt mich noch minder!
DIE RHEINTÖCHTER.
Siegfried! Siegfried!
Wir weisen dich wahr.
Weiche! Weiche dem Fluch!
Ihn flochten nächtlich
[800] webende Nornen
in des Urgesetzes Seil!
SIEGFRIED.
Mein Schwert zerschwang einen Speer: –
des Urgesetzes
ewiges Seil,
flochten sie wilde
Flüche hinein, –
Nothung zerhaut es den Nornen! –
Wohl warnte mich einst
vor dem Fluch ein Wurm, –
doch das Fürchten lehrt er mich nicht.

Er betrachtet den Ring.

Der Welt Erbe
gewänne mir ein Ring: –
für der Minne Gunst
miß ich ihn gern, –
ich geb ihn euch, gönnt ihr mir Gunst.
Doch, bedroht ihr mir Leben und Leib, –
faßte er nicht
eines Fingers Wert, –
den Reif entringt ihr mir nicht.
Denn Leben und Leib,
seht:

Er hebt eine Erdscholle vom Boden auf, hält sie über seinem Haupte und wirft sie mit den letzten Worten hinter sich.

so –
werf ich sie weit von mir!
DIE RHEINTÖCHTER.
Kommt, Schwestern!
Schwindet dem Toren!
So weise und stark
verwähnt sich der Held,
als gebunden und blind er doch ist!

Sie schwimmen, wild aufgeregt, in weiten Schwenkungen dicht an das Ufer heran.

Eide schwur er,
und achtet sie nicht!

Wieder heftige Bewegung.

Runen weiß er,
und rät sie nicht!
FLOSSHILDE, DANN WOGLINDE.
Ein hehrstes Gut
ward ihm gegönnt:
ALLE DREI.
daß er's verworfen,
weiß er nicht;
[801]
FLOSSHILDE.
– nur den Ring,
WELLGUNDE.
– der zum Tod ihm taugt,
ALLE DREI.
– den Reif nur will er sich wahren!
Leb wohl! Siegfried!
Ein stolzes Weib
wird noch heut dich Argen beerben;
sie beut uns bess'res Gehör:
zu ihr!

Sie wenden sich schnell zum Reigen, mit welchem sie gemächlich, dem Hintergrunde zu, fortschwimmen. – Siegfried sieht ihnen lächelnd nach, stemmt ein Bein auf ein Felsstück am Ufer und verweilt mit auf die Hand gestütztem Kinne.
RHEINTÖCHTER.
Weialala leia,
Wallala leialala!
SIEGFRIED.
Im Wasser wie am Lande
lernte nun ich Weiber Art:
wer nicht ihrem Schmeicheln traut,
den schrecken sie mit Drohen;
wer dem nun kühnlicht trotzt,
dem kommt dann ihr Keifen dran! –

Die Rheintöchter sind hier gänzlich verschwunden.

Und doch, –
trüg ich nicht Gutrun Treu, –
der zieren Frauen eine
hätt ich mir – frisch gezähmt!

Die Rheintöchter werden aus größerer Entfernung nur gehört. – Er blickt ihnen unverwandt nach. – Jagdhornrufe kommen von der Höhe näher.
HAGENS STIMME
von fern.
Hoiho!

Siegfried fährt aus einer träumerischen Entrücktheit auf und antwortet dem Rufe auf seinem Horne.
2. Szene
Zweite Szene
MANNEN
außerhalb der Szene.
Hoiho! Hoiho!
SIEGFRIED
antwortend.
Hoiho! Hoiho! Hoihe!

Hagen kommt auf der Höhe hervor, Gunther folgt ihm.
HAGEN
Siegfried erblickend.
Finden wir endlich
wohin du flogest?
SIEGFRIED.
Kommt herab! Hier ist frisch und kühl!

Die Mannen kommen alle auf der Höhe an und steigen nun, mit Hagen und Gunther, herab.
[802]
HAGEN.
Hier rasten wir,
und rüsten das Mahl!

