Die Zeit schreit nach Satire

Für Walter Hasenclever

1

Per Eilboten.
Sehr geehrter Herr!

In der Annahme, daß Sie für die Ausarbeitung einer literarischen Groß-Revue mit satirischem Einschlag Interesse haben, erlauben wir uns, uns mit der Bitte an Sie zu wenden, unserm Herrn Generaldirektor Bönheim – möglichst heute noch – Gelegenheit zu einer persönlichen Rücksprache mit Ihnen zu geben.

Wir erwarten Ihren Anruf zwischen 11 und 1/2 12 Uhr.

Indem wir hoffen, von Ihnen umgehend eine zusagende Antwort zu erhalten, begrüßen wir Sie

mit vorzüglicher Hochachtung Deutscher Literatur-Betrieb G.m.b.H. Abteilung: Theater Für den geschäftsführenden Direktor: (gez.) Dr. Milbe

2

»Hallo!«

»Hier Deutscher Literatur-Betrieb!«

»Hier Peter Panter. Sie hatten mir geschrieben; Ihr Herr Generaldirektor Bönheim möchte mich sprechen; es handelt sich um eine Revue . . . «

»'n Augenblick mal. – – Ja –?«

»Sie hatten mir geschrieben . . . «

»Wer ist denn da?«

»Hier Peter Panter. Sie hatten mir geschrieben: Ihr Herr Generaldirektor Bönheim möchte mich . . . «

»Ich verbinde mit dem Generalsekretariat Generaldirektor Bönheim.«

»Hier Generalsekretariat Generaldirektor Bönheim?«

[83] »Hier Peter Panter. Sie hatten mir geschrieben: Ihr Herr Generaldirektor Bönheim möchte mich sprechen – es handelt sich um eine Revue . . . «

»'n Augenblick mal . . . ! – – Ja, was gibts denn –?«

»Hier Peter Panter. Sie hatten mir geschrieben: Ihr Herr Direktor Bönheim möchte mich sprechen; es handelt sich um eine Revue . . . «

»Sie meinen Herrn Generaldirektor Bönheim –! Herr Generaldirektor ist nicht zu sprechen, er ist verreist; wenn er hier wäre, wäre er in einer wichtigen Konferenz.«

»Ja, aber . . . in dem Brief stand, es wäre eilig . . . unterzeichnet hat ein Herr Doktor Milbe.«

»Das ist Abteilung: Theater. Ich verbinde mit der Abteilung: Theater.«

(Schlaganfall)

Darauf: Verabredung mit Herrn Dr. Milbe.

3

»Also, sehn Se, ich hab mir das so gedacht –: wir machen eine Revue, verstehn Se, also eine Revue, so was hat Berlin überhaupt noch nicht gesehn! Scharf, verstehn Sie mich, witzig, spritzig – also es ist ja gar kein Zweifel: diese Zeit schreit ja nach Satire! – das wird eine ganz große Sache! Wir haben sofort an Sie gedacht – nehm Sie ne Zigarette? – kommt ja gar kein anderer in Frahre. Wir engagieren Pallenberg, die Valetti, Paul Graetz, Ilka Grüning, Otto Wallburg – – Hallo? 'tschuldjen 'n Momentchen . . . ! (Viertelstündiges Telefongespräch) – also, wo waren wir stehengeblieben – Ja! Engagieren also die Massary, Emil Jannings, Lucie Höflich . . . Nu ist da allerdings ein Haken; Ablieferungstermin des Manuskripts in acht Tagen. Ja, also das is nich anders! Warten ist zu teuer. Wir haben das Theater gepachtet – wir müssen mit der Sache raus. Na, Sie werden das schon machen! Regie? Piscator! Seffaständlich! Hat schon zugesagt; wenn er also nicht kann, dann Jeßner. Oder Haller. Auf alle Fälle: Ia. Da können Sie sich auf uns verlassen.

