Das Persönliche

Schreib, schreib . . .
Schreib von der Unsterblichkeit der Seele,
vom Liebesleben der Nordsee-Makrele;
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schreib von der neuen Hauszinssteuer,
vom letzten großen Schadenfeuer;
gib dir Mühe, arbeite alles gut aus,
schreib von dem alten Fuggerhaus;
von der Differenz zwischen Mann und Weib . . .
Schreib . . . schreib . . .
Schreib sachlich und schreib dir die Finger krumm:
kein Aas kümmert sich darum.

Aber:


schreibst du einmal zwanzig Zeilen
mit Klatsch – die brauchst du gar nicht zu feilen.
Nenn nur zwei Namen, und es kommen in Haufen
Leser und Leserinnen gelaufen.
»Wie ist das mit Fräulein Meier gewesen?«
Das haben dann alle Leute gelesen.
»Hat Herr Streuselkuchen mit Emma geschlafen?«
Das lesen Portiers, und das lesen Grafen.
»Woher bezieht Stadtrat Mulps seine Gelder?«
Das schreib – und dein Ruhm hallt durch Felder und Wälder.
Die Sache? Interessiert in Paris und in Bentschen
keinen Menschen.
Dieweil, lieber Freund, zu jeder Frist
die Hauptsache das Persönliche ist.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Das Persönliche. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6315-9