Nachtseele

Schweigsam stieg vom schwarzen Wald ein blaues Wild
Die Seele nieder,
Da es Nacht war, über moosige Stufen ein schneeiger Quell.
Blut und Waffengetümmel vergangner Zeiten
Rauscht im Föhrengrund.
Der Mond scheint leise in verfallene Zimmer,
Trunken von dunklen Giften, silberne Larve
Über den Schlummer der Hirten geneigt;
Haupt, das schweigend seine Sagen verlassen.
O, dann öffnet jener die langsamen Hände
Verwesend in purpurnem Schlaf
Und silbern erblühen die Blumen des Winters
Am Waldsaum, erstrahlen die finstern Wege
In die steinerne Stadt;
Öfter ruft aus schwarzer Schwermut das Käuzchen den Trunknen.

Notes
Erstdruck in: Phöbus, 1. Jg., 1914, Heft 3.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Trakl, Georg. Nachtseele. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5854-0