Jagdbeute wird zuhauf gelegt.

Laßt ruhn die Beute,
und bietet die Schläuche!

Schläuche und Trinkhörner werden hervorgeholt. Alles lagert sich.

Der uns das Wild verscheuchte,
nun sollt ihr Wunder hören,
was Siegfried sich erjagt.
SIEGFRIED.
Schlimm siebtes um mein Mahl:
von eurer Beute
bitte ich für mich.
HAGEN.
Du beutelos?
SIEGFRIED.
Auf Waldjagd zog ich aus, –
doch Wasserwild zeigte sich nur:
war ich dazu recht beraten,
drei wilde Wasservögel
hätt ich euch wohl gefangen,
die dort auf dem Rhein mir sangen,
erschlagen würd ich noch heut.

Er lagert sich zwischen Gunter und Hagen. – Gunther erschrickt und blückt düster auf Hagen.
HAGEN.
Das wäre üble Jagd,
wenn den Beutelosen selbst
ein lauernd Wild erlegte.
SIEGFRIED.
Mich dürstet!
HAGEN
indem er für Siegfried ein Trinkhorn füllen läßt und es diesem dann darreicht.
Ich hörte sagen, Siegfried,
der Vögel Sangessprache
verstündest du wohl: –
so wäre das wahr?
SIEGFRIED.
Seit lange acht ich
des Lallens nicht mehr.

Er erfaßt das Trinkhorn und wendet sich damit zu Gunther. Er trinkt und reicht das Horn Gunther hin.

Trink, Gunther, trink:
dein Bruder bringt es dir!

Gunther blickt mit Grausen in das Horn.
GUNTHER
dumpf.
Du mischtest matt und bleich: –

Noch gedämpfter.

dein Blut allein darin!
SIEGFRIED
lachend.
So misch es mit dem deinen!

[803] Er gießt aus Gunthers Horn in das seinige, so daß dieses überläuft.

Nun floß gemischt es über: –
der Mutter Erde
laß das ein Labsal sein!
GUNTHER
mit einem heftigen Seufzer.
Du überfroher Held!
SIEGFRIED
leise zu Hagen.
Ihm macht Brünnhilde Müh?
HAGEN
leise zu Siegfried.
Verstünd er sie so gut,
wie du der Vögel Sang!
SIEGFRIED.
Seit Frauen ich singen hörte,
vergaß ich der Vöglern ganz. –
HAGEN.
Doch einst vernahmst du sie?
SIEGFRIED
sich lebhaft zu Gunther wendend.
Hei! Gunther,
grämlicher Mann!
Dankst du es mir,
so sing ich dir Mären
aus meinen jungen Tagen.
GUNTHER.
Die hör ich gern.