Und gehn Sie ran, besonders in den Couplets . . . nein, halt, machen Sie keine Couplets – machen Sie Sonx – jetzt macht man Sonx – natürlich nicht zu literarisch, nicha, wir wenden uns ja an ein großes Publikum . . . also 'n bißchen allgemein-verständlich . . . wir haben so etwa gedacht: ›Dreigroschenoper‹ mitm Schuß Lehár. Komponisten? Na, wahrscheinlich Meisel und Kollo oder Hindemith und Nelson, ein bißchen einheitlich muß es ja schon sein. Das Geschäftliche –? besprechen wir noch – unser leitender Herr ist heut grade in Moabit. Als Zeuge. Wissen Sie, ich war früher auch literarisch tätig; was meinen Sie, beneide ich Sie, wie gern würd ich wieder . . . Hallo? nein! gehn [84] Sie noch nicht weg! ich hab Ihnen noch was zu sagen! (Dreiviertelstündiges Telefongespräch) – Also wir verbleiben dann so, nicht wahr: es bleibt dann dabei: am 18. liefern Sie ab, und am 19. fangen wir an mit den Proben. Hier gehts raus . . . «

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»Doktor Milbe hat mich aber um halb elf bestellt.«

»Tut mir sehr leid, Herr Doktor Milbe ist in einer wichtigen Konferenz.«

»Da werd ich warten – Nanu! Mehring? Was machen Sie denn hier? . . . und was . . . der Onkel Kästner!«

»Tag, Panter. Ja, wir kommen hierher, wir haben uns unten getroffen, wir wissen auch nicht . . . Mehring sagt mir, er arbeitet hier an einer Revue. Ich arbeite hier auch an einer Revue.«

»Ich auch. Ganz ulkig – mir hat der Mann gar nichts gesagt, daß er noch andere auffordert . . . da hätten wir doch gut zusammenarbeiten können . . . so ein –«

»Herr Doktor Milbe läßt die Herren bitten!«

(gezischt) – »Ich hab Ihnen doch gesagt, nicht alle drei zusammen –!

Also . . . sehr nett, daß Sie kommen: ich habe die Herren gleich zusammengebeten, nicht wahr, es ist einfacher – – es war ja auch so besprochen. Bitte nehmen Sie Platz . . . Tja . . . also wir haben Ihre Texte durchgesehen . . . durchgesehen . . . ja, also da muß ich Ihnen nun leider sagen: also so geht das nicht. Sehn Se mal . . . Hallo? 'tschuldjen 'n Momentchen . . . (Halbstündiges Telefongespräch) – Wo waren wir stehengeblieben . . . ja, also meine Herren, ich habe Ihnen das ja eben auseinandergesetzt, warum es so nicht geht. Herr Kästner, das ist ja viel zu fein, was Sie da gemacht haben – das verstehen die Leute ja gar nicht . . . nee, die Revue soll natürlich gut sein, aber zu gut soll sie auch wieder nich sein! Herr Panter, das ist unmöglich, unmöglich, verstehen Sie mich – sehn Sie, hier das da, das ist gut, diese Szene mit dem Spreewaldkahn –«

»Die hatte ich mir als Parodie gedacht; die Szene ist gar nicht ernst . . . «

»Na, das ist ja ganz gleich – dann machen wir sie eben ernst. So müßte die ganze Revue sein . . . und hier, das da –:

Komm mal rüber –
komm mal rüber mit der Marie! –

Sie irren, wenn Sie glauben, daß unsere Besucher für Geld ›Marie‹ sagen – na ja, ich versteh das ja, aber wir haben Smoking-Publikum . . . und dann hier, das mit der Reichswehr, das geht natürlich nicht, und das mit Zörgiebel muß weg . . . aber sonst ist es ganz . . . Hallo? 'tschuldjen mich . . . Zum Donnerwetter! Ich bin jetzt in einer wichtigen[85] Konferenz! Ich will jetzt nicht gestört werden! Nein! Ja! Weiß ich nicht! Hören Se mal – –! (Halbstündiges Telefongespräch) – Also wo . . . ja, Herr Mehring, nehmen Sie mir das nicht übel – ich habe das nicht verstanden! Also ich versteh das nicht! Na, dann bin ich eben literarisch nicht so gebildet wie ihr . . . ich habe schließlich meine journalistischen Sporen verdient; ich trau mich gar nicht, das Herrn Generaldirektor Bönheim vorzulegen, der lacht uns ja glatt aus! Hier –:

Und weil der Eskimo anders als der Börsianer spricht:
Deswegen verstehen, verstehen wir alle, wir alle uns nicht!
Verstehn Sie das? Natürlich spricht er anders. Na, und das da:
Es liegt eine Leiche im Landwehrkanal.
Fischerin, du kleine –

also erstens ist das alt – und außerdem ist das unappetitlich; die Leute wollen doch nachher essen gehn. Nee, meine Herren – so geht das nicht. Also arbeiten Sie mir das um . . . verstehen Sie mich, pikant, witzig, spritzig; ich habe für heute nachmittag auch noch Herrn Polgar und Herrn Marcellus Schiffer und Herrn Roellinghoff gebeten – wir müssen das schaffen. Sonst wende ich mich eben an Herrn Ammer oder an Herrn Villon oder schlimmstenfalls an Herrn Brecht . . . also um vier Uhr, meine Herren, beim Regisseur . . . auf Wiedersehn –!«

5

»Ich habe ihm erklärt: ich übernehme die Inszenierung überhaupt nicht. Ich weiß gar nicht, warum er Sie hier alle zu mir herbestellt hat! Wenn ich das mache, dann mach ich es nur unter folgenden Bedingungen: Gesinnung! Gesinnung! Gesinnung! Es muß was rein von der Wohnungsnot; es muß was rein von der Aufhebung des § 194 der Strafprozeßordnung – das sind doch Probleme! Außerdem ist da natürlich der Film.«

»Was für ein Film?«

»Der Film nach dem Stück von Bronnen.«

»Was für ein Stück von Bronnen?«

»Das Stück nach dem Roman von Remarque. Also dieser Film nach dem Stück nach dem Roman – daraus mache ich einen Tonfilm, also es wird eigentlich kein Tonfilm, aber ich mach das so, mit einer laufenden Treppe, Jeßner hat . . . Guten Tag, Herr Doktor! Guten Tag! Herr Direktor Bönheim – sehr nett, daß Sie gekommen sind . . . «

»Wo kann man bei Ihnen mal telefonieren –?«

»Hier, bitte . . . « – –

»So. Also jetzt kanns losgehen. Ja, also, meine Herren, wir fangen morgen an, mit den Proben, aber es müssen da noch einige Kleinigkeiten geändert werden. Das hier, geben Sie mal her, das hier geht nicht. Über die Justiz können wir uns so nicht lustig machen; das [86] muß – bitte mal den Rotstift, danke! – das muß hier raus. Meine Herren, wenn Sie es nicht wissen sollten: wir sind mit Bosenstein & Klappholz liiert, und hinter denen stehn IG-Farben, solche Witze über die Börse – nee, also Taktlosigkeiten, verzeihen Sie, aber das wolln wir nicht machen. Immer hübsch im Rahmen bleiben. Na, hier . . . das mit der Internationale . . . die können Sie ja singen lassen, wenn Sie durchaus meinen; das hören ja die Leute vorm Abendbrot immer ganz gerne. Also arbeiten Sie mir das um –«

»Herr Generaldirektor Bönheim wird am Telefon verlangt!«

»Ich? – 'tschuldjen einen Augenblick mal –!«

(Bängliche Pause. Geflüster)

»Herr Doktor Milbe meint . . . mit der Massary!«

»Na das können Sie doch machen, Panter; Sie haben doch schon so oft für die Frau Couplets, danke, ich rauch jetzt nicht, machen wollen . . . «

»So, da bin ich wieder. Ja, also ich höre eben, Emil Jannings hat abtelegrafiert und Otto Wallburg auch, das schadet aber nichts, das besetzen wir um, ich habe da ein paar sehr begabte junge Leute. (Milbe, ich dachte an . . . puschpuschpusch . . . ) Ja, also wie weit sind Sie nu –? Mit den Streichungen. Ja. Herr Mehring, was hat Ihnen eigentlich der Reichskanzler getan? Lassen Sie doch den Mann in Frieden – wird auch kein leichtes Leben haben. Is nich wahr? Nein, sehn Se mal . . . zum Beispiel die berliner Verkehrsregelung, das ist ein Skandal! Vorhin hat mein Wagen geschlagene fünf Minuten am Wittenbergplatz halten müssen – da müßtet ihr mal was schreiben! Ja. Na, und der Titel?«

»Ja, der Titel . . . ?«

»Herr Kästner, wie nennen Sie das Ding?«

»Herz im Spiegel.«

»Und Sie Herr Panter?«

»Schwedenpunsch.«

»Und Sie, Herr Mehring?«

»Nacht auf dem Blocksberg.«

»Also schön – dann heißt die Revue: Jeder einmal in Berlin. Meine Herren, Herr Doktor Milbe wird Ihnen das Weitere auseinandersetzen; ich habe noch eine wichtige Konferenz . . . Auf Wieder –!«

»Gewiß, Herr Generaldirektor. Famos, Herr Generaldirektor!

