[74] XIII.
Hylas.

Nicht uns einzigen brach't, wie wir meinen, den Eros zur Welt einst,
Nikias, welche das Kind von den Göttinnen nun auch geboren;
Uns nicht als ersten erschien was schön ist wirklich als Schönes,
Die wir Sterbliche sind und nicht bis morgen vorausseh'n:
Auch des Amphitryon Sprößling, der erzdurchherzete, welcher
Muthig den Leuen bestanden, den grimmigen, liebte den Knaben
Hylas, den anmuthvollen, den Träger des Lockengeringels.
Alles auch lehret' er ihm wie der Vater dem theueren Sohne,
Wessen er selber belehrt gut ward und ein Lied für die Menschen.
Nie war fern er von ihm, nicht wann hoch ragte der Mittag,
Nicht wann Eos mit weißem Gespann Zeus' Himmel hinauffuhr,
Noch wann wieder in's Nest einblicken die piependen Küchlein,
Während die Fittige schüttelt auf ruß'gem Gestänge die Mutter,
Daß ihm recht nach dem Herzen der Knabe gefertiget werde,
Und in richtiger Furche zum Mann, zum wahren, gedeihe.
Doch als zum goldenen Vließ von Haus absegelte Jason,
Aeson's Sohn, und ihm folgten die edelsten Helden aus allen
Städten, erlesen mit Wahl, wo Einer der Sache von Nutzen,
Kam auch zur herrlichen Jolkos der Arbeitkühne, der Kämpfer,
Welchen Alkmene geboren, die mideatische Fürstin;
Und mit Jenem bestieg die gefestigte Argo auch Hylas,
Welche berührt nicht ward von des schwarzen Geklippes Gemeinstoß,
Sondern sie flog hineilend zum tiefausmündenten Phasis,
Rasch wie ein Aar, durch's Meer, und seitdem standen die Klippen.
[75] Wann der Plejaden Gestirn' aufgeht, und die äußersten Felder
Füttern das kindliche Lamm, und schon sich gewendet der Frühling,
Dann erst dachte der Fahrt der Heroen unsterbliche Blüthe,
Und auf die Bänke gesetzt in der hohlausbauchenden Argo
Kamen zum Hellespontos, vom Süd drei Tag' sie bewehet;
D'rauf in der Bucht der Propontis anlegend nun, wo der Kianer
Breitend Gefurch' hinziehen, den Pflug abnützend, die Stiere,
Stiegen sie aus an den Strand und bereiteten je nach der Schiffbank
Mittagkost, und es häuften gemeinsam ein Lager sich Viele,
Denn da lag auf's Bequemste, um Streu zu gewinnen, ein Wiesgrund,
Wo sie sich Butomos schnitten, den scharfen, und wuchernden Galgant.
Hylas, der Blonde, auch gieng, daß Wasser er hol' zu der Mahlzeit,
Für den Herakles selbst und den Telamon, männlicher Seele,
Die an einerlei Tisch stets aßen, die Beiden, als Freunde.
Tragend den ehernen Eimer gewahrt' er in Kurzem die Quelle
In abschüß'gem Geheg', viel Binsen erwuchsen im Umkreis,
Schöllkraut, dunkel umblaut, und grünendes Haar Aphrodite's,
Lustige Triebe des Eppichs und bodenbekleibende Quecken.
Mitten im Born doch waren zum Tanze getreten die Nymphen,
Niemals schlafende Nymphen, die Schreckgottheiten des Landvolks,
Euneika und Malis und frühlingblickend Nycheia.
Und an die tränkende Flut anschmiegte den Krug, den geräum'gen,
Ein ihn zu tauchen, der Knab': da faßten sie alle die Hand ihm;
Denn um das luftige Herz zog allen der Liebe Umhüllung
Zu dem argeiischen Kind, und es glitt in das dunkele Wasser
Jach, wie ein funkelnder Stern von dem Himmel herunter entgleitet
Jach in das Meer, und Einer bemerkt zu des Schiffes Genossen:
»Loser die Segel gemacht, ihr Jungen; es naht uns der Fahrwind!«
Drunten, im Schooße den Knaben, den weinenden, haltend geschweigten
Ihn mit freundlichen Worten die schmeichelnden Nymphen der Quelle.
Aber Amphitryon's Sohn, voll stürmischer Angst um den Liebling,
Eilte hinweg mit dem Bogen, dem krummen (nach Art der Mäoten),
Und mit der Keule, von welcher die Rechte ihm nimmer sich trennte.
Dreimal rief er den Hylas, so weit aushallte die Kehle,
Dreimal hört' es der Knab', und verklingend empor aus dem Wasser
Reichte die Stimm', und weit in den Fernen erschien ihm der Nahe.
[76] Wie wenn ein mähniger Leu von weitem die Rufe des Hirschkalbs,
Tönen gehört auf den Bergen, ein blutigverschlingender Löwe
Und von dem Lager enteilt zum sicher bereiteten Schmause,
Also schweifte Herakles in undurchpfadeten Dornen
Sehnsuchtsvoll nach dem Knaben, im Lauf weit packend die Gegend.
Unglückselig, wer liebt! Was duldete Jener im Irren
Ueber Gebirg und Wald! und Jason's Sache verschwand ihm.
Voll stand allen Gefolges mit ragenden Rahen des Fahrzeug,
Mitten zur Nacht erst hißten die Jünglinge auf ihm die Segel,
Immer Herakles erharrend; doch wild wie die Füße ihn trugen,
Schweift er dahin, denn schwer durchbohrte die Leber der Gott ihm.
So wird Hylas, der schönste der Knaben, gezählt zu den Sel'gen,
Doch Schiffsflüchtigen schalten Herakles alle Heroen,
Weil insgeheim er verlassen die dreißigbankige Argo.
Landher kam er nach Kolchis und zum ungastlichen Phasis.

N.

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TextGrid Repository (2012). Theokrit. Lyrik. Idyllen. 13. Hylas. 13. Hylas. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-4FB5-E