Alle lagern sich nahe um Siegfried, welcher allein aufrecht sitzt, während die Anderen tiefer gestreckt liegen.
HAGEN.
So singe, Held!
SIEGFRIED.
Mime hieß
ein mürrischer Zwerg;
in des Neides Zwang
zog er mich auf,
daß einst das Kind,
wann kühn es erwuchs,
einen Wurm ihm fällt im Wald,
der lang schon hütet einen Hort.
Er lehrte mich schmieden
und Erze schmelzen;
doch, was der Künstler
selber nicht konnt,
des Lehrlings Mute
mußt es gelingen:
eines zerschlag'nen Stahles Stücken
neu zu schweißen zum Schwert.
Des Vaters Wehr
fügt ich mir neu,
nagelfest
schuf ich mir Nothung.
Tüchtig zum Kampf
dünkt er dem Zwerg;
[804] der führte mich nun zum Wald:
dort fällt' ich Fafner, den Wurm. –
Jetzt aber merkt
wohl auf die Mär:
Wunder muß ich euch melden.
Von des Wurmes Blut
mir brannten die Finger,
sie führt ich kühlend zum Mund: –
kaum netzt ein wenig
die Zunge das Naß, –
was da die Vöglein sangen,
das konnt ich flugs verstehn.
Auf den Ästen saß es und sang: –
»Hei! Siegfried gehört nun
der Niblungen Hort!
Oh –! fand in der Höhle
den Hort er jetzt!
Wollt er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt ihm zu wonniger Tat!
Doch wollt er den Ring sich erraten,
der macht ihn zum Walter der Welt!«
HAGEN.
Ring und Tarnhelm
trugst du nun fort?
EIN MANNE.
Das Vöglein hörtest du wieder?
SIEGFRIED.
Ring und Tarnhelm
hatt ich gerafft: –
da lauscht ich wieder
dem wonnigen Laller;
der saß im Wipfel und sang: –
»Hei! Siegfried gehört nun
der Helm und der Ring.
Oh! Traute er Mime,
dem treulosen nicht!
Ihm sollt er den Hort nur erheben;
nun lauert er listig am Weg;
nach dem Leben trachtet er Siegfried:
oh, traute Siegfried nicht Mime!«
HAGEN.
Er mahnte dich gut?
VIER MANNEN.
Vergaltest du Mime?
SIEGFRIED.
Mit tödlichem Tranke
trat er zu mir;
bang und stotternd
gestand er mir Böses:
[805] Nothung streckte den Strolch!
HAGEN
grell lachend.
Was nicht er geschmiedet
schmeckte doch Mime! –

Er läßt ein Trinkhorn neu füllen und träufelt den Saft eines Krautes hinein.
ZWEI MANNEN
nacheinander.
Was wies das Vöglein dich wieder?
HAGEN.
Trink erst, Held,
aus meinem Horn:
ich würzte dir holden Trank,
die Erinnerung hell dir zu wecken,

Er reicht Siegfried das Horn.

daß Fernes nicht dir entfalle!
SIEGFRIED blickt gedankenvoll in das Horn und trinkt dann langsam
In Leid zu dem Wipfel
lauscht ich hinauf; –
da saß es noch und sang: –
»Hei! Siegfried erschlug nun
den schlimmen Zwerg!
Jetzt wüßt ich ihm noch
das herrlichste Weib:
auf hohem Felsen sie schläft,
Feuer umbrennt ihren Saal:
durchschritt er die Brunst,
weckt er die Braut, –
Brünnhilde wäre dann sein!« –
HAGEN.
Und folgtest du
des Vögleins Rate?
SIEGFRIED.
Rasch ohne Zögern
zog ich nun aus: –

Gunther hört mit immer größerem Erstaunen zu.

Bis den feurigen Fels ich traf: –
die Lohe durchschritt ich,
und fand zum Lohn –

In immer größere Verzückung geratend.

schlafend ein wonniges Weib
in lichter Waffen Gewand.
Den Helm löst ich
der herrlichen Maid;
mein Kuß erweckte sie kühn: –
oh! wie mich brünstig da umschlang
der schönen Brünnhilde Arm!
[806]
GUNTHER
im höchsten Schrecken aufspringend.
Was hör ich!

Zwei Raben fliegen aus einem Busche auf, kreisen über Siegfried und fliegen dann, dem Rheine zu, davon.
HAGEN.
Errätst du auch
dieser Raben Geraun?

Siegfried fährt heftig auf und blickt, Hagen den Rücken zukehrend, den Raben nach.

Rache rieten sie mir.

Hagen stößt seinen Speer in Siegfrieds Rücken. Gunther und die Mannen stürzen sich über Hagen. Siegfried schwingt mit beiden Händen seinen Schild hoch empor, um ihn nach Hagen zu werfen: die Kraft verläßt ihn; der Schild entsinkt ihm rückwärts; er selbst stürzt über dem Schild zusammen.
VIER MANNEN
welche vergebens Hagen zurückzuhalten versucht.
Hagen, was tust du?
ZWEI ANDERE.
Was tatest du?
GUNTHER.
Hagen, – was tatest du?
HAGEN.
Meineid rächt sich!