Also, meine Herren, wie ich Ihnen gesagt habe: die Revue – steht. Nu arbeiten Sie sie um!«

6

»Halt!«

»Warum Halt?«

»Wie kommt der Alligator auf die Bühne?«

[87] »Ich habe das so angeordnet – Herr Klopfer will das so . . . «

»Das hat doch aber . . . hat doch aber gar keinen Bezug auf den Text –? Es ist ein Lied des Kuppelvaters . . . was soll um alles in der Welt . . . «

»Ich schmeiße euch die Rrrolle hin, wenn Herr Panter hier immer stört! So kann ich nicht probieren! Da soll der Teufel probieren – ich nicht! Da –«

»Aber, Herr Klöpfer . . . wir . . . «

»Halten Sie Ihren Mund! Ich erwürrge Sie mit meinen nackten Händen! Wenn ich aus diesem Drecktext nicht was mache, dann lacht kein Aas, dann geht überhaupt keiner rein! Alle Nuancen sind von mir, alles von mir: hier, das mit dem Reifen, und beim zweiten Refrain mache ich falschen Abgang und komm mit ner Gasmaske wieder raus, und wenn ich hier nicht den Alligator auf den Arm nehmen kann, dann könnt ihr mich alle . . . «

»Herr Panter, lassen Sie ihm schon den Alligator –! Es ist vielleicht wirklich ganz gut! (Piano) Am Abend geb ich dem Tier Rizinus!«

7

»Das sing ich nicht.«

»Ja, Kinder, wenn ihr nicht singt, was da steht – ihr könnt doch nicht eigene Verse reinmachen!«

»Warum können wir das nicht! Das können wir sehr schön! Dann mußt du uns eben bessere Texte machen, Panterchen!«

»Gnädige Frau, das geht wirklich nicht. Von mir aus kann ja hier gesungen werden, was will . . . aber mein Name steht auf dem Zettel – –«

»Ich kann das nicht! Ich kann das nicht! Meine Nerven halten das nicht aus! Ich werf euch den ganzen Kram hin! Entweder ich singe hier, oder ich singe hier nicht! Sie gehn überhaupt raus, Sie alter Bock – den ganzen Tag ist der Kerl hinter der Kate her . . . gearbeitet wird hier nichts . . . ich wunder mich, daß ihr die Betten nicht mit ins Theater bringt!«

»Aber, Kindchen . . . es . . . «

»Dieses Bordell ist ein Theater . . . ich meine: dieses Theater . . . ich geh überhaupt ab! Spielt euch euern Dreck alleine –!«

8

»Bühne frei –! Halt mal, nicht! noch nicht anfangen! Was ist, Herr Direktor –?«

»Milbe, ändern Sie mir das um! Hier, das hier im vierten Bild. [88] Unmöglich! Wie konnten Sie das stehenlassen! Stresemann verkehrt im Bühnenklub, so kann man nicht mit unserer Diplomatie umspringen! Herr Kommerzienrat Moosheimer hat mir überhaupt schon Vorwürfe gemacht, daß ich mich auf die Sache eingelassen habe – mir ist schon mies vor der ganzen Revue . . . unntä . . . dann dürfen die Schupos im achten Bild keinesfalls wieder ihre Uniform anziehen; die müssen französische Uniformen nehmen, wir haben ja noch welche aus der vorigen Revue . . . lassen Sie Pichorek mal sofort nachsehen – und das Lied gegen den Reichstag wird gestrichen . . . das . . . «

»Hat aber auf der Generalprobe sehr gewirkt, Herr Direktor!«

»Das ist mir pipenegal! Wer ist hier Direktor, Sie oder ich? Diese revolutionären Texte, ich bin ein guter Republikaner . . . die Karikatur vom Kronprinzen in der Gerichtsszene kommt mir auch runter, es ist leicht, einem toten Löwen einen Fußtritt zu versetzen, außerdem hab ich nicht Lust, euretwegen meine ganzen Geschäftsverbindungen . . . «

