Bismarck

Zehen Jahre sind dahin geschwunden,
Seit er starb. Das treue Vaterland
Steht in diesen weihevollen Stunden,
Wie es nie an seiner Bahre stand.
Unser Kaiser wird den Lorbeer winden,
Wird in Wehmut, die zum Himmel steigt,
Heiße Worte jenes Dankes finden,
Den im Leben er ihm auch gezeigt.
Generäle schmettern starke Worte,
Und Minister sprechen tief gebückt
Uns von Bismarck, Deutschlands starkem Horte,
Was sie früher ängstlich unterdrückt.
Schweiget still! Es singen Liedertafeln
Von Gefühlen, die uns keiner raubt,
Und die wohlgesinnten Männer schwafeln
Von der Treue, die man jetzt erlaubt.
Auch die tapfern, alten Korpsstudenten
Zeigen jauchzende Begeisterung,
Bei den staatsgetreuen Elementen
Kommen dürre Seelchen in den Schwung.
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Hörst du, Bismarck, den Bedientenjubel?
Siehst du ihn aus seligem Gefild?
Sage selbst, ist der Lakaientrubel
Nicht ein vaterländisch schönes Bild?
Und so herrlich, daß in solchen Tagen
Du die alte Bitterkeit vergißt?
Ja, auch dies ist leichter zu ertragen,
Daß dein Erbe schon verschleudert ist.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Bismarck. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-51B1-7