Hagen wendet sich ruhig zur Seite ab und verliert sich dann über die Höhe, wo man ihn langsam durch die anbrechende Dämmerung von dannen schreiten sieht. – Gunther beugt sich, schmerzergriffen, zu Siegfrieds Seite nieder. – Die Mannen umstehen teilnahmvoll den Sterbenden.

SIEGFRIED von zwei Männern sitzend erhalten, schlägt die Augen glanzvoll auf
Brünnhilde!
Heilige Braut!
Wach auf! Öffne dein Auge!
Wer verschloß dich
wieder in Schlaf?
Wer band dich in Schlummer so bang?
Der Wecker kam: –
er küßt dich wach; –
und aber – der Braut
bricht er die Bande: –
da lacht ihm Brünnhildes Lust. –
Ach! Dieses Auge –
ewig nun offen!
Ach, dieses Atems
wonniges Wehen!
Süßes Vergehen, –
seliges Grauen!
Brünnhild – bietet mir Gruß! –

[807] Er sinkt zurück und stirbt. – Regungslose Trauer der Umstehenden. Die Nacht ist hereingebrochen. – Auf die stumme Ermahnung Gunthers erheben die Mannen Siegfrieds Leiche und geleiten sie, mit dem Folgenden, in feierlichem Zuge über die Felsenhöhle langsam von dannen. – Der Mond bricht durch die Wolken und beleuchtet immer heller den die Berghöhe erreichenden Trauerzug. Aus dem Rheine sind Nebel aufgestiegen und erfüllen allmählich die ganze Bühne, auf welcher der
Trauerzug bereits unsichtbar geworden ist, bis nach vorn, so daß diese, während des Zwischenspiels, gänzlich verhüllt bleibt. – Die Nebel verteilen sich wieder, bis endlich die Halle der Gibichungen, wie im ersten Aufzuge, immer erkennbarer hervortritt.
3. Szene
Dritte Szene
Es ist Nacht. Der Mondschein spiegelt sich auf dem Rheine. – Gutrune tritt aus ihrem Gemache in die Halle heraus.

GUTRUNE.
War das sein Horn?

Sie lauscht.

Nein! Noch
kehrt er nicht heim. –
Schlimme Träume
störten mir den Schlaf.
Wild wieherte sein Roß; –
Lachen Brünnhildes
weckte mich auf. –
Wer war das Weib,
das ich zum Ufer schreiten sah? –
Ich fürchte Brünnhild.
Ist sie daheim?

Sie lauscht an der Türe rechts und ruft.

Brünnhild! Brünnhild!
Bist du wach?

Sie öffnet schüchtern und blickt in das innere
Gemach.

Leer das Gemach.
So war es sie,
die ich zum Rheine schreiten sah? –
War das sein Horn? –
Nein!
[808] Öd alles!

Sie blickt ängstlich hinaus.

Säh ich Siegfried nur bald! –

Als Gutrune Hagens Stimme hört, bleibt sie, von Furcht gefesselt, eine Zeitlang unbeweglich stehen.
HAGENS STIMME
von außen sich nähernd.
Hoiho! Hoiho!
Wacht auf! Wacht auf!
Lichte! Lichte,
helle Brände!
Jagdbeute
bringen wir heim. –
Hoiho! Hoiho! –

Wachsender Feuerschein von außen. – Hagen tritt in die Halle.

Auf, Gutrun!
Begrüße Siegfried!
Der starke Held,
er kehret heim.
GUTRUNE
in großer Angst.
Was geschah? Hagen!
Nicht hört ich sein Horn!

Männer und Frauen, mit Lichtern und Feuerbränden, geleiten in großer Verwirrung den Zug der mit Siegfrieds Leiche Heimkehrenden.
HAGEN.
Der bleiche Held,
nicht bläst er es mehr;
nicht stürmt er zur Jagd,
zum Streite nicht mehr,
noch wirbt er um wonnige Frauen!
GUTRUNE
mit wachsendem Entsetzen.
Was bringen die?