»Bühne frei! Gong –!«

9

(›Deutsche Tageszeitung‹): – – Dieser rote Schund – –

(›Vossische Zeitung‹): . . . unser Freund Peter Panter wohl seinen matten Tag gehabt haben mag. Das kann jedem passieren. Aber an solchen Tagen dichtet man eben nicht. Nach der Reichstagsszene, die seltsam salzlos war, ging der Sprecher ab, und wir blieben zurück, ratlos, was das wohl zu bedeuten hätte; es schien dann, als wollte der Schauspieler, der den Reichstagspräsidenten darstellte, noch irgend etwas sagen, aber wahrscheinlich hat hier die Erfindungsgabe des Autoren nicht gereicht . . . was französische Polizisten in einem deutschen Versammlungssaal zu tun haben, wird wohl das ewige Geheimnis unseres Autors bleiben . . . es war kein guter Tag für ihn. Man werfe diesem Raubtier einen andern Braten vor und lasse es durch neue Reifen springen.

10

(Frau Wendriner am Telefon; morgens halb elf) – »hat sie gesagt, wenn sie ein neues Mädchen für dich hat, wird sie mich anklingeln. Du kannst dich unbedingt auf sie verlassen; sie besorgt mir immer die Tassen nach, fürs Geschirr; sie ist durchaus zuverlässig. Gestern –? Im Majolika-Theater, zu der neuen Revue, Premiere. Nei-en – mäßig. Die Bois ganz nett, aber es war alles so durcheinander, wir haben gar nicht gelacht. Es hieß erst, das wär nu die ganz große Sache, aber wir wollten schon nach der Pause gehen. Oskar ist dann noch geblieben, weil er Paul nach der Vorstellung noch sprechen wollte, geschäftlich. [89] Das einzige war noch Graetz und die Hesterberg, sonst gar nichts. Margot hat gestern angerufen; warum du denn gar nicht mal bei ihr anrufst, sie will mich morgen anklingeln, und du sollst doch auch mal Lina anklingeln, damit Lina Trudchen anruft, wegen dem Schleiflack, Käte ist sehr zufrie –«

11

»Sie sind schuld –!«

»Ich? Das ist ja großartig! Sie sind schuld –!«

»Wer hat es gleich gesagt? Wer hat es gleich gesagt?«

»Macht hier nicht sonen Krach im Theaterbüro! Davon kommt das Geld auch nicht wieder! – Statt sich anständige Autoren zu holen! Presber! Remarque! Ferdinand Bruckner! Nein, da holen sie sich ihre guten Freunde ran . . . «

»Das verbitte ich mir.«

»Sie haben sich hier gar nichts zu verbitten – das ist mein Unternehmen, Herr Doktor Milbe –! Was steht ihr überhaupt hier alle rum? Wollt ihr vielleicht Geld von mir? Dafür wollt ihr noch Geld? Wozu zahle ich meine Theaterpacht . . . Ich will euch mal was sagen –«

»Was ist denn das für ein Ton –?«

»Sie sind entlassen! Sie ehmfalls! Ich werde hier mit eisernem Besen . . . «

»Sie mir auch! Diese Dreckbude von Theater – Mahlzeit!«

»Raus hier! Hat einen Charakter wie ein Klosettdeckel –«

»Panter! Los! Ab!«

»Sie hätten . . . « – »Ich habe . . . « – »Sie Riesenroß, wer hat gleich am ersten Tag . . . aber auf mich hört ja keiner, in meinem eigenen Betrieb . . . das wird mir von heute ab . . . ich bin ein alter Theaterhase, und diese Lausejungen . . . Ich verkaufe den Betrieb überhaupt, da könnt ihr sehen, wie ihr ohne mich fertig werdet! Ich geh ins Tonfilmsyndikat oder zurück zur Konfektion –!«


»Ihr kommt runter? Ich geh rauf – mein Geld holen.«

»Da bemühen Sie sich gar nicht erst nach oben. Geld is nich. Aber Krach.«

»Um Gottes willen . . . was ist da oben los? Man möchte ja meinen, es war Mord und Totschlag – wer schreit denn da so –?«

»Das? Das ist die Zeit. Sie schreit nach Satire –!«


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TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1929. Die Zeit schreit nach Satire. Die Zeit schreit nach Satire. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6B7F-8