Der Zug gelangt in die Mitte der Halle, und die Mannen setzen dort die Leiche auf einer schnell errichteten Erhöhung nieder.
HAGEN.
Eines wilden Ebers Beute:
Siegfried, deinen toten Mann.

Gutrune schreit auf und stürzt über die Leiche hin. Allgemeine Erschütterung und Trauer. Gunther bemüht sich um die Ohnmächtige.
GUNTHER.
Gutrun, holde Schwester!
Hebe dein Auge, –
schweige mir nicht! –
GUTRUNE
wieder zu sich kommend.
Siegfried – Siegfried – erschlagen! –

Sie stößt Gunther heftig zurück.

[809] Fort, treuloser Bruder,
du Mörder meines Mannes! –
O Hilfe! Hilfe!
Wehe! Wehe!
Sie haben Siegfried erschlagen!
GUNTHER.
Nicht klage wider mich,
dort klage wider Hagen.
Er ist der verfluchte Eber,
der diesen Edlen zerfleischt.
HAGEN.
Bist du mir gram darum?
GUNTHER.
Angst und Unheil
greife dich immer!
HAGEN
mit furchtbarem Trotze herantretend.
Ja denn! Ich hab
ihn erschlagen.
Ich – Hagen –
schlug ihn zu Tod. –
Meinem Speer war er gespart,
bei dem er Meineid sprach. –
Heiliges Beuterecht
hab ich mir nun errungen: –
drum fordr' ich hier diesen Ring.
GUNTHER.
Zurück! Was mir verfiel,
sollst nimmer du empfahn!
HAGEN.
Ihr Mannen, richtet mein Recht!
GUNTHER.
Rührst du an Gutrunes Erbe,
schamloser Albensohn?
HAGEN
zieht sein Schwert.
Des Alben Erbe
fordert so sein Sohn.

Er dringt auf Gunther ein; dieser wehrt sich; sie fechten. Die Mannen werfen sich dazwischen. Gunther fällt von einem Streiche Hagens tot darnieder.

Her den Ring!

Er greift nach Siegfrieds Hand; diese hebt sich drohend empor. – Gutrune hat bei Gunthers Falle entsetzt aufgeschrien. Alles bleibt in Schauder regungslos gefesselt. Aus dem Hintergrunde
schreitet, fest und feierlich, Brünnhilde dem Vordergrunde zu.
BRÜNNHILDE
noch im Hintergrunde.
Schweigt eures Jammers jauchzenden Schwall!
Das ihr Alle verrietet,
zur Rache schreitet sein Weib. –

Während sie ruhig weiter vorschreitet.

Kinder hört ich
[810] greinen nach der Mutter,
da süße Milch sie verschüttet:
doch nicht erklang mir
würdige Klage,
des höchsten Helden wert.
GUTRUNE
vom Boden heftig sich aufrichtend.
Brünnhilde! Neiderboste!
Du brachtest uns diese Not:
die du die Männer ihm verhetztest, –
weh, daß du dem Haus genaht!
BRÜNNHILDE.
Armsel'ge, schweig!
Sein Eheweib warst du nie;
als Buhlerin
bandest du ihn.
Sein Mannesgemahl bin ich,
der ewige Eide er schwur,
eh Siegfried je dich gesah.
GUTRUNE
in jähe Verzweiflung ausbrechend.
Verfluchter Hagen!
Daß du das Gift mir rietest,
das ihr den Gatten entrückt!
Ach, Jammer!
Wie jäh nun weiß ich's: –
Brünnhild war die Traute,
die durch den Trank er vergaß! –

Sie hat sich voll Scheu von Siegfried abgewendet und beugt sich nun ersterbend über Gunthers Leiche; so verbleibt sie regungslos bis zum Schlusse. Hagen steht, trotzig auf Speer und Schild gelehnt, in finsteres Sinnen versunken auf der entgegengesetzten Seite. – Brünnhilde allein in der Mitte; nachdem sie lange in den Anblick Siegfrieds versunken gewesen, wendet sie sich jetzt, mit feierlicher Erhobenheit, an die Männer und Frauen.
BRÜNNHILDE
zu den Mannen.
Starke Scheite
schichtet mir dort
am Rande des Rheins zu Hauf!
Hoch und hell
lodre die Glut,
die den edlen Leib
des hehresten Helden verzehrt.
Sein Roß führet daher,
daß mit mir dem Recken es folge:
denn des Helden heiligste
[811] Ehre zu teilen,
verlangt mein eigner Leib.
Vollbringt Brünnhildes Wort!

Die jungen Männer errichten, während des Folgenden, vor der Halle, nahe am Rheinufer, einen mächtigen Scheithaufen: Frauen schmücken diesen dann mit Decken, auf welche sie Kräuter und Blumen streuen. – Brünnhilde versinkt von Neuem in die Betrachtung des Antlitzes der Leiche Siegfrieds. Ihre Mienen nehmen eine immer sanftere Verklärung an.

Wie Sonne lauter
strahlt mir sein Licht:
der Reinste war er,
der mich verriet!
Die Gattin trügend –
treu dem Freunde –,
von der eig'nen Trauten –
einzig ihm teuer –
schied er sich durch sein Schwert.
Echter als Er
schwur keiner Eide;
treuer als Er
hielt keiner Verträge;
lautrer als Er
liebte kein Andrer!
Und doch, alle Eide,
alle Verträge, –
die treueste Liebe –
trog keiner wie Er! –
Wißt ihr, wie das ward?

Nach oben blickend.

Oh, ihr, der Eide
ewige Hüter!
Lenkt euren Blick
auf mein blühendes Leid;
erschaut eure ewige Schuld!
Meine Klage hör,
du hehrster Gott!
Durch seine tapferste Tat,
dir so tauglich erwünscht, –
weihtest du den,
der sie gewirkt,
dem Fluche, dem du verfielest, –
mich mußte
[812] der Reinste verraten,
daß wissend würde ein Weib! –
Weiß ich nun, was dir frommt?
Alles, Alles,
Alles weiß ich, –
Alles ward mir nun frei.
Auch deine Raben
hör ich rauschen;
mit bang ersehnter Botschaft.
send ich die beiden nun heim. –
Ruhe, ruhe, du Gott!

Sie winkt den Mannen, Siegfrieds Leiche auf den Scheithaufen zu tragen; zugleich zieht sie von Siegfrieds Finger den Ring ab und betrachtet ihn sinnend.

Mein Erbe nun
nehm ich zu eigen. –
Verfluchter Reif!
Furchtbarer Ring!
Dein Gold faß ich,
und geb es nun fort.
Der Wassertiefe
weise Schwestern,
des Rheines schwimmende Töchter, –
euch dank ich redlichen Rat:
was ihr begehrt,
ich geb es euch:
aus meiner Asche
nehmt es zu eigen!
Das Feuer, das mich verbrennt,
rein'ge vom Fluche, den Ring! –
Ihr in der Flut,
löset ihn auf,
und lauter bewahrt
das lichte Gold,
das euch zum Unheil geraubt.

Sie hat den Ring sich angesteckt und wendet sich jetzt zu dem Scheitergerüst, auf dem Siegfrieds Leiche ausgestreckt liegt. Sie entreißt einem Manne den mächtigen Feuerbrand, schwingt diesen und deutet nach dem Hintergrund.

Fliegt heim, ihr Raben!
Raunt es eurem Herren,
was hier am Rhein ihr gehört!
[813] An Brünnhildes Felsen
fahrt vorbei!
Der dort noch lodert,
weiset Loge nach Walhall!
Denn der Götter Ende
dämmert nun auf.
So werf ich den Brand
in Walhalls prangende Burg.

Sie schleudert den Brand in den Holzstoß, welcher sich schnell hell entzündet. Zwei Raben sind vom Felsen am Ufer aufgeflogen und verschwinden nach dem Hintergrunde. – Brünnhilde gewahrt ihr Roß, welches soeben zwei Männer hereinführen.

Grane, mein Roß!
Sei mir gegrüßt!

Sie ist ihm entgegengesprungen, faßt es und entzäumt es schnell; dann neigt sie sich traulich zu ihm.

Weißt du auch, mein Freund,
wohin ich dich führe? –
Im Feuer leuchtend,
liegt dort dein Herr,
Siegfried, mein seliger Held.
Dem Freunde zu folgen,
wieherst du freudig?
Lockt dich zu ihm
die lachende Lohe?
Fühl meine Brust auch,
wie sie entbrennt,
helles Feuer
das Herz mir erfaßt, –
ihn zu umschlingen,
umschlossen von ihm
in mächtigster Minne,
vermählt ihm zu sein! –
Heiajaho! Grane!
Grüß deinen Herren!
Siegfried! Siegfried! Sieh!

Sie hat sich auf das Roß geschwungen und hebt es jetzt zum Sprunge.

Selig grüßt dich dein Weib!

Sie sprengt das Roß mit einem Satze in den brennenden [814] Scheithaufen. Sogleich prasselt der Brand hoch auf, so daß das Feuer den ganzen Raum vor der Halle erfüllt und diese selbst schon zu ergreifen scheint. Entsetzt drängen sich die Männer und Frauen nach dem äußersten Vordergrunde. Als der ganze Bühnenraum nur noch von Feuer erfüllt erscheint, verlischt plötzlich der Glutschein, so daß bald bloß ein Dampfgewölke zurückbleibt, welches sich dem Hintergrunde zu verzieht und dort am Horizont sich als finstere Wolkenschicht lagert. – Zugleich ist vom Ufer her der Rhein mächtig angeschwollen und hat seine Flut über die Brandstätte gewälzt. Auf den Wogen sind die drei Rheintöchter herbei geschwommen und erscheinen jetzt über der Brandstätte. – Hagen, der seit dem Vorgang mit dem Ringe Brünnhildes Benehmen mit wachsender Angst beobachtet hat, gerät bei dem Anblick der Rheintöchter in höchsten Schreck. – Er wirft hastig Speer, Schild und Helm von sich und stürzt, wie wahnsinnig, sich in die Flut.
HAGEN.
Zurück vom Ring!

Woglinde und Wellgunde umschlingen mit ihren Armen seinen Nacken und ziehen ihn, so zurückschwimmend, mit sich in die Tiefe. Floßhilde, den anderen voran dem Hintergrunde zu schwimmend, hält jubelnd den gewonnenen Ring in die Höhe. Durch die Wolkenschicht, welche sich am Horizont gelagert, bricht ein rötlicher Glutschein mit wachsender Helligkeit aus. Von dieser Helligkeit beleuchtet, sieht man die drei Rheintöchter auf den ruhigeren Wellen des allmählich wieder in sein Bett zurückgetretenen Rheines, lustig mit dem Ringe spielend, im Reigen schwimmen. Aus den Trümmern der zusammengestürzten Halle sehen die Männer und Frauen, in höchster Ergriffenheit, dem wachsenden Feuerscheine am Himmel zu. Als dieser endlich in lichtester Helligkeit leuchtet, erblickt man darin den Saal Walhalls, in welchem die Götter und Helden, ganz nach der Schilderung Waltrautes im ersten Aufzuge, versammelt sitzen. Helle Flammen scheinen in dem Saale der Götter aufzuschlagen. Als die Götter von den Flammen gänzlich verhüllt sind, fällt der Vorhang.

Notes
Entstanden 1848–1874. Erstdruck der Dichtung als anonymer Privatdruck: Zürich 1853. Uraufführung 13.–17.08.1876, Festspielhaus, Bayreuth.
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TextGrid Repository (2012). Wagner, Richard. Der Ring des Nibelungen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-89A1-6